Potsdam - Neubauquartier III am Alten Markt

  • Vor dem Brand 1795 waren alle vier Häuser an der Westseite des Alten Marktes einheitlich in der Höhe und die drei nördlichen Häuser bildeten eine zusammenhängende Großfassade.

    Auch nach dem Brand war die Einheitlichkeit der Bauhöhe gewahrt geblieben. Der Umbau Nr. 15 im historistischen Stil hat daran nichts geändert. Man erkennt diverse Bastelgauben hier und da, welche in den 1930er Jahren wieder entfernt wurden. "Klassizistische Gauben" (was soll das sein?) gab es dort nie.

    Die Render haben dies auch wohl wissend so versprochen: eine einheitliche Höhe, wobei die Statuen auf den Leitbauten den krönenden Abschluss bilden. (Das Eckhaus Am Alten Markt 13/14 wurde ebenfalls leicht erhöht, was man diskutieren kann, aber hier ist wenigstens das bedeutendere Haus erhöht.)

    Visualisierung (Wohnungsbaugenossenschaft "Karl Marx" Potsdam eG)

    Nun gab es ja bekanntlich einen Wettbewerb und Bauvorschriften, in dem Fall auch für den privaten Bauherrn im relevanten Haus Nr. 16 neben dem Leitbau. Als Höhe bis zur unteren Dachkante wurden 14,75m festgelegt und es wird interessant, ob diese auch eingehalten wird. Es ist ja kein Zufall, das Abweichungen immer in Richtung Renditeoptimierung gehen. Die beiden Genossenschaften Marx und PWG haben sich anscheinend an die Pläne gehalten und dafür kann man sie auch loben.

    Quelle: Bewerbungs- Unterlagen Entwurf 6a https://potsdamermitte.de/media/downloads/21088.pdf

  • Sehr, sehr interessant! Ich sage mal folgenden Satz: Wenn die Vorgaben die aus der Bauordnung selbst oder aus dem B-Plan resultieren um mehr als die die erlaubte Bautoleranz abweichen ist das schlicht illegal und muss auf Kosten des Bauherren rückgebaut werden.

  • "Erdrückend"? Weil der ehem. Markt 16 etwas höher ist als der ehem. Markt 15 entfaltet dieser doch keine "erdrückende Wilkung". Die wäre in diesem Beispiel zu sehen.


    Die Bewerbungsunterlagen wären doch ein Frühe Phase der Vergabe der Grundstücke. Nach dem Zuschlag haben die Bauherren die Grundstücke mittels eines Anhandhabevertrages zu Beplanung bekommen - kaufen konnten sie noch nicht. Dann kam die Gesamtabstimmung aller Entwürfe, auch unter der Maßgabe des Denkmalschutzes. Hier sind die Kriterien des Ensembles und der Einzelbauten überein zu bringen.

    1. Eine durchgängige Trauflinie ist nicht erwünscht.

    2. Die Dachgeschosse müssen von der Höhe her ordendlich nutzbar sein, schliesslich sind ein Großteil der Wohnungen mit temporären Nutzungskreisbeschränkungen (Miethöhe) verbunden.

    3. Gewünscht ist ein kleinteiliges, vielfältiges Bild mit einem gemeinsamen Nenner, der durch die Leitfassaden (deshalb heißen sie so) gesetzt wird.

    Insofern kann ich die Erbsenzählerei von Strelitzuis nicht verstehen. Zudem sitzt er erneut dem Irrtum auf, dass es sich bei der Wiederherstellung der Potsdamer Mitte um eine Reproduktion des früheren Zustandes handelt - das ist es aber nicht. Die Mitte ein Neubauprojekt mit Leitbauten. Die historischen Maße des Marktes 16 spielen keine Rolle.

  • Quote

    1. Eine durchgängige Trauflinie ist nicht erwünscht.

    Vor dem Brand 1795 waren alle vier Häuser an der Westseite des Alten Marktes einheitlich in der Höhe und die drei nördlichen Häuser bildeten eine zusammenhängende Großfassade.

