Dresden - Altmarkt, Kulturpalast, Prager Straße - Südliche Altstadt (Galerie)

  • Es wurde aus ideologischen Gründen großflächig abgerissen, diese Architektur war "kapitalistisch" bzw. "bürgerlich" und musste verschwinden, auch wurden viele Kirchen, die man durchaus hätte retten können, einfach so abgerissen. Da kann man rückblickend nur den Kopf schütteln. Stellenweise gab es ja sogar Pläne den Dresdner Zwinger abzureißen! Man kann hier nach der Bombardierung wirklich von einer zweiten Zerstörung der Stadt sprechen. Es wurde tiefgreifend in die Struktur der Stadt eingegriffen, das Vorkriegsdresden lässt sich deswegen überhaupt nicht mit dem modernen Dresden vergleichen. Die gesamte soziale und städtische Struktur war eine andere. In der gesamten Innenstadt wurde ja mit der Brechstange der Straßenverlauf verändert. Was mir unter anderem am Vorkriegsdresden so gefällt, sind die vielen schönen Platzanlagen die im 19. Jhd. neu angelegt wurden, mit prachtvoller Randbebauung, Brunnenanlagen, Denkmälern, kleinen Parks, viele dieser Plätze sind völlig verschwunden oder überbaut, als hätte es sie nie gegeben.

    Wenn zumindest der originale Straßenverlauf in Dresden erhalten geblieben wäre, dann hätte man nun zumindest einen Anknüpfungspunkt und die Stadt eine Hoffnung, das Potential einer zukünftigen Besserung. So bleibt aber alles Stückwerk. Wenn man Dresden als Stadt wirklich "reparieren" wöllte, dann wäre man ja eigentlich die ersten zehn Jahre mit nichts anderem beschäftigt als abzureissen und Straßen neu zu verlegen! Dazu wird es natürlich nicht kommen, das ist völlig illusorisch, weder Dresden noch Sachsen hätten dafür die Mittel. Dazu bräuchte man eine Art "Wiederaufbaufond" des Bundes, anders würde so ein Großprojekt nicht möglich sein. Leider hat Deutschland momentan andere Prioritäten ...
    Die Dresdener Innenstadt hat kein Potential und lässt sich nicht reparieren, das ist die bittere Wahrheit. Es lohnt sich ein Blick nach Leipzig, dort wurde während der DDR der Straßenverlauf weitgehend beibehalten und die Leipziger haben nun eine dichte, interessante und lebenswerte Innenstadt, die zumindest dort, wo sich noch Plattenbauten und Brachflächen befinden, Potential besitzt, in Leipzig besteht also zumindest Hoffnung, obwohl natürlich auch in dieser Stadt der Zerstörungsgrad immens ist.

    Davon abgesehen kann ich mir diese für heutige Menschen unbegreifliche Zerstörungswut nur damit erklären, dass viele dieser Gebäude ja für die damaligen Menschen "Neubauten" waren die erst seit einigen Jahrzehnten existierten (erbaut um ca. 1900), da hatte man einfach wenig Ehrfurcht oder Hemmungen, zumal viele Stadtplaner in ihrer ideologischen Verblendung von einem unbändigen Zukunftsoptimismus getragen waren. Warum sollte es auch nicht gelingen im Sozialismus eine gesamte Stadt neu aufzubauen, schöner und besser als vorher? Mitte der Fünfziger war von diesem Aufbauoptimismus dann nur noch wenig übrig. Die Dresdner Stadtplaner waren außerdem in ihren Entscheidungen nicht frei. Wenn man sich frühe Wiederaufbaupläne von 1945/6 anschaut, die noch von den alten Leuten in der Verwaltung geschrieben worden sind, dann ging man noch davon aus, dass sehr viel gerettet werden wird. Spätere Pläne wurden dann von den Ideologen aus Berlin diktiert, die Dresdner Stadtplaner hatten da nur noch wenig Spielraum, viele aus der Dresdner Verwaltung werden auch in den Westen geflohen sein.

