Bremen - Altstadt - Am Brill / Sparkassenquartier

  • findorffer,

    ich kann mich deinen Worten nur anschließen.

    Wann immer in Bremen Neubauprojekte der Öffentlichkeit vorgestellt werden, geht es nicht mehr um Ästhetik, Formen und Ganzheitlichkeit, sondern es wird als erster Punkt die Fläche, die Quadratmeterzahl genannt: Mal sind es 75.000 Quadratmeter, dann sind es 47.000 Quadratmeter oder 77.000 Quadratmeter.
    Da 25% der Fläche dem sozialen „Wohnungsbau“ (Laufzeit für diese soziale Wohnungen sind 25 Jahre, danach gehen sie in den „normalen“, marktorientierten Bestand über) gehören, kann sich der einfache Bürger ausrechnen: Oh, toll – das macht dann z.B. 18.000 Quadratmeter an Sozialwohnungen. - Und schon brandet von allen Seiten Applaus auf.

    Das Beispiel Schapira/Libeskind zeigt mir, wie einerseits der Senat in Bremen von seinen Idealen getrieben ist, (jährlich) 30.000 Wohnungen zu generieren – auf Teufel komm raus.
    Nur, mit diesem jährlichen Bestand wird man die Mietpreis-Spirale und die Mietpreis-Erhöhungen oder auch Explosionen am Immobilienmarkt kaum stoppen können, auch wenn uns die Bremer Senats-Ideologie etwas anderes verkaufen will.
    In Wirklichkeit ist die anhaltende Niedrigzinsphase an den Entwicklungen schuld, die das Geld, also die Investoren, in die Immobilienbranche presst. Wollte Bremen dem entgegenstehen, würden selbst jährlich 100.000 errichtete Wohnungen dem nur schwer Einhalt gebieten.

    Das Beispiel Schapira/Libeskind zeigt hier auch, wie Investoren heutzutage vorgehen, mit welch listigen Strategien sie ihre Pläne umsetzen.
    Erst einmal kaufen, dann eine erste Planungsrunde ausrufen, sich auf eine Quadratmetersumme festlegen, die dann verdoppelt wird. Da die Verdoppelung nur mit Höhe gewonnen werden kann und es Widerstand gegen die Höhe in der Innenstadt gibt, kaufe ich mir den Stararchitekten Libeskind ein – und schon knickt der Senat reihenweise ein, wird weichgespült durch die Droge Libeskind und die Aussicht auf eine möglichst gute Reputation so kurz vor einer Bürgerschaftswahl – und ich kann als Investor bauen, was und in welcher Höhe ich will.

    Dieser Wahnsinn der "Vier Türme zu Bremen" darf so nicht weitergehen...!!!

  • Volle Zustimmung Jacco Scum. Man muss sich das mal vorstellen: Der Mitnisterpräsident eines Bundeslandes, Carsten Sieling, bezeichnet die Tatsache, dass Libeskind der Architekt ist, als "Kompliment". Das ist vorauseilender Gehorsam und signalisiert dem Architekten und den Investoren: Wir können machen was wir wollen, so ein Prvinzfürst legt uns ja untertänigst schon den Teppich aus. Aber: Der Sieling-Kotau ist schlimm für unser Stadtbild.

  • Richtig, findorffer.

    Was sagte Sieling noch nach "Vorstellung" (dieses Wort aus dem deutschen Sprachgebrauch kommt dem gebotenen Schauspiel im Rathaus in keinster Weise nach!!!) der Schapira/Libeskind-Pläne in buten&binnen am 07.02.19:

    „Darf ich vielleicht noch einmal zur wichtigen Bewertung sagen, dass das für Bremen eine durchaus große Chance und auch ein Kompliment ist. Wir sind mittlerweile in einer Situation, dass wir viele Angebote von sehr spannenden Investoren und jetzt auch von einem großartigen Architekten haben. Das ist eine richtige Auszeichnung für Bremen. Und wir sind entschlossen, seitens des Senats, wenn es immer Möglichkeiten gibt, dass wir das auch wirklich nutzen für Bremen.“

    Deutlicher kann ein Präsident des Senats wohl kaum ein Statement abliefern. Diese Worte suggerieren den Bürgerinnen und Bürgern: Wir, der Senat der Hansestadt Bremen stehen ganzheitlich hinter den Plänen der Schapira-Brüder und des Architekten Libeskind, wir, der Senat erteilen ihnen hiermit sogar einen Blanko-Scheck, und die Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt haben dieser Auszeichnung für Bremen mit uneingeschränkter Huldigung zu folgen!!!

  • Entschlossenheit und Bedachtsamkeit sind hier gleichermaßen gefordert !

    Zwischen den Türmen von St. Stephani und St. Ansgarii darf es Derartiges schlicht und einfach nicht geben. Punkt !

    Das Bamberger Hochhaus ist hinsichtlich der Höhe das Äußerste was noch zu tolerieren ist.
    Schon der Fernmeldeturm der Deutschen Bundespost (heute Telekom) an der Neuenstraße, sollte auf absehbare Zeit ‚zurückgebaut’ werden.

    Was jetzt als Planung im Raum steht, ist deshalb absolut indiskutabel und muß gerade in Wahlkampfzeiten intensiv in der Öffentlichkeit zur Sprache gebracht werden.
    Insofern gebührt der Lokalpresse Dank dafür, daß sie mit ihrer Berichterstattung den Anstoß dazu geben hat, indem sie - ähnlich wie weiland Mozart, der den streng geheimen Gesang in der Sixtina in seiner Erinnerung abspeicherte und dann später exakt niederschrieb - die unter Verschluß gehaltenen Entwürfe der 'vier Türme' in einer die Grundzüge des Projektes wohl ziemlich genau wiedergebenden Weise, aus er Erinnerung heraus rekapitulierend visualisiert hat.

    Bei der öffentlichen Problematisierung wird dabei allerdings unbedingt zu beachten sein, daß durch die Sparkassenleitung unter Herrn Dr. Nesemann eine hoch delikate Konstellation geschaffen wurde, die ein äußerstes Maß an Fingerspitzengefühl verlangt, wenn man das für die Altstadt überlebenswichtige Vorgehen gegen dieses Vorhaben, nicht einem in diesem Kontext flink geäußterten Vorwurf aussetzen und damit zum Scheitern bringen will.
    Die Beiträge von findorffer und Jakku Scum sind insofern wohltuend sachlich und ein vorbildlicher Umgang mit der diffizilen Materie.

    In diesem Sinne:

    "Quidquid agis prudenter agas et respice finem !"

  • Wenn ich einmal vorstellen darf:

    Dies ist der Schornstein des Heizkraftwerkes des alten Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße (heute 'Klinikum Bremen Mitte'). (Foto von mir):

    Und dies wäre das Ergebnis, wenn man diesen Schornstein in vierfacher Form und mit jeweils verschiedener Höhe an die Hanken- und Jacobistraße in der Altstadt verpflanzen würde:

    Allerdings könnte man auch auf diese Verpflanzung verzichten und stattdessen einen anderen Weg beschreiten:

    SOLLTE ES HIER ÄHNLICHKEITEN ZU ETWAIGEN ANDEREN BAUVORHABEN GEBEN, SO SIND DIESE REIN ZUFÄLLIG UND NICHT BEABSICHTIGT !

  • Es übertrift meine schlimmsten Erwartungen.
    Es gilt hierzu schnellstens Anstrengungen zu unternehmen, die letztlich auch zu einem Volksbegehren "Altstadtgestaltung" führen muss.
    Bremen darf such von solchen Investoren nichts diktieren lassen.

    Herr Nesemann sollte sich meiner Ansicht nach.....
    Erst entfernt er die "Bürgerbank" von den Menschen vor Ort und schickt sie an die Uni und dann verhökert er das Gelände an solche Menschen.
    Am Ende wird die alte Sparkasse dasselbe traurige Dasein fristen, wie das Gewerbehaus. Puppenhausähnliche Kulisse vor unmaßstäblichem Hintergrund.

    Widerstand wird hier zwingend breit aufgestellt werden müssen!
    Forken heraus!

  • Fürchterliche Orgelpfeifen!

    Oder:

    • Minas Anor: Turm der Sonne
    • Minas Tirith: Turm der Wache
    • Minas Ithil: Turm des Mondes
    • Minas Morgul: Turm der Schwarzen Magie
  • Lieber RaHaHe,

    Ihre Gedanken gehen offensichtlich in die gleiche Richtung wie die meinen. Allerdings fallen meine Assoziationen im Detail etwas anders aus:
    Nachdem die Baumwollbörse vor einigen Jahren ja mit ihrem furchtbaren, an Barad Dur gemahnenden Aufbau für unrühmliche Schlagzeilen gesorgt hatte, stellte sich bei mir während des Betrachtens des Entwurfs für das Sparkassen-Areal der Vergleich mit einem vierfachen Orthanc ein...

  • Die Bild schreibt aber auch folgendes zum Thema: Obwohl Bremen stolz auf das Projekt sein sollte, moserte Senatsbaudirektorin Prof. Iris Reuther bei dem Treffen herum. Die Diskussion hinter den Kulissen geht also weiter.

    Also durch ist das Ding noch nicht. Man könnte aus den höflichen Reaktionen vieler Regierungsvertreter (Lohse: "kühn") auch lesen, dass es auch Widerstand gibt in der Regierung. Aber natürlich ist es so, dass diese exorbitanten Höhen auch nur Verhandlungsmasse sein können und ein Verzicht auf 20 m dann als "Kompromiss" verkauft werden kann.

    Trotzdem: Beneiden tu ich die Politik bei dem Ding jetzt nicht. Wenn sie kühl und abweisend reagiert, wird das alte Wirtschaftsfeindlichkeit-Argument kommen, die Sozen eben, die alle verjagen etc. Wenn sie zu positiv reagiert, heißt es Kotau vor dem Großen Geld, mal wieder. Und ich glaube kaum, dass das mit einer anderen Regierung anders wäre. A.e. wohl würde die Linkspartei die Sache grundsätzlich ablehnen.

  • Diesen Leserbrief zur Brill-Bebauung aus dem Weser-Kurier vom 19.2.2019 wollte ich Euch nicht vorenthalten:


    Was mir an diesem Leserbrief so gefällt, ist der Subtext: Warum ist bei Neubauprojekten auf der einen Seite immer die unheilige Allianz zu finden: die Architekten, die Investoren, die Politiker und die Baubehörden und auf der anderen Seite, der Seite der Ablehner, immer die Bürger, die offensichtlich ganz andere Vorstellungen davon haben, wie ihre Stadt aussehen soll und die sich durch ihre Volksvertreter in Sachen Stadtbild in keinster Weise mehr vertreten fühlen (was auch in gewisser Weise unser Demokratiekonzept in Frage stellt). Erstere verweisen immer auf ihre Fachlichkeit, meist hat es dann noch einen Wettbewerb gegeben und ein Jury hat entschieden. Wer sitzt in so einer Jury. Die Bürger gewiss nicht. Diesen wird dann signalisiert: macht euch keine Sorgen, wir haben den Sachverstand, der euch fehlt, wir wissen besser als ihr, was gerade angesagt ist, außerdem haben wir mehr Einblick ins Geschehen udn mehr Überblick, was das architektonische Know How angeht.

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (21. Februar 2019 um 11:56)

  • Ich schrieb von der unheiligen Allianz aus Architekten, Investoren, Politikern und der Bauadministraion, die das Bild der Städte maßgeblich beeinflussen und von den Bürgern, die mit diesen Entscheidungen meist nicht glücklich sind und ihre Machtlosigkeit beklagen.

    Mich würde mal interessieren: Warum ist das so? Warum hängen diese vier Gruppen immer so eng zusammen und warum wird auf die Meinung der Bevölkerung so wenig Wert gelegt. Wir leben doch in einer Demokratie.

    Was meint Ihr, liebe Foristen? Mich treibt diese Fragestellung schon lange um, finde aber keine richtige Antwort.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (21. Februar 2019 um 21:45)

  • Heute waren ja ganz vorzügliche Leserbriefe im Kurier am Sonntag zu lesen.
    Leider vermag ich es nicht, diese hier zu präsentieren.

    Ich habe eine leise Hoffnung, dass das Gespann Schapira/Libeskind mit seinen Planungen nicht durchkommt!

  • Vielen Dank, lieber Pagentorn.

    An sich werfen die Leserbriefe die wichtigsten Punkte auf den Plan: Die Stadt als öffentliches Interesse, als öffentliche Angelegenheit/Sache - eben als Res Publica! Sie wird ad absurdum geführt, durch Gutsherrenart, Geheimniskrämerei und der Durchsetzungskraft eines Geldadels gegenüber geltendem Recht. Ein gültiger Bebauungsplan, der die Grundzüge der Planungen festlegt, soll hier den Renditebestrebungen weniger untergeordnet werden. Der ach so sozial-und-demokratische Senat wieder einmal als Totengräber bürgerschaftlichen Interesses!

    Was ich mich frage:

    Wieso werden derlei "spektakuläre" Vorhaben stets in der Altstadt geplant? Warum nicht an Stellen, die dafür prädestiniert sind? Nein! Dort, wo man mal könnte - wie in der Überseestadt - entscheidet man sich dann für gebaute Monotonie und ordnet sich dieser unter. In der Altstadt aber, dort, wo Rücksicht gefragt ist, verweigert man sich ihr. Das will nicht in meinen Kopf!

  • Die Bremer SPD war im bundesrepublikanischem Vergleich eigentlich immer ein linke SPD. In den 60/70er Jahren wurde die Rote Uni gegründet und der heutige Bürgermeister gehört zum linken Flügel. Vor diesem Hintergrund fallen gerade im baupolitischen Bereich die Widersprüche dieser Partei auf. Wie auf Abrißstadt Bremen dargelegt, konnten immer wieder - und das bis heute - kapitalkräftige Unternehmen schützenswerte und das Stadtbild prägende Gebäude erwerben (bis hin zu großen den großen Bauskandalen in dieser Stadt). Einerseits ist diese Partei also links und damit zumindest kapitalkritisch, andererseits aber kungelt sie seit Kriegsende gerade mit den kapitalkräftigen Baugesellschaften - ja, sogar einer ihrer Bezirksfürsten ist im Leitungsbereich einer dieser Baugesellschaften tätig und nutzt seine guten politischen Kontakte zur Generierung von neuen Bauflächen. Das Bonmot für diesen Zustand lautet seit Jahrzehnten: "Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten".

    Dieser Widerspruch zeigt sich nun auch bei der Verwertung des Sparkassengrundstücks am Brill. Wie schon bei der Parkallee oder dem Osterdeich geht es dieser Partei nicht - ging es nie - um den Erhalt unseres Stadtbildes, sondern wir erleben hier wieder die altbekannte Kungelei eines linken Bürgermeisters mit kapitalkräftigen Investoren. Die früher mal kapitalkritischen Grünen sind inzwischen aber auch nicht besser.

    Dass nun Lohse, Sieling und Reuther unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit - Stichwort Geheimniskrämerei - die Pläne zurückhalten - offensichtlich, um vor der Wahl keine Unruhe zu erzeugen, die evtl. Prozentpunkte kosten könnte - ist unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten zumindest interessant, wirft es doch die Frage auf, was unter Demokratie zu verstehen ist. Die politisch Verantwortlichen handeln nach folgender Ethik: wir machen Dinge, die für die Stadt gut und nützlich sind, wir vertreten deren Interessen. Wer aber ist die Stadt. Ein abstraktes Gebilde? Oder die Summe seiner Bürger? Was, wenn die gewählten Vertreter Entscheidungen treffen, der die meisten Bürger nicht zustimmen, wie z. B. am Brill? Die Parteien sagen: Wir sind gewählt und damit demokratisch legitimiert! Aber geht das im Bereich der Stadtplanung, geht das beim Stadtbild, müsste man die Bürger hier nicht mehr mit einbeziehen bis hin zum Ausstieg aus diesen Plänen?

    Ich stelle folgende These auf: Die Bürger, egal wo, wollen eine schöne Stadt, eine Stadt, die sie vorzeigen können und auf die sie stolz sind. Ich warte auf Gegenthesen.

  • Ich habe grundsätzlich keine Gegenthese, sondern stimme zu.

    Eine Ergänzung habe ich aber doch. Diese Verbindung von SPD und Kapital ist ja nichts Spezifisches für Bremen. Sie ist doch bundesweit zu beobachten. Was ist da in Frankfurt, Offenbach, Nürnberg, dem Ruhrgebiet anders?

    Es ist ein Irrtum anzunehmen, linke, sozialistisch orientierte Parteien und das investierende Kapital seien Gegensätze. Es sind zerstrittene Brüder, die aber im Ergebnis das gleiche wollen. Das sozialistische Gesellschaftsmodell führt zu einer angeblich rational strukturierten und rein wirtschaftlich ausgerichteten Massengesellschaft unter der Leitung einer Funktionärsclique. Das kapitalistische Gesellschaftsmodell führt zu einer rein wirtschaftlich ausgerichteten Massengesellschaft unter der Leitung einiger Kapitalgeber und Konzernmanager. Das kapitalitische Modell ist allerdings effektiver, weil der Markt und gewisse Käuferwünsche stärker berücksichtigt werden. So kommt es zu Kooperationen, da auch die Linken eingesehen haben, dass Planwirtschaft nicht so gut funktioniert. Also realisieren die Kapitalisten die Ziele, die auch die Linken befürworten: Unendliches Wachstum realisieren, Wohnraum schaffen, Gewerberäume schaffen, möglichst globale Angleichung der modernen Standards, und das ohne allzu viel Rücksicht auf die historischen Gegebenheiten der Tradition, der "alten Welt", die beide als Entwicklungshemmnis überwinden wollen.

    (Wenn das jetzt zu viel Politik war, dann kann die Moderation einfach löschen.)

  • Und nun habe Sie hinwiederum meine volle Zustimmung, verehrter Heimdall !

    Es ist im Übrigen seltsam, wie sich die Geschichte doch oft wiederholt:

    Daß S.M. Kaiser Wilhelm II. gegen die Eingliederung des Norddeutschen Lloyd und der Hapag in den 'Morgen Trust' Stellung bezog, war eine der Gründe weshalb ihn die Wall-Street später auf die 'Abschußliste' setzte. Eine Tatsache, die vielen Sozialdemokraten nicht ungelegen kam...

    Dazu der folgende 'Link':
    https://www.zeit.de/2002/05/Kampf_…komplettansicht

  • Ich teile auch Heimdalls Beitrag, besonders die Worte am Ende und in Klammern gesetzt, denn mich beschleicht wieder jene Befürchtung im Herzen, dass dies hier erneut in zu tiefes politisches Fahrwasser abdriftet.
    Ich gehe jede Wette ein, dass - sobald es Mitternacht an der Kirchtumuhr schlägt - die Geister aus dem Schatten hervortreten und zum "Schuldigen-Dreiklang" ansetzen: Protestanten - Luther - Oslo!

    Ich werde mir noch überlegen, ob ich meinen Senf lieber im Glas und im Kühlschrank bei angenehmer Temperatur unter Verschluss halte.

  • "Eine Politisierung entstand insofern direkt, als sozialdemokratische Abgeordnete und politisch in diesem Bereich engagierte generell den in der Regel auf Veränderung hin tendierenden Argumenten der Stadt- und Verkehrsplanung zuneigten, während Christdemokraten und Frei Demokraten konservativ zu urteilen pflegten. Indirekt entstand aber eine Politisierung auch insofern, als ein großer Teil der Bevölkerung alte Bausubstanz schlechthin (!!! Ausrufezeichen von mir) erhalten wissen wollte und Wiederaufbau wörtlich nahm, d. h. die Wiederherstellung des alten Zustandes wollte".
    Franz Rosenberg, Senatsbaudirektor (im Amt von 1955 bis 1970) in: Vom Wiederaufbau und von der Stadterweiterung in Bremen in den Jahren 1949-1970. Ein subjektiver Bericht, verf. 1981

    Franz Rosenberg hatte nach eigenen Aussagen in Bremen die "Charta von Athen" als stadtplanerisches Leitbild (besser Leidbild) ausgegeben. Übersetzt bedeutete das: Straßenverbreiterungen und Neukonzipierung von Straßen sowie der Abbruch von Gebäuden (siehe dazu auch Pagentorns Einstellungen zur Martinistraße und Bürgermeister-Smid-Straße, früher Kaiserstraße).

    Wir können nicht in einem Anfall von Sprach-Theatralik und gefühltem empörten Augenrollen von den Ursachen der Abrisspolitik ablenken. Nach diesen Ursachen zu suchen gehört für mich zur Foristen-DNA. Gerade wir können doch nicht die Geschichte verdrängen. Wer sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzt, versteht nicht das HEUTE und hat für das MORGEN keine Konzepte. Wir müssen aus der Geschichte lernen, damit wir die Gesetzmäßigkeiten, die ja noch heute gelten, verstehen: Diesen ewige Reigen aus Politik, Bauverwaltung, Investoren und Architektenschaft einerseits und Bürgern auf der anderen Seite gab es schon in den 60er Jahren - siehe Franz Rosenberg - und es gibt ihn heute. Rosenberg tritt im Text oben als kompetenter Berichterstatter einer Politisierung als Realität auf. Er schreibt über die Offenheit der Sozialdemokraten in Bremen für "auf Veränderung hin tendierenden Argumenten der Stadt- und Verkehrsplanung", was bedeutet, die sogenannte Zweite Zerstörung ("Veränderungen") Bremens fand bei den auf die Moderne ausgerichteten Sozen eine offenes Ohr.

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (26. Februar 2019 um 17:56)