Kaliningrad - Königsberg

  • .... und was sagt uns das Alles? Nationalismus führt immer nur zu Krieg, Zerstörung und Leid. Der Nationalismus hat wie der Kommunismus seine Chance gehabt und hierbei gezeigt, dass er zur Organisation des Zusammenlebens von Menschen offensichtlich nicht geeignet ist.

  • Nein, Rastrelli, für Königsbergs Stadtbild wäre eine Zugehörigkeit zu Polen nach 1945 besser gewesen, weil die Polen es rekonstruiert hätten, Ulbricht dagegen ganz sicher nicht. Und nur ums Stadtbild geht es hier doch eigentlich, um mal wieder aufs Thema zurück zu kommen.

    Aha. Dann wäre es wohl auch besser gewesen Frankfurt/Oder wäre an Polen gefallen? Oder man stelle sich vor, wie schön ein polnisches Chemnitz heute aussehen könnte? Zu schade, dass diese Städte bei Deutschland verblieben. Gut, Chemnitz ist zu weit von der Neiße entfernt aber Görlitz z.B. hätte auch vollumfänglich polnisch werden können... Manchmal frage ich mich echt ...

    Ob die Polen Königsberg restauriert hätten, ist doch stark zu bezweifeln. Zu krass die Verbindung zum verhassten Preußen und darüber hinaus hätte es die polnischen Mittel wohl überstiegen, neben Warschau, Danzig und Breslau eine weitere große Altstadt wieder aufzubauen. Wobei bei den letztgenannten auch nur Teilbereiche - und im Falle Breslaus auch gezielt "polonisierend" - wiederaufgebaut wurden. Schade, dass karasek nicht mehr schreibt, der konnte darüber viel interessantes berichten.

    Darüber hinaus wurde auch Elbing nicht wieder aufgebaut. Tatsächlich begrüße ich es, daß das nördliche Ostpreußen nicht auch polnisch wurde.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • @"Andreas", das ist eine pauschalisierende politische Äußerung. Dazu müsste man die Nationalstaaten hinsichtlich Krieg und Leid z.B. mit einstigen Feudalstaaten oder mit vielen multiethnischen Gebilden (siehe z.B. die zerrissenen Gebilde in Afrika oder aber auch Länder wie Libanon, Afghanistan) vergleichen. Die Betrachtung von Krieg und Leid müssten dann auch auf die tägliche Lebenssituation (Bürgerkrieg, Clanbildung, Bandengewalt im Alltag, soziale Ungerechtigkeit) ausgeweitet werden. Zumal Du nicht mal definierst, was Du unter "Nationalismus" verstehst. Für die einen ist das ein Chauvinismus, der nur die Interessen einer eigenen Nation auf Kosten aller anderen durchsetzen will, für die anderen ist es bereits das Beharren auf einer nationalen Identität.

    Außerdem trägt Deine Äußerung nichts zum Forumsfrieden bei, ebenso berührt sie nicht im Ansatz das Thema Städtebau oder Königsberg.

    Wenn ich mehr darauf antworte, bricht der übliche Shitstorm der üblichen Diskutanten los. Weil ich es nicht mache, der shitstorm somit höchstwahrscheinlich ausbleibt, kannst Du wieder von einer herbeiphantasierten "Opferrolle" schreiben. Es ist das alte Spiel. Somit belasse ich es für heute damit, bitte Dich aber um Zurückhaltung.

  • Ich glaube, die Polen hätten lieber Wilna und Lemberg behalten als Stettin und Breslau zu bekommen. Die Sprachgrenzen im Osten Polens ist/war ein äusserst kompliziertes Thema. Es ging hier nicht nur um Sprache sondern sehr wohl um Religion. Sowohl in Lemberg als in Wilna sieht man deutlich, dass dort eine Polnische/Jüdische Mehrheit gab. Ausserhalb Lembergs aber sehr oft ein Ukrainische. Aber zurück zum Thema Königsberg: Ich weiss nicht, ob es Johan genau so geht, aber für mich hatte Königsberg sehr grosse Gemeinsamkeiten mit Stockholm, sowohl von der Lage her als wegen der Architektur. Die Stadt hatte für mich auf jedem Fall was Skandinavisches.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Heimdall: Meine Aussage ist sicher etwas verkürzt. Es ist jedoch der Gedanke der sich mir nach dem Lesen der zuvor geposteten Beiträge aufgedrängt hat. Recht hast du aber damit, dass sich eine Vertiefung der Diskussion sehr weit vom Thema des Ssätranges entfernen würde.

