Kaliningrad - Königsberg

  • Nach dem Krieg hat sich der Architekt Hoop dann leider der radikalen Moderne verschrieben

    Das stimmt aber nun gar nicht. Hanns Hopp hat in der DDR Bauten im Stil der nationalen Tradition errichtet: Blöcke E und G an der Karl-Marx-Allee in Berlin, Deutsche Hochschule für Körperkultur in Leipzig (hier nur die älteren Bauten), Kulturhaus der Maxhütte in Unterwellenborn, Lungenheilstätte Bad Berka und dann noch das Krankenhaus in Saalfeld/Saale. Ich wusste gar nicht, dass diese Gebäude alle von ihm sind. Besonders gut gefällt mir das Saalfelder Krankenhaus. Ich empfinde es als sehr angenehm, da weder radikal modern noch stalinistisch pompös. Solche Gebäude finden im Allgemeinen zu wenig Beachtung. Ich will das an dieser Stelle aber nicht vertiefen, weil es hier ja um Ostpreußen geht. Dort in Königsberg hatte Hopp um 1930 seine stilistisch modernsten Bauten errichtet. Den erneuten Übergang zur Moderne Anfang der Sechziger Jahre hat er dann nicht mehr mitgemacht. Da war er zu alt.

    Hopps Wasserturm in Pillau steht noch, ist aber in schlechtem Zustand. Er wurde 2016 in die Denkmalliste eingetragen und ist als Kulturdenkmal von regionaler Bedeutung geschützt. Zuständig ist also die Gebietsverwaltung. Die Adresse des Turmes ist heute Lenin-Prospekt (ja, der heißt immer noch so), Hausnummer 66w.

    Baltiijsk (Балтийск, ehemals Pillau), Wasserturm von Hanns Hopp, erbaut 1927, Prospekt Lenina 66w (проспект Ленина 66в)

    (Foto: Vdi92, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Baltijsk (Pillau), Wasserturm von Hanns Hopp, erbaut 1927 (Foto: Vdi92, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

  • Wer hätte es gedacht, dass es in der deutschen Peripherie so repräsentative Bauhausarchitektur gab. Ich sage das jetzt als Bauhistoriker, nicht als Ästhet. Danke für dieses seltene Bild.

    Dazu von mir Ergänzungen aus russischen Quellen.

    Auf der Internetplattform "Strana 39", die zur regionalen Mediengruppe "Westpresse" (Западная пресса) gehört, wurde am 11. März 2019 ein Artikel zum Bauhaus-Jubiläum veröffentlicht. Titel: Kaliningrad im Bauhausstil. Das deutsche Wort "Bauhaus" dient im Russischen nur zur Bezeichnung des historischen Bauhauses und des entsprechenden Stils in Deutschland. Die verwandte Stilrichtung in Russland wird als Konstruktivismus bezeichnet. Der Artikel lenkt die Aufmerksamkeit auf das Bauhauserbe, das heute noch in Kaliningrad vorhanden ist. Ich möchte die Gebäude hier kurz vorstellen.

    Kaliningrad (Königsberg), prospekt Mira 1 (проспект Мира 1, ehemals Hansaring), Neues Funkhaus, jetzt Institut für Ozeanologie, erbaut 1932-1933 von Hans Hopp (Foto: Triefeline, 29. September 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Neues Funkhaus (Foto: Kemal KOZBAEV, 13. März 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Dieses Gebäude hat noch keine Nummer im Denkmalsinventar. Es gilt aber unter Leuten, die sich für die Architektur der Stadt interessieren, als denkmalwürdig. Ich vermute, dass es in absehbarer Zeit von der Gebietsverwaltung unter Denkmalschutz gestellt wird.

    Kaliningrad, uliza Sergejewa 2 (улица Сергеева 2, ehemals Hintertragheim), Parkhotel, erbaut 1929 von Hans Hopp, jetzt Büronutzung

    (Foto: Valdis Pilskalns, September 2010, CC-BY-3.0)

    Beim ehemaligen Parkhotel wurden Teile des Gebäudekomplexes abgerissen oder verändert. Nutzung als Geschäftshaus. Denkmalschutz besteht nicht. Ich vermute, dass man es aufgrund der Veränderungen nicht unter Schutz stellen wird. Hier noch ein Foto von der Rückseite (zum Schloßteich) - Klick

