Kaliningrad - Königsberg

  • Politisch kann ich die damalige Angst von Kohl verstehen, aber sehr schade finde ich es trotzdem, dass er von der Möglichkeit des Rückkaufs keinen Gebrauch machte. Damals lebten noch unzählige vertriebene Ostpreussen, die sicherlich zu einem Teil die Chance genutzt hätten, ihre Heimat wiederaufzubauen und ein Teil des Unrechts der Vertriebenen hätte dadurch ein Stück weit eine Wiedergutmachung erfahren. Wenn man heute ins Königsberger Gebiet fährt, klagen sogar die dort lebenden Russen, dass sie lieber wieder zu Deutschland gehören würden.

    Im mittlerweile sehr gut entwickelten polnischen Teil Ostpreussens sieht die Welt zum Glück rosiger aus und ich kann jedem nur eine Reise dorthin empfehlen. Es ist wirklich beeindruckend wie sich dieser Teil innerhalb von nur 20 Jahren gemausert hat! Man merkt, wie Polen gegenüber dem Westen massiv aufholte und es kling banal, aber allein an den Autos merkt man, dass manchen Polen mittlerweile mehr von ihrem Einkommen bleiben als den meisten Deutschen! Aber das ist eine ander Geschichte...

  • Über die polnisch verwalteten Gebiete konnte "Russland", damals noch die Sowjetunion, gar nicht bestimmen. Dran ist wohl etwas an der Geschichte, dass die UdSSR den Oblast Kaliningrad in einer Art Kauf dem wiedervereinigten Deutschland angeboten habe. Kohl hat wohlweislich abgelehnt, da man sich 1. ein brutal unterentwickeltes, von Russen bewohntes Gebiet ans Bein gebunden hätte und 2. die geopolitischen Probleme, die letztlich in den 2. WK mündeten ("polnischer Korridor") nicht wiederholen wollte.

    An der Geschichte ist gar nichts dran. Sie zeugt nur von dem seltsamen Verständnis, das viele Deutsche von Russland haben. Falls in den Verhandlungen damals irgendein Unterhändler entsprechende Andeutungen gemacht haben sollte, dann mit dem Ziel, eine Falle zu stellen. Denn jede Forderung, die über das schließlich wiedervereinigte Deutschland hinausgegangen wäre, hätte den Wiedervereinigungsprozess zu Fall gebracht. Gorbatschow hätte Königsberg niemals an Deutschland zurückgeben können - aus machtpolitischen und rechtlichen Gründen.

    [...]
    Moderationshinweis: Beitrag nach Verschieben der Diskussion aufgeteilt: Der Danzig betreffende Teil verbleibt im Danzig-Thema, den Nordostpreußen betreffenden Teil hierher verschoben [Centralbahnhof]

  • Da bin ich dann wohl tatsächlich einer auch hier im Forum immer wieder auftauchenden Geschichte aufgesessen. Du hast schon recht, dass das überhaupt gar keinen Sinn ergeben hätte im Rahmen des Einigungsprozesses, zumal man sich die nächste schwärende Wunde in der Region völlig ohne Not eingehandelt hätte. Auch nur ein Fieps von Seiten Deutschlands Richtung Königsberg, und es hätte sehr viele Leute gegeben, die die Wiedervereinigung torpedieren hätten können. Es ist ja so schon als ein kleines Wunder anzusehen, dass das verhältnismäßig glatt über die Bühne gegangen ist, gegen die Widerstand oder zumindest mit allenfalls grummelnder Zustimmung der Briten und Franzosen.

    Auch für Russland hätte es null Sinn ergeben, ohne Not auf das Gebiet zu verzichten.

