• Bad Kreuznach liegt in einem breiten Talkessel an der Nahe, auch Bad-Kreuznacher Bucht genannt und zwischen dem Hunsrück und Rheinhessen, daher hat der Ort klimatisch gute Bedingungen für eine Ansiedlung. Die Kelten und Römer haben nicht umsonst hier Spuren hinterlassen (ein Ort Namens „Cruciniacum“ ist nachgewiesen). Nach der Völkerwanderung ließen sich germanische Stämme nieder zunächst die Burgunder, dann die Franken, welche unter dem Frankenkönig Karl den Großen den Ort zum "Königshof" und später zum Reichsdorf machten. Seit dem 13. Jh. ist der heutige Name „Cruzenach" erwähnt. Zunächst kam der Ort an die Grafen von Sponheim, danach teilten sich die Grafen von Veldenz, die Markgrafen von Baden und Pfalzgrafschaft Pfalz-Simmern die Stadt jeweils. Im 17. Jh wurde die Stadt nach Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg 1618-48 und ein zweites Mal durch die Franzosen 1689 vollständig zerstört. Seit 1708 gehörte Bad Kreuznach komplett zur Kurpfalz. In der franz. Revolution und der Naopoleonischen Zeit wurde die Stadt erneut in Mitleidenschaft gezogen. Im 19. Jh. fing dann die Industrialiserung an und der Kurbetrieb. Im Zweiten Weltkrieg wurde der südliche Teil der Innestadt fast komplett zerstört durch die Alliierten (1.800 der 3.500 Wohnungen). Die Wiederaufbauzeit erfolgt in diesem Teil der Stadt leider eher mittelmäßig. Heute hat die Stadt rund 50.000 Einwohner und ist ein Mittelzentrum für die umliegende Gegend.


    Fangen wir unserem Rundgang durch die Stadt an der Nahebrücke an mit den Brückenhäusern, dem Wahrzeichen der Stadt. Blick von Südwesten:



    Die Brücke selbst wurde bereits 1332 errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg restauriert (der nördiche Teil ist komplett neu). Neben der Krämerbrücke in Erfurt und der Inneren Brücke in Esslingen ist es die einzigste bebaute mittelalterliche Brücke im heutigen Deutschland:



    Die beiden nach Süden verschieferten Brückenhäuser (Mannheimer Straße Nr. 94 und 96) sind die ältesten und wurden im 17. Jh errichtet:

    Auf dem anderen Ufer der Nahe erkennt man schon die Nachkriegsbauten:


    Dieses Brückenhaus (Nr. 92) wurde Ende des 16. Jh. im Kern errichtet, ist also das älteste Brückenhaus und wurde im 19. Jh, überformt:

    Das Nachbarhaus (Mannheimer Straße 90) wurde 1829 errichtet:

    Und dessen Nachbarhaus wiederum ist noch jünger (1903)

  • Von der Brücke aus betrachtet, sehen die Häuser wieder ganz anders aus:

    Die Nr. 69 ist das einzigste Brückenhaus, welches an der Nordseite der Brücke, und auf der kleinen Insel ebaut wurde. Es wurde vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges errichtet:

    Der rote Anbau mit Treppengiebel stammt aus den 1930ern:

    Die Vorderseite des Brückenhauses Mannheimer Straße 92 mit verschieferten Eckerker:

    Und das Nachbarhaus, die Nr. 94. Hier hat man die beiden sehr markanten Eckerker und die Obergeschosse total verputzt. Im Kern handelt es sich aber um ein Fachwerkhaus mit höchster Wahrscheinlichkeit einem herrlichen Schmuckfachwerk (die reich verzierten Fenstererker beweisen es). Warum legt der Besitzer das Fachwerk nicht frei? Das würde das Stadtbild verbessern!




    Das schreit geradezu nach einer Freilegung!




  • Das zuletzt gezeigte Brückenhaus (Mannheimer Straße N°94) ist vor kurzem verkauft worden und soll saniert werden. Damit besteht zumindest die Hoffnung, dass sich die brückenseitige Ansicht demnächst deutlich verbessert; zumindest entnehme ich das dem im Weiteren verlinkten Artikel.
    Ob gegebenenfalls Fachwerk freigelegt wird oder überhaupt werden kann, ist damit natürlich nicht gesagt. Vielleicht gibt es eine alte Ansicht (Gemälde, Stich), die einen unverputzten Zustand des Hauses zeigt?

