Dresden - Altmarkt, Kulturpalast, Prager Straße - Südliche Altstadt (Galerie)

  • De facto sieht man DD im Ausland nur unter der Prämisse der Zerstörung, dh nicht als städtebaulichen "Normalfall". Das ist es natürlich auch bis heute nicht. Die Innenstadt ist noch immer von Großbrachen geprägt, die kommenden Fertigstellungen an der W-Seite werden da einiges ändern, nämlich dass man wenigstens den NM als Platz wahrnehmen kann, was bisher ja nicht der Fall war.
    Eher wir "Experten" neigen zu einem verklärten Blick, der über die Würdigung des nach der Wende Geleisteten über die Leere und Trostlosigkeit des Umfeldes hinwegsieht.
    Aber auch im Fall der Fertigstellung des NM-Projektes wird sich nichts Wesentliches ändern, auch wenn man wie ich eine Stadt primär nach der Altstadt beurteilt. Die verloren gegangene Stadtfläche ist zu groß und zu "tief". Das war in den meisten Städten nicht der Fall, da sich die Zerstörung idR auf die Innenstädte beschränkte. Viele Großstädte werden außerhalb der Altstadt rasch wieder "normal". De facto wirkt DD so, als hätte es hinter der (kleinen, halben) Barockaltstadt keine historische bzw vernünftige Stadtentwicklung gegeben. So gesehen wäre es besser gewesen, einen Grüngürtel anzulegen.
    Es trifft auch nicht ganz zu, was ich Königsbau gerne entgegenhalten würde, nämlich dass er einen Zustand anhimmelt, der gerademal 50 Jahre bestanden hat. Nein, das würde nicht stimmen. DD hat sich historisch immer in die benachbarten Vorstädte ausgebreitet, die in der Gründerzeit eben gründerzeitlich waren, vorher wahrscheinlich eine einfachere barocke Gartenstadt. Heute eben modern, wird jemand einwenden, ja, aber auf welchem Niveau...
    Dazu kommt, dass die Gründerzeit unseren Begriff von "Urbanität" wie keine andere geprägt hat.
    Stattdessen erlebt man in DD eine schier uferlose Wüstenei. Wenn man die durchwandert hat, kommt es einem absurd vor, in der Altstadt den einen oder anderen Abriss von heute als ungenügend empfundenen DDR-Bauten zu fordern.
    Dass die DDR die Gründerzeitruinen rigoros beseitigt hat, kann man ihr wohl nicht ernsthaft zum Vorwurf machen. Eine Reko einer Gründerzeitfassade entspricht einer Reko einer Rokokofassade, nein, noch schlimmer, mehrerer Rokokofassaden, da die Rokokobauten nicht so flächig waren. Nach dem Krieg so etwas anzudenken wäre absurd erschienen, noch dazu da die Gründerzeit weder politisch noch künstlerisch sehr geschätzt wurde. Ich denke, angesichts dieses Zerstörungsgrades war nichts anderes zu erwarten. Hier von einer 2. Zerstörung zu sprechen, ist absurd.
    An diesen Zuständen wird sich über kurz oder lang nichts ändern.
    Der in meinen Augen schwerste Verlust ist der des Altmarktes als ostdt. Zentralmarkt, sohin als stadtprägende bürgerliche Mitte. Hier wäre wohl mehr zu machen gewesen, auch in der DDR, zB als Reko à la Warschau, allerdings gleich nach Canaletto. Auch heute denke ich, dass man sich etwas wird einfallen lassen müssen. Mit so einer klaffenden Wunde, einer Leere statt Mitte, lässts sich nicht gut leben. Die Wahrnehmung DDs als Stadt auf dem Weg zur "Normalisierung" wird dadurch sehr beeinträchtigt.