  • Wobei Polen seinerseits diese Gebiete erst von der jungen Sowjetunion eroberte und annektierte.

    Danke für Deinen sehr erhellenden historischen Exkurs. Vielleicht kannst Du uns auch ein wenig zur Geschichte der Republik Polen erzählen, insbesondere zu welchem Land dessen Hauptstadt Warschau bis 1918 gehörte.

  • Vielleicht kannst Du uns auch ein wenig zur Geschichte der Republik Polen erzählen, insbesondere zu welchem Land dessen Hauptstadt Warschau bis 1918 gehörte.

    Das sind doch Basics werter UrPotsdamer, die auch dir zur Genüge bekannt sein sollten. Ansonsten ist dies mittels simpler Google-Recherche schnell getan.

    Folgender historischer Sachverhalt dürfte hingegen den wenigsten Zeitgenossen bekannt sein:

    Der Polnisch-Russische Krieg 1609–1618 war ein Krieg zwischen dem Königreich Polen-Litauen und dem Zarentum Russland. Der Krieg begann mit einer Offensive Polens unter der Führung des polnischen Königs Sigismund III. Wasa mit dem Ziel, die Krone Russlands für sich zu sichern, und endete 1618 mit dem Vertrag von Deulino, in dem Polen-Litauen territoriale Zugeständnisse gemacht wurden, das damit seine größte territoriale Ausbreitung erreichte […]

    Der polnische König wollte selber über das Moskauer Reich herrschen, um eine gute Ausgangssituation für eine von ihm angestrebte erneute polnisch-schwedische Personalunion erhalten zu können. Ein, angesichts der russischen Notlage, möglicher historischer Kompromiss zwischen Russen und Polen scheiterte damit. Die Pläne zielten auf die Abhängigkeit Russlands von Polen. [...] Die vom König geforderte Zarenkrone war etwas ganz anderes als die Wahl seines Sohnes zum Zaren, ...

    (Beitrag gekürzt. Mod.)

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Zu den "Basics" gehört auch, dass Polen von 1793 bis 1918 keine eigene, unabhängige Staatlichkeit besaß. Zudem, dass die "von der jungen Sowjetunion eroberte(n) und annektierte(n)" Gebiete bis 1793 zu Polen gehört hatten. Und dass die "junge Sowjetunion" nur drei Jahre jünger war als das wiedererstandene Polen.

    (Beitrag gekürzt. Mod.)

  • Zudem, dass die "von der jungen Sowjetunion eroberte(n) und annektierte(n)" Gebiete bis 1793 zu Polen gehört hatten. Und dass die "junge Sowjetunion" nur drei Jahre jünger war als das wiedererstandene Polen.

    Ob die Sowjetunion nur drei Jahre älter war, spielt bei der Betrachtung überhaupt keine Rolle. Es ist nur insofern von Bedeutung, dass die Sowjetunion als Nachfolgestaat des Russischen Zarenreiches bereits durch die Folgen des 1.WK enorm geschwächt war. Zu diesen Folgen potenzierten sich noch die Auswüchse der Revolution und des Bürgerkrieges.

    Darüber hinaus war ein Großteil der Gebiete, die bis 1793 zu Polen (Polen-Litauen) gehörten, Eroberungen aus dem Polnisch-Russischen Krieg von 1609 - 1618.

    Der Punkt ist, dass Polen ebenfalls eine expansive Politik verfolgte als es die Mittel dazu hatte (im frühen 17. Jahrhundert oder eben nach dem 1. WK). Der polnische König griff nach der russischen Zarenkrone und es schwebte ihm vor aus Russland einen polnischen Vasallenstaat zu machen. Mit anderen Worten: Das Schicksal, welches Polen später insbesondere von russischer Seite erfuhr (Stichwort: "Kongress-Polen"), hatte es selbst (oder so ähnlich) für Russland vorgesehen.

    (...)