    Kaliningrad, uliza Generala Galizkogo 20 (улица Генерала Галицкого 20), Anatomisches Institut, erbaut 1930-1934, Architekt Richard Friesen, heute "Gas-Oil", Denkmalschutz besteht (Foto: Platinovaya, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Anatomisches Institut (Foto: Platinovaya, September 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Kaliningrad, uliza Generala Oserowa 57 (улица Генерала Озерова 57), Handelshochschule, erbaut 1930-1938, Architekt Hans Malwitz, heute Baltische Föderale Universität "Immanuel Kant", Institut für Ingenieur- und Technikwissenschaften (Инженерно-технический институт), Denkmalschutz besteht (Foto: Kemal KOZBAEV, Januar 2013, CC-BY-SA-4.0)

    Kaliningrad, uliza Klinitscheskaja 74 (улица Клиническая 74), Krankenhaus, erbaut um 1930, heute Teil des Kaliningrader Gebietskrankenhauses, Denkmalschutz besteht (Foto: Kemal KOZBAEV, März 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Krankenhaus. Die Büste von I. P. Pawlow im Hof ist eine russische Zutat, das radförmige Objekt an der Fassade darüber dürfte ein ursprüngliches Gestaltungselement sein (Foto: Анастасия Кравцова, September 2015, CC-BY-SA-4.0)

    Die beiden wichtigsten Gebäude - Staatsarchiv und Mädchengewerbeschule - bringe ich in einem späteren Beitrag.

  • In den Jahren 1929-1930 errichtete Robert Liebenthal am Hansaring einen Neubau für das Preußische Staatsarchiv. Das im Krieg nur leicht beschädigte Haus wurde mit Beschluss des Ministerrats der RSFSR vom 27. Juni 1947 der im Jahr zuvor gegründeten Gebietsbibliothek zur Nutzung übergeben. Der Bibliotheksbetrieb in dem Gebäude wurde 1948 aufgenommen. Es ist heute als Kulturdenkmal von regionaler Bedeutung geschützt (Quelle).

    Kaliningrad (Königsberg), prospekt Mira 9-11 (проспект Мира 9-11, ehemals Hansaring), Gebäude des Staatsarchivs, heute Wissenschaftliche Bibliothek des Kaliningrader Gebiets (Foto: Kemal KOZBAEV, 13. März 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Hier ein aktuelles Foto der linken Fassade mit blühenden Kastanien - Klick

    Die Fassade wurde offenbar 2018/19 restauriert und hat dabei neue, historisch korrekte Fenster bekommen. Zum Vergleich eine Ansicht des Staatsarchivs vor 1933:

    Königsberg, Preußisches Staatsarchiv, historische Fotografie, um 1931/32

    Das Gebäude des Staatsarchivs, jetzt Gebietsbibliothek (Foto: Аксеновский Эдуард, 16. September 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Wissenschaftliche Gebietsbibliothek (Foto: Ekaterina Tikun, 29. April 2016, CC-BY-SA-4.0)

    Haupteingang der Wissenschaftlichen Bibliothek des Kaliningrader Gebiets. Hinter der verglasten Ecke befindet sich ein Treppenhaus

    (Foto: Ctac, 6. April 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Blick in das Treppenhaus (Foto: Ctac. 6. April 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Gebietsbibliothek (Foto: Ctac, 6. April 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Fenster an dieser Seite sind Kunststofffenster mit dünnen vertikalen Leisten zur Imitation von Fensterteilungen. Ich schätze, dass sie irgendwann zwischen 1995 und 2010 eingesetzt wurden. Aus ästhetischer Sicht sind sie nicht ideal. Es folgen zwei Innenansichten aus dem Vortragsraum im ersten Obergeschoss.

    Vortragsraum in der Bibliothek (Foto: Ctac, 6. April 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Vortragsraum in der Bibliothek (Foto: Ctac, 6. April 2018, CC-BY-SA-4.0)

  • Häuser, wie das zuletzt gezeigte, haben vermutlich deshalb so gut überlebt, weil sie zum Einen sehr einfach gestaltet waren, somit leichter reparierbar und nutzbar. Zum Anderen waren sie vermutlich auch optisch in das neue System leichter integrierbar. Ein "internationaler", modernistischer und nicht spezifisch deutscher Stil, der völlig reibungslos in die Sowjet-Kultur übernommen werden konnte.

  • Kaliningrads Wahrzeichen

    Der "Roboterkopf" wird abgerissen

    Kaliningrad muss sich von einem seiner Wahrzeichen trennen. Nächstes Jahr soll das "Haus der Sowjets" abgerissen werden – ein Gebäude, das an den Kopf eines vergrabenen Roboters erinnert.

    [...]

    Vielleicht ein erster Schritt in Richtung Schloss?

  • Leider nein.

    Der Klotz soll abgetragen werden bis auf die Fundamentplatte, um dann mit einer zweistöckigen Tiefgarage in den Untergeschossen in ähnlicher Kubatur , nur etwas "leichter" wiedererrichtet zu werden.

    Politisch ist eine Rekonstruktion von "Preussen" in Kaliningrad, auch aufgrund des stark abgekühlten deutsch-russischen Verhältnisses, zurzeit ohnehin nicht gewünscht. Es werden nebenbei auch noch von diversen Kräften "Regermanisierungsängste" geschürt, die natürlich jeder Grundlage entbehren, aber leider auch den zukünftigen Städtebau beeinflussen.

    Vergleiche zu Potsdam oder Berlin, Danzig oder Dresden, mit positivem Effekt auf Besucherströme greifen nicht, da der russische Durchschnittsbürger den Tourismus wie wir Mitteleuropäer ihn kennen sehr argwöhnisch betrachtet, und natürlich durch dessen negative Auswirkungen mit Preissteigerungen im täglichen Leben, Wohnungsmangel und Verkehrschaos, etc. in seiner Sicht bestärkt wird.

    Ohnehin gibt es nur wenig Verbundenheit mit dem alten Königsberg, und diese Basis schwindet immer mehr, je mehr Zuzügler, und das sind nicht wenige, aus den ärmeren Regionen Russlands und einiger GUS-Staaten, in Russlands aufstrebenden Westen ziehen.

    Leider muss man momentan auch konstatieren, dass wieder die alte Sowjetsicht Renaissance feiert mit deutsch gleich faschistisch, und damit unerwünscht.

  • Na, dann sollen sie doch weiter so leben, wenn es ihnen dort gefällt. Wäre ja auch schlimm, wenn diese Boom-Region, die jetzt schon im Verkehr erstickt, zusätzliche Staus durch einige Touristenbusse ertragen müsste. Und Preissteigerungen sind nicht schön. Dann doch lieber arbeitslos bleiben. Und ehe man keine Wohnung im Plattenblock mehr findet, weil nun lauter Wessis dort hinziehen, die von ein paar preußische Altstadtgebäuden angelockt werden....

    Neee, lieber mal alles so lassen, wie es ist. Ist ja auch gemütlich dort.

  • Seit Jahren hoffe ich, dass eines Tages das Königsberger Schloss wieder aufgebaut wird.

    Als Mitte November der Gouverneur Anton Alichanow verkündete, dass das „Haus der Sowjets" in Königsberg abgerissen werden soll, war die Hoffnung groß.

    Alichanow selbst verkündete allerdings kurz danach, dass "auf keinen Fall" das Stadtschloss wieder entstehen soll.

    Bei solchen Aussagen frage ich mich immer, was bei solchen Leuten falsch gelaufen ist. Es sind immer Politiker und Journalisten, die meinen, man könne einfach vorschreiben wie und was gebaut werden soll und was nicht.

    Die Mehrheit der Bewohner der Stadt hatte jedenfalls diesen Entwurf des Architekten Arthur Sarnitz favorisiert, der eine fast vollständige Restaurierung des Schlosses vorsah.

    Hier ein aktueller Artikel zum Thema und ein Video von Arthur Sarnitzs Entwurf.

    Bei diesem Video stehen mir Tränen in den Augen aber entscheidet selbst:

    https://paz.de/artikel/ein-ka…berg-a1940.html

    https://youtu.be/EJOfRJu03IY

    "Moderne Architektur heißt seit über 50 Jahren: Rechtwinklig, weiß, kahl, leer, gebaut von immer schwarzgekleideten Architekten."

    -Gerhard Kocher

  • ...

    „Wir waren uns mit den Deutschen schon einig. Es existierte eine Gesellschaft ehemaliger Bürger Königsbergs. Und einer der Leiter dieser Gesellschaft war ein damaliger Vizepräsident von BMW, der dann Präsident von BMW wurde – Baron Kuenheim. Sein Sohn arbeitet heute noch bei BMW und wir sind befreundet“, erzählte Tscherbakow.

