Kaliningrad - Königsberg

  • Der Königsberger Dom dient heute vor allem als Konzertsaal und Museum. Es gibt zudem eine evangelische Kapelle und eine orthodoxe Kapelle. Im Dommuseum finden wir das folgende Modell des Königsberger Stadtzentrums vor der Zerstörung. Es wurde auf Bitten aus Kaliningrad von Experten in Duisburg gefertigt und 1994 der Stadt Kaliningrad geschenkt.

    Kaliningrad (Königsberg), Dommuseum, Modell des Königsberger Stadtzentrums vor der Zerstörung, vorn das Schloss, hinten der Stadtteil Kneiphof mit dem Dom (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Von all den Gebäuden, die auf dem Foto zu sehen sind, blieben nur zwei stehen. Das erste ist der Königsberger Dom. Die Ruinen der Innenstadt wurden in den ersten Nachkriegsjahren zur Gewinnung von Baumaterial ausgeschlachtet. Nur die Domruine ließ man mit Rücksicht auf das Grab von Immanuel Kant unangetastet. Der Dom befindet sich daher heute in einer Parklandschaft, die offiziell "Kantinsel" genannt wird.

    Der östliche Teil der Kantinsel (Kneiphof) mit dem Dom (Foto: A. Savin, Mai 2017, FAL)

    Das zweite Gebäude, das auf dem Foto vom Stadtmodell zu sehen ist und heute noch existiert, finden wir auf dem folgenden Bild.

    Blick vom Leuchtturm des Fischerdorfs auf den Pregel nach Westen, links vor der Brücke die Königsberger Börse, heute ein Museum, rechts der Park auf der Kantinsel (Foto: Ttracy, Juli 2007, CC-BY-SA-4.0)

    Mit der Börse können wir uns in einem späteren Beitrag näher beschäftigen. Nun wieder eine Aufnahme vom Dom, um den es einsam geworden ist. Die quirlige Königsberger Innenstadt ist verschwunden. Viel Grün und banale Wohnbebauung beherrschen die Szenerie. Nördlich vom Dom, wo einst das Schloss stand, sehen wir das klobige Haus der Sowjets, südöstlich vom Dom die einigermaßen pittoresken Neubauten von Fischerdorf. Von dem Leuchtturm dort wurde das vorige Bild aufgenommen.

    Luftaufnahme vom Königsberger Dom und seiner weiteren Umgebung (Foto: A. Savin, Mai 2017, FAL)

    Im Jahre 1960 wurde die Domruine unter russischen Denkmalschutz gestellt, was zunächst nur bedeutete, dass sie nicht abgeräumt wurde.

    Der Dom von Südosten im Juli 1982 (Foto: Huhu Uet, CC-BY-SA-3.0)

    Der Dom von Südosten im Sommer 1988 (Foto: Yuri Syuganov, CC-BY-2.0)

    Die Vorbereitungen für den Wiederaufbau begannen 1992. Der Dachstuhl wurde 1997 errichtet, die Arbeiten am Außenbau 1998 beendet. Im Innern wurde auch später noch gearbeitet. Finanziert wurde der Wiederaufbau zum großen Teil aus deutschen Spendenmitteln. Die Rekonstruktion ist nicht in allen Details originalgetreu. So wurde das Dach mit Kupfer gedeckt, weil das leichter ist als eine Eindeckung mit Ziegeln.

    Der Dom von Südosten im März 2013 (Foto: Виктор Зандер, CC-BY-SA-4.0)

    Der Dom ist heute als Kulturdenkmal von föderaler Bedeutung eingestuft. Im hierarchisch gegliederten russischen Denkmalschutz ist das die höchste reguläre Kategorie und besagt, dass dies ein besonders wichtiges Baudenkmal mit Bedeutung für den russischen Gesamtstaat (und nicht nur für die Region um Königsberg) ist.

    Auf dem Foto von 1988 sehen wir einen Gedenkstein südöstlich vor dem Dom. Er erinnert an den Theologen Julius Rupp. Das Bronzerelief auf dem Findling ist ursprünglich eine Arbeit seiner Enkelin Käthe Kollwitz aus dem Jahre 1909. Es war nach dem Krieg verschollen, wurde von dem Berliner Bildhauer Harald Haacke nachgeschaffen und 1991 wieder angebracht. Der Stein selbst war aber offenbar an seinem ursprünglichen Ort erhalten geblieben. Auf dem Foto von 1988 können wir bei maximaler Vergrößerung auch ein Portraitrelief erkennen.

    Kantinsel, der Gedenkstein für Julius Rupp nahe dem Dom (Foto: Kemal KOZBAEV, November 2015, CC-BY-SA-4.0)

    Auf der liegenden Gedenktafel finden wir eine Erläuterung in russischer Sprache. Neben der Übersetzung der deutschen Inschrift auf dem Findling bietet sie den erläuternden Zusatz: "Fortschrittliche deutsche Persönlichkeit des gesellschaftlichen Lebens". Die original erhaltene deutsche Inschrift ist schlecht zu lesen. Sie lautet:

    "Julius Rupp
    1809-1884

    Wer nach der Wahrheit,
    die er bekennt, nicht lebt, ist
    der gefährlichste Feind
    der Wahrheit selbst."

    Die Gestaltung der russischen Gedenktafel gefällt mir gut. Es ist eine schöne Form, den alten deutschen Gedenkstein unverändert beizubehalten und dieses Erbe den heutigen russischen Bewohnern nahezubringen. Das Zitat von Julius Rupp auf dem Stein ist nicht nur in deutscher Sprache sehr schön, sondern klingt auch auf Russisch gut.

    Die russische Gedenktafel neben dem Gedenkstein für Julius Rupp (Foto: Bogdanov-62, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Neben dem Zitat von Julius Rupp bietet das Grabmal des Philosophen Immanuel Kant an der Nordostecke des Doms einen schönen Anknüpfungspunkt zwischen der deutschen und der russischen Kultur. Seine Gestaltung stammt aus dem Jahr 1924.