    [...]
    Moderationshinweis: Beitrag nach Verschieben der Diskussion aufgeteilt: Der Danzig betreffende Teil verbleibt im Danzig-Thema, den Nordostpreußen betreffenden Teil hierher verschoben [Centralbahnhof]

  • @Rastrelli und Heinzer

    ad Königsberg - ob an der Story bzgl Rückgabeangebot nun gar nichts dran ist huh:) (auch der Stern...ähhm Spiegel hat seinerzeit von russischen Dokumenten darüber berichtet):

    https://www.youtube.com/watch?v=Wig9Od…6UCLtUX6RtvYi9G

    Interessantes Thema allemal. Da Gorbi noch lebt, sollte man ihn fragen, ob das wahr ist oder eben auch nicht? Wäre wirklich interessant, was damals wirklich besprochen wurde. Die im Spiegel vorgebrachten angeblichen Dokumente müssten doch vorhanden sein, wenn das stimmt was der Spiegel da schrieb - und genau das ist das Problem dieser Zeitung, das man dieser leider nichts mehr glauben kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (21. Oktober 2019 um 12:19)

  • An der Geschichte ist gar nichts dran. Sie zeugt nur von dem seltsamen Verständnis, das viele Deutsche von Russland haben. Falls in den Verhandlungen damals irgendein Unterhändler entsprechende Andeutungen gemacht haben sollte, dann mit dem Ziel, eine Falle zu stellen.

    Nun, der SPIEGEL berichtete im Mai 2010 über ein Dokument der bundesdeutschen Botschaft in Moskau, welches eine sowjetische Verhandlungsintiative über dieses Gebiet thematisiert:

    Wiedervereinigung
    Moskau bot Verhandlungen über Ostpreußen an
    Brisantes Dokument zur Zeitgeschichte: Moskau brachte nach SPIEGEL-Informationen während der Verhandlungen zur deutschen Einheit Gespräche über den sowjetischen Teil Ostpreußens ins Spiel. Doch die deutsche Seite wehrte ab. [...]

    Der sowjetische Generalmajor Geli Batenin signalisierte im Sommer 1990 gegenüber einem Bonner Diplomaten Interesse an Verhandlungen über den sowjetischen Teil Ostpreußens. Das geht aus einem geheimen Fernschreiben der Botschaft in Moskau vom 2. Juli 1990 hervor. [...]

    Dem Fernschreiben zufolge erklärte Batenin, es gebe eine "Frage des nördlichen Ostpreußens" und fügte hinzu: "Dieses Problem werde sich für die Sowjetunion und Deutschland über kurz oder lang stellen."


    Vor dem Hintergund des bankrotten Zustandes, der sich im Jahre 1990 in den letzten Zügen befindenden Sowjetunion, kann man mE durchaus nachvollziehen, dass die "Sowjets" versuchten ein paar Milliarden an Devisen (D-Mark) für das Verlustgeschäft "nördliches Ostpreussen" heraus zu schlagen.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Es ist zwar off-topic. Aber ich will mich noch einmal kurz zu diesem Nonsens äußern. Ich habe mir auch den Ostpreußen-TV-Beitrag angesehen, den Exilwiener verlinkt hat, und in russischen Medien recherchiert.

    Nun, der SPIEGEL berichtete im Mai 2010 über ein Dokument der bundesdeutschen Botschaft in Moskau, welches eine sowjetische Verhandlungsintiative über dieses Gebiet thematisiert:

    Vor dem Hintergund des bankrotten Zustandes, der sich im Jahre 1990 in den letzten Zügen befindenden Sowjetunion, kann man mE durchaus nachvollziehen, dass die "Sowjets" versuchten ein paar Milliarden an Devisen (D-Mark) für das Verlustgeschäft "nördliches Ostpreussen" heraus zu schlagen.

    Der Spiegel-Artikel ist offensichtlich das Fantasieprodukt eines deutschen Autors. Er reiht diverse Russlandklischees aneinander und bedient gezielt Wunschvorstellungen einiger Leute in Deutschland. Russische Medien haben 2010 mit Verwunderung darüber berichtet. Der ominöse General Geli Batenin scheint eine Kunstfigur zu sein. Jedenfalls wird er in russischsprachigen Quellen nicht wirklich fassbar. Eine russische Nachrichtenseite berichtete im Jahr 2017 noch einmal darüber, ohne irgendwelche russischen Belege angeben zu können. Es wurde aber darauf hingewiesen, dass Gorbatschow diese Gerüchte in einem Interview dementiert habe. Bestimmte Kreise in Russland instrumentieren die aus Deutschland stammende Geschichte inzwischen, um gegen Gorbatschow Stimmung zu machen.