    Beitrag gekürzt. Mod.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Die Moderation bittet die Diskussionsteilnehmer in diesem Strang um einen zurückhaltenden und sachlichen Stil. Man sollte beim Schreiben stets im Hinterkopf behalten, dass Beiträge zu diesem Themengebiet mitunter auch aufmerksam von Angehörigen anderer Länder gelesen werden und diese nicht zu Unrecht davon ausgehen, dass in einem deutschsprachigen Forum bei Themen dieser Art auf eine gewisse Sensibilität und Seriosität geachtet wird.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Super spannend an dieser Kirche ist - wie ich online zufällig herausgefunden habe, - dass dort die gleichen Fliesen am Boden sind wie im Flur auf Schloss Neuschwanstein. Wahnsinn welche Vertriebsweite diese Firma damals dann hatte.

    koenigsberg-adalbertkirche-fussboden-2019-claassen-13503.jpg

    http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/or…richt=1060&_l=2

    Neuschwanstein:

    Fliesen

    Die Diskussion wie mit Königsberg anders nach dem Krieg hätte umgegangen werden können finde ich auch super spannend und es macht viel Spaß eure Beiträge zu lesen.

    Ich finde es zwar auch schade, dass die Grenzen nach dem 2. WK recht wahllos verschoben wurden aber soweit ich gesehen habe leisten die Polen mittlerweile sehr gute Arbeit darin das deutsche Erbe zu pflegen und museal aufzubereiten.

    Es dann nicht zu besuchen zu wollen kann ich nicht verstehen.

    Erst kürzlich wollte ich sehen wie es der Ruine von Schloss Schlodien in Ostpreußen geht.

    Voilà es steht im Rohbau wieder:

    https://www.realportico.de/photoportico/s…-schlodien-2020

    Die Bemühungen kann ich im Kaliningrader Gebiet leider nur sehr sehr zaghaft erkennen.

    Aber die Adalbertkirche oben ist ja ein positives Beispiel.

    Hat jemand einen Tourguide von Königsberg von vor 1945?

    Es wäre ja mal spannend zu vergleichen was heute noch besichtigt werden kann.

    Es scheint ja viele Brachflächen und Plattenbauten zu geben. Aber soweit ich recherchiert habe könnte man zB noch heute am Bauhaus Bahnhof von Königsberg ankommen, ein Abstecher an der Börse und dem Dom machen. Ein Besuch im Zoo oder am Schlossteich unternehmen. In Amalienau (soll wohl gut erhalten sein) ein Café aufsuchen und an der Luisenkirche vorbei schauen. Danach das Königstor mit Museum besichtigen im Wrangel das Bernstein Museum und dann noch ein Foto an der Preußischen Bernsteinmanufaktur machen (gut die verfällt gerade zusehends - hoffentlich bald gerettet).

    Gut das war jetzt mal ein kleiner Ideal-Exkurs, mir ist schon leider schmerzlich klar, dass der Altstadtflair, das Hafenviertel mit den interessanten Fachwerkhäusern nicht mehr zu erleben ist. Aber ich frage mich ob das oben genannte dennoch eine Reise wert ist?!

  • Aha. Dann wäre es wohl auch besser gewesen Frankfurt/Oder wäre an Polen gefallen? Oder man stelle sich vor, wie schön ein polnisches Chemnitz heute aussehen könnte? Zu schade, dass diese Städte bei Deutschland verblieben.

    In der Tat glaube ich, dass diese Städte heute besser aussähen, wenn der polnische Staat oder polnische Restaurateure dort Hand angelegt und das Sagen gehabt hätten. Ja. Und ich frage mich immer, wie ein "Drezno" ausgesehen hätte, wenn die Polen es wiederaufgebaut hätten. So schlimm solche Gedankengänge? Es geht doch nur um die FRage, wie eine kulturell verantwortliche Regierung, die den Wert von Geschichte und der Bewahrung ihrer Zeugnisse zu schätzen weiß, mit dem zerstörten kulturellen Erbes von Chemnitz oder "Drezno" umgegangen wäre. Und da waren und sind die Polen absolut führend und große Vorbilder, von denen wir uns eine gewaltige Scheibe abschneiden können. Diese großartigen Künstler, die nach 1945 angepackt und wiederaufgebaut haben, sind für mich absolute Vorbilder.

  • Also ohne Frage gab/gibt es großartige polnische Restauratoren, nur sollte man auch nicht übertreiben.

    Außerhalb der großen Städte hielt sich die "kulturelle Verantwortung" der Regierung doch sehr in Grenzen, und war zudem ebenso den Mitteln der Zeit unterworfen wie etwa in der DDR bzw. die wirtschaftliche Lage war ja in Polen noch um einiges schlechter...und entsprechend sahen auch die Städte aus.

    Ich weiß noch, wie meine Mutter nach Jahren wieder in ihre Geburtsstadt kam, und in Tränen ausbrach, weil die Kleinstadt, einschließlich der Altstadt, so extrem heruntergekommen war.

    Und selbst in Danzig war der Städtebau außerhalb der Altstadt nach dem Krieg gruselig.

    Ich wüsste auch nicht, was z.B. in Stettin so herausragend mehr geleistet worden sein soll als in einer vergleichbaren deutschen Stadt, z.B. Rostock.

    Wie auch immer: sind wir froh und dankbar über jeden, der sich in Vergangenheit und Gegenwart für das kulturelle Erbe einsetzt, egal welcher Nationalität.

    Gut das war jetzt mal ein kleiner Ideal-Exkurs, mir ist schon leider schmerzlich klar, dass der Altstadtflair, das Hafenviertel mit den interessanten Fachwerkhäusern nicht mehr zu erleben ist. Aber ich frage mich ob das oben genannte dennoch eine Reise wert ist?!

    Offen gesagt: es gibt viele Städte in Osteuropa, bei denen eine Reise lohnenswerter ist.

  • .... und was sagt uns das Alles? Nationalismus führt immer nur zu Krieg, Zerstörung und Leid. Der Nationalismus hat wie der Kommunismus seine Chance gehabt und hierbei gezeigt, dass er zur Organisation des Zusammenlebens von Menschen offensichtlich nicht geeignet ist.

    Das kann ich auch ohne Weiteres unterschreiben. Ein zu ausgeprägter Nationalismus führt immer zu Spannungen mit den Nachbarländern. Als guter Politiker sollte man global denken und national handeln.

    Was das verlorene "Bundesland" Preußen betrifft sollte man in größeren Zeiträumen denken. Meine Eltern und Großeltern kamen mütterlicherseits aus Danzig und sind 1945 mit großen Verlusten über die Ostsee nach Dänemark geflohen und väterlicherseits aus Posen Thorn und sind bereits nach dem 1. WK nach Westdeutschland (Oberhausen) umgesiedelt. Meine Posener Großmutter war da gerade 10 Jahre alt. Es ist natürlich sehr schmerzlich diese landschaftlich und städtebaulich wunderschönen Gebiete verloren zu haben, aber so ist es ja in Wirklichkeit nicht. Die Gebiete von Posen bis Memel werden zwar vorübergehend von drei verschiedenen Ländern verwaltet, doch sie bleiben natürlich deutsch. Ganz Polen wurde über 100 Jahre lang von anderen Ländern verwaltet und ist heute größer denn je. Vielleicht sollten wir froh sein, dass die Aufbauleistungen dieser schwer zerstörten Städte von anderen Ländern (überwiegend Polen) übernommen worden sind. Unter Deutscher Verwaltung sähe Danzig heute im Zentrum nicht so aus, wie es heute aussieht.

    Ich, als toleranter und weltoffener Mensch bin davon fest überzeugt, dass Preussen eines Tages, und wenn es noch 100 Jahre dauert, wieder zu Deutschland gehören wird und allein das mildert den Schmerz des Verlorenen.

    Durch Klimawandel, Hungersnöte und politisch-wirtschaftlichen Umwälzungen wird sich die Welt in den nächsten 50 Jahren stärker wandeln als in den letzten 70 Jahren.

    und nein, ich habe kein rechtes Gedankengut und bin eher etwas links der Mitte einzuordnen.

  • Im 16. Jahrhundert bekannte ein polnischer Adliger, er sei "gente ruthenus, natione polonus" - d.h. "dem ruthenischen Volke, aber der polnischen Nation" zugehörig. Und Pan Tadeusz, das polnische Nationalepos von Adam Mickiewicz, beginnt mit den Worten "Litwo, Ojczyzno moja!" - "Litauen, mein Vaterland!" Beides deutet darauf hin, dass der Nationenbegriff in Polen nicht mit der polnischen Sprache verbunden war. Polen, Deutsche, Juden, Ruthenen, Litauer, Armenier, Tataren etc. sprachen verschiedene Sprachen, waren aber Polen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Szlachta (dem polnischen Adel) bzw. ihrer Unterstellung unter den polnischen König. In diesem Kontext sind auch die Expansionsbestrebungen im 17. Jahrhundert zu sehen. Dass diese scheiterten, lag wohl weniger an der Bereitwilligkeit vieler Bojarenfamilien (des russischen Adels), sich dem polnischen König anzuschließen, als an dem konfessionellen Gegensatz zwischen orthodoxem Russland und nominell katholischem, tatsächlich jedoch multikonfessionellem Polen.