    Das Grabmal Immanuel Kants an der nordöstlichen Außenseite des Doms (Foto: Kemal KOZBAEV, November 2015, CC-BY-SA-4.0)

  • 4. Lieber @UrPotsdamer, der Staatsname ist im Deutschen "Russische Föderation", nicht "russländische".

    Lieber @Rastrelli, Du zeigst eine sympathische Neigung zur Rechthaberei. Sympathisch deshalb, weil ich sie auch habe. Nun denn: habe ich mit einem Wort gesagt, dass ich den offiziellen Staatsnamen benutzen möchte? " Russländische Föderation" ist die korrektere Übersetzung von "Rossijskaja Federatia", denn "Rossijskaja" ist eine Ableitung von "Rossija" - Russland. "Rus' " wäre die Rus, die Gesamtheit der ostslawischen Völker, die schon seit Jahrhunderten nicht mehr als Einheit besteht. Daher auch "Bela Rus' ", 'Weiße Rus' " ...
    Außerdem ist "Russland" eine Föderation, zu der viele Völker, nicht allein das russische, gehören. Beide Aspekte, also dass Russland einerseits mehr als die Russen, andererseits weniger als die alte Rus' ist, wird durch "russländisch" besser ausgedrückt als durch "russisch".
    Der offizielle Staatsname Deutschlands ist übrigens "Bundesrepublik Deutschland", der Österreichs "Republik Österreich" und der der Schweiz "Confoederatio Helvetica". Da ich weder Politiker noch Diplomat bin, fühle ich mich nicht verpflichtet, diese offiziellen Namen im Alltag zu verwenden...

  • Jetzt möchte ich nur noch Folgendes kurz anmerken:

    1. Was Valjean meint, was für die Russen wichtig oder zumutbar ist, zeugt von seiner Unkenntnis der Materie und ist ohnehin irrelevant. Wir reden hier nicht über eine Bananenrepublik, sondern über eine Großmacht.

    Du hast wohl tatsächlich einen starken Hang zur Pedanterie, sowie zu einer unsachlichen Diskussionsführung, da du auf die persönliche Ebene herab gleitest. Nun gut, jeder nach seiner façon aber warm werden wir beide wohl nicht.

    Folgende abschliessende Anmerkung noch bez. der von dir in den Raum gestellten Unkenntnis meinerseits in Sachen russischer Befindlichkeiten:

    Meine Frau verfügt über einen Magister-Abschluss in Ostslawistik, spricht fließend russisch und verbrachte ein Jahr auf der Krim, als es noch zur Ukraine gehörte. Über sie habe ich viele Kontakte in die russischsprachige Welt.

    Habe die Ehre

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Lieber @Rastrelli, Du zeigst eine sympathische Neigung zur Rechthaberei. Sympathisch deshalb, weil ich sie auch habe. Nun denn: habe ich mit einem Wort gesagt, dass ich den offiziellen Staatsnamen benutzen möchte? " Russländische Föderation" ist die korrektere Übersetzung von "Rossijskaja Federatia", denn "Rossijskaja" ist eine Ableitung von "Rossija" - Russland. "Rus' " wäre die Rus, die Gesamtheit der ostslawischen Völker, die schon seit Jahrhunderten nicht mehr als Einheit besteht. Daher auch "Bela Rus' ", 'Weiße Rus' " ...Außerdem ist "Russland" eine Föderation, zu der viele Völker, nicht allein das russische, gehören. Beide Aspekte, also dass Russland einerseits mehr als die Russen, andererseits weniger als die alte Rus' ist, wird durch "russländisch" besser ausgedrückt als durch "russisch".
    Der offizielle Staatsname Deutschlands ist übrigens "Bundesrepublik Deutschland", der Österreichs "Republik Österreich" und der der Schweiz "Confoederatio Helvetica". Da ich weder Politiker noch Diplomat bin, fühle ich mich nicht verpflichtet, diese offiziellen Namen im Alltag zu verwenden...

    Lieber UrPotsdamer, ich habe ja sowas schon geahnt. Ich hätte dir auch eine ellenlange wissenschaftliche Abhandlung zur russisch-deutschen Übersetzungsproblematik im konkreten Fall schreiben können. Aber erstens gehört das nicht hier ins Forum, und zweitens möchte ich gelegentlich auch Beiträge zu Fragen von Architektur und Städtebau verfassen. Das kostet nämlich auch Zeit. (An die anderen: Mein nächster Beitrag hier setzt dann das Thema "Königsberger Dom" fort.)

    Deshalb versuche ich es kurz zu machen:

    1. Deine Transkription oder Transliteration von Федерация enthält zwei Fehler. Richtig ist: "Federazija" (transkribiert) bzw. "Federacija" (transliteriert).

    2. Zu "korrekt" gibt es keinen Komparativ, weil Ja-oder-nein-Entscheidung.

    3. Wer behauptet, Русь sei eine Bezeichnung für die Gesamtheit der ostslawischen Völker (gewesen), katapultiert sich in einer Diskussion unter wirklichen Fachleuten sofort ins Aus. Wir können das Thema Staatenbildung, Ethnogenese und Onomastik im osteuropäischen Raum hier aber nicht vertiefen.

    4. Deine Schreibung "Bela Rus'" ist falsch. Richtig wäre: Белая Русь (russisch und weißrussisch) bzw. Біла Русь (ukrainisch). Die Zusammenschreibung Беларусь ist wiederum ein moderner Landesname und hat nicht die gleiche Bedeutung.

    5. Was bedeutet "Russland" nach seinen Wortbestandteilen anderes als "Land der Russen" oder "russisches Land"? In Deutschland gibt es auch nicht nur ethnische Deutsche, trotzdem führen wir kein Adjektiv "deutschländisch" ein, obwohl es im Russischen das Adjektiv dazu gibt: германский.