    Dieser Kuehnheim führte sich hier auf wie ein echter Revanchist – so haben wir ihn alle wahrgenommen. Er wollte das Gebiet heimholen … Ich glaube er war wohl hier gebürtig. Und der zweite BMW-Mann war Hartmann. Er war auch ein Vizepräsident von BMW....

    Bei solchen Leuten ist auch nicht weiter verwunderlich, dass die russische Staatsführung die Wiederaufbaupläne blockierte und wir uns ggf. auf ein Haus der Räte 2.0 "freuen" dürfen.

    Vielen Dank, Herr Baron.

  • Wenn ich das alles hier so lese,da sieht es nicht besonders Rosig aus in der Sache Schloss Königsberg.:sad:Ein klares Bekenntnis und Ziel ist von den Stadtverantwortlichen und der Politik jedenfalls nicht zu erkennen.Denn die sind ja die wichtigsten Entscheidungsträger.Aber so wie es im Moment aussieht,werden wir den Komplett oder wenigstens Teilaufbau des Schlosses nicht mehr erleben.

  • Snork 11. Dezember 2020 um 20:57

    Hat den Titel des Themas von „Der Oblast Kaliningrad und das alte Königsberg“ zu „Kaliningrad - Königsberg“ geändert.
  • Wie schon weiter oben berichtet, das brutalistische "Haus der Räte" im ehemaligen Zentrum Königsbergs soll demnächst abgerissen werden, dazu: ein interessanter Beitrag des Deutschlandfunks. An Stelle des Klotzes soll wohl ein Neubau erreichtet werden, vermutlich ähnlich wuchtig. Für einen Wiederaufbau des Schlosses ist das keine gute Perspektive, auch wenn dessen Grundfläche davon nicht direkt betroffen ist (hier eine Visu vom "Haus der Räte" und dem Schloss). Ganz grundsätzlich stehen die Chancen für einen Schlosswiederaufbau mehr als schlecht, das Interesse der lokalen Bevölkerung am alten Königsberg beschränkt sich auf einige wenige hundert Enthusiasten. Im Gegenteil, die Stimmung nicht weniger Menschen der Region ist derzeit tendenziell deutschfeindlich (das Königsberger Kant-Denkmal wurde kürzlich beschmiert, die alten Alleen des Gebiets werden als "letzte Soldaten des Führers" verunglimpft und ihre Beseitigung gefordert). Die Mehrheit der Bevölkerung identifiziert sich nach wie vor nicht mit dem kulturellen Erbe ihrer Region (ganz im Gegensatz zum polnischen Teil Ostpreußens).

    Bis auf Weiteres kann man von Rekonstruktionen im Zentrum Kaliningrads also nur träumen. Das folgende wunderbare Video des Kaliningrader Architekten Arthur Sarnitz hatte bis heute nur 5971 Zugriffe seit dem Upload 2015 (und wie viele davon stammen wohl von Bewohnern der Region??).

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  • Ja,das werden auch für alle Zeiten schöne Träume bleiben.Ich glaube nicht das es in Kaliningrad zu irgendwelchen Rekos kommen wird.Der Dom war die letzte Wiederherstellung einer noch erhaltenen Kriegsruine im Zentrum.Erfreuen wir uns gegenwärtig und in Zukunftig über solche 3D Video Rundgänge im alten Königsberg.Das alte geschlossene Stadtbild ist unwiederbringlich verloren und bleibt für immer Geschichte.

  • Meint ihr, dass ein öffentlicher Vorstoß von Stadtbild Deutschland, eine Art Bitte und Angebot der Unterstützung im Namen der gemeinsamen Versöhnung und gegen neue Kriegsgefahr, etwas an dem gegenwärtigen Blockadedenken in Kaliningrad ändern könnte?

  • Bestimmt. Schließlich genießt Stadtbild-Deutschland weltweit und gerade auch in Russland hohes Ansehen.

    Wir sollten Putin persönlich anschreiben.

  • Wir sollten Putin persönlich anschreiben.

    So schlecht finde ich die Idee gar nicht mal. Wenn man es höflich macht und einige Bilder beilegt, die die Gestaltungsmöglichkeiten visualisieren.

    Sie kann zumindest nicht schaden.