  • Mir tun die Touristen leid, die jährlich mit dem Versprechen eines "Elbflorenz" durch diese anti-städtische Ödnis geschleust werden. Ich bin Dresdner und ich meide die Innenstadt vollständig, es sei denn ich habe einen konkreten Weg zu erledigen oder gehe mal in den Kulturpalast, die Oper, etc.


    Naja, ich kenne persönlich (abseits des APHs) keinen Menschen, der Dresden besucht hat und in irgendeiner Weise enttäuscht war. Im Gegenteil, ich höre ständig Lobeshymnen, was für eine tolle Stadt Dresden doch sei! Und das meiner Meinung nach auch zu Recht. Deine Kritik ist insofern richtig, dass das alte bürgerliche Dresden verlorengegangen ist, die Viertel, in denen die "normalen" Menschen gelebt haben, in denen das alltägliche Leben sich abspielte. Die eigentliche Altstadt bietet heute kaum Urbanität mehr. Aber Dresden ist deshalb meiner Meinung nach auf keinen Fall als hässlich zu bezeichnen. Ich kenne ernsthaft keine Stadt, die so idyllische Vororte wie z.B. Loschwitz zu bieten hat. Auch von einem Mangel an Gründerzeitvierteln kann in Dresden beim besten Willen nicht die Rede sein. Natürlich, das bürgerliche Dresden aus der Zeit vor dem Historismus existiert nur noch in dem kleinen barocken Quartier zwischen Dreikönigskirche und Japanischem Palais (und wiederaufgebaut am Neumarkt). Aber die wirklich bedeutenden herrschaftlichen Bauten, die ja Dresden den Nimbus des "Elbflorenz" verschafft haben, sind doch fast alle noch erhalten (oder rekonstruiert). Die Kulminationspunkte der alten Glorie sind heute noch erlebbar, ich kenne nur wenige Orte, an denen sich so viel Pomp und Pracht auf engem Raum vereint wie in dem kleinen, aber feinen Vorzeigequartier zwischen Wilsdruffer Straße und Elbe.

  • Loschwitz ist nicht wirklich Dresden, es handelt sich um einen Stadtteil der erst in den 20ern eingemeindet wurde, wie auch Blasewitz, Pillnitz, etc. Das ist ja gerade das tragische! Das "schöne Dresden" befindet sich außerhalb von Dresden! Wenn man Schönheit finden will, muss man Dresden also verlassen, in die alten Vororte gehen, die aber überhaupt nicht zum eigentlichen Dresden gehörten! Das wirkliche Dresden, also die Innenstadt, ist bis auf die von ihnen genannten Ausnahmen, völlig ausgelöscht, zusammen mit ca. 90% der geschlossenen gründerzeitlichen/historistischen Neubebauung des späten 19. Jahrhunderts in Johannstadt und Südvorstadt und ca. 30% von Striesen! Die erhaltenen Reste sind immer noch stellenweise beeindruckend, aber es sind eben nur Reste.
    Auch ich darf mir übrigens immer wieder Lobeshymnen anhören, von Menschen die Dresden besucht haben ... ich schäme mich dann immer fremd und muss innerlich mit dem Kopf schütteln. Ich kann mir diese Begeisterung nur damit erklären, dass diesen Menschen schlicht nicht klar ist, wie diese Stadt vor dem Krieg aussah. Viele Deutsche haben auch kein Bewusstsein mehr dafür, wie hässlich ihre Städte sind, sie kennen ja nichts anderes.

  • Gibt es eigentlich eine nachvollziehbare Erklärung, warum gerade in Dresden derart rigoros abgerissen wurde?Der Stadtgrundriss, die Stadtstruktur hätte doch nicht derart ausgelöscht werden müssen. Oder?
    Gerade einzelne Gründerzeitler hätten durchaus als "Leitbauten" dienen können.