    Das "Verlustgeschäft nördliches Ostpreußen" ist eine Wunschvorstellung gewisser rechtsgerichteter Kreise in Deutschland. Das Kaliningrader Gebiet stand damals nicht schlechter da als viele andere Gegenden der Sowjetunion. Eine russische Nachrichtenseite spottete: Da hätte Gorbatschow die halbe Sowjetunion zum Kauf anbieten können. Als Basis der Baltischen Flotte war und ist das Kaliningrader Gebiet für Russland von größter militärischer Bedeutung. Das Gebiet hat zudem faktisch das Weltmonopol für Bernstein. Genannt sei hier noch die touristisch wertvolle Küste mit den Kurorten Swetlogorsk und Selenogradsk.

    Auf welcher Rechtsgrundlage sollte ein Präsident Territorium seines Staates verkaufen können? Sowas geht nicht. Gorbatschow war zudem nur Präsident der Unionsebene und damit im Sommer 1990 längst ein König ohne Land. Das Kaliningrader Gebiet war Teil der russischen Sowjetrepublik, die von Boris Jelzin beherrscht wurde, der in Opposition zu Gorbatschow stand. Ganz abgesehen davon, dass eine Abtretung russischen Staatsgebietes an Deutschland in Russland nicht durchsetzbar gewesen wäre - gegebenenfalls hätte es militärischen Widerstand durch reguläre oder irreguläre Verbände gegen die Bundeswehr oder deutsche Behörden auf russischem Territorium gegeben (vgl. Transnistrien oder Donbass in den letzten Jahren) -, auch Polen hätte interveniert und wäre dabei von Frankreich (Mitterand) und Großbritannien (Thatcher) unterstützt worden. Deutsche in einem bewaffneten Konflikt gegen Polen und Russen? Wer vermag sich das vorzustellen? Ihr seht, wenn ihr versucht, das Szenario durchzuspielen, kommt völliger Unsinn heraus.

    Das soll es aber dazu von mir gewesen sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Rastrelli (21. Oktober 2019 um 01:31)

  • Vielen Dank, "Rastrelli", für die klärende Einschätzung.

    Eine kleine Nebenbemerkung möchte ich mir aber noch erlauben.

    Auf welcher Rechtsgrundlage sollte ein Präsident Territorium seines Staates verkaufen können? Sowas geht nicht.

    Über Rechtsgrundlagen vermag ich in diesem Fall nichts zu sagen. Dazu müsste man sich die entsprechende Verfassung des jeweiligen Landes anschauen.

    Nicht selten ist ja der Austausch von Territorien. So gab es z.B. zwischen West-Berlin und der DDR Gebietsaustausche mit Grenzbegradigungen. Ebenso zwischen der BRD und der Schweiz im Falle Verenahof. Also, es wird nicht mit Geld gezahlt, sondern Territorium gegen Territorium getauscht.

    Unter monarchischen Bedingungen waren Territorialverkäufe in der Geschichte nicht unüblich. Die USA sind zum größten Teil gekauft. Florida wurde 1819 von der spanischen Krone gekauft, dabei übernahmen die USA Forderungen gegenüber den Spaniern von 5 Millionen Dollar. 1867 verkaufte der russische Zar Alaska an die USA für 7,2 Millionen Dollar.
    Von einer Republik (Konsulatsregierung Frankreichs mit Napoleon Bonaparte als Konsul an der Spitze) erwarben die USA 1803 für 15 Millionen Dollar die komplette französische Kolonie Louisiana. Unlängst kam in die Medien, dass Donald Trump mit Gedanken spiele, Dänemark ein Angebot zum Kauf Grönlands zu unterbreiten. Die Dänen wollen den Deal aber nicht.

    Also, das nur als kleines off-topic. Grundsätzlich könnte schon von einem Staat Land verkauft werden, wenn die Verfassung das erlaubt. Aber an den Königsberg-Deal glaube ich deshalb trotzdem ebenfalls nicht recht.