    Das ist dann eben ein Zielkonflikt. Jede Zeit hat ihr ästhetisches Empfinden früher war es mal den Gesamtauftritt mehrerer Häuser zur „großen Schaufront“ zu steigern. Ich hätte es mir wie unify also strenger gewünscht. Ich liebe diese Seite Potsdams in der sich viele Einzelleistungen dienend der Gesamtidee verschreiben. Man hat sich hier im Konsens beim Neubauprojekt auf „pitoresk“ in Ableitung eines vorherrschenden Individualismus geeinigt, ist doch auch lieb und passt ganz wunderbar in den bestehendem Zeitgeist. Alles also nicht schlimm lieber Konstantin. Alles ist gut.

    Dieses Foto ist vergangenes Wochenende entstanden als die JUGHND zu Besuch in Potsdam war.

    Fassung 21. Jahrhundert.

    Fassung 18. Jahrhundert. Mit städtischer Großfassade aus dem Vorbeitrag von Unify.

    Zweites Mitbringsel mit freundlicher Genehmigung eines JUGHND Mitglieds. Der Neubau von Bruno Fioretti Marquez. Alles in allem wird das wieder ein ganz toller gefasster Raum. Leider stören mich hier die Velux-Fenster auf der Schauseite sehr. Konstantindegeer hat die zur Belichtung und Belüftung notwendigen Dachflächenfenster bei seinem eigenen Neubau noch auf der Rückseite der Kellertorwache „verstecken“ können. Was jedenfalls ein guter und stadtbildverträglicher Kompromiss von Nutzungsanspruch und Anspruch an die Baukultur ist.

  • Da ich alle Unterlagen zu den Ausschreibung und die historischen Recherchen zur Ausschreibung kenne glaube ich, dass unify da etwas ganz Feines entdeckt hat, dass den Verantwortlichen der Stadt schlicht nicht klar war. Ich wusste dies im übrigen vor Unifys Beitrag auch nicht. Nämlich, dass die historischen Grundstücke Alter Markt 14-16 vor dem Brand der Kirche 1797 eine Großfassade ausgebildet haben.

    Vermutlich war es - wie beim Barberini, dem damaligen Schultze-Diekowschen Haus - zur Zeit EffZwos eine reine Fassadenvorblendung vor Privathäusern. Diese vorgeblendeten Fassaden sind aus dem Immediathausfonds des Könighauses bezahlt worden, der Unterhalt für diese Fassaden wurde bis 1918 bezuschusst.

    Städtebaulich ist das das Aquivalent zum Predigerhaus auf der Ostseite (Nach dem Palazzo della Consulta in Rom). Schon beim Wiederaufbau unter Friedrich Wilhelm III war das Großfassadentheme offenbar egal und die Interessen der Privateigentümer nach mehr Geschoßfläche und individueller Gestaltung haben sich durchgesetzt.

    Hier - über den Baron hinaus - ein Stich aus den 1770er-Jahren:


    Und das Predigerhaus:

    Kennt jemand noch weitere Darstellungen dieser Großfassade?

    Die Stadt ging bei den Vorgaben für den Block III von der wiederaufgebauten Fassung nach 1797 aus. In den Unterlagen für den Wettbewerb gibt es lediglich Aussagen zu den "historischen Fassaden" ohne die Differenzung vor/nach dem Brand vorzunehmen. Die Seite aus den Unterlagen:

    In den weiteren Ausführungen ist als Referenz der "Zustand von 1944" erwähnt. Wann sich dieser Hinweis in den komplexen Prozeß der Mitte eingeschlichen hat wäre eine Recherche wert. Zu Beginn referierte das Leitbautenkonzept glasklar auf den Zustand aus der Zeit Friedrichs des Großen, wie wir bei den ovalen Oculi des Klingnerschen Hauses diskutiert haben. 1944 hätte ja eine Reproduktion des kaiserzeitlichen Zustandes bedingt.

  • Was die Reliefs am Klingerschen Haus betrifft, sind die wahrscheinlich aus einem Betongussverfahren, denn man sieht poröse Stellen an den äußeren Kanten, wo es nicht genug Durchmischung gab.

    Ist das wirklich so? Schau(t) mal auf das Detailbild #21 des Bautagebuchs für Juni '23:

    Potsdamer Mitte Bautagebuch
    Potsdamer Mitte, Bautagebuch, Baudokumentation, Architekturdokumentation
    www.leonlenk.de

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Mantikor hat Recht: bei Leon Lenk sieht man, dass es sich um Sandstein handelt. Von der Zeichung her scheint es dem sog. Cottaer Sandstein recht ähnlich. Zudem ist die Fräsung deutlich erkennbar, weil eine Bearbeitung von Hand nicht so perfekt wäre. Ich glaube aber, dass diese Sonnen eine neue Idee waren, das Haus ist ja leider keine Leitfassade. Um 1850 ware da noch anderer Schmuck drin...

    Zeichnung von Ziller 1858:

  • Wir reden doch vom Klingnerschen Haus? Das soll keine Leitfassade haben?

    Das Klingnersche Haus ist eine Leitfassade. Der Strelitzer meint ja dass das Nachbargebäude, der ehem. Alte Markt 16 und künftige Alte Markt 4, zu hoch geraten sei. Dies ist keine Leitfassade.

    Und die Sonnen aus Sandstein befinden sich im Hellmund-Piernschen Haus, ehem. Alter Markt 14/15. Das ist ebenfalls keine Leitfassade sondern ein Neubau mit Gestaltungsempfehlungen. Der Gewinner des Wettbewerbes war die WBG Karl Marx, der Entwurf ist von der Denkmalpflege erheblich überarbeitet worden. Das ist zudem der Bau, der 1797 abgebrannt und mit dem neckischen Relief feuerlöschender Putti wiederaufgebaut wurde, die leider nicht wiederkehren.

  • Danke, hab mich eh nicht ausgekannt, was diese Ornamentik mit den Klingnerschen Haus zu tun haben soll. Es ist nur weil Unify geschrieben hat:

    Quote

    Was die Reliefs am Klingerschen Haus betrifft,

  • Das Klingnersche Haus hat Reliefs in den Aediculae der Belle Etage. Das sind Weinrankenmotive, die auf die ursprüngliche Nutzung des Hauses als Gasthaus hinweisen.

  • Ich war gestern an der Baustelle vom Plögerschen Gasthaus.

    Wichtig ist zu erwähnen ,es ist jetzt Halbzeit was die Maurerarbeiten an der Betonfassade betreffen.

  • Einige Bilder vom Baufortschritt am ehemaligen 'Plögerschen Gasthaus':


    Potsdam

    Oh, jeminei ... ! Ist das Ecknischenkapitell nicht etwas zu tief in den Mauerverband eingesetzt worden? Wenn da noch eine Verputzschicht drauf kommt werden ja die Eckvoluten halb überdeckt ... ? question:) :sad:

  • Ich war gerade in Potsdam - es ist einfach eine herrliche Stadt. Der Alte Markt kann sich schon sehen lassen, aber leider stört der DDR-bau links des Rathauses schon sehr. Ansonsten ist es unglaublich wie viele schöne Häuser und Schlösser es in der Stadt gibt.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Nach Wochen der Stagnation im Blickfeld der Webcam sind seit heute am Nachfolgebau des Hellmund-Piernischen Hauses die Dachdecker am Werk. 🙏🏻

    YellowFeed

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Ich sehe nur Doppeldeckung

    Die oberste Lage, direkt unter dem First ist bis jetzt bei allen neuen Dächern in Kronendeckung.

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