Deutscher infantilistischer Architekturpreis

  • Hallo zusammen,

    nachdem wir nun das "Bauwerk des Jahres" erfolgreich etabliert haben, ist es meiner Meinung nötig, auch einen Gegenpreis für außerordnetlich schlechte aktuelle Architektur zu küren. Mein Vorschlag für diese "goldene Himbeere" lautet "Deutscher infantilistischer Architekturpreis".

    Bedingungen zur Teilnahme: außerordentlich schlechte Architektur.
    Kriterium 1: es kann von einem normal-durchschnittlichem Kleinstkind, zwischen 2 bis 5 Jahren, ohne Hilfe, mittels Lego, zusammen gesteckt werden.
    Kriterium 2: es ist im selbigen Jahr in Planung (der Allgemeinheit veröffentlichte Planung, wie unteres Bauschild) oder bereits in Errichtung oder im selbigen Jahr fertig gestellt.
    Kriterium 3: muss auf dem Gebiet der BRD in Planung, Bau oder fertig gestellt sein.

    Und hier gleich mein Vorschlag für eine Nominierung 2018:
    das neue Go:Inn II, ein Gewerbezentrum für Labor-(Forschungs-)Unternehmen.

    Warum ist dieses Gebäude für den neuen infantilistischen Architekturpreis geeignet?
    - einfachste Grundstruktur aus geometrischen Grundkörpern,
    - keine Gliederung der Fassade, nicht einmal der Haupteingang (gibt es den?) ist erkennbar,
    - das besondere Merkmal: die invertierte Treppenstruktur führt zur einseitigen Belastung des Bau-Körpers. Dieser kippt nach rechts ab und führt damit zu einem massiven Ungleichgewicht. Jedes Kleinstkind würde nach einmaligem Bauen eines solchen Körpers die Instabilität erkennen und dies ab dieser Erfahrung vermeiden.
    Wer würde gern auch nur einen Tag in dieser Luftleere unter sich verbringen?

    Auch wenn es auf der grünen Wiese errichtet wird, zeigen doch die Nachbarbauten, dass auch anders zeitgenössisch gebaut werden kann.


    Im Hintergrund das Go:Inn, der erste Bau, der nach ca. 10 Jahren Nutzung nun aus allen Nähten platzt, weshalb seit mehreren Jahren nun schon ein Erweiterungsbau von den Nutzern gefordert wird...

    Grüße
    Luftpost

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (3. Februar 2018 um 18:20)

  • Die Idee ist nicht schlecht

    Das höchste Lob aus deutschem Munde! :koenig:

    Natürlich ist die Idee super. Haben wir ja auch schon mehrfach diskutiert. Ich wäre für einen gewissen Loriot-esken Anstrich des Ganzen. Eine satirische Herangehensweise. Da könnte man ggf. auch einen Comedian o.ä. dafür gewinnen.


    Zur Nominierung "Go:Inn II": Ehrlich gesagt, solche Bauten auf "grüner Wiese" jucken mich praktisch nicht die Bohne. Zumal dieser Bau mit seiner abgetreppten Fassade sogar mehr Gestaltungsambition zeigt als 95% der restlichen CAD-Fassaden, so erschreckend das ist. Für mich kein potenzieller Gurkenpreisträger... Dann lieber eine handfeste innerstädtische/altstädtische Bausünde wie dieser Müll in Graz/Ö: Graz - Am Pfauengarten


    Oder das Museum in Regensburg.

    Wäre auch ein Signal Richtung UNESCO, endlich mal wieder ihrer Aufgabe zum Schutz der Welterbe-Ensembles gerecht zu werden.

  • Lass uns ein bisschen abwarten, Johan! Dieser Strang ist doch kaum ein paar Stunden alt. Die Liste für eine Abstimmung muss doch erstmal zusammengetragen werden. :)

  • Infantilistisch triffts mE nicht so recht, mißlungen allein auch noch nicht so ganz, vielleicht fällt jemand noch was besseres ein. Aber die Nominierung der umgedrehten Treppe für eine Art "schlechtes-Bauen-Preis" finde ich durchaus gerechtfertigt, denn da werden die Fenster drunter verschattet, und daß die Eingänge nicht richtig markiert sind, sehe ich auch als Manko.