  • Ohne den Wahrheitsgehalt dieses Gerüchtes kommentieren zu wollen: soweit ich weiß, war der völkerrechtliche Status der ehemaligen deutschen Ostgebiete bis 1990 nicht geklärt. Nordostpreußen galt als "unter sowjetischer Verwaltung stehend" , Südostpreußen, Pommern und Schlesien als "unter polnischer Verwaltung stehend". Verkauft hätte Gorbatschow also kein sowjetisches Territorium, sondern bloß den Anspruch, dieses Territorium zu verwalten. Und genau darin steckt mglw. der Grund, weshalb das ein solches Politikum wurde: wenn die Sowjetunion in einem zu schließenden Friedensvertrag ihre Verwaltungsrechte über Nordostpreußen aufgegeben hätte, wäre Polen im Zugzwang gewesen. Das wollte natürlich niemand...
    Wie gesagt, alles hypothetisch. Ich kann mich allerdings erinnern, dass damals (um 1990) mein Vater dieses Gerücht ebenfalls erzählte.

  • So, jetzt bin ich auch mal OT. Die Ostgebiete hätten wir nach der Wiedervereinigung zurückbekommen können - unser damaliger Bundeskanzler Helmut Kohl seelig, hat darauf verzichtet - warum? Weil es ein enormer Kostenfaktor gewesen wäre.....der Aufbau Ost hat bereits gelangt, und da ist bis jetzt noch nicht alles wie es sein sollte.

  • Das Wichtigste wird aber immer vergessen und gar nicht thematisiert:
    Dort lebten 1990 Menschen, die in ihrer Mehrheit kein Deutsch sprachen.
    Und Erfahrungen mit Heimatvertriebenen hatte Deutschland schon gemacht.
    Also hat sich auch Genscher damals dazu klar positioniert.

  • Ich kann mich allerdings erinnern, dass damals (um 1990) mein Vater dieses Gerücht ebenfalls erzählte.

    Ich kann mich allerdings erinnern, dass ein gewisser UrPotsdamer hier im Forum mal erklärt hat, dass Erinnerungen von Zeitzeugen nichts taugen.

    Sorry, das fiel mir gerade dazu ein. Solche Erinnerungen können ja wirklich täuschen und Gerüchte gab und gibt es viele. Das besagt also nichts. Wir sollten uns hier doch an Tatsachen halten. Die entscheidenden Tatsachen sind folgende: Alle übrigen Staaten waren sich 1989/90 einig, dass die deutsche Wiedervereinigung nicht zulasten Dritter gehen dürfe und dass die "Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges" als Grundlage der Nachkriegsordnung und des Friedens in Europa nicht angetastet werden dürfen. "Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges" ist in diesem Zusammenhang eine formelhaft gebrauchte Wendung in der internationalen Politik. Damit ist nicht, wie viele Deutsche meinen, die deutsche Teilung gemeint - die war sekundär -, sondern die Grenzziehungen nach dem Krieg und die Zwangsumsiedlung deutscher Bevölkerungsgruppen.

    UrPotsdamer hat oben die westdeutsche Rechtsauffassung wiedergegeben. Die ist aber für einen sowjetischen Präsidenten nicht maßgebend. Nach sowjetischem oder polnischem Recht waren die ehemaligen deutschen Ostgebiete nicht einfach sowjetisch oder polnisch "verwaltet", sondern vollintegrierter und unveräußerlicher Bestandteil des jeweils eigenen Staates. Die Verwaltungseinheit "Kaliningrader Gebiet" hat seit 1946 oder 1947 den gleichen Status innerhalb der Russischen Föderation wie zum Beispiel das zentralrussische Gebiet Wladimir. Die Vollintegration der im Potsdamer Abkommen der Republik Polen zugesprochenen Gebiete erfolgte um 1950 oder kurz danach.

    Das Leid der deutschen Heimatvertriebenen, die Tragödie des Abbruchs einer siebenhundert Jahre währenden deutschen Kulturentwicklung im östlichen Mitteleuropa bleibt davon unberührt. Diese Tragödie konnte aber nicht zur Grundlage einer Revision der europäischen Nachkriegsordnung gemacht werden. Ursächlich dafür ist die weit größere Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, für die das Deutsche Reich die Verantwortung trug.

    Ich wiederhole mich: Gorbatschow hätte Deutschland das Kaliningrader Gebiet nicht anbieten können. Ein solcher Schritt hätte die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz infrage gestellt, an deren Zustandekommen die Sowjetunion maßgeblichen Anteil hatte.