    Das hat mehrere Gründe. Einerseits waren die Zerstörungen natürlich enorm. In der Innenstadt und den Vorstädten stand tatsächlich kaum noch was. Wenn man sich die Fotos aus der Enttrümmerungszeit anschaut, sieht man, dass halbwegs noch als Gebäude zu bezeichnende Ruinen ja tatsächlich erstmal stehen gelassen wurden. Der Stadtrat hatte schon Anfang 1946 einen Entwurf von Herbert Conert angenommen, der sich weitgehend am alten Stadtgrundriss orientierte. Conert starb leider wenig später. Aber passiert wäre auch mit ihm erstmal nichts, denn der Wiederaufbau der Städte hatte in der SBZ keine Priorität. Viel wichtiger war in den Jahren nach 1945 die Bodenreform. Für das 1947 per SMAD-Befehl 209 angeordnete "Neubauernbauprogramm" wurden alle Ressourcen mobilisiert, selbst Trümmerschutt aus den Städten wurde aufs Land gekarrt, um 37.000 Bauernhöfe zu bauen. Für andere Bauvorhaben gab es ausdrückliche Bausperren. Erst nach leiser Einstampfung des absurden Bauprogramms 1949/50 und einhergehender Vorereitung der Kollektivierung begann man mit dem planvollen Wiederaufbau der Städte. Da hatte die SED ihren Machtanspruch schon durchgesetzt und Privateigentum stellte kein Hindernis mehr für die Planer der sozialistischen Stadt dar.
    Aber wirklich allein Stand Dresden damit eigentlich nicht da. Das Chemnitzer Zentrum wurde auch völlig umgekrempelt. In Magdeburg war es m.E. am schlimmsten, da dort nicht Gründerzeitgebiete überplant wurden, sondern eine der ehemals größten Altstädte Deutschlands und die Ost-Berliner Aufbaugebiete sind auch weitgehend losgelöst von alten Grundrissen.

    Wie so vieles in der SBZ/DDR gestaltete sich der Wiederaufbau also reichlich absurd. Statt in der größten Wohnungsnot nach Kriegsende schnell Wohnraum zu schaffen, beginnt man den Wiederaufbau am Altmarkt mit schweineteuren Palästen.

  • Naja, aber selbst im hochgelobten Italien und Frankreich findet man nur selten soviel Pracht auf engem Raum kulminiert wie in Dresden um Schloss, Frauenkirche und Brühlsche Terasse herum. Derart prunkvolle Prachtbauten, wie an einer Perlenkette direkt nebeneinander stehend aufgereiht, wie sie sich in Dresden zwischen Wilsdruffer Straße und Elbe präsentieren, sind schon einmalig. Darin muss man Dresdens Schönheit auch heutzutage noch erkennen. Sagen wir es einmal so: Wir haben noch das Sahnehäubchen, aber die Torte nicht mehr (klingt beinahe zu negativ). Die Höhepunkte existieren noch, der Rest ist zum großen Teil verschwunden. Die Gebäude, die früher Dresdens Ruhm ausgemacht haben, sind heute noch da: Semperoper, Hofkirche, Schloss, Fürstenzug, Frauenkirche, Zwinger... Es waren immer schon diese fürstlichen Großbauten, die Dresden berühmt gemacht haben und nicht die eigentliche Altstadt. Der Canaletto-Blick ist heute wieder beinahe vollständig. Das "Elbflorenz" ist erfahrbar. Und das ist es, was die Leute, auch Ausländer, nach Dresden zieht: Die unglaubliche Konzentration fürstlichen Mäzenentums auf so begrenztem Raum.

  • Der Canaletto-Blick ist beinahe vollständig

    Das ist so nicht richtig. Eigentlich gibt es kein Originalgebäude aus Canalettos Zeit. Die Hofkirche war damals noch nicht fertig. Alles andere sind Bauten, die in der Gründerzeit oder später gebaut wurden.