    Übrigens ist meine Frage unbeantwortet geblieben, ob der Bub vor dem Kreuzschulen Denkmal auf damaligen Kreuzschüler Richard Wagner (damals Geyer) anspielt oder ob die Ähnlichkeit nur von mir eingebildet ist. Weiß das ein DDner?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (5. Januar 2018 um 23:24)

  • Naja erbsi, heute einen kritischen Tag? Der Strangtitel gibt nicht sosehr zu Optimismus Anlass, abgesehen davon, dass sich die GHND nicht in diesem Bereich sehr stark zu exponieren pflegt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ja, es ist richtig: Dresden besitzt unglaublich viel architektonisches Ödland, gerade um das Zentrum herum: Vor allem in der Pirnaischen Vorstadt, der Seevorstadt und so weiter müsste komplett neu bebaut werden, um wieder die Stadt Dresden als urbane,funktionierende Großstadt städtebaulich zu erhalten.
    Aber zum Beispiel passiert ja gerade das in der Wilsdruffer Vorstadt an der Schweriner Straße, an der Ostraalee, am Schützenplatz, demnächst auch das Nöfer-Projekt, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
    Ich habe das Gefühl, dass langsam sogar erste Schritte in die richtige Richtung getan werden.

    mich macht es als Dresdner auch durchaus wütend, mit welch bräsiger Selbstgefälligkeit sich die Dresdner Lokalpolitik in Bezug auf den Neumarkt auf die Schultern klopft, als wäre es eine außerordentlich herkulische Leistung gewesen dieses recht kleine Viertelchen zu rekonstruieren ... Dieses Gebiet macht vllt. 3% der zerstörten Stadtfläche aus, wenn überhaupt! Herausgekommen ist eine kleine Konsuminsel voller überteuerter Geschäfte für Touristen, die die Lebenswirklichkeit der normalen Dresdner aber nur peripher tangiert.

    ...erstmal Luft holen :D8o
    Ich finde es doch ein wenig unverschämt, hier sagen zu müssen, das Neumarktgebiet sei nix als eine "Konsuminsel für Touristen". Auch ich bin Dresdner, sollte es die darum gehen, und bin regelmäßig auch auf dem Neumarkt.
    Hier entstand doch etwas, von dem andere Städte in ganz Deutschland gelernt haben, hier enstand wieder ein Stück Dresden (in Teilen) auf einer Brachfläche, hier ist Stadt! Man kann sich doch kaum noch vorstellen, wie unermüdlich für jedes noch so kleine Detail am Neumarkt wahrlich "gekämpft" werden musste. Das waren Zeiten... die hab ich teils noch nicht mal mitgeschnitten, so alt bin ich noch gar nicht. :lachentuerkis:
    Sicher, viele Fehler wurden gemacht, und ich habe ebenfalls regelmäßig das Gefühl, dass man daraus nicht lernen möchte. Auf dem jetzigen Zustand darf sich selbstverständlich auch nicht ausgeruht werden, im Gegenteil.

    Und selbst wenn es eben bis jetzt nur 3% sein sollten - was wäre Dresden ohne sie?

    Aber dieses Projekt sollte doch idealerweise nur der erste Auftakt für einen großabgelegten (auf mehrere Jahrzehnte ausgerichteten) Wiederaufbauplan sein, stattdessen werkelt man Jahrzehntelang auf dieser winzigen Fläche rum und will es dann auch noch dabei belassen. Die Untätigkeit und Planlosigkeit der Stadt ist einfach nur enttäuschend, aber als Dresdner hat man sich daran gewöhnt und resigniert.

