Potsdam - Baugeschehen in den barocken Stadterweiterungen

  • Einer der wenigen großformatigen Bauten in der zweiten Stadterweiterung in der Friedrich-Ebert-Straße 88. Laut Denkmalschutz eigentlich ein aufgestocktes Typenhaus ursprünglich erbaut 1736, dann 1897 aufgestockt durch A. Erxleben. Wenn man sich die Proportionen anschaut, scheint dies aber nicht zu passen. Sieht aus wie ein kompletter Neubau, wo nur die Zentralgaube noch an das Typenhaus erinnert. Rechts daneben ist dann ein eindeutig aufgestocktes Typenhaus.

    Ein alternatives Potsdam, hätte man wie in Berlin im Kaiserreich die Altstadt zum Umbau freigegeben.

  • Übrigens, wenn man durch die gezeigte Toreinfahrt des nh-Hotels geht, kann man eine ganze Serie von Hinterhöfen durchstreifen und kommt dann auf der anderen Seite des Blocks in der Jägerstraße gegenüber der Musikschule wieder heraus. Links daneben kommt man in einen weiteren Hinterhof mit urigen Fachwerk-Nebengebäuden.

  • Eine sehr schöne Sanierung und teilweise Fassadenreko in der Friedrich-Ebert-Str. 118. Gebaut wurde es 1769 von Gontard.

    Vorher 2022:

    Zustand 2011:

    1024px-Friedrich-Ebert-Stra%C3%9Fe_118_Potsdam.jpg

    Soweit saniert, nur die Farbe im Erdgeschoss fehlt noch. Die beiden großen Warenfenster wurden halbiert und dort eine Stuck-Profilierung angebracht mit Keilsteinen darüber. Zudem hat das horizontale Band über dem Erdgeschoss eine Struktur bekommen.

  • Erdgeschoss gefällt mir sehr gut. Die Gliederung zwischen den Gesimsen finde ich einen schlechten Einfall, da sie die Unruhe der unterschiedlichen Abstände der Fensterachsen zwischen Erdgeschoss und Beletage noch verstärkt.

    Generell habe ich eine so seltsame Gliederung noch nie gesehen. Beruht das auf barocken Ansichten?

  • Ja, das sieht nicht gelungen aus. Am Haus direkt rechts daneben kann man ja sehen, wie da ganz einfach ein guter Übergang bei rausgekommen wäre: Ein schmaler Sims mit Vorsprüngen auf einer Linie mit den Fenstern.

  • Erdgeschoss gefällt mir sehr gut. Die Gliederung zwischen den Gesimsen finde ich einen schlechten Einfall, da sie die Unruhe der unterschiedlichen Abstände der Fensterachsen zwischen Erdgeschoss und Beletage noch verstärkt.

    Generell habe ich eine so seltsame Gliederung noch nie gesehen. Beruht das auf barocken Ansichten?

    Ein Haus habe ich zufällig gefunden mit ähnlichem Muster, links im Photo, wobei die Breite der Aussparung sich an den darüber liegenden Fenstern orientiert (hätte man in der FES 118 auch so machen können). Was die Gurtgesimse betrifft gibt es in Pdm so ziemlich alle Varianten, Kreativität hat keine Grenzen.

  • Erdgeschoss gefällt mir sehr gut. Die Gliederung zwischen den Gesimsen finde ich einen schlechten Einfall, da sie die Unruhe der unterschiedlichen Abstände der Fensterachsen zwischen Erdgeschoss und Beletage noch verstärkt.

    Generell habe ich eine so seltsame Gliederung noch nie gesehen. Beruht das auf barocken Ansichten?

    Es gibt ein Photo von ca 1910, welches aber schon die großen Ladenfenster hat. Die Aussparungen im Gurtgesims entsprechen dem vorherigen Zustand, es fehlen aber die inneren Stuckteile. Eine Profilierung im Erdgeschoss gab es im Photo bereits nicht mehr.

    "Die Fassade von Hohewegstraße 9 (heute Friedrich-Ebert-Straße 118) erzielt ihre Wirkung vor allem durch die Verdachungen der Fenster; im 1. Obergeschoss sind es Segmentbögen und im Geschoss darüber Dreiecke. Die Fenster liegen auf einem flachen, durchgehenden Putzfeld, was der Fassade oberhalb des Sockelgesimses einen vertikalen Zug verleiht. Mit denselben profilierten Faschen gerahmt, werden die Öffnungen in beiden Geschossen im Sturzbereich von kraftvollen Agraffen akzentuiert. Bei den Fenstern im 1. Obergeschoss sind die Agraffen von Tuchgehängen durchzogen und im 2. Obergeschoss von kleinen Blütenzweigen flankiert. Dort ist zudem unterhalb der Sohlbank jeweils eine Tuchdraperie gehängt. Die einst ruhige Wirkung der Fassade ist durch den Einbau dreier Läden ab den frühen 1890er Jahren stark beeinträchtigt. Die zu DDR-Zeiten erfolgte symmetrische Anlage der Schaufenster und Türen beruhigte zwar das Bild, erzeugte aber keine Einheit mit den Obergeschossen. (Thomas Sander, 2014)"

    Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte. "FS 1457: Potsdam, Hohewegstraße 9" last modified 2023-10-05. https://brandenburg.museum-digital.de/object/2700

    Das ehemalige Feston/Agraffe über dem mittleren Eingang/Fenster ist jetzt ein schlichterer Schlussstein.