    6. Erst hältst du das Völkerrecht so hoch und dann pfeifst du auf den im diplomatischen Verkehr üblichen Staatsnamen. Das passt nicht zusammen. Die Außenministerien haben hochkompetente Sprachendienste, die kennen die Problematik besser als du.

    7. Deutschland, Österreich, Schweiz, Russland sind bei der UNO, internationalen Organisationen und Regierungen offiziell registrierte Kurzformen des jeweiligen Staatsnamens, die als inhaltlich mit diesem identisch definiert werden.

    8. Der amtliche Name der Schweiz ist (in den drei Hauptsprachen des Landes): "Schweizerische Eidgenossenschaft", "Confédération suisse", "Confederazione Svizzera".

    Bei alledem freue ich mich aber, dass wir uns sympathisch sind. Viele deiner kritischen Wortmeldungen schätze ich sehr. Es wäre nur hilfreich zu erkennen, auf welchem Gebiet man kompetent ist und auf welchem eher nicht. Ich kenne mich mit vielen Themen auch nicht aus und halte mich da dann zurück.
    (Ich hoffe, dass die Moderation das so stehen lässt. Einerseits stören Off-topic-Diskussionen, andererseits will man bestimmte Äußerungen aber auch nicht unwidersprochen stehen lassen. Mein nächster Beitrag ist aber wirklich zum Königsberger Dom.)

    3 Mal editiert, zuletzt von Rastrelli (23. Oktober 2019 um 19:07)

  • Liebe Architekturfreunde, bitte entschuldigt die Abschweifung! Es geht nun weiter mit dem Königsberger Dom.

    Beeindruckend ist das Westwerk.

    Kaliningrad (Königsberg), der Dom von Westen im Februar 1993 (Foto: Hajotthu, CC-BY-SA-3.0)

    Der Dom von Westen im Mai 2017 (Foto: A. Savin, FAL)

    Ein Detail des Westportals: "Jesus spricht: Ich bin die Tür; so Jemand durch mich eingehet, der wird selig werden." (Joh. 10, 9)

    Das Westportal (Foto: Rimantas Lazdynas, Juli 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Ein Blick entlang der mittleren Achse des Westwerks (oberhalb des Portals) nach oben:

    Detail des Westwerks (Foto: Елена Николаевна Р, August 2015, CC-BY-SA-4.0)

    Das Ganze im größeren Zusammenhang:

    Das Westwerk (Foto: Masha Linnik, Juli 2014, CC-BY-SA-4.0)

    Schöne Details bietet auch die Nordseite:

    An der Nordseite des Domes (Foto: Елена Николаевна Р, August 2015, CC-BY-SA-4.0)

    An der Nordseite des Domes (Foto: Nadia Levunina, August 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Portal an der Nordseite (Foto: Rimantas Lazdynas, Juli 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Neben dem Portal finden wir dieses alte Relief, leider kaum lesbar:

    Inschrift neben dem Nordseitenportal (Foto: Rimantas Lazdynas, Juli 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Und hier ein Zeugnis für die russische Aneignung des Domes. Die Plakette an einer Außenwand zeigt das Profilbild Peters I. Die russische Umschrift lautet: "Der Imperator Peter der Große war hier. 1697. 1711. 1712. 1713. 1716. 1717." Wann das Relief entworfen wurde, kann ich nicht sagen. Der russische Text ist aber in alter Orthografie. Das deutet auf eine Entstehung vor dem Ersten Weltkrieg. Als Stilmittel in einer modernen Gestaltung ist die Verwendung der alten Rechtschreibung in Russland eigentlich nicht üblich.

    Bronzerelief zur Erinnerung an die Besuche Peters des Großen in Königsberg (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

  • Die Plakette an einer Außenwand zeigt das Profilbild Peters I. Die russische Umschrift lautet: "Der Imperator Peter der Große war hier. 1697. 1711. 1712. 1713. 1716. 1717." Wann das Relief entworfen wurde, kann ich nicht sagen.

    Vielleicht hat man eine alte Plakette reproduziert, jedenfalls wurde die jetzige Plakette erst 2003 angebracht (falls ich nicht über die Sprachbarriere gestolpert bin):

    https://renatar.livejournal.com/590528.html (Unter Nr. 17/18)

  • Vielen Dank, @Tübinger! Eine interessante russischsprachige Internetseite! Die Autorin folgt den Spuren Peters des Großen im Königsberger Raum. Aus dem dort vermittelten Zusammenhang können wir nun mit Sicherheit schließen, dass es in deutscher Zeit kein solches Relief gegeben hat. Die Anbringung des Petersreliefs im Jahre 2003 stand im Kontext des 300-jährigen Jubiläums der Baltischen Flotte, das groß gefeiert wurde. Auch an einigen anderen Reisestationen Peters I. im Königsberger Raum wurden solche Reliefs mit den jeweils passenden Jahresangaben angebracht.

    Das oben gezeigte Petersrelief befindet sich an der Westseite des Domes. Auf dem folgenden Foto ist es am unteren Bildrand links zu sehen, umgeben von der Berankung.

    Kaliningrad (Königsberg), die Westseite des Domes (Foto: Rimantas Lazdynas, Juli 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Die folgende Aufnahme entstand sieben Jahre später. Der Efeu wurde beseitigt. Das Petersrelief ist links, oberhalb der linken Frau zu erkennen. (Über den Bildlink könnt ihr das Foto auch vergrößern.)

    Der Dom von Westen (Foto: Julian Nyča, August 2016, CC-BY-SA-3.0)

    Wir sehen: Die Tür steht offen. Treten wir also ein.

