Bremen - Altstadt - Am Brill / Sparkassenquartier

  • Grandios, auch die Ideen für das AOK-Gebäude als Eingangssituation in das Quartier. Der "Flyover" über die Ansgaritorkreuzung soll ja abgerissen werden, was den Blick auf diesen städtebaulich so wichtigen Eckbau dann wesentlich besser freigäbe. Jetzt müssen wir das nur noch irgendwie verbreiten in der Stadt, in die Presse, im Netz, an die Schapira-Brüder. Die Qualität dieses Entwurfs spricht für sich, auch und gerade in Bezug auf die Verbindung des Ansgariviertels mit dem Brill/Sparkassenquartier. SO würde wirklich mal ein positiver Impuls für diese gebeutelte Gegend entstehen.

    Das komplette Scheitern zeitgenössischer Architektur kann auch an dem Glasklotz gegenüber, genannt "brillissimo" und keine 10 Jahre alt, beobachtet werden... erst fast 10 Jahre später ist das Ding vollvermietet (bezeichnenderweise hat ein Fitnessstudio das leerstehende 1. OG belegt) und unten ist schon mindestens der dritte Laden drin (aktuell glaub ich ein Matratzengeschäft), läuft dort richtig. Dabei könnte das mit etwas gutem Willen ein richtig schöner Platz sein, wie auch die Fotos aus dem frühen 20. Jhdt. zeigen. Auch das eigentlich sehr ordentliche 20er Jahre-Klinkereckgebäude (Betten Wührmann) auf der Südseite wäre mit überschaubaren Mitteln wiederherzustellen. Im Moment allerdings wirkt es mit seinen unpassenden Fenstern und der runtergekommenen Fassade (leider) auch nur wie ein Abrisskandidat.

    Wann endlich werden Bremens Städtepläner begreifen, was das Problem ist? Die seit 20 Jahren herbeiinvestierte Belebung des Faulenquartiers, der "sprung über den Brill" wird niemals gelingen, wenn es keine Gründe gibt für Menschen, dorthin zu gehen. Und angesichts der Nachkriegstristesse dort wird das eben niemals der Fall werden, trotz Ansiedlung von Radio Bremen, trotz der Volkshochschule im Bamberg-Haus (dazu kommt auch noch etwas von mir die Tage).

    Es muss jetzt ein Ruck gehen durch die Stadt!

  • Aber insbesondere die Neubauten von Radio Bremen haben ja die (Nachkriegs-)Tristesse noch verschärft. Dann noch dieses Parkhaus neben dem Bamberger. Da stand früher ein wunderschönes Jugenstilgebäude (wenn ich den Stil richtig interpretiere) mit Türmchen.

    Fazit: Was immer unsere "Meisterarchitekten" auch anstellen, man kann es einfach nicht mehr sehen.

  • Aber insbesondere die Neubauten von Radio Bremen haben ja die (Nachkriegs-)Tristesse noch verschärft. Dann noch dieses Parkhaus neben dem Bamberger. Da stand früher ein wunderschönes Jugenstilgebäude (wenn ich den Stil richtig interpretiere) mit Türmchen.

    Fazit: Was immer unsere "Meisterarchitekten" auch anstellen, man kann es einfach nicht mehr sehen.

    Das mit dem Parkhaus wusste ich nicht, die früheste Erinnerung an diesen Ort habe ich aus dem Winter 2005/2006, da war die Baugrube schon ausgehoben (bin erst 2004 nach Bremen gezogen). Wenn dort wirklich bis 2004/05 ein Vorkriegsbau, sei es nun Jugendstil oder etwas anderes, gestanden haben sollte (hatte eigentlich immer auf die dortige Nachkriegsarchitektur als Vorgängerbau getippt), wäre das natürlich ein Skandal.