  • Eigentlich bräuchte man drei Preise: der erste für armselige Ideen wie die Treppe, der zweite für maximal unpassende Ideen (oder architektonischer Vandalismus in intakten Quartieren), und der dritte für nicht erkennbare Ideen (wild über einen Würfel verteilte Fenster ohne jegliche erkennbare Struktur).

    Von Nr. 3 dürfte es zzt. am meisten geben, was die Auswahl schwer macht, zumal die ja auch alle irgendwie gleich sind. Auf der anderen Seite finde ich die auch am schlimmsten.

  • Hallo Maßwerk,

    diesen Preis zu unterteilen halte ich für gut. Auch bei der Himbeere wird das so gemacht. Ich würde dann jedoch zunächst das nicht inflationär betreiben und zu viele kleine Preise vergeben. Gerade der / die erste(n) Preis(e) müssen den gehörigen Wumms entfalten, um wahrgenommen zu werden. Erst wenn der Name / der Preis auch etabliert ist, kann man ihn zuksessive ausweiten und differenzieren.

    Eine erste Differenzierung in
    1. maximal unpassende, unausgegorene und stümperhafte Ideen und
    2. architekonischer Vandalismus in Stadtkernen
    genügt vollständig.

    Die 1 kann dann für alle Gebäude, auch auf der grünen Wiese, vergeben werden. Ein allumfassender schlechte-Architektur-Preis.
    Die 2 wäre dann auf das primäre Thema des Vereins zugeschnitten und richtet sich -als Tadel- an den Architekten, wie die ortsansässige Verwaltung, die ein (halbwegs) intaktes städtisches Quartier durch Neubebauung zerstört oder verschandelt haben.

    Weiter würde ich zunächst nicht unterteilen.

    Zu Infantil noch mal schnell die möglichen Bedeutungen heraus gesucht:
    kindisch, blöd, unreif, unterentwickelt, zurück, zurückgeblieben, albern, grün, naiv, albern, kindlich, affig, beschränkt, töricht, jung, unfertig. Meiner Ansicht nach sehr zutreffend. Wozu haben diese "Architekten" Architektur studiert, wenn danach ein Entwurf heraus kommt, wie diese Schildbürger-Treppe, die Kleinstkinder mit Lego mindestens einmal zusammen stecken, um es danach zu lassen, weil das Haus dann umfällt?

    Ansonsten: Schildbürger-Architekturpreis. Ist meiner Meinung nach aber zu sehr Holzhammer und wird dann nicht wahrgenommen, da gleich und unmittelbar als Kritik zugeordnet. Man sollte sich aufgrund des Namens doch ein wenig damit beschäftigen müssen. Die Kritik darf nicht gleich mit dem Lesen offenkundig werden, sondern sollte mit deutlicher Ironie erst mit dem zweiten Lesen sichtbar werden. Dann hat der in unserer heutigen Holzhammer-Medienwelt vielleicht auch eine Chance, da er zwischen den ganzen anderen Holzhammern einfach unter geht...

    Grüße
    Luftpost

  • Von Nr. 3 dürfte es zzt. am meisten geben, was die Auswahl schwer macht, zumal die ja auch alle irgendwie gleich sind. Auf der anderen Seite finde ich die auch am schlimmsten.

    Vielleicht kann man das mit einer Art "Ehrung für das Lebenswerk" abdecken, also kein bestimmtes Gebäude sondern ein gesamter architektonischer Trend.
    Damit könnte man auch Dauerverschandelungen abdecken, wie Fassaden, die erst zu Tode gedämmt und dann quietschbunten Anstrichen bemalt werden.

  • "die Ungestalt des Jahres". Aber das wäre vielleicht wieder zu offensichtlich (Luftpost meint ja, man bekäme es besser unter die Leute, wenn es einen neutraleren Namen hat, analog der "goldenen Himbeere").

    Halt, da fällt mit noch was ein: "3D-Preis" - für "Das Doofe Ding".