    Im Dom, Blick nach Osten, Sommer 1988 (Foto: Yuri Syuganov, CC-BY-2.0)

    Man muss sich den Zerstörungsgrad vergegenwärtigen, um zu ermessen, was hier geleistet wurde.

    Im Dom, Blick nach Westen, Juli 2019 (Foto: Sebastian Sigler, CC-BY-SA-3.0)

    Auf dem Foto, das im Rahmen eines Konzerts entstand, sehen wir zwei bedeutende Teile der heutigen Ausstattung: die Hauptorgel und rechts die Taufkapelle.

    Die Taufkapelle (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Die Rekonstruktion der Taufkapelle, ursprünglich ein Werk des späten 16. Jahrhunderts, wurde 2008 abgeschlossen.

    Die Taufkapelle (Foto: Nikater, Juni 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Neben dem hier zu sehenden wurden weitere Farbfenster rekonstruiert. Das ursprüngliche Fenster wurde zwischen 1901 und 1906 von Otto Linnemann geschaffen. Die Textstelle des deutschen Bibelverses oberhalb der Säulen ist Markus 10, 14. Das an "GOTES" anschließende "MAR" verweist auf den Evangelisten. Darauf folgt die Kapitelangabe. Der Evangelist Markus sitzt ganz links auf dem Architrav. Bei ihm sein Attribut, der Löwe. Der sitzende Mann ganz rechts dürfte auch ein Evangelist sein. Infrage kämen Matthäus oder Lukas.

    Die Tür zur Taufkapelle (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Türgitter der Taufkapelle (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Zum Abschluss dieses Beitrags zwei schöne Detailaufnahmen musizierender Engel von der Orgel:

    Musizierende Engel auf dem linken Rückpositiv der Orgel (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Musizierende Engel auf dem rechten Rückpositiv der Orgel (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

  • Der Orgelprospekt - ursprünglich von 1721 - wurde nicht genau rekonstruiert. Das Instrument stammt von der Potsdamer Firma Schuke und wurde im Jahre 2007 eingebaut.

    Königsberger Dom, Hauptorgel (Foto: Julian Nyča, August 2016, CC-BY-SA-3.0)

    Starke Abweichungen gibt es bei den Figuren und der Orgelempore. Sie sieht heute völlig anders aus als vor 1945.

    Mittlerer Teil der Brüstung der Orgelempore mit dem veränderten Königsberger Stadtwappen (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Die beiden Engelchen an der Orgelempore sehen schon arg nach Russenkitsch aus. Das Königsberger Stadtwappen zwischen ihnen wird von einem russischen Zarenadler, überhöht von der russischen Kaiserkrone, gehalten. Eigentlich müsste hier der preußische Adler zu sehen sein.

    Mondsichelmadonna im Orgelprospekt (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Die Mondsichelmadonna gehört natürlich nicht in den Prospekt. Sie ist ja ein katholisches Symbol. Ursprünglich stand in der Nische ein David mit der Harfe. Die Marienfigur müsste nach der katholischen Ikonografie ganz auf der Mondsichel stehen, nicht nur mit einem Bein. Ist es zu hart, wenn ich die Madonna als Russenkitsch bezeichne? Die anderen Figuren machen, nach den Fotos zu urteilen, einen besseren Eindruck auf mich, insbesondere die "Musiker" auf den Rückpositiven und den Pfeifentürmen. Die beiden flankierenden Damen - naja, geht so. Über allem thront - nein, kein preußischer Adler, sondern ein Phönix.

    Nicht vorenthalten möchte ich euch das bis 2005 rekonstruierte Schnitzwerk der Wallenrodtschen Bibliothek. Es stammt ursprünglich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Raum im Südturm wird für Vorträge und kleine Konzerte genutzt. Man bemüht sich aber auch, hier mehr oder weniger alte Bücher zusammenzutragen.

    Die Wallenrodtsche Bibliothek im Südturm (Foto: Suigres1, Juni 2009, public domain)

    Zwei Details, erst vom mittleren, dann vom linken Bogen:

    Detail des Schnitzwerks der Wallenrodtschen Bibliothek (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Detail des Schnitzwerks der Wallenrodtschen Bibliothek (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    In der Wallenrodtschen Bibliothek (Foto: Rost galis, 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Der Herr in der Ecke soll vermutlich Immanuel Kant sein. Das große Buch "auf dem Präsentierteller" ist eine russische "Chronik von Sankt Petersburg".

    Wir verlassen nun wieder den Dom. Die Ostseite hatten wir uns noch nicht näher angesehen. Der Chorschluss ist gerade, und - wie bei den drei anderen Seiten - gibt es auch hier eine Tür.

    Der Dom von Osten (Foto: Ivan Z., März 2008, CC-BY-SA-3.0)

    Zum Abschluss noch das Kantgrab, das der Domruine einst das Leben rettete.

    Das Grabmal für Immanuel Kant an der Nordseite des Domes (Foto: Nadia Levunina, August 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Das Kantgrab an der Nordseite des Domes (Foto: Kemal KOZBAEV, November 2015, CC-BY-SA-4.0)

  • Das zweite Gebäude, das vom alten Königsberger Stadtkern noch steht, ist die Börse. Dieser Neorenaissancebau wurde in den Jahren 1870-1875 nach einem Entwurf von Heinrich Müller aus Bremen errichtet. Den Skulpturenschmuck schuf Emil Hundrieser. Im Dachbereich ist dieser allerdings nicht mehr erhalten. Nach Kriegszerstörung gab es 1959 erste Überlegungen, das Börsengebäude für die Nutzung als Museum wiederaufzubauen. Daraus wurde jedoch nichts. Im Jahre 1960 wurde die Ruine in die russische Denkmalliste eingetragen. Der Wiederaufbau begann 1967. Das Gebäude wurde dabei im Innern stark verändert und an die Nutzung als "Kulturpalast der Seeleute" angepasst. Dieser Kulturpalast eröffnete 1973 und war fortan ein bekanntes Fotomotiv des sowjetischen Kaliningrad.

