De facto sieht man DD im Ausland nur unter der Prämisse der Zerstörung, dh nicht als städtebaulichen "Normalfall". Das ist es natürlich auch bis heute nicht. Die Innenstadt ist noch immer von Großbrachen geprägt, die kommenden Fertigstellungen an der W-Seite werden da einiges ändern, nämlich dass man wenigstens den NM als Platz wahrnehmen kann, was bisher ja nicht der Fall war.
Eher wir "Experten" neigen zu einem verklärten Blick, der über die Würdigung des nach der Wende Geleisteten über die Leere und Trostlosigkeit des Umfeldes hinwegsieht.
Aber auch im Fall der Fertigstellung des NM-Projektes wird sich nichts Wesentliches ändern, auch wenn man wie ich eine Stadt primär nach der Altstadt beurteilt. Die verloren gegangene Stadtfläche ist zu groß und zu "tief". Das war in den meisten Städten nicht der Fall, da sich die Zerstörung idR auf die Innenstädte beschränkte. Viele Großstädte werden außerhalb der Altstadt rasch wieder "normal". De facto wirkt DD so, als hätte es hinter der (kleinen, halben) Barockaltstadt keine historische bzw vernünftige Stadtentwicklung gegeben. So gesehen wäre es besser gewesen, einen Grüngürtel anzulegen.
Es trifft auch nicht ganz zu, was ich Königsbau gerne entgegenhalten würde, nämlich dass er einen Zustand anhimmelt, der gerademal 50 Jahre bestanden hat. Nein, das würde nicht stimmen. DD hat sich historisch immer in die benachbarten Vorstädte ausgebreitet, die in der Gründerzeit eben gründerzeitlich waren, vorher wahrscheinlich eine einfachere barocke Gartenstadt. Heute eben modern, wird jemand einwenden, ja, aber auf welchem Niveau...
Dazu kommt, dass die Gründerzeit unseren Begriff von "Urbanität" wie keine andere geprägt hat.
Stattdessen erlebt man in DD eine schier uferlose Wüstenei. Wenn man die durchwandert hat, kommt es einem absurd vor, in der Altstadt den einen oder anderen Abriss von heute als ungenügend empfundenen DDR-Bauten zu fordern.
Dass die DDR die Gründerzeitruinen rigoros beseitigt hat, kann man ihr wohl nicht ernsthaft zum Vorwurf machen. Eine Reko einer Gründerzeitfassade entspricht einer Reko einer Rokokofassade, nein, noch schlimmer, mehrerer Rokokofassaden, da die Rokokobauten nicht so flächig waren. Nach dem Krieg so etwas anzudenken wäre absurd erschienen, noch dazu da die Gründerzeit weder politisch noch künstlerisch sehr geschätzt wurde. Ich denke, angesichts dieses Zerstörungsgrades war nichts anderes zu erwarten. Hier von einer 2. Zerstörung zu sprechen, ist absurd.
An diesen Zuständen wird sich über kurz oder lang nichts ändern.
Der in meinen Augen schwerste Verlust ist der des Altmarktes als ostdt. Zentralmarkt, sohin als stadtprägende bürgerliche Mitte. Hier wäre wohl mehr zu machen gewesen, auch in der DDR, zB als Reko à la Warschau, allerdings gleich nach Canaletto. Auch heute denke ich, dass man sich etwas wird einfallen lassen müssen. Mit so einer klaffenden Wunde, einer Leere statt Mitte, lässts sich nicht gut leben. Die Wahrnehmung DDs als Stadt auf dem Weg zur "Normalisierung" wird dadurch sehr beeinträchtigt.
Übrigens ist meine Frage unbeantwortet geblieben, ob der Bub vor dem Kreuzschulen Denkmal auf damaligen Kreuzschüler Richard Wagner (damals Geyer) anspielt oder ob die Ähnlichkeit nur von mir eingebildet ist. Weiß das ein DDner?