    Ich jedenfalls nicht. Potenzial nach ganz weit oben gibt es jedenfalls genug (um es mal positiv auszudrücken), so viele Brachflächen gibt es nahe des Zentrums in kaum einer anderen deutschen Großstadt. Gerade da und im eigentlichen Zentrum muss wieder Urbanität her.. das ist doch das, woran es in Dresden in der Tat mangelt. Wird also Zeit, sich langsam auch anderen Dingen als dem Neumarkt zuzuwenden, so wie es bspw. die GHND am Neustädter Markt tut. Da muss nämlich ganz dringend was passieren! Wie an so vielen Stellen eigentlich :/huh:)

  • Ich muss ehrlich sagen: wenn ich mir so anschaue wie in Dresden nach der Wende gebaut wurde, dann behalte ich lieber die Brachflächen. Kein einziges Nachwendegebäude ist hier gelungen, einzig der Kristallpalast ist zumindest originell, den Rest kann man vergessen. Mal ganz abgesehen von der Prager Straße, so sind besonders die Altmarkt-Galerie und die neue Altmarktbebauung einfach nur katastrophal, in jeder Hinsicht: ästhetisch, architektonisch, städteplanerisch. Das lässt sich leider auch überhaupt nicht beschönigen. Besonders die Altmarkt-Galerie ist ärgerlich. Anstatt neue Viertel zu bauen mit zur Straße hin ausgerichteten Geschäften im Erdgeschoss um die Stadt zu beleben, hat man hier eine gigantische Shopping-Mall hingeklotzt, ein schwarzes Loch das die Menschen aufsaugt und verschwinden lässt. Es handelt sich um eine städtebauliche Katastrophe, eine tote Zone und es ist mir völlig unverständlich, wie die Stadtverwaltung dies mitten in der Innenstadt genehmigen konnte!

    Leider klappt das Bilder hochladen nicht, aber hier ist ein Link zu einem Bild der Altmarkt-Galerie aus der Luft.

    https://www.luftbildsuche.de/info/luftbilde…sen-144672.html

    Wer dieses Gebiet kennt oder Dresdner ist, wird wissen wovon ich rede. Besser wäre es doch gewesen diesen riesigen Innenhof der Wohnanlage aus den 50ern (in dem dann die Altmarkt-Galerie entstand, siehe Bild) mit angepasster Wohnbebauung zu schließen. Man schaue sich einfach das Bild an und ziehe gedanklich ein Kreuz durch den riesigen Innenhof, so dass vier abgeschlossene Blöcke mit eigenen Innenhöfen entstehen. Entlang der durchkreuzenden Straßen hätte man dann in den Erdgeschosszonen ca. 30-40% der Läden unterbringen können, die sich momentan in der Altmarkt-Galerie befinden. Das wäre immer noch mehr als genug gewesen und statt einer gigantischen Mall wäre ein belebter öffentlicher Raum mit Läden, Restaurants, Cafés und Wohnraum mitten in der Innenstadt entstanden. Die Inkompetenz der Dresdner Verwaltung schmerzt, es wird ja auch nicht besser.

  • Wir reden nicht von Villenvierteln Saxonia, sondern von zentraler großstädtischer Bebauung mit Läden, Kaufhäusern, Restaurants etc. Du wirst nicht abstreiten können dass hier in Dresden ein gewaltiges Loch klafft, welches kaum Platz für Urbanität bietet. Warum immer gleich auf den Schlips getreten fühlen als Dresden-Fan, wenn das offensichtliche gesagt wird? Das schmälert Dresdens kunsthistorischen Rang ja keineswegs.

    Ich will nichts schön reden, was nicht schön ist. Weite Teile der linkselbischen historischen Vorstädte sind nicht schön. Aber wenn man sagt, das bürgerliche, urbane Dresden der Gründerzeit ist komplett ausradiert worden dann stimmt das nicht. Die Neustadt mag nicht das prächtigste der Dresdner Gründerzeitviertel gewesen sein, aber sie ist auch nicht wirklich klein und weitgehend unüberformt erhalten geblieben.
    Desweiteren gehört die offene Villenbebauung eben auch zum urbanen Dresden, nicht nur die verlorenen Blockrandgebiete. Die Dresdner Kaffeemühlen sind als Mehrfamilienhäuser konzipiert und in großer Zahl errichtet worden. Nicht umsonst konnten im Nachkriegsdresden immer noch mehr als 400.000 Menschen unterkommen, obwohl weit über den 26er Ring auf altstädtischer Seite hinaus kaum ein Stein auf dem andern stand.


    Zitat von Ursus

    Übrigens ist meine Frage unbeantwortet geblieben, ob der Bub vor dem Kreuzschulen Denkmal auf damaligen Kreuzschüler Richard Wagner (damals Geyer) anspielt oder ob die Ähnlichkeit nur von mir eingebildet ist. Weiß das ein DDner?

    Nein, das glaube ich nicht. Laut der Tafel am Denkmal soll mit der neuen Figur "auf die lange Tradition des Dresdner Kreuzchores bis in die Gegenwart" verwiesen werden.

  • Das "bürgerliche, urbane Dresden" wurde tatsächlich völlig ausgelöscht, so schmerzhaft diese Tatsache auch sein mag, es wird nicht besser, wenn man davor die Augen verschließt. Blasewitz und Striesen sind außerdem nicht "urban", es handelt sich um aufgelockerte Vorstädte und auch in Blasewitz und Striesen sind die Zerstörungen ja leider immens (die komplette Blasewitzer Straße, weite Teile zwischen Borsbergstraße und Stübelallee, fast die komplette Fetscherstraße, die Holbeinstraße, die Haydnstraße, etc.), hier wurden doch mindestens 30% des Stadtgebietes vollständig zerstört!

    Auf dieser Webseite kann man den alten Stadtplan einsehen:

    http://www.altesdresden.de

    Und hier nochmals ein Link zu einem Vorkriegsluftbild der Innenstadt:


    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0310557.jpg

    Davon steht 70% nicht mehr! Der gesamte urbane, gründerzeitliche Raum mit seinen Geschäften, Kaffehäusern, Restaurants, Handwerksbetrieben, Theatern, Prachtboulevards, den städtischen Villenvierteln (Stübelalle, Tiergartenstraße, das riesige Villenviertel an der Bürgerwiese, viel beeindruckender als alles was in Blasewitz überlebt hat!), den schönen Plätzen, engen Gassen und öffentlichen Gebäuden (Schulen, Universitätshauptgebäude, Hauptpost, Kirchen, etc.) wurde bis auf kümmerliche Reste vollständig ausgelöscht, davon existiert nichts mehr! Ausnahmen sind auf obigem Bild lediglich Teile der Neustadt links im Bild und Teile von Striesen links oben (sowie die wiederaufgebauten Sehenswürdigkeiten in der Altstadt: Schloss, Zwinger, Albertinum, Kunsthochschule, Semperoper, etc.).

    Hier noch zwei weitere Luftbilder von dem Viertel um den Hauptbahnhof mit Blick auf die Prager Straße. Auch hier ist auf dem ersten Bild bis auf den Hauptbahnhof (sowie Rathaus und Kreuzkirche die sich ganz oben andeuten) alles vollständig ausgelöscht! Dieses Bild könnte genausogut aus einer anderen Stadt stammen! Ganz unten sieht man den Anfang des Hauptgebäudes der technischen Universität. Hinter dem Bahnhof begann dann ein weitläufiges Villenviertel, von dem nur einige wenige Gebäude erhalten sind.


    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0305523.jpg



    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0010330.jpg

    Diese Vernichtung ist eine Katastrophe die sich leider auch nicht schönreden lässt. Ich bin in Dresden geboren, ich lebe gerne in Dresden und ich liebe meine Heimatstadt. Aber die städtebaulichen Verluste sollten nicht negiert oder kleingeredet werden, dadurch wird Dresden auch nicht schöner

    Einmal editiert, zuletzt von Dresdner (6. Januar 2018 um 00:10)

  • Auf die Neustadter seite gibt es immer noch Grunderzeiter und nicht nur die grossflachige Aussere Neustadt. Kommt man von Neustadt aus ist die Stadt schon ganz nett mit Konigstrasse.
    Kommt man von Hauptbahnhof aus...

    1 Man muss aber zustehen dass die Aufbau von Neumarkt bis Zwinger ist schon eine grossartige Leistung. So viel gutes auf so engem Raum. Mit Neumarkt hat man mehr oder weniger 50 procent von der Altstadt - so der Altstadt war nicht besonders gross.

    2 Gleichseitig fehlt hat was in Berlin, Halle und Leipzig gibt - ausgedehnte lebendige Grunderzeitervierteln auf die Altstadtseite. Will man spazierengehen muss man fruher oder spater uber zu Neustadt gehen oder nach Görlitz oder Leipzig. Irgendwie zeigt Berlin dass ein Stadt auch ohne Altstadt uberlebt. Aber dafur braucht man lebendige Stadtvierteln.

    3 Ich glaube trotzdem nicht meine Augen - wenn ich in Dresden war war die Frauenkirche eine Ruine - jetzt gibt es Judenhof wieder - das ist schon was.

  • Zitat von Saxonia

    Die Neustadt mag nicht das prächtigste der Dresdner Gründerzeitviertel gewesen sein, aber sie ist auch nicht wirklich klein und weitgehend unüberformt erhalten geblieben.

    Ich glaube youngwoerth hat vor langem sehr schöne Straßenbilder der Äußeren Neustadt eingestellt. Tatsächlich stimmt es einen weit optimistischer, wenn man von Norden, über die Neustadt samt Barockviertel und Canaletto-Blick zum NM geht. Diese Galerie hier beschreibt die antipodische Perspektive. Wenn man mit dem Zug von Süden herkommt, offenbart sich einem das ganze Elend: Nach Strehlen ist so gut wie nix stehen geblieben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Leider gibts Youngworths gallerie nicht mehr aber ich setzte ein paar Fotos von darkvision als Beispiel fur die Aussere Neustadt


  • Diese Vernichtung ist eine Katastrophe die sich leider auch nicht schönreden lässt. Ich bin in Dresden geboren, ich lebe gerne in Dresden und ich liebe meine Heimatstadt. Aber die städtebaulichen Verluste sollten nicht negiert oder kleingeredet werden, dadurch wird Dresden auch nicht schöner

    Tu ich ja gar nicht. Ich sag nur was ist und was nicht ist. Für mich ist das bürgerliche, gründerzeitliche Dresden, wenn man die Stadt als ganzes betrachtet, eben nicht vollständig ausgelöscht, trotz der Zerstörung. Das ist auch keine Meinung sondern objektiv quantifizierbar. Und hässlicher wird Dresden auch nicht, wenn man sich vordergründig an dem erfreut, was noch da ist und für halbwegs realistische Rekonstruktionen kämpft, statt einem Phantombild hinterherzujagen. So schön wies auch war, mir gehts ja nicht anders, aber was bringts? Mann muss mit dem Arbeiten, was jetzt da ist.

  • Diese Diskussion dreht sich sowieso nur im Kreis, weil die einen das Fehlen von städtebaulicher Substanz und Vitalität im Zentrum von Dresden beklagen welche bei ihnen eine Art Phantomschmerz hinterlässt, während die anderen dies stets relativieren mit Verweis auf Elbufer, Neumarkt, Neustadt, Villenviertel. Das dies für die Kritiker den innerstädtischen Verlust nur bedingt ausgleicht wollen sie nicht anerkennen. Vielleicht sind wir und zumindest darin einig, dass die Neubauprojekte der letzten Jahrzehnte - abseits der Rekonstruktionsbemühungen am Neumarkt - überhaupt nicht zu irgendeiner Heilung des Stadtbilds beigetragen haben und in ihrer Belanglosigkeit einer Stadt, die man auch Elbflorenz nennt, nicht würdig sind. Hier müsste die Stadtplanung sich um 180 Grad wandeln, wenn sich daran etwas ändern sollte.

    In dubio pro reko

  • Gut, Ihr Standpunkt in allen Ehren. Dann erklären Sie mir bitte, wo sich in Dresden bürgerliche, gründerzeitliche Viertel befinden? Ich lasse mich gerne aufklären. Weißer Hirsch und Blasewitz zählen nicht, das sind aufgelockerte Vorstädte weitab von der Stadt. Ich rede vom eigentlichen, großstädtisch-urbanen Dresden! Davon ist nichts, aber auch gar nichts mehr übrig, schauen Sie sich die oben eingestellten Bilder an, besonders das große Luftbild von den Vierteln um den Hauptbahnhof!

    Abgesehen vom Hauptbahnhof steht hier nichts mehr! Genauso die Wilsdruffer Vorstadt und die Pirnaische Vorstadt, hier wurde zu 100% alles zerstört! Hier befand sich das eigentliche bürgerlich-urbane Dresden, mit dichter Blockrandbebauung, mit hunderten Geschäften, Betrieben, Restaurants, Kaffeehäusern und Kultureinrichtungen auf engstem Raum. Mit großbürgerlichen Villenvierteln und Stadtpalästen (besonders das Villenviertel an der Bürgerwiese, die Villen am großen Garten und die Villen in der Südvorstadt), verglichen mit denen weite Teile von Blasewitz nur ein Abklatsch sind!

    Hier ein weiteres Luftbild aus der Südvorstadt (Nürnberger Straße), hiervon wurden 90% (!) zerstört, es stehen nur noch Reste der Platzbebauung und vereinzelte Villen, an deren Stelle Zeilenbauten aus den 50ern und brutale Plattenbauten:

    Und hier drei weitere Luftbilder aus der eigentlichen Stadt. Das erste Bild mit Blick auf Postplatz und Neustadt, das zweite und dritte Bild zeigen den Pirnaischen Platz und die Anfänge der Pirnaischen Vorstadt. Auf dem ersteren Bild wurden 80% vernichtet, Ausnahmen sind hier lediglich Teile der Neustadt (oben im Bild) sowie die bekannten Sehenswürdigkeiten (Zwinger, Oper, Schloss, etc. und auch hier handelte es sich ja um Totalschäden, die aber wieder aufgebaut worden sind).
    Auf dem zweiten bzw. dritten Bild hingegen wurden 95% (!) vernichtet, davon steht, wenn man sich einmal das dritte Bild anschaut, bis auf das Polizeigebäude sowie das nebenstehende Landhaus (im dritten Bild links unten), nichts mehr!



    Viele Dresdner scheinen das völlig auszublenden, in deren Denken spielt die Innenstadt schlicht keine Rolle mehr; "Dresden" das ist für diese Menschen: Striesen, Blasewitz, der weiße Hirsch, etc. Das ist natürlich nur folgerichtig, denn die "Innenstadt", das eigentliche Dresden existiert ja tatsächlich nicht mehr, es ist eine tote Fläche die man auf dem Weg zur Arbeit durchfährt oder mal kurz zum Einkaufen aufsucht, aber es ist kein städtischer, urbaner Raum mehr. Wenn man die gesamte eigentliche Stadt ausblendet und sich nur die Vorstädte und entlegene Dörfer anschaut, dann kann man natürlich zu dem Schluss kommen, dass das "bürgerliche" Dresden noch intakt sei. Hierbei wird außerdem ausgeblendet, dass ja auch die Vorstädte extreme Verluste hatten. Die Südvorstadt wurde fast völlig vernichtet und Striesen hat immerhin ca. 30% seines Bestandes verloren.

    4 Mal editiert, zuletzt von Dresdner (6. Januar 2018 um 21:01)

  • Als ich bei meinem vorletzten Besuch von der Innenstadt aus zur Technischen Universität Dresden gelaufen bin, hatte ich auch den Eindruck, dass da noch jede Menge an gründerzeitlicher Substanz rumstand. Die TU selbst befindet sich ja teilweise auch in historischen Gebäuden.