    Kaliningrad (Königsberg), die Börse als Kulturpalast der Seeleute im Sommer 2002 (Foto: Vitaly Volkov, CC-BY-1.0)

    Die Fassade hatte einen typisch russischen Zweifarbenanstrich erhalten - weiß und hellblau. Die Sockelzone hatte man in einem typisch russischen Grauton abgesetzt und das Dach des Mittelteils mit Riesenlettern dekoriert: "Kulturpalast der Seeleute". Solcherart "getarnt" habe ich das Gebäude einst kennengelernt und wirklich nicht erkannt, dass es sich um einen Neorenaissancebau aus deutscher Zeit handelte. Was so ein bisschen Farbe doch ausmacht!

    Bald nachdem das Foto oben entstand, wurde das Gebäude restauriert und erhielt seinen ursprünglichen Ockerton zurück. Was wir Deutschen nun als "unsere Königsberger Börse" wiedererkennen, muss für die heutigen Kaliningrader ziemlich fremd aussehen. In russischen Texten wird nun nicht selten hinzugefügt, dass dies der ehemalige Kulturpalast der Seeleute sei.

    Die Börse im September 2012, Südseite (Foto: Strexis, CC-BY-SA-3.0)

    Mit der Veränderung des Äußeren änderte sich auch die Nutzung. Einige Jahre war hier ein Jugendkulturzentrum untergebracht. Im Jahre 2018 zog dann das Museum der bildenden Künste hier ein, eine, wie ich finde, angemessene Nutzung des wertvollen Baudenkmals.

    Das Museum der bildenden Künste wurde 1988 als "Kunstgalerie" gegründet und war zunächst in einem nicht vorzeigbaren Neubau zwischen Wohnhochhäusern untergebracht. Das heutige Museum ist der Gebietsverwaltung unterstellt und das einzige universelle Kunstmuseum der Region. Das Börsengebäude soll in den kommenden Jahren für das Museum adaptiert werden. Der exzellente russischsprachige Internetauftritt des Museums zeigt in einem Film, wie das Gebäude nach der "komplexen Rekonstruktion" aussehen soll. Sehr sehenswert! Die Bilder sprechen weitgehend für sich. Man kann nur hoffen, dass die Pläne auch so umgesetzt werden. Der alte Börsensaal soll wiedererstehen und eine Dauerausstellung alter Meister aufnehmen (eventuell eine Filialgalerie der Petersburger Ermitage). Auch sonst soll sich die Raumdisposition weitgehend am historischen Vorbild orientieren. Die Terrasse am Pregel soll im Sommer als Café sowie für die Präsentation von Filmen und Street Art genutzt werden.

    Königsberg, Börse und Hafen, etwa 1890-1900 (Foto: Photochrom aus der Sammlung der Library of Congress, public domain)

    Die Nordseite der Börse am Pregel im Juli 2018 (Foto: Montaznik, CC-BY-SA-4.0)

    In der Galerie zur Pregelseite sind die historischen Säulen erhalten. Mehr weiß ich über den aktuellen Zustand des Gebäudeinneren nicht. Der Haupteingang zum Gebäude befindet sich an der Westseite. Die Adresse ist Leninski prospekt 83, also Lenin-Prospekt. Das ist charakteristisch für den Umgang mit der Vergangenheit im heutigen Russland. Man bewahrt sowjetisches Erbe, etwa in vielen Straßennamen, und wendet sich zugleich verstärkt dem deutschen Erbe in Ostpreußen zu. So zeigt das Kunstmuseum eine Dauerausstellung zur Geschichte der Königsberger Börse und würdigt die aus Ostpreußen stammenden Künstler Käthe Kollwitz und Lovis Corinth, von denen es aber nur einen kleinen Bestand an Grafik besitzt. Interessanterweise führen zur Galerie und zum Hauptteil des Börsengebäudes zwei getrennte Freitreppen hinauf.

    Westseite der Börse, jetzt Museum der bildenden Künste (Foto: Montaznik, Juli 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Der linke Löwe an der Freitreppe, geschaffen von Emil Hundrieser. Er darf auf den Pregel schauen. (Foto: Montaznik, Juli 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Der rechte Löwe an der Freitreppe (Foto: Люц Шнайдер, März 2013, CC-BY-SA-3.0)

    Er hat keine schöne Aussicht. Das ist der Lenin-Prospekt (Foto: Люц Шнайдер, März 2013, CC-BY-SA-3.0)

    Diese Ansicht vom Pregel aus erinnert mich fast an St. Petersburg (Foto: Pav5000, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Das Börsengebäude ist als Kulturdenkmal von regionaler Bedeutung eingestuft. Hier nochmal eine Ansicht der Westseite:

    Die Börse von Westen (Foto: A. Savin, Mai 2017, FAL)

  • 2 wirklich wunderbare Bauten. Gezeigt wird nochmals wie die Deutschen mit vernichteten Kirchen umgehen sollen wie in Nord Deutschen Städte und auch mit Kirchen Ruinen in Berlin (Tacheles auch!) und Dresden oder Schlösser wie in Zerbst und Neustrelitz die einfach SCHREIEN zum Weideraufbau. Leider interessiert die Vergangenheit die D. wenig oder nichts zeuge die ständige halbherzige "Moderne" Lösungen. Mangel an Geld ist KEIN Grund, mann könnte einfach ein ganzes Stadtviertel in Berlin, Dresdnen ((Johann Stadt) oder Köln und Magdeburg rekonstruieren lassen (z.B. in Kreuzberg oder Friedrichshain) mit alle original Fassaden un die heutige Ödniss zu beiseitigen.........

  • Angeregt durch einen Hinweis von @Berkowitz im Zusammenhang mit Hamburger Synagogenbauplänen möchte ich euch hier die Neue Synagoge in Kaliningrad vorstellen. Sie wurde genau vor einem Jahr eröffnet.