    Auch das Bamberger-Haus, dem ich noch einen richtigen Beitrag widmen möchte, ist ja ein Beispiel für eine sagenhafte Verhunzung. Zur Information für Nichtbremer: Dies war ein Kaufhaus des jüdischen Kaufmanns Julius Bamberger in einem zeittypischen Stil am Übergang zwischen Expressionismus und neuer Sachlichkeit und das erste Hochhaus in Bremen. Es stand über Jahrzehnte als notdürftig hergerichtetes Rumpfgebäude mit einem um mindestens 2 Stockwerke gekappten Turm (Kriegschäden) im Faulenquartier herum und wurde im Rahmen des Radio Bremen-Umzugs (auch hier Zustimmung, Findorffer, eine elend einfallslose Kistenarchitektur, bis auf vielleicht das zentrale Gebäude mit seiner reinen Glasfassade) dann wieder aufgestockt und Sitz der Bremer Volkshochschule. Zwar die erste "Rekonstruktion" seit Jahrzehnten in Bremen, als der Turm wieder auf die originale Höhe aufgestockt wurde 2006/2007 - aber dann so eine fürchterlich billige Fassade und diese elenden Plastikfenster mit den viel zu breiten Rahmenprofilen und der komplett ahistorischen Aufteilung. Da muss dringend etwas geschehen, aber typisch für Bremen wird auch bei guten Ideen dann auf halbem Wege stehengeblieben.

  • Liebe erbse,


    die hiesige Lokalpresse, also 'Bremer Nachrichten' / 'Weser Kurier' waren bisher immer sehr kooperativ, was die Publikation von Axel Spellenbergs Entwürfen anging. Ich denke, daß wird auch in diesem Fall wieder so sein. Ob darüberhinaus das Fernsehen eingeschaltet oder eine andere Form des 'in-die-Diskussion-Bringens' gewählt wird, muß hier noch überlegt werden.
    Jedenfalls bin ich fest davon überzeugt, daß gerade der Palazzo-artige Neubau neben dem Martens-Gebäude das Potential besitzt, die - bisher noch in Lethargie und Phlegma gefangenen - Bürger Bremens endlich aufzurütteln und diese gegen das eingefahrene hiesige 'Bau-Establishment' ihre Stimme erheben zu lassen. Denn langsam wird - mit der 'Dudlerei' am Bahnhof, dem Kühne & Nagel Monstrum an der Schlachte, der infantilen Lächerlichkeit des Jacobs-Areals und der Klotzerei von Robertneun (sowie des natürlich ad infinitum stehen bleibenden Bremer Carree's ) der bau-ästhetische Leidensdruck hier in der Stadt immer unerträglicher....

  • 40 Meter hohe Büro-Türme in der Altstadt ?


    Na, gegenüber dem, was hier am Brill offenbar geplant ist, nehmen sich die Entwürfe von Christian Jacobs an der Langenstraße zwar nicht eigentlich altstadtgerecht, aber immerhin wesentlich verträglicher aus ...

    'Buten un Binnen' vom heutigen Tage (18. September 2018).


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  • Du bist ja schneller wie die Presse erlaubt, Pagentorn! cclap:)

    Dank Deinem Link war ich gestern vorm Leser der folgenden Tageszeitung bestens imformiert.

    Ich kann nur hoffen, dass unsere Senatsbaudirektorin in diesem Fall hart bleibt. Die angedachte Verdichtung auf 40m wäre eine Katastrophe. Ich denke da nur an das 'Siemenshochhaus' und die ganzen Probleme damit.
    Nein danke.
    Ich frage mich generell, wieso dieser Entwurf überhaupt gewinnen konnte? - Das alte Sparkassengebäude zwischen diesen Glastürmen... :kopfschuetteln:

  • Unser Forums-Freund findorffer wies mich freundlicherweise auf den folgenden Beitrag in der Lokalnachrichtensendung 'Buten un Binnen' hin:


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  • Ich vermute stark, dass dann nichts erfreuliches dabei herauskommt. Das Areal könnt ihr wohl komplett vergessen.

    Die Stadtoberen sind jetzt schon betrunken von dem international bekannten Namen des Architekten. Der "grüne" Bausenator redet schon etwas von einem "kühnen, mutigen Entwurf". Und Libeskind selbst äußert: "Ich werde etwas Einzigartiges schaffen (...) Die Inspiration zählt."
    (https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1805064.html)

    Es kann einzig nur noch darum gehen, dass Libeskind nicht noch die bestehende historische Substanz zerstört. Indes wird es schwierig, auf international agierende Investoren, wie die Schapira-Brüder auch nur den Hauch von Einfluss zu nehmen. Vielleicht hören sie ja ein wenig auf freundliche Briefe. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber vermutlich braucht Ihr nicht mehr viel Energie und Herzblut in diese Ecke stecken.

  • Die Schapira-Brüder sind dafür bekannt, dass sie "zügig" arbeiten.

    Ein Plan wird der Öffentlichkeit vorerst nicht präsentiert.