    Dieses multiethnische, pluralistische Polen passte überhaupt nicht in die neu sich entwickelnden Schemata von ethnisch, kulturell und sprachlich "reinen" Nationalstaaten, wie sie die Aufklärung gebar. Folgerichtig wurde dieses "altmodische" Polen von den aufklärerisch gesinnten Monarchen Preußens und Russlands vernichtet (Österreich nahm eher widerwillig an den Polnischen Teilungen teil).

    Die Idee von Polen als einem Vielvölkerstaat wurde von Piłsudski noch propagiert, der auch eine "Ostföderation" der ostmitteleuropäischen Staaten anstrebte, die der alten Rzecz Pospolita schon sehr nahe gekommen wäre. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren solche Überlegungen obsolet geworden. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hatte Polen eine weitgehend homogene polnische Bevölkerung: die Juden waren zum großen Teil der Shoah zum Opfer gefallen, die Territorien mit nichtpolnischer Bevölkerung hatte sich die junge Sowjetunion einverleibt, und die Deutschen, die seit dem Mittelalter in ganz Polen (durchaus nicht nur in Pommern, Schlesien und Ostpreußen) gelebt hatten, wurden vertrieben.

    Zum Thema: nicht überall hat die polnische Denkmalpflege so vorbildlich gearbeitet wie in Warschau oder Danzig. In manchen Städten in Schlesien erhielten historische Gebäude anachronistische Zutaten, um die Zugehörigkeit zum polnischen Kulturkreis zu betonen (so erhielten zahlreiche Gebäude in Brieg "piastische" Zinnen). Und in vielen Kleinstädten in den westlichen Provinzen wurden bestehende Gebäude niedergelegt, um Ziegel für den Wiederaufbau von Warschau zu gewinnen. Für die Architektur der größeren Städte war die Zugehörigkeit zu Polen jedoch zweifellos ein Gewinn. Kein polnischer Politiker hätte den Abriss der Dresdner Sophienkirche, der Leipziger Universitätskirche, des Berliner oder Potsdamer Stadtschlosses verfügt. Selbst das wilhelminische Schloss von Posen, das während des Weltkriegs durch NS-Baumeister zur Führerresidenz umgestaltet wurde, ist von den Polen stehengelassen worden und beherbergt heute das angesehene Kulturzentrum "Zamek".

  • und nein, ich habe kein rechtes Gedankengut

    Doch, hast du. Und weil dir das bewusst ist, hast du diesen Zusatz angefügt. Wenn man dir keine rechte Gesinnung unterstellt, ergeben deine Äußerungen keinen Sinn.

    Es ist natürlich sehr schmerzlich diese landschaftlich und städtebaulich wunderschönen Gebiete verloren zu haben, aber so ist es ja in Wirklichkeit nicht. Die Gebiete von Posen bis Memel werden zwar vorübergehend von drei verschiedenen Ländern verwaltet, doch sie bleiben natürlich deutsch. Ganz Polen wurde über 100 Jahre lang von anderen Ländern verwaltet und ist heute größer denn je.

    Bei Polen handelte es sich um eine Nation, die keinen eigenen Staat mehr hatte und geteilt war. Hier gab es eine polnische Frage, die gelöst werden musste. Die deutsche Nation hat einen großen eigenen Nationalstaat. Das ist der Unterschied in deinem Vergleich. Die deutsche Frage ist gelöst, und niemand wird die territoriale Zuordnung der Ostgebiete ändern. Ich glaube, ihr macht euch nicht bewusst, wie solche Äußerungen auf unsere slawischen Nachbarvölker wirken.

    Ich, als toleranter und weltoffener Mensch bin davon fest überzeugt, dass Preussen eines Tages, und wenn es noch 100 Jahre dauert, wieder zu Deutschland gehören wird

    Ich kann wirklich nur den Kopf schütteln über solche Äußerungen. Das Zauberwort zur Linderung deines Schmerzes, der durchaus verständlich ist, lautet "Europa". Warum ist dir das nicht bewusst? Die Kulturlandschaft der ehemaligen deutschen Ostgebiete ist ja noch da. Sie hat sich nicht in Luft aufgelöst. Und sie gilt als gemeinsames Erbe mehrerer europäischer Völker. Nur so geht es. Auf dem Wege eines Miteinanders zwischen den Völkern.

    Ich frage mich, warum ausgerechnet im Kaliningrad-Strang wieder und wieder das Thema der deutschen Ostgrenzen durchgekaut wird. Ich denke, irgendwann muss das doch mal durch sein. Irgendwann muss doch selbst der letzte Deutsche die Sachlage verstanden haben.

    Es wäre viel interessanter, hier über die Architektur und das Baugeschehen und den Denkmalschutz im Kaliningrader Gebiet zu berichten. Ich könnte einiges dazu beitragen. Aber nein, dann muss ich mich wieder mit dem geschichtspolitischen Kram herumschlagen.

  • Dieses multiethnische, pluralistische Polen passte überhaupt nicht in die neu sich entwickelnden Schemata von ethnisch, kulturell und sprachlich "reinen" Nationalstaaten, wie sie die Aufklärung gebar. Folgerichtig wurde dieses "altmodische" Polen von den aufklärerisch gesinnten Monarchen Preußens und Russlands vernichtet

    Nun, weder Preußen noch Russland waren zu Zeiten der polnischen Teilungen (1772 - 1795) weder ethnisch, noch sprachlich-kulturell reine Nationalstaaten. Die nationale Welle kam ohnehin erst nach der französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen über Europa.

    Die erste polnische Teilung (1772) wurde auf preußischer Seite noch von Friedrich dem Großen (1712 - 1786) durchgeführt. Dem frankophilen Philosophenkönig können gewiss keine national-deutschen Bestrebungen nachgesagt werden.

    1752/53 wurde die Kirche für die allmählich wachsende französisch-reformierte Gemeinde Potsdams errichtet.

    Der Französische Dom ist ein Kuppelturm, der zwischen 1780 und 1785 östlich an die Französische Friedrichstadtkirche angebaut wurde. Diese war 1701–1705 für reformierte Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, die Hugenotten, errichtet worden.

    Die römisch-katholische St.-Hedwigs-Kathedrale ... wurde in den Jahren 1747–1887 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Stil des Friderizianischen Rokoko als Teil des Forum Fridericianum erbaut.


    Ich konstatiere die Tendenz in der Geschichtsbetrachtung, dass von vielen - gerade von Linksliberalen und "anti-deutsch" eingestellten Linken - die Geschichte Polens sehr idealisierend aufgefasst und hingegen die Geschichte Preußens zum Teil in den aller-schwärzesten Farben und auch nach geradezu verdammt wird.

    Es ist mE tatsächlich angebracht die Geschichte Polens (und auch Preußens) differenziert zu betrachten und auch die Verfasstheit des polnischen Staatswesens in Betracht zu ziehen, bei der Einordnung der polnischen Teilungen.

    Wie war es beispielsweise möglich, dass sich 1697 der Kurfürst von Sachsen, August III. („Der Starke“) zum König von Polen wählen lassen konnte?

    Das „polnische Abenteuer“ ihres Landesherren kam die Sachsen teuer zu stehen. Aus der sächsischen Staatskasse flossen Unsummen an Bestechungsgeldern an den polnischen Adel und an kirchliche Würdenträger Polens (in der Regierungszeit Augusts etwa 39 Mio. Reichstaler)

    Das gesteigerte Bewusstsein des Adels für die massiven innen- und außenpolitischen Probleme Polens führte dann zur Zeit von August III. zu einer Fülle von Reformvorschlägen beider Parteien, die allesamt scheiterten

    Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die Rzeczpospolita durch das Liberum Veto zunehmend handlungs- und reformunfähig, was den Nachbarn die Erste Teilung Polens ermöglichte.

    Damit ist von meiner Seite alles zu diesem Thema gesagt.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • ...

