Die Diktatur der Rasterfassade

  • Tach Kralle,

    der Titel "Diktatur der Rasterfassade" hat mich heute nicht mehr los gelassen, daher habe ich kurzerhand ein, zwei Entwürfe gestartet, wie man ein digitales Heft erstellen kann, welche die teils deprimierende und triste, teils beängstigende Stimmung der Fassaden unter den von Dir gegebenen Titel aufgreift.

    Es ist vorerst eine grobe Idee, aufbauend auf diesem Thread. Sollte sie im Forum auf Anklang stoßen, würde ich gern gemeinsam mit euch weitere Gebilde ausarbeiten.

    Hampton by Hilton:
    https://drive.google.com/open?id=1VHP8n…3t9XxQsaEHr4YCi

    BND:
    https://drive.google.com/open?id=1Hny4d…hnce890CYGE0S9m

    Deckseite (abstrahierte Initialen DDRF):
    https://drive.google.com/open?id=1p8bZy…t3IPeYgitGXWQAu

    Was haltet ihr davon?

    Wohlan,
    Markus

  • Die neuen Gebäude am Nürnberger Hauptbahnhof wurden wohl nur von denen am Berliner Hbf abkopiert?
    Alles ein architektonischer Einheitsbrei der heutigen Bahnhfosumfeldgestaltung.Tritt der Besucher aus der Bahnhofshalle muss er sich erst einmal fragen, bin ich nun in Berlin, Nürnberg, Potsdam, Dresden oder wo nun?

  • Ich halte die Idee einer Zusammenstellung, noch dazu in derartig qualitätvoller Ausführung, für sehr gut!

    Besonders die Art der Darstellung der Gebäude ist perfekt geeignet, denn sie verwendet auf ausdrucksvolle Weise die Waffen der heutigen Architekturszene gegen genau Diese.
    Ich bin diese sehr nüchterne, geradezu unterkühlte Darstellung mit der vermeintlichen Fokussierung auf das Wesentliche (wobei damit für die Seite der Architektur, die den Menschen dient, alles Wesentliche weggelassen wird) aus der Uni gewohnt - zugegeben, ästhetisch ansprechend ist sie durchaus.
    Dort dient sie der "Kommunikation" vom eigenen Schaffen, auch in Ausstellungen oder Architekturmagazinen findet man derartig dargestellte Bauwerke gerne.
    Aber sobald man den engen Kreis derer verlässt, die direkt mit der Produktion von Architektur zu tun haben, verschwinden derartige Visualisierungen komplett - weil der Teil der Gesellschaft, der Bauwerke nutzt und daher an mehr als Wandaufbauten und Geschossflächenzahlen denkt, daraus nichts lesen kann - eben, weil eigentlich alles Wesentliche fehlt.
    Indem man solch unterkühlte Bauten in dieser unterkühlten Art der Darstellung abbildet - und nicht, wie sonst gerne, auf schönen bunten Visualisierungen - zeigt man den eklatanten Mangel an Menschlichkeit und Realitätsbezug, der heute fest in der Architekturszene verwoben ist, und der zu deren Glück nur allzu selten nach draußen in die reale Welt dringt.

    Machen sie bitte weiter mit der Auflistung - es wird sich lohnen.

  • tachMarkus: das Deckblatt finde ich strange (die Schreibfehler sind auch nicht ohne), ich würde da die gleiche Schrift verwenden wie für die Bildunterschriften. Die Bilder: eindrucksvoll, so kommt das richtig zur Geltung. Das BND-Gebäude wirkt so richtig alptraumhaft.
    Kennst Du die Ruhr-Uni? Die wurde siw in den Früh-70ern gebaut und ist so monoton gerastert, daß überall Wegweiser nötig sind, weil man die unterschiedlichen Gebäude nicht erkennt.
    In den 1960ern war aber mW die "Hochzeit" der Rasterbauten, die gabs damals als Verwaltungsgebäude in jeder größeren Stadt.