    Kreuznacher Brückenhaus ist verkauft – Nun soll wieder Leben einziehen - Rhein-Zeitung

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das Brückenhaus Nr. 96. Auch dieses Gebäude ist ein Fachwerkhaus und leider verputzt. Das Dach verrät übrigens, dass wir uns in Bad Kreuznach befindet, da die Stadt genau an der Grenze zum Schiefergebirge (Hunsrück) liegt!

    Wunderschön der Eckpfosten im Erdgeschoss, welcher wie ein Baum mit seinen Ästen das Obergeschoss "hält":



    Nr. 98 ist ein "halbes" Brückenhaus. Es steht zwar halbwegs auf festem Boden, kragt aber weit über das Ufer an der Brücke. Ich schätze, dass es eine Rekonstruktion aus den 50er Jahren ist (der Erker ist ein Indiz)



    Direkt südlich von der Brücke, auf der Insel, steht die Pauluskirche:

    Der Chor und das Querhaus stammen aus dem 15. Jh und sind somit noch gotisch. Der Turm und das Langahaus sind aus dem 18. Jh.

    Auf dem Berg auf der anderen Naheseite befindet sich die Kauzenburg mit Bauelementen aus den 70er Jahren. Wir besuchen sie später:

  • Bleiben wir nun in dem Bereich südlich von der Kirche. Hier beginnt nämlich mit der Kurstraße das Kurviertel mit klassizistischen Häusern des 19. Jh. :

    Am Ende dieser Straße steht das große Kurhaus mit Parkhotel. Es wurde 1913 von Emanuel von Seidl errichtet:



    Schräg gegenüber befindet sich das monumentale Bäderhaus mit seinen Kolonaden von 1911/12:

    Kehren wir um und gehen am Ufer des südlichen Flussarms der Nahe vorbei. Hier sieht man die Bausünden des schwer getroffenen Teils der südlichen Innenstadt: (wir schauen uns diesen Teil der Stadt später genauer an)

  • Befassen wir uns nun zuerst mit der nördlichen Innenstadt. Sie wird zwar fälschlicherweise als "Neustadt" offiziell bezeichnet, aber sie ist der Kern Bad Kreuznachs mit geschlossener Altbausubstanz. Dies ist einmalig in Deutschland eye:) Daher wird dieser Stadtteil auch mit einem Zusatz "historischen Stadtkern" auf den Beschilderungen versehen.

    Zuerst "begrüßt" uns aber an dem nördlichen Ufer der Nahe, rechts von dem zerstörten Teil der Brücke eine Bausünde der Nachkriegszeit:

    Links davon ein gut angepasster Neubau aus den 50ern mit regionaltypischen Elementen wie zb. der verschieferte, rheinische Giebel:


    Daneben beginnt schon der Schlossberg:



    Ein Blick zurück die Paulskirche auf der Insel:

    Folgen wir nun der Mannheimer Straße weiter in den Stadtkern.

  • Auf einmal taucht ein kleiner Platz auf. Er ist umgeben von mehrstöckigen Altstadthäusern. Diese sind wohl im Kern alles Fachwerkbauten, zu erkennen an den oberen Stockwerken, die leicht hervorkragen. Diese Häuser sind gute Beispiele für die Verunstaltung von Altbausubstanz in der Nachkriegszeit in der frühen BRD. Einglasige, sprossenlose Fenster, Fassaden, die teilweise mit Eternitplatten verhunzt sind, all das sind typische Merkmale für diese Zeit :aufdenkopf:


    Anstelle der Mannheimer Straße weiter zu folgen in die Wiege der Stadt, biegen wir links ein in die enge Gasse namens "Zwingel"

  • Keineswegs! In Straubing zum Beispiel heißt die Altstadt "Neustadt", dasselbe in Pegnitz. In Neustadt an der Waldnaab (und diversen anderen "Neustadts") heißt sogar die ganze Stadt so.

    Dass die Altstadt oder ein Teil davon "Neustadt" heißt, ist nicht ungewöhnlich: Itzehoe, Landshut, Bayreuth, Ansbach, und und und...