    Ich kann wirklich nur den Kopf schütteln über solche Äußerungen. Das Zauberwort zur Linderung deines Schmerzes, der durchaus verständlich ist, lautet "Europa". Warum ist dir das nicht bewusst? Die Kulturlandschaft der ehemaligen deutschen Ostgebiete ist ja noch da. Sie hat sich nicht in Luft aufgelöst. Und sie gilt als gemeinsames Erbe mehrerer europäischer Völker. Nur so geht es. Auf dem Wege eines Miteinanders zwischen den Völkern.

    Ich glaube keiner hier im Forum ist gegen eine "europäische Einigung". Doch die Realität sieht nun einmal anders aus. Am Ende des Tages verfolgt jedes EU-Land seine ureigenen, egoistischen Interessen. Die gewollte Wertegemeinschaft ist tief gespalten, gerade im früheren Ostblock national aufgeladen und es gibt keinerlei Einigung in wichtigen Themen wie Flüchtlings- und Außenpolitik.

    ...

  • Wikos

    Das meinte ich nicht, sondern die Zusammenarbeit bei der Bewahrung des kulturellen Erbes. Russland ist gar nicht in der EU. Trotzdem gibt es einen kulturellen Austausch mit anderen Ländern Europas.

    Ein Beispiel: Für die Provinz Ostpreußen war das Staatsarchiv Königsberg zuständig. Dessen Bestände sind heute auf drei Staaten verteilt: Deutschland, Polen und Russland. Die wertvollsten Archivalien wurden im Krieg relativ frühzeitig evakuiert. Sie befinden sich heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Das sind vor allem alte Bestände, zum Beispiel zur Geschichte des Deutschen Ordens. In der Endphase des Krieges wurden weitere Archivbestände verlagert. Was sich davon nach dem Krieg auf polnischem Staatsgebiet befand, wurde in dem neu gegründeten Staatsarchiv Allenstein (Olsztyn) zusammengeführt. Das wenige Material, das bei Kriegsende in Königsberg aufgefunden wurde, befindet sich heute im russischen Staatsarchiv für das Kaliningrader Gebiet. Durch die Anfertigung von Kopien und heute vor allem auf dem Wege der Digitalisierung teilen die Archive ihre ostpreußischen Bestände miteinander. Das Staatsarchiv für das Kaliningrader Gebiet, das vor allem die archivalische Überlieferung ab 1946 besitzt, will seine historischen Bestände durch Kopien oder Digitalisate auch künftig weiter ergänzen. Vor kurzem erschien in Kaliningrad ein Buch eines Archivmitarbeiters über die Geschichte des Deutschen Ordens.

  • Es wäre viel interessanter, hier über die Architektur und das Baugeschehen und den Denkmalschutz im Kaliningrader Gebiet zu berichten. Ich könnte einiges dazu beitragen. Aber nein, dann muss ich mich wieder mit dem geschichtspolitischen Kram herumschlagen.

    Da will ich mal anknüpfen und mich ggf. gerne belehren lassen.

    Denn was mir aufgefallen ist, dass die Architektur-Vielfalt in den ehemaligen Ostgebieten heute immer noch auch im jetzigen Deutschland zu finden ist.

    Mal ganz kess gesagt, Deutschland hat nicht besonders viel architektonische Vielfalt durch den Wegfall dieser Gebiete eingebüßt.

    (Nur mal objektiv, Architektur-Theoretisch betrachtet!)

    Diese Backsteinbauweise zieht sich durch von Hamburg bis Königsberg wenn nicht noch weiter.

    Hingegen ist ja das südliche Deutschland architektonisch sehr anders.

    Würde beispielsweise Hessen oder Bayern wegfallen wäre eine Menge Fackwerk, Alpenarchitektur etc. nicht mehr Teil dieser Vielfalt.

    Fast alles was Deutschland im Osten verloren hat kann man architektonisch in den heutigen Landesgrenzen

    eigentlich immer noch finden, oder?

    Die Backsteingotik wie in Danzig und Ostpreußen, findet man ja auch in Lübeck, Stralsund usw.

    Die Dörfer wie in Pommern und Ostbrandenburg, findet man ähnlich auch im heutigen

    Brandenburg mit Ring-Marktplatz und dezenten 1-2 Stöckigen Gründerzeitlern.

    Den Barock Schlesiens sieht man auch ähnlich in Sachsen.