    Hier mal das Georgentor:

    Dresden Georgentor 1865 [Public domain], by photographer n/a / unbekannt (http://hdl.loc.gov/loc.pnp/cph.3c09072), from Wikimedia Commons

    Oder die Brühlsche Terrasse:



    Dresden Brühlsche Terrasse 1880 [Public domain], by unkown (http://hdl.loc.gov/loc.pnp/cph.3c09073), from Wikimedia Commons

  • Das stimmt wohl :D War da in der Ausdrucksweise etwas schlampig.

    Aber immerhin Hofkirche (wenn auch vollendet) und vorallem Frauenkirche. Das Panorama der aufragenden Stadt hinter der dahinfließenden Elbe.

  • Deshalb ist es auch sehr wichtig, alte Aufnahmen der noch unverwüsteten Stadt Dresden hier einzustellen. Gibt es solche auch vom legendären Postplatz? Der ist ja heute eine einzige Enttäuschung.

  • Eine Stadt lebt nicht nur von 3 oder 4 Ausnahmebauwerken, davon können sich die Einwohner nichts kaufen, wenn nur wenige Schritte weiter schon die Wüste beginnt. Ja der Zwinger existiert noch, die Frauenkirche wurde wieder aufgebaut, das allein macht Dresden aber nicht zu einer schönen Stadt. Köln hat auch seinen Dom, und? Was Dresden so besonders machte waren nicht die Ausnahmebauten in der Altstadt, sondern die überaus hochwertige dichte Bebauung und davon ist leider nichts mehr übrig. Das rekonstruierte Schloss oder der Neumarkt können diesen Verlust nicht ausgleichen.

    Hier nur mal drei Bilder, die verdeutlichen was ich meine. Das erste Bild ist aus der Johannstadt, ich habe hier bewusst ein Bild aus einem relativ einfachen Viertel der Arbeiter- und Mittelschicht gewählt, also keineswegs ein Refugium der Oberschicht, es handelt sich hier um städtischen Durchschnitt für damalige Dresdner Verhältnisse! Trotzdem ist das Viertel um Welten schöner als alles was heutzutage produziert wird. Davon steht nichts mehr, die Kirche ist eine Ruine von der nur der Turm ausgebaut wurde, ansonsten schlichte Wohnzeilen aus den Fünfzigern und triste Plattenbauten, der Park wurde überbaut und ist verschwunden (siehe Bild Nr. 2).
    Das dritte Bild ist ein größeres Luftbild, das verdeutlicht wie dicht Dresden bebaut war. All das, diese städtische Dichte, Vielfalt, Geschlossenheit und Schönheit kann man nicht mehr erfahren. Was nützt mir als Dresdner das Schloss, das ich mir vielleicht dreimal im Jahr anschaue und gut ist, wenn 70% der Reststadt verloen ist? Schloss und Frauenkirche können die Hässlichkeit der restlichen Stadt nicht kompensieren, wie auch, das könnte kein Gebäude schaffen!



    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0305877.jpg



    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0310557.jpg

    Das von ihnen genannte Loschwitz ist genauso wie Blasewitz auf diesem Luftbild nicht zu sehen, es handelt sich vom eigentlichen Dresden relativ weit entfernte Stadtteile. Für einen alten Dresdner um 1900 waren das auswärtige Dörfer bzw. Vororte und nicht Teile von Dresden!