    Bundeskanzler Kohl hat 1989/90 die internationale Absicherung und Einbettung der deutschen Wiedervereinigung in vorbildlicher Weise gelöst. Wir alle sollten glücklich sein, dass die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit bereits am 3. Oktober 1990 vollendet werden konnte. Die Vier Mächte und unsere europäischen Nachbarn gaben - zum Teil nach anfänglicher Skepsis - ihre Zustimmung dazu, dass das "deutsche Volk" in freier Selbstbestimmung den deutschen Nationalstaat wiederherstellte. Dies konnte - wie bereits gesagt - nicht zulasten Dritter erfolgen. Nach dem Grauen des Zweiten Weltkrieges und den monströsen NS-Verbrechen sollte das jedem einleuchten.

  • Ich will jetzt nicht ewig darauf herumreiten (obwohl es schon sehr gemein ist, meine eigenen Worte gegen mich zu wenden X(:biggrin: ), aber wir sollten schon unterscheiden zwischen einem moralischen oder auch faktischen Nicht-Können und einem rechtlich-theoretischen
    Nicht-Können. Natürlich hätte Gorbatschow einen solchen "Deal" mit Kohl eingehen können - rein rechtlich hinderte ihn nichts daran. Faktisch hätte er das wohl niemals durchgebracht, weswegen - falls es jemals diese Gedanken gegeben haben sollte - sie eben Gedanken geblieben sind.
    Allerdings denke ich, wir sollten dem Völkerrecht seine Ehre lassen. Wie die Sowjetunion und die Volksrepublik Polen den rechtlichen Status der ehemaligen Gebiete beurteilten, ist in etwa so relevant wie die Stellung der besetzten Krim im Staatsgefüge der Russländischen Föderation. Völkerrechtlich war ersterer bis 1990 und ist letztere bis zur Beendigung des irregulären Status der russisch-ukrainischen Beziehungen ungeklärt.

  • Es ist zwar off-topic. Aber ich will mich noch einmal kurz zu diesem Nonsens äußern. [...]

    Der Spiegel-Artikel ist offensichtlich das Fantasieprodukt eines deutschen Autors.


    Du unterstellst dem Autoren vom ehemals renomierten Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, dass er nur vorgab ein vertrauliches Dokument der deutschen Botschaft in Moskau zu besitzen, sozusagen die Leserschaft bewusst und vorsätzlich täuschte?

    Zudem hätte der interne Kontrollmechanismus der SPIEGEL-Redaktion, Quellenangabgen auf Herz und Nieren zu überprüfen hier ebenfalls komplett versagt und dies bei einem solch sensiblen und aussenpolitisch heiklen Thema.

    Starker Tobak! Man könnte beinahe versucht zu sein von "Lügenpresse" zu sprechen, falls es denn so sein sollte ...

    Als Basis der Baltischen Flotte war und ist das Kaliningrader Gebiet für Russland von größter militärischer Bedeutung. Das Gebiet hat zudem faktisch das Weltmonopol für Bernstein. Genannt sei hier noch die touristisch wertvolle Küste mit den Kurorten Swetlogorsk und Selenogradsk.

    Dieser Einwand ist wenig überzeugend, wenn wir uns das Beispiel der Ostukraine inkl. der Halbinsel Krim vor Augen führen:

    Als Basis der Schwarzmeerflotte war und ist die Krim für Russland von größter militärischer Bedeutung ... Genannt sei hier noch die ausserordentliche touristische Bedeutung dieser mediterran anmutenden Halbinsel im Schwarzen Meer mit den Kur- und Urlaubsorten Aluschta, Feodosia, Jalta.

    Jalta und insbesondere Sewastopol besitzen zudem für Russen auch ein nicht zu unterschätzendes historisch-mythisches Gewicht. Im Falle Sewastopols sei hier an Tolstois "Sewastopoler Erzählungen" aus der Zeit des Krimkrieges (1854) erinnert oder auch an die "Schlacht um Sewastopol" im Zweiten Weltkrieg.

    Gleichwohl wurde die Ukraine 1991 samt den mehrheitlich von ethnischen Russen bewohnten Territorien der Ostukraine, sowie der Krim in die Unabhängigkeit entlassen.

    Ich behaupte mal frech, dass 1991 die Krim (samt den ostukrainischen Gebieten) in allen Belangen - militärisch, touristisch, kulturell - eine weitaus grössere Bedeutung im Bewusstsein der Russen spielte als der Kaliningrader Oblast.