    Nach Berlin und Breslau hatte Königsberg die drittgrößte jüdische Gemeinde im Deutschen Reich. Entsprechend eindrucksvoll war der 1894-1896 errichtete Neubau der Liberalen Synagoge. Diese Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 durch Brandstiftung zerstört. Danach gab es 70 Jahre lang im nördlichen Ostpreußen keine einzige Synagoge. Unter den Angehörigen der Roten Armee, die 1945 am Sturm auf Königsberg teilnahmen, waren auch einige Juden, und unter den neuen Bewohnern der sowjetischen Stadt Kaliningrad gab es seit den Anfangsjahren eine kleine Zahl von Juden. Doch ein öffentlich sichtbares jüdisches Leben war in kommunistischer Zeit nicht möglich. Erst 2011 wurde der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt. Dieser Neubau sollte am Standort der früheren Synagoge errichtet werden und genauso aussehen wie jene. Das ist wirklich bemerkenswert, denn die heutigen Kaliningrader Juden stammen aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion und haben keine familiären Bindungen an das deutsche Königsberg.

    In meinem Beitrag Nr. 509 zeigt das erste Bild ein Modell des alten Königsberger Stadtzentrums. Die Synagoge ist oben links noch zu erkennen. Auf Bild 4, Luftaufnahme der Umgebung des Domes, sehen wir östlich vom Dom die Baustelle der neuen Synagoge.

    Auf der folgenden Ansichtskarte sehen wir das städtebauliche Umfeld der Synagoge um 1908. Der große Kuppelbau rechts ist die Synagoge. Links, also westlich von ihr bietet der Dom einen guten Vergleichsmaßstab. An der Stelle der Häuser rechts von der Synagoge am Pregelufer liegt heute das historisierende Neubauensemble Rybnaja derewnja / Рыбная деревня (zu deutsch "Fischdorf" oder "Fischerdorf").

    Ansichtskarte um 1908

    Dieses historische Zentrum ist bekanntlich nicht das Zentrum der russischen Stadt. Dennoch war der Bauplatz der neuen Synagoge blockiert - durch einen Zirkus. Nach längerem Rechtsstreit wurde der Zirkus schließlich verlegt.

    Neue Synagoge in Königsberg, Ansichtskarte etwa 1901-1904

    Kaliningrad, Visualisierung des geplanten Synagogenneubaus am historischen Standort (Foto: Avner, Dezember 2012, CC0)

    Aufgrund der veränderten Gegebenheiten weicht das Baugrundstück geringfügig vom historischen Grundstück ab. Die Architektin Natalja Lorens passte alle Proportionen entsprechend der etwas kleineren Grundfläche an. Der Gesamtbau ist 10 Meter niedriger als die frühere Synagoge. Aufgrund dieser Planänderung verzichtete die Architektin auf die Verwendung von Ziegelsteinen zur Verkleidung, wie oben auf der Visualisierung noch vorgesehen. Stattdessen wurde der Rohbau mit Streifen aus Marmor und Travertin verkleidet.

    Baustelle der Neuen Synagoge im Sommer 2018 (Foto: Kgh222, CC0)

    Filmaufnahmen der fertigen Neuen Synagoge und ihrer Umgebung findet ihr hier: Klick.

    Gute deutschsprachige Informationen zu dem Projekt bietet die Seite des Ebenezer Hilfsfonds.

    Hier noch ein Zwischenstandsbericht vom November 2015 aus der Jüdischen Allgemeinen.

    Die eigentlichen Bauarbeiten gingen sehr schnell voran. Im Mai 2017 stand erst das Betonskelett ohne den Rohbau der Kuppel. Am 8. November 2018 konnte die Neue Synagoge - 70 Jahre nach der Zerstörung ihres Vorgängers - feierlich eröffnet werden. Der Bau wurde durch Spenden finanziert. Innen wurde das Gebäude nicht rekonstruiert, sondern neu gestaltet, aber nicht im Sinne eines Bruchs. In der Kuppel gibt es farbige Glasfenster, auf denen die Erschaffung der Welt nach Motiven von Marc Chagall dargestellt ist. Im Eingangsbereich der Synagoge ist durch einen Glasboden das Fundament des Vorgängerbaus zu sehen. Neben dem Betsaal enthält der Neubau alles, was ein jüdisches Gemeindezentrum braucht - einen koscheren Speisesaal und Laden, ein Museum, einen Kindergarten und anderes. Die westlichste Synagoge Russlands dient nicht nur als Zentrum jüdischen Lebens für die Stadt, sondern für die ganze Region.

    Ich finde, dass dies ein beeindruckendes Projekt ist. Die Neue Synagoge wirkt sehr sympathisch und bietet einen weiteren Impuls für die Wiederbelebung des alten Königsberger Stadtzentrums. Nahebei ist der Dom über die Honigbrücke zu erreichen. Südlich der Synagoge liegt am Pregelufer der historisierende Komplex Rybnaja derewnja ("Fischerdorf" oder "Fischdorf"). Der Name klingt im Russischen ziemlich albern.

    Rybnaja derewnja / Рыбная деревня / "Fischerdorf", erster Bauabschnitt, ganz links die Ecke der Kantinsel (Foto: A. Savin, Mai 2017, FAL)

    Der erste Bauabschnitt wurde in den Jahren 2006-2010 errichtet. Im Hintergrund sehen wir Plattenbauten aus sowjetischer Zeit, die einen guten Vergleichsmaßstab bilden. Der sogenannte "Leuchtturm" dient als Aussichtsturm. Mit unseren deutschen Augen erkennen wir sofort, dass dies keine authentischen deutschen Gebäude sind. Für russische Betrachter sieht das aber schon sehr deutsch aus. Fachwerk ist der russischen Kultur völlig fremd. Selbst das Wort "Fachwerk" wurde aus dem Deutschen entlehnt. Auch diese Dachformen und Giebel sind in Russland nicht üblich.

    Die Fortsetzung des "Fischerdorfs" nach Süden, von der Kantinsel (Kneiphof) aus gesehen (Foto: Alexey Komarov, August 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Das nördlichste Haus von "Fischerdorf", rechts im Bild die Ostseite des Domes (Foto: Rimantas Lazdynas, Juli 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Das Fachwerk hat natürlich keine konstruktive Funktion, besteht aber immerhin aus Holz. Auch die Deckung mit Dachziegeln und die Klinkerverblendung des Erdgeschosses kennzeichnen dieses Haus als "typisch deutsch". (Die Fotos lassen sich über die Bildlinks vergrößern, sodass Fassadendetails besser zu erkennen sind.)

    Blick pregelaufwärts, links "Fischerdorf", im Vordergrund die Nordwand des Hauses aus dem vorigen Bild, rechts ein neuer Wohnkomplex

    (Foto: Nikater, Juni 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Der rechts zu sehende Komplex ist typisch für den gehobenen Wohnungsneubau der letzten Jahre in Russland. Hier der Blick in umgekehrter Richtung im April 2007:

    Blick flussabwärts, von links nach rechts: Wohnkomplex im Bau, Dom, Honigbrücke, Haus der Sowjets, die ersten Häuser von "Fischerdorf", der Zirkus, Plattenbauten der Sowjetzeit (Foto: Irina Yakubovskaya, April 2007, CC-BY-2.5)

  • Königsberger Tradition

    Bei aller Freude und der ausdrücklichen Zustimmung zu diesem Projekt, ist es - für meinen Geschmack - dennoch zu bedauern, daß man auf die traditionellen Backsteine verzichtet hat. Denn in der nunmehr vorhandenen äußeren Erscheinung mit der Bänderung der Fassade würde das Synagogen-Gebäude gut als Teil eines rumänischen Klosters oder als spätbyzantinischer Palast in Konstantinopel durchgehen. In Königsberg hingegen wirkt es so leider doch etwas fremd.
    Insofern: 'Erbarmung'.

    Es bleibt aber dennoch zu hoffen, daß man sich bei der gottesdienstlichen Nutzung der neuen Synagoge etwas mehr an die berühmte Königsberger Tradition halten und insbesondere wieder einen Synagogen-Chor sowie eine Orgel einführen wird, denn wo, wenn nicht am Pregel, sollte diese spezifisch Königsberger Tradition gepflegt werden ?
    Isofern: 'Masel tov' !


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    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (9. November 2019 um 15:01)

  • Vorbild in Kreuzberg ?

    Was ich mich beim Gebäude der liberalen Synagoge auf der Lomse schon länger beschäftigt, ist die Frage, ob sich das Berliner Architekturbüro Cremer & Wolffenstein nach dessen Plänen von 1892 das Gotteshaus bis 1898 erbaut wurde, an der Heiliggkreuzkirche in Berlin-Kreuzberg orientiert hat, welche von 1884 bis 1888 nach Plänen von Johannes Otzen errichtet worden war.


    Hier ein Vergleich (links die Heilligkreuzkirche, recht die Königsberger Synagoge):

  • Die Kaliningrader Gemeinde soll etwa 3.000 Personen zählen. Das bezieht sich auf das ganze Kaliningrader Gebiet, nicht nur die Stadt. ("Oblast" heißt im Russischen nichts anderes als "Gebiet".) Das ist nicht viel, aber auch diese kleine Gemeinde benötigt eine Synagoge und ein Gemeindezentrum. Der Impuls für den Neubau der Synagoge kam aus den jüdischen Kreisen Kaliningrads. Die Synagoge haben sie primär für sich gebaut und nicht für deutsche Königsberg-Nostalgiker.

    Ja, das Gebäude wirkt heute mit der Bänderung etwas orientalischer, aber ich finde, das passt durchaus. Für Synagogenbauten im Deutschen Reich wählte man häufig einen Historismus mit neobyzantinischen und orientalisierenden Elementen. Auch die Königsberger Synagoge entsprach ja nicht ganz einem altdeutschen Stil. Ich finde, dass die Fassade heiterer wirkt als die des Vorgängerbaus. In das Kaliningrad unserer Tage passt sie auf jeden Fall.

    Die Verwendung von Orgeln und einer an christliche Vorbilder angelehnten geistlichen Musik durch das deutsche liberale Judentum war von Anfang an, also schon im 19. Jahrhundert, nicht unumstritten. Heute gibt es in der jüdischen Welt Stimmen, die sagen: Seht ihr, ihr habt euch angepasst, angebiedert, und es hat euch nichts genützt. Wie die heutige Kaliningrader Gemeinde ihre Gottesdienste gestaltet, entscheidet sie selbst. Ich glaube kaum, dass deutsche Orgelmusik dabei eine Rolle spielen wird. Innerhalb des Dachverbandes "Föderation der jüdischen Gemeinden Russlands" ist die Kaliningrader die westlichste Gemeinde.

    Links neben der Synagoge steht übrigens ein altes rotes Haus. In meinem Beitrag oben ist es auf dem Baustellenbild zu sehen. Dies ist das 1904 errichtete Heim für jüdische Waisenkinder. Es hat Nazizeit, Krieg und Sowjetzeit überstanden (ist also keine Rekonstruktion!) und wurde im Jahre 2016 unter Denkmalschutz gestellt. Das Haus ist heute Teil des jüdischen Gemeindezentrums.