  • Ich denke, den von Dresdner gezeigten Bildern und ergänzenden Anmerkungen kann man sich, selbst als bedingungsloser Loyalist, schwer entziehen. Er hat einfach recht. Leider gibt es über dieses Fazit hinaus nichts, was das Ganze weniger schmerzhaft machen würde. Ich hätte das Vorkriegs-Dresden gerne erlebt.

    In dubio pro reko

  • Diese Diskussion dreht sich sowieso nur im Kreis, weil die einen das Fehlen von städtebaulicher Substanz und Vitalität im Zentrum von Dresden beklagen welche bei ihnen eine Art Phantomschmerz hinterlässt, während die anderen dies stets relativieren mit Verweis auf Elbufer, Neumarkt, Neustadt, Villenviertel. Das dies für die Kritiker den innerstädtischen Verlust nur bedingt ausgleicht wollen sie nicht anerkennen. Vielleicht sind wir und zumindest darin einig, dass die Neubauprojekte der letzten Jahrzehnte - abseits der Rekonstruktionsbemühungen am Neumarkt - überhaupt nicht zu irgendeiner Heilung des Stadtbilds beigetragen haben und in ihrer Belanglosigkeit einer Stadt, die man auch Elbflorenz nennt, nicht würdig sind. Hier müsste die Stadtplanung sich um 180 Grad wandeln, wenn sich daran etwas ändern sollte.

    Doch, ich kann schon anerkennen, dass man das Fehlen einer wirklich urbanen Innenstadt beklagt. Auch ich finde es furchtbar, dass sich heutzutage dort, wo früher sich enge Gassen erstreckten, eine weitläuftige Ödnis befindet. Es hängt einfach davon ab, ob der persönliche Eindruck vom historischen Viertel am Elbufer dies aufwiegen und Dresden rehabilitieren kann, das ist von Person zu Person unterschiedlich. Ich denke, beide Seiten sind sich einig, dass einerseits das Quartier um Brühlsche Terrasse, Neumarkt und Theaterplatz herum großartig ist, andererseits der Rest des Zentrums vorallem Richtung Bahnhof eher mit gegenteiligen Adjektiven beschrieben werden müsste. Es ist eine Frage, die man nicht ausdiskutieren kann. Entweder man ist derartig vom Erhaltenen fasziniert, dass es das Fehlen des Rests aufwiegen kann, oder eben nicht. Ich empfinde eben die Prachtbauten an der Elbe als derart großartig, dass ich nicht Dresden guten Gewissens als hässliche Stadt bezeichnen könnte.

  • Mindestens 50% der TU befindet sich in Neubauten aus den 50ern und 60ern und in Nachwendebauten (Hörsaalzentrum, Rechtswissenschaft, Bibliothek, etc.). Das gesamte Universitätsviertel wurde ja zerstört, unter anderem das sehr schöne Universitätshauptgebäude, das sich hinter dem Hauptbahnhof am Bismarckplatz befand. Hier ein Bild von Hauptbahnhof und Bismarckplatz, direkt hinter dem Park befand sich das Hauptgebäude.



    Davon steht nichts mehr, das gesamte Gebiet um den Hauptbahnhof wurde weiträumig vernichtet. Für die TU wurden dann nach dem Krieg schnell neue Gebäude aus dem Boden gestampft bzw. alte Gebäude zweckentfremdet (unter anderem das Gerichtsgebäude am Münchner Platz, heutiger Georg-Schuhmann-Bau). Bis vor wenigen Jahren wurde ja noch in Holzbaracken unterrichtet, soviel dazu!

  • Das war eher eine rhetorische Überspitzung :D Wie gesagt, da kollidierien meiner Meinung nach Positionen, denen mit Argumenten nicht wirklich beizukommen ist.