    Das soll es aber dazu von mir gewesen sein.


    Wohl nicht ganz, hast du doch bereits tags darauf einen weiteren Kommentar zu diesem Sachverhalt in diesem Strang veröffentlicht.


    ---
    P.S.: die alten deutschen Namen von "Swetlogorsk und Selenogradsk" lauten "Rauschen und Cranz".

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Du unterstellst dem Autoren vom ehemals renomierten Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, dass er nur vorgab ein vertrauliches Dokument der deutschen Botschaft in Moskau zu besitzen, sozusagen die Leserschaft bewusst und vorsätzlich täuschte?

    Zudem hätte der interne Kontrollmechanismus der SPIEGEL-Redaktion, Quellenangabgen auf Herz und Nieren zu überprüfen hier ebenfalls komplett versagt und dies bei einem solch sensiblen und aussenpolitisch heiklen Thema.

    Starker Tobak! Man könnte beinahe versucht zu sein von "Lügenpresse" zu sprechen, falls es denn so sein sollte ...

    Hm, da war doch was in der Richtung.

    https://m.spiegel.de/kultur/gesells…-a-1269110.html

  • Der Sieger schreibt die Geschichte. Aufgrund des durch nur eine sehr aggressiv handelnde Nation zu verantwortenden mörderischen Krieg, auch wenn manche Nationen sich anfangs an den Raubzügen beteiligten, wie die Sowjetunion die sich an Ostpolen bereicherte, gab es zum "Endsieg" eben nur wenig Mitleid mit dem deutschen Volk und seiner weiteren Geschichte. Dass letztendlich binnen zwei Generationen eine extrem aufgeklärte aber auch lange geteilte Nation entstand konnte man 1945 noch nicht erahnen. So wurde den Fragmenten des Deutschen Reiches anfangs und für längere Zeit weder die Einigkeit noch die Emanzipation zu den Siegern zugestanden. Da hatte es das postnapoleonische Frankreich deutlich besser. Aber Napoleon hat "nur" einen harten Krieg geführt. Ethnische und rassische Säuberungen fanden in der Regel nicht statt. So hatte Frankreich deutliche Restsympathien, die es auch sehr geschickt auf dem Wiener Kongress nutzte. Für die Fragmente Nazi-Deutschlands gab es das bis auf das Territorium Österreichs nicht. So müssen die Nachgeborenen mit diesen Gegebenheiten lernen zu leben.
    PS: Die alten deutschen Ortsbezeichnungen dürfen in Polen kraft Gesetz in deutschsprachigen Publikationen und im öffentlichen Leben und nicht nur im historischen Kontext benutzt werden. Im russischen Kaliningrad und Rayon wird es zumindest geduldet.
    In Tilsit/Sowjetsk gibt es sogar eine sehr ernst zu nehmende Stimmung zur Rückbesinnung und Rückbenennung auf den historischen Namen.
    Die europäischen Sanktionen gegenüber Russland sind zurzeit aber nicht beflügelnd für derartige Vorhaben.

  • Auf welcher Rechtsgrundlage sollte ein Präsident Territorium seines Staates verkaufen können? Sowas geht nicht.


    UrPotsdamer hat hier einen entscheidenden Aspekt herausgestellt:

    soweit ich weiß, war der völkerrechtliche Status der ehemaligen deutschen Ostgebiete bis 1990 nicht geklärt. Nordostpreußen galt als "unter sowjetischer Verwaltung stehend" , Südostpreußen, Pommern und Schlesien als "unter polnischer Verwaltung stehend".


    Verkauft hätte Gorbatschow also kein sowjetisches Territorium, sondern bloß den Anspruch, dieses Territorium zu verwalten.


    Den Wahrheitsgehalt des verlinkten SPIEGEL-Artikels kann ich nicht verifizieren. Allein mW wurde er noch nicht als Fälschung ausgemacht (Im Gegensatz zur Armada von Relotius-Artikeln, die wiederum einen ganz bestimmten Zeitgeist bedienten)

    Daher noch einmal: angesichts des bankrotten wirtschaftlichen Zustandes der Sowjetunion in der Zeit 1989-1991 ist es mE durchaus vorstellbar, dass Gorbatschow und hochrangige Leute aus seiner Entourage diesen Vorschlag als Verhandlungsmasse einbrachten.

    Vor dem Hintergrund des staatlichen Zerfalls der UdSSR, nach welchem sich abermillionen ethnischer Russen quasi übernacht in mehreren fremden Staaten wiederfanden, wäre das Abtreten des bis dato sowjetisch verwalteten Oblast Kaliningrad, gegen eine signifikative Ausgleichszahlung, mE als relativ vernachlässigbar einzuordnen.

    Heute ist die geopolitische Situation (und zudem die wirtschaftliche Russlands) natürlich eine gänzlich andere.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Zudem hätte der interne Kontrollmechanismus der SPIEGEL-Redaktion, Quellenangabgen auf Herz und Nieren zu überprüfen hier ebenfalls komplett versagt und dies bei einem solch sensiblen und aussenpolitisch heiklen Thema.

    Ich habe.

    Einmal editiert, zuletzt von StaraBieda (25. November 2019 um 20:21)

  • Das ist mit Sicherheit alles sehr interessant, ich würde trotzdem darum bitten, es dabei zu belassen.
    Schon der vermeintlich vorgeschlagene Verkauf der Oblast Kaliningrad hat reichlich wenig mit Architektur zu tun und wenn die Diskussion bei der Qualität gewisser Printmedien angekommen ist, ist es Zeit die Diskussion zu beenden und wieder zu architektonischen Themen zurückzukommen.

  • Danke, @Centralbahnhof! Mein nächster Beitrag hier wird sich um den Königsberger Dom drehen. Jetzt möchte ich nur noch Folgendes kurz anmerken:

    1. Was Valjean meint, was für die Russen wichtig oder zumutbar ist, zeugt von seiner Unkenntnis der Materie und ist ohnehin irrelevant. Wir reden hier nicht über eine Bananenrepublik, sondern über eine Großmacht.

    2. Eine schwache Zentralgewalt in einem zerfallenden Großreich hat nicht die Möglichkeit, Territorium an eine ausländische Macht wegzugeben. Kaliningrad gehörte zur RSFSR. Da hatte Jelzin das Sagen und nicht Gorbatschow.

    3. Niemand hat die Ukraine in die Unabhängigkeit entlassen. Es war vielmehr so: Die Präsidenten der drei ostslawischen Republiken Belarus, Ukraine und RSFSR trafen sich am 8. Dezember 1991 und konstatierten, dass die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als Subjekt des internationalen Rechts zu bestehen aufgehört habe. Bereits im August 1991 hatte Jelzin jedwede Tätigkeit der KPdSU auf dem Territorium der RSFSR verboten. Gorbatschow wurde buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen. Die Republiken haben die Sowjetunion ganz einfach aufgelöst (ohne Gorbi zu fragen). Die Russische Föderation ist staatsrechtlich gesehen der Rechtsnachfolger der Sowjetunion, aber nicht mit dieser identisch.

    4. Lieber @UrPotsdamer, der Staatsname ist im Deutschen "Russische Föderation", nicht "russländische". Der offizielle Name eines ausländischen Staates im Deutschen wird vom Auswärtigen Amt festgelegt, und das sagt: "Russische Föderation". Dies geschieht in Absprache mit dem betreffenden Staat. Das russische Außenministerium verwendet im Deutschen ebenfalls den Namen "Russische Föderation". Damit du es mir glaubst, hier das offizielle Schild an der Botschaft in Berlin:

    Berlin, Unter den Linden 63, Schild "Botschaft der Russischen Föderation" (Foto: Sven Wolter, Oktober 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Der offizielle deutsche Name von "Weißrussland" ist übrigens "Belarus", weil "Weißrussland" keine gute Übersetzung des Landesnamens ist.

    So. Nachdem nun im Herbst 1990 sowohl die deutsche Frage als auch der völkerrechtliche Status des Kaliningrader Gebiets abschließend geklärt war, eröffneten sich Möglichkeiten für eine deutsch-russische Kooperation zur Bewahrung des kulturellen Erbes von Königsberg. Bedeutendstes Ergebnis der Zusammenarbeit war der Wiederaufbau des Königsberger Domes. Mehr dazu im folgenden Beitrag.