  • Der Vorschlag, eine Negativ-Auszeichnung für das hässlichste Gebäude des Jahres zu vergeben, wurde hier früher schon einmal erhoben - ich weiß nicht mehr wo -, und ich wiederhole gerne meine damals geäußerte Skepsis gegenüber dieser Idee. Das Epitheton "hässlich" lässt sich noch schwerer aus objektiv zu erhebenden Kriterien ableiten als das Wörtchen "schön". Ich weiß aus Erfahrung, dass in unseren Kreisen jedes glatt, ungegliedert und schmucklos sich präsentierende Bauwerk kurzerhand als "hässlich" abqualifiziert wird und dass die Neigung vorherrscht, ebenso pauschal das Glatt-Nüchterne zu verdammen, wie man zwei Generationen früher das differenziert Gestaltete verdammt hat. Ich bin überzeugt, dass unser Verein im Handumdrehen seine Reputation verspielen wird, wenn er der verbreiteten populären Aversion gegen alle Modernität in der Architektur durch eine Scheinkompetenz beizupflichten versucht.

    Die Beiwörter "schön" und "hässlich" sind im Umgang mit Architektur möglichst zu vermeiden. Man kann aber sehr wohl auf das Angemessene, Passende, auf die harmonische Einfügung hinsichtlich Baukörperkontur, Materialität, Proportionierung, Gliederung, Farbe verweisen und natürlich auf das Fehlen dieser Qualitäten. Die eine Feststellung unterstreicht das Streben nach Harmonie, Ordnung, Stimmigkeit, die gegenteilige verweist auf eine ins Chaos tendierende Ungestalt. Nur sind diese beiden Beurteilungsrichtungen nur mit größter Behutsamkeit zu vergeben. Und diese Behutsamkeit ist eher zu erzielen, wenn man das qualitativ Herausragende rühmt als wenn man das Missratene anprangert. Das Missratene ist im heutigen Deutschland Legion und keine dieser Missgeburten ist es wert, dass man ihr viel Aufmerksamkeit widmet und sie in eine Rangordnung des Missratenen einzuordnen sucht. Das Vorbildliche zu preisen ist genug, das Missratene übergehen wir durch Nichtbeachtung.

  • Wenn, nur durch die Mittel der Ironie. Wehmütig angehauchte Heiterkeit, die nicht zu stark tadelt, aber deutlich mahnt. Ein Anti-Oscar mit positivem Hauch.

    So etwas wie: "Der 'Abbaubar 2018' geht an..."

    Dazu das Knautschgesicht von Pastewka.

  • "Infantil" würde ich aber schon eine treffende Ausdrucksweise finden, denn sie ist nicht ehrverletzend, aber sie kann einen Architekten in seinem Stolz schon herabwürdigen, was der Sinn der Sache wäre.

    Bei "Bausünde des Jahres" oder "Schlechtester Bau des Jahres" gibt es von den Betroffenen höchstens ein Schulterzucken mit einem Grinsen hinter den Stockzähnen, und die denken sich dabei "Ja, ihr lieben Unwissenden, das ist doch nur Geschmackssache, und ihr versteht ja eh nichts von Architektur und Kunst".

    Gegen den Begriff "infantil" kann man sich weniger wehren, denn er kann auch von Unwissenden sofort mit Lego assoziiert werden.

  • Hallo zusammen,

    also mit Karbunkel-Award kann ich mich auch anfreunden. Jedoch muss bei diesem Namen nachgeprüft werden, ob die Tomys darauf evtl. ein Markenrecht haben.

    Ich möchte noch einen Vorschlag einbringen :
    deutlich infanstilistischer Architekturpreis. Eine Zusammensetzung aus infantil und stilistisch. Kommt dem Ironischen noch näher...

    ... Das Vorbildliche zu preisen ist genug, das Missratene übergehen wir durch Nichtbeachtung.

    Das Missratene allein nur zu Ignorieren, führt nur zu erneuten Mißratenem. Und in der Folge zu immer noch mehr Mißratenem. Dieser Negativ-Kreislauf wird dann nicht mehr durchbrochen, da sich die Wenigen, die das Mißratene noch als solches erkennen, in Ignoranz üben und nichts sagen, also zulassen. Dem Lob muss der Tadel gegenüberstehen. Sonst wird alles möglich und dann auch alles sein.

    Grüße
    Luftpost

    5 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (5. Februar 2018 um 16:40)

  • Halle zusammen,

    vielleicht sollten wir eine Abstimmung starten:
    ironisch-negativer Architektur-Preis : ja | nein.

    Wenn der angenommen wird, dann können wir einen 2.Durchgang zum Namen starten.

    Grüße
    Luftpost