    Die Gründe dafür liegen in aller Regel in der Stadtentwicklung. So wurden die älteren Stadtteile noch im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit erweitert. Heute nehmen wir diese Bausubstanz als "Altstadt" war, aber historisch besteht sie aus Alt- und Neustadt. In Osnabrück ist das auch ganz anschaulich und auf alten Stadtansichten noch gut nachvollziehbar.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • In dem Fall von Bad Keuznach ist es aber in der Tat so, dass die Altstadt, d.h. der nördliche Teil der Stadt, der ab dem 13. Jh. errichtet wurde, mit der meisten historischen Bausubstanz bis heute erhalten blieb. Das Viertel südlich der Nahe war zu karolingischer Zeit als Dorf besiedelt (auch nördlich davon auf dem Gebiet der heutigen "Neustadt" gab es ein Dorf dieser Art) und verlor immer mehr mit der Zeit an Einfluss. Die meisten erhaltenen Altbauten sind dort daher eher aus dem 19. Jh.

    Weiter geht es mit der Gasse "Zwingel" . Etwas weiter Richtung Schlossberg befindet sich die ehemalige Brauerei Tesch mit Fachwerkbauten aus der ersten Hälfte des 19. Jh.





    Folgen wir der Gasse, die durch einen Torbogen führt der ehemaligen mittelaterlichen Stadtmauer:



  • Und nun gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man geht rechts die Brücke über den Ellerbach in die "Neustadt" zurück, oder den Schlossberg hinauf zur Kauzenburg. Wir entscheiden uns für Letzeres und klettern den steilen, aber überschaubaren Hügel bis zur Burg hinauf. Von dort erschägt einem erst einmal der malerische Blick auf die gesamte Stadt:


    Wir sehen hier wie auf dem Präsentierteller im Vordergrund den Hang mit Reben des Schlossberges, danach hinter der nördlichen Nahe die Paukuskirche und der Blick reicht über die sogenannte "Altstadt" bis weit in das flache Land der Nachbarregion, nämlich Rheinhessens:



    Von der eigentlichen Kauzenburg, der Burg der Grafen von Sponheim aus dem 12. Jh. ist leider durch die Kriege sehr wenig übriggeblieben, wie wir schon vom Tal gesehen haben. Und das Wenige erhaltene wurde auch noch in den 1970er Jahren verhunzt für ein "Burgrestaurant". Eines der wenigen Reste der alten Burg ist dieser kümmerliche Teil eines ehemaligen Wehrturm:

    Und ein Löwe:

    :gutenacht:

  • Gehen wir nun den selben Weg zurück und betreten die Zwingelbrücke . Von der Brücke hat man einen guten Blick auf die Westseite der weniger bekannten, ich nenne sie mal "kleine Krämerbrücke", da sie mit der mehrstöckigen bebauten Krämerbrücke in Erfurt starke Gemeinsamkeiten hat:


    Die Zwingelbrücke selbst überspannt den Ellerbach mit zwei Bögen und ist sehr alt, sie stammt von 1277, gehört damit zu den ältesten mittelalterlichen Steinbrücken Deutschlands:



    Auf der anderen Seite angekommen, betreten wir die Lauergasse mit etwas heruntergekommenen Häusern aus dem 18. und 19. Jh.



    Wieder zurück auf der Mannheimer Straße sehen wir weiter rechts die verputzen Fachwerkhäuser über der "kleinen Krämerbrücke".


    Eines (Nr. 45)hat im Erdgeschoss interessante gusseiserne Säule erhalten:



  • Gehen wir nun weiter in Richtung Norden die Mannheimer Straße. Dort steht an der Ecke zur Poststraße dieser historistische Gebäude aus der Mitte des 19. Jh. , die Löwenapotheke. In den 50er Jahren des 20. Jh. wurde das Anwesen aufgestockt und mit einem Walmdach versehen:

    Gegnüber, links auf der anderen Seite in der Mannheimer Straße befinden sich interessante postmoderne Häuser, wohl Ende der 90er:


    und ein ehemaliges, zweistöckiges Kaufhaus, jetzt zugemauert und als Wohnung benutzt:



    Rechts von der Apotheke befindet sich der Eiermarkt mit der katholischen Kirche St. Nikolaus:

    Die Kirche stammt ursprünglich aus der gotischen Zeit, dem 13. bis 14. Jahrhundert. Sie wurde aber später, im 18. und 19. Jh. entscheidend verändert, sodass ihr heutiges Erscheinungsbild historistisch angehaucht ist.

    Die Westseite:

    Die Südseite mit barocker Seitenkapelle:

  • Der gotische Chor:



    Die Nordseite zum Eiermarkt ist da wieder gotischer. Typisch für das Rheinland ist das Seitenschiff mit den den spitzen Walmdächern je Gewölbeabschnitt, welches eine sehr lebendige Dachlandschaft ergibt:


    Das barocke Nordportal:



    Treten wir von hier in die Kirche ein;


    Das Innere ist in warmen Farben wie dem rot gestaltet, auch typisch für das Rheinland. Hier das Nordschiff:



    Das Hauptschiff ist aus der Originalzeit und im Stil einer Bettelordenskirche errichet:

  • Der Chorraum. Sämtliche Ausstattung ist aus dem Historismus:

    Blick zurück zur Empore mit Orgel:



    Im nördlichen Seitenschiff der Kreuzaltar von 1907, im Stile eines spätgotischen Schnitzaltar:


    Draußen wieder am Tageslicht, betrachten wir die Nordseite des Eiermarktes mit dem markanten freigelegten Fachwerkhaus, welches im Kern aus dem 15. Jh. stammt. Das Zwerchhaus ist eine spätere Zutat im Stile des verspielten rheinischen Fachwerk:




  • An der Westseite zum Eiermarkt befindet sich zwischen der Mannheimer Straße ein Viertel welches durch zwei enge Gassen einen sehr mittelalterlichen Eindruck macht. Natürlich sind die meisten Bauten, nach der Zerstörung 1689 errichtet worden, aber die Enge und Atmosphäre ist schon einmalig. Leider ist der Zustand auch nicht gerade der Beste:

    Eckhaus zur Poststraße, 19. Jh. :


    Dann wird die Gasse immer enger:


    Eine Brücke verbindet die beiden Häuser mit der ersten Etage jeweils. Sehr archaisch 8o

  • Die Gasse wird eher als Hinterhof genutzt zum Abstellen von Mülltonnen:

    Hier kreuzt sich die Gasse mit der "Schar", der schmalsten Gasse Bad Kreuznachs:

    Es ist so, als ob sich die beiden Häuser von oben "küssen" würden, so eng ist es hier. Für die Feuerwehr war dies bei einem Brand 2012 daher buchstäblich die Hölle! Für uns architekturinteressierte Touristen aber ist es ein bemerkenswertes Zeugnis vorneuzeitlicher Stadtstrukturen.


    Doch bevor jemand von euch Platzangst bekommt, eilen wir schnell hinaus in Richtung Mannheimer Straße (ehemaliger Salzmarkt). Hier befinden sich ein paar freigelegte schöne Fachwerkbauten wie die Nr. 32 aus dem 17. Jh.

    Oder gegenüber die Nr. 33:

  • Von Süden sieht die Nr. 33 wieder ganz anders aus, nämlich eher historistisch:


    Etwas weiter südlich in der Mannheimer Straße, Richtung Süden (am Horizont der Turm der Pauluskirche)

    Nun geht es in das westliche Viertel des historischen Stadtkerns, zuerst in die Metzgergasse:

    Die Nr. 16, ein kleines fränkisches Fachwerkhaus aus dem 17 oder 18. Jh.

    Im ersten OG in der Mitte ist die typische Mannfigur zu erkennen, nur das rechte Kopfholz fehlt:



    Ein Blick in den dahinter liegenden Hinterhof:



    Dieses verputzte Altstadthaus ist im schlechten Zustand, und wohl bald ein Abrisskandidat. Sehr schade drum, man könnte ein Schmuckstück draus machen:


  • Über die Petersgasse erreichen wir die Lämmergasse. Auch hier das selbe Dilemma: verputzte, heruntergekommene Fachwerkhäuser mit unpassenden modernistischen Fenstern...

    Von der Ambrosiusgasse, der nördlichen Fortsetzung der Petersgasse sehen wir schon hinter der Mauer ein interessantes Gebäue herausragen:

    Dabei handelt es sich um ein ehemaligen Adelshof, den DIenheimer Hof:

    Er wurde 1563 im Renaissancestil errichtet:

    Das adelige Wappentier in Stein gemisselt ^^

    Der spitze Westgiebel: