Dresden - Altmarkt, Kulturpalast, Prager Straße - Südliche Altstadt (Galerie)

  • Tja, vielleicht kein Gründerzeitviertel, aber eine Verdichtung und Blockrandbebauung wäre schon denkbar, wenn sie nach und nach erfolgt. Aber dazu bedürfte es eines "Masterplanes", der bisher für deutsche Städte noch nie vorgelegt wurde. Sowas hatten bisher nur die Polen beim Wiederaufbau ihrer Städte ausgefertigt. Bei uns ensteht nur Wildwuchs nach Bedarf und nach Investitionsbereitschaft.

    Also es gab gar keine Masterplan in keine Deutsche Stadt? Auch nicht in Rothenburg oder Munster?

    Oder ist nicht Warschau ausserhalb die Altstadt / Neutstadt auch wildwuchs?

  • @Der Münchner

    Nein, auch die Polen haben sowas noch nicht gemacht! Wie ich schon schrieb: in Danzig hat man eine reine Kulisse errichtet, die dem dresdner Neumarktviertel eher unterliegen ist, und die (tatsächlich wunderbar wiederaufgebaute, aber nicht so bedeutende) warschauer Altstadt ist, ähnlich wie der Neumarkt, nur eine Insel in einer hässlichen, zerstörten Stadt. Da hat Dresden noch weit mehr Chancen, da dort zumindest die Neustadt weitgehend erhalten geblieben ist.

  • Ja, ich würde sogar behaupten, dass Deutschland auch heutzutage noch, was die Quantität und Qualität erhaltener historischer Altstädte anbelangt, zusammen mit Frankreich und Italien an der Spitze Europas steht. Der einzige Vorteil der deutschen Kleinstaaterei war, dass der Wettbewerb untereinander Kultur, Kunst und Wissenschaft förderte (nicht ohne Grund sind die Deutschen zum Volk der Dichter und Denker geworden), und dieser Drang, die Nachbarn zu übertrumpfen, hinterließ uns auch ein überreiches architektonisches Erbe. Es gab unzählige Fürstentümer, dementsprechend unzählige Fürsten, die sich durch die Errichtung repräsentativen Schlösser, Kirchen ... verewigen und gegenseitig übertreffen wollten. Durch die dezentrale Struktur, die das Heilige Römische Reich seit dem Spätmittelalter gezeichnete, konnten auch stolze, freie Städte entstehen, deren bürgerliches Selbstbewusstsein sich in prachtvollen Bauten manifestierte.

    Goethe sagte hierzu folgendes: "Wodurch ist Deutschland groß als durch eine bewundernswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reichs gleichmäßig durchdrungen hat. Sind es aber nicht die einzelnen Fürstensitze, von denen sie ausgeht und welche ihre Träger und Pfleger sind? - Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenzstädte Wien und Berlin, oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände, ja auch um einen überall verbreiteten Wohlstand, der mit der Kultur Hand in Hand geht! Deutschland hat über zwanzig im ganzen Reich verteilte Universitäten und über hundert ebenso verbreitete öffentliche Bibliotheken, an Kunstsammlungen und Sammlungen von Gegenständen aller Naturreiche gleichfalls eine große Zahl; denn jeder Fürst hat dafür gesorgt, dergleichen Schönes und Gutes in seine Nähe heranzuziehen. Gymnasien und Schulen für Technik und Industrie sind im Überfluß da, ja es ist kaum ein deutsches Dorf, das nicht seine Schule hätte. Wie steht es aber um diesen letzten Punkt in Frankreich! Und wiederum die Menge deutscher Theater, deren Zahl über siebenzig hinausseht und die doch auch als Träger und Beförderer höherer Volksbildung keineswegs zu verachten. Der Sinn für Musik und Gesang und ihre Ausübung ist in keinem Lande verbreitet wie in Deutschland, und das ist auch etwas! Nun denken Sie aber an Städte wie Dresden, München, Stuttgart, Kassel, Braunschweig, Hannover und ähnliche; denken Sie an die großen Lebenselemente, die diese Städte in sich selber tragen; denken Sie an die Wirkungen, die von ihnen auf die benachbarten Provinzen ausgehen, und fragen Sie sich, ob das alles sein würde, wenn sie nicht seit langen Zeiten die Sitze von Fürsten gewesen? Frankfurt, Bremen, Hamburg, Lübeck sind groß und glänzend, ihre Wirkungen auf den Wohlstand von Deutschland gar nicht zu berechnen. Würden sie aber wohl bleiben, was sie sind, wenn sie ihre eigene Souveränität verlieren und irgendeinem großen deutschen Reich als Provinzialstädte einverleibt werden sollten? Ich habe Ursache, daran zu zweifeln." Das Zitat ist in Eckermanns Werk "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens" zu finden.

    Natürlich war die Kleinstaaterei Deutschlands dennoch ein Verhängnis. Da infolge des Verfalls der deutschen Königsmacht im Spätmittelalter keine ausreichend starke Zentralgewalt mehr vorhanden war, um die Verteidigungskräfte zu bündeln, um kraftvoll gegen die Nachbarn aufzustehen, musste Deutschland für Jahrhunderte das Schlachtfeld Europas abgeben.

  • Vielleicht können wir bei dieser wirklich anregenden Diskussion zu dem versöhnlichen Ergebnis kommen, dass in Dresden all das was auch vor dem Krieg wirklich herausragend und bedeutend war, heute noch existiert oder wiederhergestellt wurde, bei all den enormen sonstigen Verlusten die einem doch das Herz schwer machen. Wer in Dresden die urbane Großstadt sucht wird sicher enttäuscht, aber die Kunstschätze allein machen die Stadt auch heute noch zu einer der wertvollsten die wir in diesem Land haben. Pessimistisch bin ich allein bei der weiteren baulichen Entwicklung. Es fehlt hier an jeglichem Gespür für die Bedeutung der Stadt. Gerade habe ich in einem Frankfurt-Strang gesehen, was in der Braubachstraße für tolle, einfühlsame Neubauten entstanden sind. Ein solches Niveau bräuchte auch Dresden, aber bislang zeichnet sich das nicht ab.

    In dubio pro reko

  • Meine Gedanken dazu:

    Es kommt meiner Meinung nach ganz darauf an, welches Vorwissen man besitzt, bevor man zum ersten Mal nach Dresden fährt. Je nachdem ist man dann entweder begeistert, weil man um den großen Verlust der profanen ehemaligen Kunst- und Kulturstadt (noch) nicht Bescheid weiß und erfreut sich an dem wenigen, das wieder aufgebaut wurde bzw was außerhalb der Altstadt noch erhalten ist oder man versinkt in einem See voller Tränen (wie es mir erging, als ich das erste Mal nach Dresden kam, aber wird dann unheilbar von dem Virus Dresdensinitis befallen und kämpft dann seit Jahren dafür, dass zumindest ein kleiner Teil der alten Pracht wiederaufgeführt werden kann!). Das eine Stadt so dermaßen von dieser Welt verschwinden kann, das dachte ich bis dato nur von Atlantis oder Vineta.

    Irgend jemand hier hat es sehr schön formuliert: In Dresden befinden sich Himmel und Hölle wenige Schritte von einander entfernt. Man kann in dieser Stadt den Himmel auf Erden durchwandern oder sich auch schon eine Ahnung holen, wie es in der Hölle vermutlich aussehen muss. Schauen wir daher bitte zu, dass das Gute obsiegt ;) und die Hölle immer kleiner wird!

  • Das ist ja erstaunlich, dass da an dem Bau Chinesen dargestellt wurden. Wohl um die kommunistische Brudernation zu würdigen?

    Tee- und Reisernte sind dargestellt. Ich glaube eher, hier sollte allgemeine Weltläufigkeit und Internationalität suggeriert werden. Dort befanden sich schließlich diverse Geschäfte wie das HO-Feinkost "Lukullus" und natürlich das Centrum Warenhaus. Aber einen Fingerzeig in Richtung der politischen Entwicklung in Asien will ich auch nicht ausschließen (China, Korea, Vietnam).

  • Ich möchte Dresdner und Königsbau zum Großteil beipflichten aber auch gleichzeitig Verständnis für Saxonia äußern.Was Dresden defintiv fehlt ist ein innerstädtisches Gründerzeitviertel. Das hat Leipzig Dresden defintiv voraus. Manchmal denke ich es wäre es gut, wenn man z.B. Görlitz in die Dresdner Innenstadt "translozieren" könnte. ;)

    Es stimmt, dass mit den zerstörten Gründerzeitvierteln der Seevorstadt, Amerikanischen Viertel, Pirnaische Vorstadt, Friedrichstadt und vor allem der Johannstadt ein enormer Verlust an Lebens- und städtischer Aufenthaltsqualität einher ging. Wenn man sich die Fläche vergegenwärtigt, welche durch die Zerstörungen betroffen ist, wird einem noch einmal eindrücklich die Monströsität der Bombardements bewusst. Die Herren Harris und Co. wußten genau was sie taten. Kriegsentscheidend waren diese Untaten so kurz vor Kriegsende wohl kaum. Was für eine riesige Stadtfläche, welche einfach vernichtet wurde, was für ein apokalyptisches Ausmaß.

    Dennoch würde ich nicht pessimistisch sein, denn erstens ist das ungesund - es leidet die Psyche, wenn man ständig mit der Gründerzeitbrille durch Dresden geht und zweitens gibt es inzwischen sehr positive Entwicklungen, wenn man sich die Schweriner Strasse, das Nöferprojekt und meinetwegen auch die zukünftige Lingnerstadt betrachtet. Da bin ich dann ganz bei Saxonia. Es geht was in Dresden. Wir sind jetzt an dem Punkt, von dem Hans Nadler sagte "es werde 70 Jahre dauern bis Dresden wieder aufgebaut ist". Weiter wird es mit städtebaulich sinnvoller Verdichtung gehen und da bin ich Dank genannter Projekte durchaus positiv gestimmt.

    Man sollte aber niemals vergessen, welche städtebauliche Qualität das Alte Dresden hatte, da kann ich Dresdner nur zustimmen. Denn nur das kann der Maßstab sein, welcher zwar nie mehr erreicht werden wird aber immer hochgehalten werden muss, um in Zeiten kulturellen Abschwungs trotzdem das Ideal nicht aus den Augen zu verlieren und sich nicht mit Mittelmäßigkeit abzufinden. Ich denke durch die genannten Aspekte kann man durchaus seinen Frieden mit Dresden machen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Henry (7. Januar 2018 um 11:28)

  • Eine Altmarktreko ( @ursus carpaticus ) wäre dagegen nur kontraproduktiv: die dortigen Bestandsbauten sind zum Teil einfach zu wertvoll für die Abrissbirne, auch im Vergleich mit dem unmittelbaren Vorkriegszustand (bis auf das Alte Rathaus!). Nein, der Altmarkt gefällt mir so auch nicht so recht, aber ein Rückgriff auf Canaletto wäre nur Munition für Rekogegner in der Denkmalschutz und im Stadtplanungsamt.

    Hab ich nie behauptet, NL. Ich hab nur geschrieben, dass das damals in der Stalinzeit die bessere Option gewesen wäre, und dass der Altmarkt nicht so bleiben sollte, dh als überdimensionierte und wenig ansprechende Leerfläche, die man keinesfalls als Platzraum oder Agora wahrnimmt.

    Zitat von KB

    Vielleicht können wir bei dieser wirklich anregenden Diskussion zu dem versöhnlichen Ergebnis kommen, dass in Dresden all das was auch vor dem Krieg wirklich herausragend und bedeutend war, heute noch existiert oder wiederhergestellt wurde, bei all den enormen sonstigen Verlusten die einem doch das Herz schwer machen.


    Ein sehr optimistischer Befund, der mich von deiner Seite überrascht... Zumal ja das Lebensgefühl der urbanen Gründerzeit-Metropole (eben auch die Prager-Straße war berühmt, glaubt man Kästner) ausgelöscht ist.
    Darum darf man den Wiederaufbau nicht kleinreden (abgesehen von der Inneren Neustadt, der in der Tat katastrophal war).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Heftige Grundsatzdiskussion hier!

    Da meldet sich pünktlich auch der Tagesspiegel aus Berlin:

    ...
    In Wahrheit hat sich die hohe Anziehungskraft der sächsischen Landeshauptstadt zwar vom Image der Pöbler- und Pegida-Metropole emanzipiert – oder vielleicht besser: es wurde langsam vergessen. Aber sie speist sich im Kern wohl eher aus der von unbestritten schöner Natur umgebenen Puppenstubengemütlichkeit der Legobarockidylle rund um die Frauenkirche.

    ...

  • Ich hoffe nur, daß das Engagement in Dresden nicht erlahmt. Es besteht sonst bei allem Stolz über das Erreichte die Gefahr, daß man sich damit begnügt. Es droht eine Parallele zu Warschau, wo es nach Vollendung des Wiederaufbaus der Altstadt auch keine weiteren Bemühungen mehr gab, sich an das alte Stadtbild wieder anzunähern. Dort ist es auch so: Ein wunderschöner Kern und drum herum nur Brachflächen, Hochhäuser, Stadtautobahnen, Platten und Wildwuchs.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Wíeso, wir haben doch gehört, dass in Warschau so viel rekonstruiert wurde: Altstadt, Neustadt, Königsweg,,,

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wieso? Noch flächendeckendere Zerstörung plus wesentlich höhere Einwohnerzahl (1,8 Mio.), dadurch ist das Gesamtverhältnis ähnlich ungünstig.

  • Unterschied zwischen Dresden und Warschau außerdem: Dresden hat die vertraute herrliche Silhouette bewahrt, während die Skyline von Warschau durch Hochhaus-Wildwuchs geprägt ist und Los Angeles immer ähnlicher wird.

    In dubio pro reko

  • Driften wir hier nicht zu weit ab, jedoch: Wildwuchs? Warschau hat keinen "Hochhauswildwuchs". Die Hochhäuser werden in einem ganz bestimmten Areal der Innenstadt durchaus planvoll gebaut. Das hat eigene ästhetische Qualitäten. Auf diesen ohnehin komplett verlorenen Flächen ist das sicher besser als die vorige Plattenbau-Ödnis, die dort herrschte. Zudem passt es auch zur Nachbarschaft des Kulturpalastes.

  • Das Leitbild der europäischen Stadt scheint man in Warschau jedenfalls nicht mehr zu haben. Dieser Kelch ging Gottseidank an Dresden vorbei. Womit wir wieder zum Strangthema zurückkehren dürfen.

    In dubio pro reko

  • Warschau war für europäische Verhältnisse sowieso schon immer eine ziemlich langweilige Metropole. Sowohl die Altstadt als die Gründerzeitviertel waren/sind dort nie von besonderer Bedeutung gewesen. Man kann Warschau also nicht mit wesentlich kleinere Städte wie Lemberg, Krakau, Breslau oder -besonders- Dresden vergleichen.