    8 Mal editiert, zuletzt von Dresdner (6. Januar 2018 um 01:14)

  • Endlich mal jemand, der es genauso sieht wie ich. Das was es vom alten Dresden noch gibt ist unsagbar schön und wertvoll, aber wehe dem, der diese Insel der architektonischen Seligkeit verlässt und darüber hinaus nach dem sucht, was man vielleicht einmal als Bürgerstadt bezeichnet hat. Das was an dichter, urbaner Bebauung die Altstadt umfassen und einrahmen, wo sich das pulsierende Großstadtleben abspielen sollte. Da ist in Dresden nichts mehr greifbar, alles vernichtet und beseitigt, Zeilenbauten und Tristesse. Die Neustadt lasse ich dabei mal außen vor, ich beziehe mich auf die Stadtteile rund um die Altstadt. Was dort seit der Wende entstanden ist beleidigt die Würde dieser Stadt zusätzlich. Aber alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen. Meine Heimatstadt Stuttgart kann es nicht ansatzweise mit Dresden aufnehmen, was die Zahl der baulichen Kulturgüter angeht. Aber sie funktioniert als Großstadt, wegen dichter Bebauung und Urbanität, im Gegensatz zu den leergeräumten und zu DDR-Zeiten in utopischer Weise "aufgelockerten" Städten wie Dresden, Magdeburg oder Chemnitz, wo seither in weiten Teilen jegliche Verwurzelung und Orientierung fehlt.

    In dubio pro reko

  • Ich glaube, dass es auch früher schon eher die heute noch erhaltenen Prachtbauten waren, welche den Ruhm Dresdens begründeten. Ich habe einmal einen Dokumentarfilm aus den 30er Jahren über das alte Dresden gesehen und die darin gezeigten Bauwerke waren hauptsächlich jene, die heute noch stehen. Aber keine Frage, das damalige Dresden war dem heutigen meilenweit überlegen.

    Naja, es sind nicht nur 3 oder 4 Ausnahmebauten, das sind schon noch mehr. Die Hofkirche, das Ständehaus, das Gewandhaus, das große Schloss, das Albertinum, die Kunstakademie, das Coselpalais, das Blockhaus, der Jägerhof, das Taschenbergpalais, die Dreikönigskirche, das Japanische Palais, das Finanzministerium, die Staatskanzlei, die Semperoper, die Frauenkirche, der Zwinger, die Kreuzkirche, die Augustusbrücke, die Schinkelsche Hauptwache, das Kurländer Palais, das Palais im Großen Garten, die ganzen anderen Schlösser außerhalb etc... Dann kommen noch die extrem wertvollen Kunstsammlungen hinzu. Es ist auch hauptsächlich nicht die Quantität, sondern die Qualität des Erhaltenen, was Dresden so besonders macht. Mir fallen nur sehr wenige Barockbauten ein, die sich mit der Pracht des Zwingers messen können. Solch einen überbordenden Reichtum an Schmuckwerk habe ich selten gesehen! Oder die Semperoper, welch grandioser Bau! Oder die Hofkirche, stundenlang könnte ich sie mir anschauen, oder die Wucht der Kunstakademie! Dann noch die vielen historischen Statuen und Denkmäler. Und natürlich die Frauenkirche mit ihrer großartigen Kuppel, eines der tollsten Bauwerke Deutschlands...

    Aber ich kann es natürlich auch verstehen, dass der Dresdner von diesem kleinen Quartier kaum etwas hat, dass die Bereiche, in denen sich das normale Leben abspielt, eher von geringerer Qualität sind. Einer meiner Kumpels studiert in Dresden und er meint, dass er nur sehr selten in dieses Areal komme, das wohl hauptsächlich von Touristen frequentiert wird.

    Ich bestreite ja nicht, dass große Teile der Innenstadt hässlich und ohne jegliche Urbanität sind. Aber ich persönlich werde so sehr von der Pracht des Erhaltenen geblendet, dass ich es Dresden verzeihen kann.

    3 Mal editiert, zuletzt von Suebicus (6. Januar 2018 um 11:40)

  • Zu deinem letzten Absatz: Mir fällt es schwer - was vielleicht auch daran liegt dass ich gerade für die Gründerzeitquartiere schwärme. Was diesbezüglich in Dresden verloren ging ist einfach zu umfassend, als dass ich meinen Frieden damit machen könnte. Ich betrachte Dresden heute als gebrochene Stadt, auf engem Raum unglaublich wertvolle Schätze, aber darüber hinaus - zumindest bis in die Vororte - uninteressant, weil hier nichts mehr von Belang ist oder sein wird, wenn nicht gerade ein städtebauliches Wunder geschieht.