    Ein Bürgermeister, der sich in Superlativen wälzt und linguistisch den Eindruck vermittelt, direkt aus dem Ratskeller gestiegen zu sein.

    Männer (und Frauen!), da müssen alle Alarmglocken läuten. :schockiert::schockiert::schockiert:

    Ich denke, hier sollen schnell Nägel mit Köpfen gemacht werden, bevor irgendeine Initiative wieder ein Volksbegehren einleiten kann.

    Was wieder einmal beweist, dass Baubehörde und Senat nach Gutsherrenart agieren.

    Aber was rege ich mich auf: Ich soll mich ja freuen, dass ein so renomierter Architekt wie Libeskind nun in Bremen schafft und sich so "spannende Investoren" wie die Schapiras für das kleine, winzige Bremen interessieren.

    Ob es dann wirklich eine "Auszeichnung" für Bremen wird, sei erst einmal dahingestellt, solange die Visionen des Herrn Libeskind nicht auf dem Tisch liegen.

    Wahrscheinlich wird es nur ein weiterer Dudler, der dann den Namen Libeskind tragen wird.

    Oder aber wir bekommen nun auch einen "Wal" am Brill...wie das Universum an der Uni...! - Einen Wal, so hoch wie der Dom! disgust:):augenkrummblau:

    Seriöse Bau- oder Stadtplanung geht meiner Meinung nach anders. Ich kann hier nur Wahlkampfgetöse erkennen.

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (8. Februar 2019 um 18:23)

  • Wahrscheinlich wird es nur ein weiterer Dudler, der dann den Namen Libeskind tragen wird.

    Oder aber wir bekommen nun auch einen "Wal" am Brill...

    Ersteres wäre zu harmlos gedacht. Die zweite Idee geht schon eher in die Richtung, die zu befürchten ist. Es könnte so etwas Zackiges herauskommen (hier), eventuell für die Bremer auch in der leicht braveren Variante (hier). Jedenfalls könnte es geschehen, dass sich einige den Status quo zurückwünschen werden. Aber, lassen wir uns einfach mal überraschen. ;)

  • Ja, ich befürchte hier auch das Schlimmste. Es ist nun genau wie Ihr sagt natürlich doppelt schwer, Einfluss auf die Planungen zu nehmen... auf der einen Seite ist Libeskind zumindest in Deutschland auch so ein bisschen der Architekt der Mittelstadt mit Profilneurose (Lüneburg, Osnabrück), auf der anderen Seite kann man sich natürlich das Gejaule von einschlägiger Seite vorstellen, wenn es nicht klappt ("Bremen vergrault erfolgreich Stararchitekten und potenten Investor, danke Sozen"), zumal Libeskind bereits in den 1990ern ein Projekt in Bremen hatte, das nicht realisiert wurde (das "Musicon").

    Insofern eine ganz schwierige Situation für die Handelnden... wenn man sich im Oeuvre dieses Herrn mal umschaut, finde ich da wirklich nichts, das mir gefällt (muss man auch erstmal schaffen, bin wirklich nicht extrem rigoros) - vielleicht geht das Jüdische Museum noch in Ordnung in Berlin, einfach weil streng modern und als Solist halbwegs funktionierend.

    Trotzdem ertappe ich mich auch bei dem Gedanken, dass es dann halt ein moderner Kracher wird, ein Guggenheim, ein Wal, was weiß ich - und vielleicht ist das an dieser Stelle noch nicht einmal das Schlimmste, der Ort ist ohnehin weitgehend zerstört... ganz frickelige Situation, denn Bremen ist natürlich auch mehr als andere Städte erpressbar aufgrund seiner mauen Finanzen und des prekären Arbeitsmarkts. In Stuttgart würde die Welt natürlich nicht untergehen, wenn das nicht klappt. Wenn das ganze mit einem guten Konzept einhergeht und Leben in die Innenstadt bringt (gab z.B. auch Ideen mit einem innerstädtischen Campus der Hochschulen an dieser Stelle), fällt es eben schwer mit Fundamentalopposition, mir zumindest.

  • Bremen hat nichts gelernt.......die Stadt ist einfach verloren! Rot/Grün wirkt auf allen Ebenen und man feiert sich auch noch selbst und holt sich einen Stararchitekten der bis auf kranke seelenlose Entwürfe nichts menschenwürdiges Zustande gebracht hat. Dabei lag die Lösung so nahe (Spellenberg) :(

  • Grundsätzlich sicher Zustimmung, dass 70 Jahre SPD der Stadt und dem Land Bremen nicht gutgetan haben. Trotzdem bitte ich um etwas Nachsicht mit dem aktuellen Senat, der zum großen Teil die Fehler der 60er-2000er ausbaden muss. Die Schuldenbremse hat die Gestaltungsmöglichkeiten einfach extrem eingeschränkt, aber anders als sein Berliner Pendant hat der gleichsam farblose Carsten Sieling die Regierungsgeschäfte zwar wenig aufregend, aber doch alles in allem ganz gut geführt.

    Sein größtes Verdienst ist sicherlich, den neuen Länderfinanzausgleich entscheidend mitverhandelt zu haben, was neue Spielräume ab 2020 eröffnet. Hinzu kommt eine bauernschlaue, keineswegs schlechte Finanzsenatorin, die den Sanierungskurs recht eisern durchgezogen hat und nebenbei noch die mit faulen Schiffskrediten überlastete Bremer Landesbank sogar gegen Bares an die Nord LB losgeschlagen hat. Dafür wurde sie zwar seinerzeit extrem kritisiert, von wegen "Versilbern von Tafelsilber", aber der Laden war so bis unter die Hucke verschuldet, dass die Niedersachsen bereits schäumen vor Wut, mal wieder von den Bremern übers Ohr gehauen worden zu sein. Nun gut, dafür wurden die Bremer wiederholt von den Hamburgern übers Ohr gehauen, so gleicht sich alles aus...

    Und egal, was man über die einzelnen Projekte in der Stadt sagen mag - Bremen profitiert extrem von der Renaissance der Städte, hat trotz der unrühmlichen Vorgeschichte mit der "Vertreibung" vieler Kaufmannsfamilien eine weiterhin beneidenswerte Szene lokaler Mäzenen, deren Aussöhnung mit der Stadt sicherlich auch Carsten Sieling zu verdanken ist - zumindest hat er sie anders als seine Vorgänger nicht aktiv behindert. Christian Jacobs investiert Hunderte Millionen in die Langenstraße und seine alte Kaffeefabrik, Kurt Zech (auch mal "persona non grata") ebensolche in die Überseestadt und die Innenstadt um Karstadt, nun Klaus Meier mit seiner wpd an der Überseeinsel... hinzu kommt noch Klaus Hübotter, dem der Erhalt und die Sanierung ganz vieler alter Gebäude zu verdanken ist. Das Geld ist noch da in der Stadt, von den konventionelleren Bremer Investoren wie Ingo Damaschke und Justus Grosse haben wir noch gar nicht gesprochen und dass dieses Geld nun wieder in Bremen investiert und nicht mehr in der Schweiz geparkt wird, stimmt mich grundsätzlich hoffnungsvoll.... die Liste an großen Umnutzungs- und Neugestaltungsprojekten ist lang, es hat zwar wie immer alles etwas länger gedauert in Bremen, aber was jetzt in die Umsetzung geht, ist wirklich beeindruckend für eine Stadt, die sich die letzten 40 Jahre nur maximal durchgeschleppt hat.

    Ich will weder den Senat noch alle diese Projekte als großartig feiern, ich sehe die Defizite sehr klar, die Bildungspolitik, die langjährige laissez-faire-Haltung gegenüber Kriminalität, ich sage nur, dass hier in Bremen im Moment wirklich viel passiert, manches davon ärgerlich, manches okay, manches wirklich gut. Aber diese chronische Lähmung, eine latente Depression und Hilflosigkeit, die Schicksalsergebenheit, die über der Stadt hing, als ich hier Mitte der 2000er strandete, die ist wirklich verschwunden und die CDU hat zum ersten Mal seit gefühlten Jahrzehnten sogar einen wählbaren Spitzenkandidaten. Mal sehen, was draus wird ;) ...

  • Ich muss sagen, dass ich regelrecht "Angst" habe, vor dem, was uns Daniel Libeskind da bescheren könnte. Gleichzeitig bin ich in froher Erwartung und weiß doch, dass man es mir eh nicht recht machen kann.

    Warum eigentlich nicht?

    Ich habe in Bild von (der Bremer) Altstadt im Kopf. Ein in den Augen vieler Zeitgenossen unzeitgemäßes Bild. In diesem Bild spielen die Kirchtürme die Hauptrolle. Alle anderen Gebäude ordnen sich unter. Größe und Besonderheit, sollen auch nur wichtige Gebäude ausdrücken dürfen - wie das Rathaus oder die Handelskammer. Andere Repräsentanzen.
    Der Rest hält sich vornehm, aber durchaus detailreich gestaltet, zurück.

    Es beherrschen die klassischen Materialien der Altstadt die Fassaden und Dächer. Alles ist auf Langsamkeit und Erlebbarkeit ausgerichtet. Stadt als sensorisches Erlebnis.

    Jeder Komparse, der sich erdreistet, seine Aufgabe auszudehnen und den Hauptdarstellern die Show zu stehlen, ist fehl am Platz. Und das ist auch in der Architektur so.

    Dann verlässt man die Altstadt und den Ringen eines Baumes gleich, kann man an den Quartieren die Zeit ihrer Entstehung ablesen: Am Straßenbild und an den Fassaden. Auch hier wieder Hauptdarsteller und Komparsen, nebst Statisten und Kulissen. Hier sind es dann meistens Bahnhöfe, Museen, Theater, Gerichtsgebäude, Schulgebäude und Ämter, die Plätzen und Straßen Gesicht geben.

    Ganz neue Quartiere dürfen auch ganz neu aussehen. Architekten toben sich aus. Es geht auch hoch hinaus. Dort, wo es sein kann und darf.

    Wichtig ist aber immer, dass die Maßstäblichkeit eingehalten wird.

    Das ist MEIN Bild. Und jede Planung, die diesem Bild entgegensteht, was heute meistens der Fall ist, kann es mir auch nicht recht machen. So blicke ich sehnsüchtig nach Frankfurt am Main und nach Lübeck, nach Dresden und Potsdam und seufze!

  • Wir ticken da wohl ähnlich. Ich wünsche mir eine möglichst gelungene Wiederherstellung der Bremer Altstadt mit den Stilmitteln der Rekonstruktion und des angepassten/klassischen Neubaus, einer weitgehendestmöglichen Wiederherstellung der zahlreichen kaputtsanierten Bremer Häuser in den gründerzeitlichen Stadterweiterungen, gerne auch mit Rekonstruktion oder Wiederherstellung größerer oder öffentlicher und ehemals stadtbildprägender Bauten wie z.B. der hier schon thematisierten Sparkasse im Steintor.

    Ich habe aber nichts ganz Grundsätzliches dagegen, dass in den kriegszerstörten Gebieten modern gebaut wird. Mein Wunschstil für Neubaugebiete wäre eine Weiterentwicklung frühmoderner/expressionistischer Gestaltung, wie z.B. hier:


    (Sebastian Treese)

    Ich kann aber auch der frühen Nachkriegsmoderne durchaus etwas abgewinnen, v.a. wenn sie etwas klassischer daherkommt. Ich finde auch, dass das Ziel sein muss, die "Zeitschalen" der Stadtentwicklung auch wieder am Stadtbild ablesen zu können, würde also gerne die innerstädtische Dominanz der Architektur der 60er und 70er Jahre auch durch Abrisse brechen. Dafür gibt es genug vorstädtische Anschauungsbeispiele in der Vahr oder in Tenever.

  • Architekten toben sich aus.

    Diese komische Begrifflichkeit erinnert mich immer an kleine Kinder. Wenn sie toben wollen, können sie ja auf den Fußballplatz gehen. Oder sie bekommen ein Hüpfseil geschenkt.

    Für mich ist Architektur ein Dienst an der Allgemeinheit, keine Selbstverwirklichungs-Neurose.

    Und diese Rede vom "Austoben" wird auch nur bei Architekten gebraucht. Schauspieler, die sich "austoben" würden, wären lächerlich und unglaubwürdig. Autodesigner, die sich "austoben", wären rasch pleite, denn mit einer Handvoll Kunden a la Elton John könnten sie dauerhaft kaum sinnvoll wirtschaften. Möbelbauer, die sich "austoben", würden kaum etwas verkaufen, da ihre exzentrischen Entwürfe zu unpraktisch für die 3-Zimmer-Wohnungen der meisten Bürger wäre. Nur die Tobsuchtanfälle selbstverliebter modernistischer Architekten sollen die Bürger immer ertragen.

    Abgesehen davon sind Deine Ausführungen aber nett zu lesen. Ich hoffe, dass Deine Vision von Bremen für Dich irgendwann in Erfüllung geht.

  • Wenn die Begrifflichkeit "toben" an kleine Kinder erinnert, dann ist sie auch richtig empfangen worden.

    Vollkommen unreflektiert und auf sich selbst fokussiert. Dabei laut! Rücksichtslos - ohne Blick nach links und rechts. Manchmal geradezu entfesselt! Die Umwelt und Mitmenschen störend! Trotz wiederholter Ermahnung nicht in der Lage, sich zu fangen und zur Räson zu kommen!

    So toben meine Kinder gerne durchs Haus und so planen manche Architekten ihre Werke. Ja, doch, die Begrifflichkeit erscheint (zumindest mir) für manchen Architekten durchaus passend. Unfreiwillig komisch, aber passend.

    Aber die Fragestellung finde ich spannend!
    Vielleicht wird diese Begrifflichkeit auf andere nicht angewendet, weil deren Werke nicht von so nachhaltiger Wirkung auf die Umwelt sind? Weil sie abgeschaltet werden können (TV), nicht aufgesucht (Theater, Museum) oder schlicht nur im Privaten oder für das Private entstehen (Tischler)? Ein Schauspieler muss nach Drehbuch agieren. Der hat wenig Spielraum, zu toben. Aber vielleicht der Regisseur oder Dramaturg? Das behalte ich mal im Auge!

    Vielen Dank für die lobende Anmerkung. Darüber freue ich mich.

  • +++Beaking news+++Breaking news+++Breaking news+++Breaking news+++Breaking news+++Breaking news+++Breakin


    Frisch aus der morgigen Tagespresse sind erste Eindrücke zu den Libeskind Plänen für das Sparkassen-Areal am Brill zu sehen.
    Der Plan des Star-Architekten sieht vier Türme vor, der höchste Turm soll eine Höhe von 98 Meter haben und somit nur knapp unter der Höhe des Domes bleiben!

    In dem Artikel des Weser-Kuriers wird zurecht auf die Sprengkraft dieses Projektes so kurz vor der Wahl hingewiesen, da solche Hochbauten in der Innenstadt als heikel gelten. Was Schapira/Libeskind hier allerdings vorhaben, erinnert mich an Heimdalls Worte, dass "nichts erfreuliches dabei herauskommt" - und siehe: Der Wahnsinn klopft in der Innenstadt an...

    Hier der Link zu dem Artikel:

    https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1807382.html

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (16. Februar 2019 um 22:57)

  • Jakku Scum

    das sind alptraumhafte Entwicklungen, die sich hier abzeichnen und bestätigen wieder mal meine "Vorurteile", dass es bei der Moderne nicht mehr um Schönheit und Stadtgestaltung geht, sondern nur noch um die Generierung von Fläche. Man könnte in Abwandlung des alten Maklerspruches "Lage, Lage, Lage" sagen: "Fläche, Fläche, Fläche" durch immer höhere Bauten und die Moderne wird so mit ihrem minimalistischen Gestaltungskonzept zum Liebling aller Investoren. Minimalistisch heißt: schnell hochzuziehen, keine Dekor, vorgefertigte Bauteile, die überall anders in der Republik auch auftauchen - kurz: das ökonomische Denken gewinnt die Oberhand gegenüber einer individuellen Gestaltung. Minimalistisch heißt nicht: geringe Bauhöhe, die ist nämlich maximalistisch aus dargestellten Gründen.

    Unsere Innenstadt muss heilig sein, die Gebäude müssen sich an den traditionellen Bauhöhen orientieren. Hier zeigt sich jetzt, was passiert, wenn man den Investoren den kleinen Finger gibt: Sie wollen die ganze Hand. Der kleine Finger, das ist der Kühne & Nagel-Bau an der Martinistraße oder das 8-Etagen-Gebäude der Atlantic-Gruppe direkt neben der Böttgerstraße. Der "Kleine Finge" wird so zur Vorlage für andere Investoren, die dann argumentieren: "Die anderen dürfen doch auch so hoch bauen".
    Und mir wird klar: Die Politik hat kein Gestaltungskonzept für die Innenstadt, überlässt aufgrund des höchsten Schuldenstandes aller Bundesländer wie schon in der Überseestadt den Investoren die Gestaltung. So kann das nicht mehr weitergehen.
    Schlussendlich vermute ich aber folgendes: 98 Meter Höhe sind nur ein Trick, weil man 40, 60 oder 80 Meter haben will. So kann man sich dann in "Verhandlungen" "annähern" und nach außen einen "Kompromiß" verkünden. Das ist, wie sagt man in Bayern, nur noch "hinterfotzig".