  • tachMarkus: das Deckblatt finde ich strange (die Schreibfehler sind auch nicht ohne), ich würde da die gleiche Schrift verwenden wie für die Bildunterschriften.

    Danke für Deine Rückmeldung. Welchen Schreibfehler außer das überflüssige 'a' siehst Du noch?
    Die Ruhr-Uni sagte mir bislang nichts. Die Bilder bei Google sprechen allerdings Bände. ;)

    Um der Visualität noch etwas mehr Aggressivität zu verleihen, könnte man den Stil des Covers auf die Illustrationen ausweiten …

    BND:
    https://drive.google.com/open?id=1D5lVE…4wqFAYSkVPZUV_6

    Hampton by Hilton:
    https://drive.google.com/open?id=1YlaBo…5fXVUVVtHWTODam

    Wie ihr seht, probiere ich gerade etwas aus. Und der Titel sollte sich in seiner visuellen Interpretation auch unmissverständlich auf den Folgeseiten wiederfinden.

    Einmal editiert, zuletzt von tachMarkus (12. März 2018 um 11:25)

  • Aber, daß die Frakturschrift für "Diktatur" herhalten muß, finde ich nicht so dolle. Dafür kann die Schrift ja nix, daß sie auch missbraucht wurde, wie so vieles damals. Überdies ist sie viel zu formenreich und sinnlich für die Aussage der seelenlosen Rasterfassaden. Es sei denn Du willst einen extra Kontrast damit erzielen. Nein, die Frakturschrift bezieht das zu sehr auf eine bestimmte Form von deutscher Diktatur. Finde es sollte vielmehr eine Schreibmaschinenschrift gewählt werden. Denn damit wurde in den Diktaturen des 20.Jh's kommuniziert. Ebenso mit den Fernschreibern und deren Schrifttypen.
    Wäre das ein gestalterischer Impuls!?

  • Okay, Du hast mich. Ich selbst bin ein Verfechter dessen, die Fraktur aus der dunklen NS-Zeit zu befreien und ich gebe Dir Recht, dass es in dem Zusammenhang kontraproduktiv ist. Ich werde deshalb zurückrudern und auf die roten Außenlinien und die Fraktur verzichten.

    Ob eine Schreibmaschinenschrift stilistisch passt, werde ich testen. Ansonsten wird es wohl wieder die Serifenlose.

    Danke für Deine aufmerksame Kritik!

  • Ein sehr cooler Ansatz!
    Man sollte aber aufpassen, dass die Darstellung der Gebäude nicht zu gefällig wird. Teilweise schauen die Muster auf weißen Grund gar nicht so schlecht aus.

    Vielleicht könntest du ausprobieren, bei den Fassadenrastern nur mit schwarz/weiß und Grautönen zu arbeiten (unabhängig von der tatsächlichen Farbe) und den Text in serifenlose schwarze Versalien und/oder Kapitälchen zu setzten.

    Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass man statt einzelne Gebäude ein kleines Ensemble von Gebäuden darstellt, wie zum Beispiel die Umgebung des Berliner Hauptbahnhofes, wo man das absolute Totalversagen modernistischer Architektur sehen kann und sich ein Rasterwürfel an den nächste reiht.
    Damit vielleicht auch die Absurdität so einer Architektur deutlich wird könnte man vielleicht noch "Vergleichsraster" bringen. Oder irgendwas ironisches, wie zB. einen Kaktus in einem Fenster, der sich in dem Raster verliert.^^

  • Hallo thommystyle,

    danke für Deine konstruktive Kritik. Die roten Linien auf Weiß erzeugen leider schon fast wieder eine gewisse Ästhetik. Die muss da wieder raus, denn auf diesem Weg wird es dem tristen Ansehen der Stadt nicht gerecht.

    Wenn auch noch in roten Linien, hier einmal …

    Berlin Stadtschloss — Humboldtforum
    https://drive.google.com/open?id=1YPvol…MiFK_xq9b9HWvlE

    Haus der Berliner Verlage
    https://drive.google.com/open?id=1VzQpy…T_SF68Zx0aq4b-C

    Für weitere Ideen und Kritik bin ich stets offen. ;)

  • Sehr cool gemacht Markus!

    Tatsächlich würde ich für die Grafiken für jene Farbgebung plädieren, die diese Bauten auch in aller Regel dominiert: Grau!
    So dass man im Grunde nur einen matschigen, tristen Haufen vor Augen hat. Denn anders ist die Wahrnehmung in natura ja auch nicht.

    Rot wirkt irgendwie zu angenehm, positiv, emotional-leidenschaftlich für diese Art von Fassaden.

  • Die Rasterfassade repräsentiert das momentane Deutschland so wie es ist. Ideenlos, ziellos, inhaltlich leer. Diese Bauten werden einmal wichtige Zeitzeugen sein.

    In dubio pro reko

    Einmal editiert, zuletzt von reklov2708 (13. März 2018 um 08:53)

  • Aber eben erst 1941. Man kennt so viele historische Fragmente der NS-Zeit mit Frakturschrift. Das macht sie nicht zur Nazischrift, kann in einem bestimmten Kontext aber definitiv so wahrgenommen werden. Gerade auch wenn man sich popkulturelle Erzeugnisse zu dem Thema anschaut, Filme, Spiele, Comics usw., die Titel sind fast immer in Frakturschrift gehalten.

  • Nette Sache. Zur Schriftart-Debatte möchte ich da nur silesien bestätigen und ergänzen, dass es wohl daher kommt, dass schon vor beziehungsweise während der NS-Diktatur die Frakturschrift im öffentlichen Leben immer weniger gebraucht und oft nur für besondere Bereiche wie zum Beispiel in der NS-Propaganda eingesetzt wurde. Das könnte zu dieser nachträglichen Assoziation geführt haben.

    Nein, auch die Schrift muss "schlicht und klar" sein und sollte nicht auf Polemik setzen, wie es "Diktatur" in Frakturschrift tuen würde. Hitlers "Normal-Schrift", wie wir sie hier gerade selbst verwenden, passt doch perfekt zu den schmucklosen Gebäude-Rastern.

    Und alles schön in viel weiß, ein bisschen schwarz und dezentem grau. Schönheit ist kein Kriterium.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Wie schon mehrfach erwähnt - die gebrochenen Schriften wurden 1941 ja mit dem Normalschrift-Erlaß abgeschafft, so daß diese gängige Assoziation nicht stimmt.

    Es gibt seit einigen Jahren einen Gegentrend zu Fraktur = Nazi.
    Ein wichtiger Beitrag dazu war das Buch "Fraktur mon Amour".

    Zur Schriftart-Debatte möchte ich da nur silesien bestätigen und ergänzen, dass es wohl daher kommt, dass schon vor beziehungsweise während der NS-Diktatur die Frakturschrift im öffentlichen Leben immer weniger gebraucht und oft nur für besondere Bereiche wie zum Beispiel in der NS-Propaganda eingesetzt wurde. Das könnte zu dieser nachträglichen Assoziation geführt haben.


    Allerdings wurde hier keine "normale Fraktur" verwendet, sondern eine Art gebrochene Grotesk, auch Schaftstiefelfraktur gennant; eine sehr reduzierte und modernisierte, etwas martialisch wirkende Art der Fraktur. Dieser Schrifttyp kam tatsächlich erst in den 1930ern auf und fand gewisse Beliebtheit bei den Nazis (auch wenn die gebrochenen Grotesk viel Geist der Neuen Sachlichkeit in sich trägt). Insofern ist die Assoziation gerade mit diesem Schrifttyp (weniger mit richtiger Fraktur) nicht ganz aus der Luft gegriffen.