  • Die Kaliningrader Gemeinde soll etwa 3.000 Personen zählen. Das bezieht sich auf das ganze Kaliningrader Gebiet, nicht nur die Stadt. ("Oblast" heißt im Russischen nichts anderes als "Gebiet".) Das ist nicht viel, aber auch diese kleine Gemeinde benötigt eine Synagoge und ein Gemeindezentrum. Der Impuls für den Neubau der Synagoge kam aus den jüdischen Kreisen Kaliningrads. Die Synagoge haben sie primär für sich gebaut und nicht für deutsche Königsberg-Nostalgiker.

    Soso….

    Es ist doch wunderbar und vorbildlich, wenn sich "Königsberg-Nostalgiker" und Einheimische gemeinsam für eine Sache einsetzen (wie hier für den Wiederaufbau und die Geschichte der Synagoge).

    Da sollte man doch keinen künstlichen Gegensatz aufbauen.

    Anbei ein Link zu einem Beitrag in Deuschlandfunk-Kultur vom 13.11.2019 über die Synagoge

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/synagoge-in-ka…ticle_id=463313

    Darin heißt es u.a.

    Die in der Pogromnacht 1938 von den Nationalsozialisten zerstörte Synagoge von Kaliningrad prägt wieder das Stadtzentrum. Die Förderer des Wiederaufbaus haben sich zur Aufgabe gemacht, die deutsch-jüdische Geschichte der Stadt sichtbarer zu machen.

    Michael Leiserowitz vom deutschen Verein „Juden in Ostpreußen“ ist begeistert vom Wiederaufbau eines der bedeutenden Baudenkmäler des früheren Königsbergs. Mitten im Zentrum Kaliningrads steht wieder die „Neue liberale Synagoge“, im Stil des Historismus mit mächtiger Rundkuppel, die an den Aachener Dom erinnert.

    „Dieses Zentrum ist jetzt entstanden. Es steht groß und unübersehbar mitten in der Stadt, an dem Ort, wo die meisten Touristen auch hinfahren, nämlich neben dem Dom von Königsberg, der auf der Dominsel liegt. Und gleich gegenüber, wo die ganzen Busse halten, steht die große Synagoge, und viele Menschen kommen nicht umhin, sie zu fotografieren, weil sie nun mal schön ist und eine große Ausstrahlung hat.“

    ...

    Die Kaliningrader Juden sind heute eine Gemeinschaft von fast 2000 Personen. Sie haben aus eigener Initiative diese Synagoge mit fast nur eigenen Mitteln aufgebaut. Und ich finde, das ist für Russland schon etwas sehr Bedeutendes. Bedeutend ist es ferner, dass sie sich in der Tradition der Königsberger jüdischen Gemeinde sehen. Sie haben es mit viel Mühe vor circa zehn Jahren durchgeboxt, dass sie auf dem Territorium der ehemaligen Königsberger Synagoge bauen dürfen, dass sie die Synagoge also wieder aufbauen und dass sie sie Königsberger Synagoge nennen. Insofern bringen sie auch ein Stück der Geschichte der Stadt zurück.

    ...

    Michael Leiserowitz ist ein westdeutscher Israeli mit ostpreußischen Vorfahren und einem besonderen Faible für diese für ihn auf besondere Weise verloren gegangene Heimat.

    Durch ihren gemeinsam geführten Geschichtsverein „Juden in Ostpreußen“ haben Ruth und Michael Leiserowitz die jüdische Gemeinde von Kaliningrad beim Wiederaufbau der zerstörten „Neuen liberalen Synagoge“ unterstützt ...

    ...

    Bei der Eröffnung der wieder aufgebauten Synagoge trafen die Nachfahren alter Königsberger Juden auf die überwiegend russischen Angehörigen der heutigen jüdischen Gemeinde von Kaliningrad. Das klingt nach einer Begegnung fremder Kulturen.

    Tatsächlich sind verblüffende Übereinstimmungen zu verzeichnen. Denn genau wie nach 1945, als Juden aus allen Teilen der Sowjetunion nach Kaliningrad kamen, wanderten auch zu deutschen Zeiten, vor allem im 19. Jahrhundert, Juden aus dem russischen Reich ins benachbarte Ostpreußen ein. Viele von ihnen wurden binnen kurzer Zeit zu überzeugten deutschen Ostpreußen.

    Jüngere jüdische Aktivisten im heutigen Kaliningrad finden gerade das spannend und arbeiten die zu Sowjetzeiten tabuisierte deutsch-jüdische Geschichte Königsbergs auf. Zu ihnen gehört Julia Oisboit: „Ich finde es wunderbar, dass es eine solche Synagoge in unserer Stadt gibt. Für mich persönlich ist das wie der Königsberger Dom. Das ist ein Symbol von Königsberg.“

    ...

    Michael Leiserowitz sprüht vor Ideen, wie man die deutsch-jüdische Geschichte Königsbergs in Kaliningrad sichtbar machen sollte. Im Augenblick arbeiten er und seine Frau Ruth mit ihren Kaliningrader Partnern am Konzept für ein Museum – in den Räumen der wieder aufgebauten Königsberger Synagoge.

    Blick auf die neue Synagoge im Zentrum Kaliningrads (picture alliance / NurPhoto / Michal Fludra)

    Die Synagoge im ehemaligen Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, aufgenommen um 1918. (imago images / Arkivi)

  • Anbei zwei Fotos von Bauwerken des Architekten Hanns Hopp, der sein Planungsbüro in Königsberg hatte. Hier sieht der Bauhausstil ganz interessant aus; der Wasserturm sogar utopisch Fritz-Lang-verdächtig.


    Detail des Wasserturms in Pillau (1927).

    Wissen allein bringt nichts. Nur das angewandte Wissen verändert die Dinge.

  • Hier die Ostpreußische Mädchengewerbeschule in Königsberg.

    Wer hätte es gedacht, dass es in der deutschen Peripherie so repräsentative Bauhausarchitektur gab. Ich sage das jetzt als Bauhistoriker, nicht als Ästhet. Danke für dieses seltene Bild.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen