Dresden - der Altmarkt

  • Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung das endgültige Aus für den Wochenmarkt auf dem Dresdner Altmarkt beschlossen. Auch die Suche nach einem Alternativstandort blieb ohne Ergebnis.
    Die Gründe für die Entscheidung waren finanzieller- wie ästhetischer Natur. Die Stadt musste jährlich etwa 50.000 € zuschießen. Gleichzeitig wurde das Erscheinungsbild der "Ansammlung von Imbissbuden" bemängelt.

    Hinter den Altmarkt-Bauten, am Herbert-Wehner-Platz, wurde mittlerweile ein Baukran für den Erweiterungsbau des Café Prag errichtet. So kann ab dem nächsten Jahr zeitnah mit den Bauarbeiten begonnen werden. Vielleicht finden dort ja einige Altmarkt-Händler ein neues Domizil?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Die Firma Berlinhaus, der wir schon das NH-Hotel an der Südseite des Dresdner Altmarktes verdanken, nimmt sich nun ihrer Liegenschaften an der Ostseite des Platzes an und plant u.a. im berühmten Haus Altmarkt von Herbert Schneider die Einrichtung eines weiteren Beherbergungsbetriebes. Entsprechende Untersuchungen und die Akquise eines möglichen Betreibers seien bereits erfolgt.
    Die Stadt zeigt sich über diese Entwicklung erfreut, da somit endlich eine denkmalgerechte Sanierung und damit Erhaltung auch der Innenräume erfolgen kann, die bisher höchst vernachlässigt waren. Außerdem werden die bereits im Jahre 2005 leergezogenen Wohneinheiten im Südabschnitt der Zeile saniert.

    http://www.sz-online.de/nachrichten/da…el-2503439.html

    Hier der Wiki-Artikel zum 1956 fertiggestellten Haus Altmarkt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Altmarkt_(Dresden)

    Auf dieser Zusammenfassung vom hochgeschätzten Herrn Kantschew, kann man im unteren Abschnitt bestimmte Innenraumaufnahmen vom Haus Altmarkt sehen:

    http://www.neumarkt-dresden.de/Barock-Interpr…r-altmarkt.html

    Immerhin sollen die Säle und Treppenhäuser in den Originalzustand zurückversetzt werden. Was für ein Gewinn!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Eine Nachricht, die freudig stimmt, denn Haus Altmarkt ist jenes Gebäude am Platze, dass diese Aufmerksamkeit lange verdient hat.
    Leider werden wohl nicht alle Innenräume in den ursprünglichen Zustand versetzt.
    McDonald wird weiterhin in seinen angemieteten, völlig verhunzten Räumen bleiben dürfen.
    Ich erinnere mich noch an das ehemals sehr elegante Cafehaus, das dort einst betrieben wurde. Da gab es an mit Hölzern vertäfelten Wänden sogar Reliefs aus Meißner Porzellan . . .
    Dabei handelte es sich jedoch um spätere Zutaten. Aus Schneiders Zeit waren diese Reliefs nicht.
    Beeindruckend war die überaus prächtige Treppenhalle des Hauses. Jetzige Nutzer unternahmen alles, deren ehemals elegante Formen zu verwischen.
    Es bleibt abzuwarten, wie viel vom ehemaligen Raumeindruck des Hauses Altmarkt zurück gewonnen werden kann.

  • Wobei speziell die Mc-Donalds-Filiale durch den letzten Umbau enorm gewonnen hat. Genauso verhält es sich mit anderen Einzelhandelsflächen, die langsam eine Umnutzung und damit meist auch Aufwertung erfahren. So wurde das Geschäft an der Ecke zur Weißen Gasse jüngst für den Ticket-Verkauf der Philharmonie hergerichtet und damit zu großen Teilen (zumindest in der Raumgeometrie) in den Ursprungszustand zurückversetzt. Scheinbar steigt langsam die Wertschätzung dieser Bauasubstanz, was auf weitere Erhaltungsmaßnahmen hoffen lässt (das Café Prag ist ja bereits im Bau).

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zur Zeit interessieren mich die 50'er-Jahre-Bauten in der ehemaligen Altstadt brennend! Aus diesem Anlass habe ich einmal mein kleines Privatarchiv durchstöbert und mir Literatur zu Gemüte geführt, die einen gewissen Zeitkolorit aufweist.

    Zitat

    Im Kopfbau der Altmarkt-Ostseite, Ecke Ernst-Thälmann-Straße entstehen das Keller-Restaurant (318 qm), ein Tageskaffee (139 qm), ein Weinrestaurant (88 qm), ein Konzertkaffee (400 qm) und ein Tanzkaffee im II. Stock mit 193 qm. Insgesamt kann diese Gaststätte mehr als 700 Personen beherbergen. Solche Bauten sind nur in einem Staat möglich, in dem die Arbeiter und Bauern die Produktionsmittel in ihren Händen haben.

    Büro des Nationalen Aufbauwerkes der Stadt Dresden (Hrsg.): Plan des Nationalen Aufbauwerkes 1956, Dresden 1956, S. 20.

    Auf den folgenden Seiten befinden sich eine Reihe Bilder/Zeichnungen, die ich hier vorstellen möchte. Die Bildunterschriften sind im originalen Wortlaut wiedergegeben.


    Bis zum Festmonat der 750-Jahr-Feier soll die Kellergaststätte an der Ostseite des Altmarkts fertig und der Öffentlichkeit übergeben werden.


    Im Erdgeschoß am Kopfbau Altmarkt-Ost/Ecke Thälmannstraße lädt bald ein Konzertkaffee mit Weinrestaurant, Tanzbar und Tageskaffee seine Gäste ein.

    Von der Eingangshalle geht es...


    ...in das Konzertkaffee im ersten 1. Stock und...


    ...in das Tanzkaffee im 2. Stock.

    Bei der letzten Skizze gehe ich aufgrund der Raumgeometrie davon aus, dass es nicht das Tanzkaffee im Haus Altmarkt, sondern vielmehr den großen Saal im Café Prag zeigt. Ein Versehen oder Absicht?

    Wer genug Zeit hat, kann gerne eine wissenschaftliche Arbeit über die Bauten am Altmarkt und der Thälmann-Straße schreiben. Im Stadt- sowie dem Staatsarchiv und in der "Deutschen Architektur" dürfte man fündig werden.

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  • Skizze vom "Tanzkaffee" im Haus Altmarkt : hier handelt es sich offensichtlich um das Cafe Prag. Sicher eine Verwechslung.

    In den apsisartigen Nischen der Wände, am Treppenaufgang standen zunächst prächtige Porzellan - Deckelvasen, die ich allerdings auch nur noch von Fotos kenne.
    Später waren die Vasen verschwunden und ab und an konnte man in den Nischen Blumentöpfe sehen, bis auch diese entfernt wurden . . .

  • Beim stöbern in meinen Unterlagen entdeckte ich eben einen für die Wiedergabe wenig geeigneten Druck :
    vor dem Haus Altmarkt ist da ein ausladender Bronze - Kandelaber mit prächtigem Sockel zu sehen.

    Auf dem Altmarkt gab es z w e i derartiger Kandelaber, die noch bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nachweisbar waren.
    Es handelte sich um meisterliche Arbeiten des Bildhauers ( Rühm ? ) dessen Fahnenmasten am Neustädter Markt noch heute betrachtet werden können.
    Falls die Kandelaber tatsächlich aus Bronze gearbeitet waren, sind sie offensichtlich den Begehrlichkeiten nach Buntmetall zum Opfer gefallen.
    Vielleicht ist es möglich, hier im Forum, die Kandelaber als ausgezeichnete Beispiele für den Historismus zu zeigen.

  • Meinst Du diese? Ich glaube allerdings nicht, dass es sich um Bronze, sondern um eher um schnöden Guss handelte.

    Übrigens, die Fahnenmasten am Eingang der Hauptstraße stammen aus der Federführung von Heinrich Eppler, die Sockel gefertigt in der Bierlingschen Kunstgießerei in Löbtau,

    Dresdenbild


    (Bildquelle: Ansichtskarte. Bestand eigenes Archiv.)

  • Da wir gerade am Fachsimpeln sind, muss ich auf ein Dokument aus dem Stadtarchiv verweisen (genaue Quellenangabe habe ich leider nicht zur Hand), in dem es um den Zustand der Kandelaber ging. Darin wurde der schlechte Zustand beklagt und Maßnahmen gegen Korrosionsschäden besprochen. Letztlich stellte sich aber heraus, dass die Schäden zu groß bzw. der Wille zur Behebung derjenigen zu gering ausgeprägt war, um Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen. Sie wurden dann wohl um 1960 verschrottet.

    Da ich gerade das Bild mit der nagelneuen Ostseite sehe - vielen Dank dafür - muss ich an eine DDR-Briefmarke von 1956 denken, auf der diese ebenfalls abgebildet war.

    http://www.suche-briefmarken.de/marken/ddr/ddr56015.html

    Hierin drückt sich ein gewisses Selbstbewusstsein im Angesicht des Erreichten aus. Für uns heute irgendwie unverständlich - oder auch nicht.

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  • @ dresdenbild, @ bilderbuch,

    Danke für Erläuterungen/Hinweise/Foto von den Prunk - Kandelabern auf dem Altmarkt. Deren Verschrottung, der Verlust bleiben zu beklagen. Sie könnten heute eine besondere Zierde des Altmarktes sein. Vor allem, wenn ich an den jetzigen "Flutlicht - Lampenmast" denke.

    Es hat fast den Anschein, dass der untere Sockelbereich der historischen Kandelaber aus poliertem Stein ( Granit ) gearbeitet war. Vielleicht ähnlich den Sockeln an den Fahnenmasten am Neustädter Markt. Auf einer älteren Aufnahme konnte der mit reichen, figürlichen Reliefs versehenen Sockel betrachtet werden. Offenbar lief dieser in umlaufenden Sitzbänken aus ? Genaueres war jedoch ld. nicht zu erkennen.
    Ebenso bleibt die bildkünstlerische Thematik unklar. Die Kandelaber kenne ich lediglich von Fotos.

  • Eigentlich "trauere" ich weniger diesen Kandelabern, als vielmehr den eleganten Tulpen-Laternen der Nachkriegszeit hinterher. Diese passten einfach zu dem großzügigen 50'er-Jahre-Ambiente des Altmarktes und der Magistrale. Leider hat sich kaum Widerstand geregt, als sie gegen die martialischen "Bajonette" getauscht wurden.

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  • Von dem Siegesdenkmal gibt es doch bestimmt 100 Aufnahmen aus allen Seiten, damit kann man das Denkmal digital rekonstruieren. Und dann braucht man nur noch eine Maschine zum Fräsen. :gutenacht:

  • Persönlich könnte ich mir eine Reko des ( umstrittenen ) Denkmals, genau wie die Prunkkandelaber auf dem Altmarkt durchaus vorstellen.
    Die heute vorhandene, eiskalte Sterilität des Platzes könnte wenn auch nicht vollständig, etwas zum Besseren verändert werden.

    Wie Agon vermutet, gibt es ausreichend Dokumente, die eine Reko ermöglichen. Zunächst stehen aber wohl noch andere Kleinarchitekturen
    im Focus. ( z. B. Ludwig Richter Denkmal auf d. Brühlschen Terrasse )

  • Vor allen Dingen verschiedene Stilschichten, und da gehört für mich auch die Germania zu. Ästhetisch und weltanschaulich sicherlich nicht opportun aber vielleicht deshalb gerade polarisierend und für spannende Debatten sorgend. ughug:)

  • Dieser Auffassung von Agon möchte ich mich ohne "wenn und aber" anschließen.
    Warum sollte auf dem Dresdner Altmarkt ein Germania -. Standbild entbehrlich sein ? Es ist doch inzwischen jeglicher monarchistischer Aussagekraft und des ehemals beabsichtigten, ideologischen Sinngehalts entkleidet, hat im Grunde nur noch rein dekorativen Zweck.
    Wer sollte sich an einer mehr oder weniger aufwändigen Dekoration stören ?
    Natürlich wäre unbedingt zu beachten, dass bei einer ggf. vorzusehenden Wiedergewinnung der Denkmalsanlage befähigte Bildhauer beauftragt werden. Ähnliche Enttäuschungen, wie beim Saxonia - Brunnen in Chemnitz könnten damit ausgeschlossen werden.
    Im übrigen verfügt Rüdesheim ebenfalls über ein Germania - Denkmal, weitaus größer und von dem Dresdner Bildhauer Prof. Johannes Schilling geschaffen.

  • Das Problem ist, dass die Germaniastatuen in Deutschland unabhängig von ihrem künstlerischen Wert, heute als national-chauvinistisches Symbol gesehen werden und auch noch immer von rechten Dumpfbacken in diesem Sinne mißbraucht werden. Die Germania ist wie die Marianne in Frankreich eine rein fiktive, die Nation symbolisierende Figur, eine Art Nationalgöttin. In den Ländern gibt es eigene Figuren: Bavaria, Saxonia, Badenia, Hamburgia, Berolina und wie sie alle heißen. Die mütterlichen Identifikationsfiguren sorgten gerade im neugegründeten Reich für regionale und nationale Verbundenheit mangels allgemeingültiger Nationalhelden. Eigentlich harmlos. Erst im Zusammenhang mit der jüngeren Geschichte kamen sie in Verruf und wurden als aggressiv-nationalistische Symbole, nicht mehr als Einheitssymbole, umgedeutet.
    Bestes Beispiel das Niederwalddenkmal. Die dortige Germania wurde als Affront und Drohung gegen den "Erbfeind" Frankreich bezeichnet.
    Dabei schaut sie noch nicht einmal nach Westen und hat das, auch noch lorbeerbekränzte Schwert, ein dezenter Hinweis auf den deutschen Sieg, gesenkt. Sie ist weiterhin wachsam und gerüstet, aber am dauerhaften Frieden und nicht am Krieg interessiert.
    Daher auch "Die Wacht am Rhein". Das ist die eigentliche Aussage.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Da stimme ich Dir, ( Pfälzer Bub ) vollkommen zu. Der chauvinistische "Rummel" um die Dresdner Altmarkt - Germania hielt sich wohl auch sehr in Grenzen.
    Hin und wieder gab es ( vor 1914 ) meist Sonntags, sog. "Platzkonzerte" mit mehr oder weniger hohem Anspruch, die die Germania über sich ergehen lassen musste. Dann blickte sie mal auf eine Parade der Wehrmacht im 2. Weltkrieg.
    Ihre wahrhaft schaurigste Stunde erlebte sie, als an ihrer Sockel - Basis riesige Löschteiche aus Luftschutzgründen ( 1942/43 ) angelegt wurden. Inmitten der Flammen überlebten sie und die vier begleitenden Sitzstatuen das Bomben - Inferno fast unbeschädigt.

    Germanias Reste ( Carrara - Marmor ) wurden tatsächlich zu Weihwasserbecken in der Hofkirche.

    "Die Wacht am Rhein" ist m. E. Schillings besonders auftrumpfende Gestaltung : füllte als lohnendes Auftragswerk seine private Schatulle.
    Schilling hat in Deutschland zahlreiche Werke von seiner Hand hinterlassen.

    Bis zum Abriss ( nach 1945 ) gab es in der Pillnitzer Straße in Dresden ein Schilling - Museum. In dessen Niederwaldsaal war in einer Apsis
    das originale Großmodell der "Wacht am Rhein" aufgestellt. Selbst dieses Riesenstandbild hatte die Bomben überstanden.