  • Grundsätzlich ist eine Renovation wie bei Friedrich-Ebert-Str. 118 sehr zu begrüssen, auch wenn sie nicht auf denkmalpflegerisch höchsten Niveau stattgefunden hat. Dennoch hat es mich interessiert, was man mit wenig Aufwand noch besser hätte machen können. Es geht vor allem um das Brüstungsband am 1. Obergeschoss, das mehreren Forumsmitgliedern aufgefallen ist. Die vertieften Felder wirken jetzt fremd und ohne Zusammenhang mit den Fenstern darüber:

    Tektonisch ist das Brüstungsband gegenüber den Fenstern jetzt gerade konträr: Unter den Fenstern sollte ein tragendes Element sitzen - jetzt ist es eine Leere mit der Fassadenfarbe als Hintergrund. Dafür sitzen die tragenden Elemente des Brüstungsbandes jetzt verloren unter den Wandfeldern. Das Band sehe ich jedoch als eine Art Balustrade über dem Erdgeschoss an, gegliedert mit Postamenten. Nochmals ein Blick auf den ursprünglichen Zustand (mit den späteren Ladenfenstereinbauten):

    Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte. "FS 1457: Potsdam, Hohewegstraße 9" last modified 2023-10-05. https://brandenburg.museum-digital.de/object/2700

    Unter den tragenden Elementen des Brüstungsbandes waren am Erdgeschoss Pilaster vorhanden. Diese fehlen heute gänzlich, aber sie standen mit dem Brüstungsband im Einklang und trugen dieses. Ich sehe diese Pilaster als noch zum Originalbestand gehörend an. So wie sich das Erdgeschoss nach der jüngsten Renovation mit den verkleinerten Fensteröffnungen präsentiert, verkörpert es eher den Historismus mit einem durchgehenden, nicht rhythmisierenden Erdgeschoss. Das Brüstungsband gehört zur architektonischen Gliederung und ist deshalb mal hell gefärbt:

    20240213_170528x.jpeg

    Fotomontage 1 mit hell gestrichenem Berüstungsband (Bildgrundlage von Unify).

    Anstelle der nicht rekonstruierten Gliederung innerhalb der Brüstungsfelder kann man sich zum besseren Verständnis mal Baluster anstelle der auf dem historischen Foto sichtbaren ursprünglichen Verzierungen vorstellen, und zwischen diesen sähe man ja durch, also zur dahinter liegenden Wand. Vermutlich sollten die Verzierungen dieselbe Rolle wie Baluster einnehmen, also auch als durchbrochene Brüstung. Deshalb folgt ein zweiter Vorschlag mit den Verzierungen und im dunkleren Fassadenton gestrichenen Rücklagen:

    20240213_170528xx.jpeg

    Fotomontage 2 mit Verzierungen im Brüstungsband (Bildgrundlage von Unify).

    Und schon sieht die Fassade viel feingliedriger aus, und unsere anfänglichen Bedenken bezüglich dieses eigenartigen Brüstungsbandes sind verflogen. Man müsste diese Verzierungen nicht einmal plastisch ergänzen, sondern zur Not würde auch eine gemalte Gliederung denselben Effekt erzielen. So ein Muster wie beim dritten Achteckenhaus hätte hier viel mehr Sinn gemacht!


    Auch die farbige Behandlung der Brüstungszone am rechten Nachbarhaus sehe ich als falsch an, denn auch dort ist diese im Fassadengrundton gestrichen. Die Eckquader darüber hängen deshalb in der Luft, anstatt dass sie über dem Erdgeschoss ansetzen. Also mindestens die vortretenden Fassadenteile unter den Eckquadern und Fenstern müssten grau gestrichen sein.

  • Nun habe ich mir weitere Gedanken zur Kräfteableitung von den Obergeschossen auf das Erdgeschoss gemacht. Abgesehen von der farbigen Absetzung ist Letzteres immer noch zu stark von den Obergeschossen abgesetzt. Es wirkt jetzt mural - mit einer horizontalen Nutung der Wandflächen und korbbogigen Fensterstürzen mit schräg gestellten Nuten und markanten Schlusssteinen.

    Diese Schlusssteine sitzen jetzt aber gerade unterhalb der filigranen Teilen der Brüstung des 1. Obergeschosses, und nicht unter den Postamenten. Sie wirken so, als ob sie eine mittige Konsole unter kleinen Balkonen darstellten, ähnlich wie bei den Achtecken-Häusern.

    Ein Blick auf die historische Fotografie im vorangehenden Beitrag zeigte aber, dass ursprünglich (also noch vor den historistischen Ladeneinbauten) wohl Pilaster bestanden, die genau unter den Postamenten angeordnet waren. In der Mitte überdauerte noch das korbbogige Portal mit plastischen Schmuck darüber. Links vom Portal hatte sich noch eine Draperie erhalten. Ursprünglich bestanden wohl zu beiden Seiten des Portals je drei Einzefenster mit solchen Draperien darüber. Vergleicht man mit weiteren Bauten Gontards, waren wohl auch die in den 1890er Jahren entfernten Fensterbrüstungen verziert.

    Das entscheidende Gestaltungselement am Erdgeschoss waren aber die Pilaster. Ich zeichnete somit einen weiteren Vorschlag, wie das Erdgesschoss mit minimalem Mehraufwand mit solchen Pilastern anstatt mit Schlusssteinen hätte versehen werden können:

    Potsdam-Friedrich-Ebert-Str.-118-20240213_170528xxx.jpeg

    Fotomontage 3 mit Pilastergliederung am Erdgeschoss (Bildgrundlage von Unify).

    Das Erdgeschoss und die Brüstung darüber stehen nun in einem Einklang. Obwohl die Fenster nicht gleich hoch und die drei rechten Fenster nicht genau in den Achsen der oberen Fenster liegen, überspielt die Pilasterreihung diese Ungenauigkeiten. Als Krönung habe ich noch das historische Eingangsportal hineinretuschiert, das aber nicht Bestandteil dieser Diskussion sein soll.

    Ein Vergleich mit dem aktuellen Zustand zeigt, wie man mit geringem Mehraufwand (ausser dem Portal) viel mehr hätte heraus holen können. Das Haus wirkte mit Pilastern viel edler, schon beinahe wie ein 'Palast'.

    Aktueller Zustand nach der Fassadenrenovation.

    unify Du hast hier schon mehrmals Fassadenpläne aus dem 18. Jahrhundert eingestellt. Gibt es auch einen von Friedrich-Ebert-Str. 118? Oder gibt es solche nur von vereinzelten Bauten?

  • 20240213_170528xx.jpeg

    Fotomontage 2 mit Verzierungen im Brüstungsband (Bildgrundlage von Unify).

    Und schon sieht die Fassade viel feingliedriger aus

    Ich empfinde diese Variante als die beste. Dazu dann noch das Portal in der Mitte, um dem heute nicht-eingängigen Mauerabstand in der Fassadengliederung wieder seinen Sinn zu geben. Gut käme eventuell auch, wenn die Oberlichter im EG noch geteilt wären.

    Damit kann man aber aus meiner Warte heraus sagen, dass die Sanierung nahezu perfekt ist, weil sie genau diese Optimierungen noch ermöglicht bzw. deren Grundlage erst geschaffen hat.

    Vielleicht könnte man so viel mehr Bauherren abholen, indem man ihnen einen idealen Endzustand präsentiert, jedoch auch entsprechend attraktive Zwischenzustände auf dem Weg dahin, die Kosteneinsparungen erlauben. So können dann Fassaden über viele Jahrzehnte ihre Pracht entwickeln, statt dass man alles gleich in einem Aufzug perfektioniert und entsprechend bezahlt.

  • Das entscheidende Gestaltungselement am Erdgeschoss waren aber die Pilaster. Ich zeichnete somit einen weiteren Vorschlag, wie das Erdgesschoss mit minimalem Mehraufwand mit solchen Pilastern anstatt mit Schlusssteinen hätte versehen werden können:

    Potsdam-Friedrich-Ebert-Str.-118-20240213_170528xxx.jpeg

    Fotomontage 3 mit Pilastergliederung am Erdgeschoss (Bildgrundlage von Unify).

    unify Du hast hier schon mehrmals Fassadenpläne aus dem 18. Jahrhundert eingestellt. Gibt es auch einen von Friedrich-Ebert-Str. 118? Oder gibt es solche nur von vereinzelten Bauten?

    Ich habe leider keine weiteren Pläne, nur noch zwei weitere Photos (hier und hier). Die Bauform mit den Pilastern im Erdgeschoss ist ziemlich selten in Potsdam und die Kombination mit einer Art stilisiertem Gebälk drüber ist wohl einmalig(?). Beim ehemaligen Gontard-Haus von 1767, Vorgänger der Wilhelmgalerie, gab es ebenfalls Pilaster im Erdgeschoss.

    Platz_der_Einheit_1912%2C_Gontard-Haus.jpg

  • Hier wurden nun einige Beiträge hin verschoben, obwohl das Gebäude, um das es geht, nicht in den barocken Stadterweiterungen steht.

  • Zu überlegen wäre vielleicht auch der Strang: "Potsdamer Mitte - Allgemeines und Stadtpolitik", da das thematisierte Gebäude innerhalb der historischen Mitte/Altstadt steht. Ich finde, dass der Inhalt im zu vorigen Strang gar nicht so unpassend war.