    In dubio pro reko

  • Also das Spiel spiele ich nicht mit. Zum 100. mal vorbeten, was alles nicht mehr da ist und dann auch noch die Stadtteile, die gut erhalten sind, mir nichts dir nichts als ja eigentlich nicht mehr "richtiges" Dresden bezeichnen. Warum gehört der ehemalige Gründerzeiting außerhalb der wirklichen Altstadt zum "richtigen" Dresden, aber die ausgedehnten Villenviertel in Loschwitz, Blasewitz oder Striesen nicht? Wie kommt man plötzlich dazu, die Alt- ohne die Neustadt zu betrachten? Das halte ich für absurd. Wenn man sich die Stadt so zurechtbastelt, kommt man natürlich zu dem Urteil, außer par Prachtbauten entlang der Elbe sei alles im Eimer.

  • Wir reden nicht von Villenvierteln Saxonia, sondern von zentraler großstädtischer Bebauung mit Läden, Kaufhäusern, Restaurants etc. Du wirst nicht abstreiten können dass hier in Dresden ein gewaltiges Loch klafft, welches kaum Platz für Urbanität bietet. Warum immer gleich auf den Schlips getreten fühlen als Dresden-Fan, wenn das offensichtliche gesagt wird? Das schmälert Dresdens kunsthistorischen Rang ja keineswegs.

    In dubio pro reko

  • Die Neustadt gehört seit dem 16. Jhd., die äußere Neustadt und Striesen seit dem 19. Jhd. zu Dresden. Da kann man schon vom "richtigen Dresden" reden, zumal auch die Nähe zur Innenstadt gegeben ist.

    Bei späteren Eingemeindungen ist das meiner Meinung nach so nicht mehr der Fall. Blasewitz war bis weit in die 1920er Jahre eine eigenständige Gemeinde und ganz abenteuerlich wurde es ja dann in der Nachkriegszeit, als entlegene Dörfer wie Pillnitz, Cossebaude, Weixdorf eingemeindet wurden ... da kann man selbst mit viel Phantasie nicht mehr von "Dresden" reden, es handelt sich hier um außerhalb der Stadt liegende Dörfer. Wenn man um 1900 einen Dresdner gefragt hätte, ob Blasewitz, Loschwitz oder Pillnitz für ihn zu Dresden gehören, dann hätte er dies mit Sicherheit verneint. Die Neustadt hingegen war für Jahrhunderte integraler Bestandteil von Dresden und eng mit der Innenstadt verwachsen.

    Das Argument, dass Blasewitz und Loschwitz die schönsten Gebiete von Dresden sind, geht deswegen fehl, weil sie eben nicht zum klassischen Dresden gehören, aus nur diesem Grund haben diese Stadtteile ja auch weitgehend das Bombardement überlebt, weil sie eben weit genug von der Stadt entfernt waren!

  • Was Dresdner und Königsbau schreiben kann ich sehr gut verstehen. Ich war zwar noch nie in Dresden und keine Frage, die vielen Einzeldenkmäler und das Elbflorenz-Panorama von der Elbe aus gesehen ist einmal weltweit und deshalb allein schon bemerkenswert und extrem sehenswert, nur was nützt das alles, wenn der Kontext, der Zusammenhang, in dem diese Häuser stehen mit der engen Alstadt und deren Gassen, diese Dichte fehlt und stattdessen diese sozialistische Wüste! Ein wenig Dichte wird kommen für die Altstadt, wenn das Quartier VII 2 fertiggestellt wird. Dann gibt es eine Kreuzung sogar mit der Sporengasse und dem Kanzleigässchen, wo man wirklich sagen kann: das ist Urbanität so sah die Altstadt vor dem Krieg aus. Lediglich ist der Bereich des Neumarktes nur ein Drittel der gesamten ehemaligen Altstadt... Und wir reden nicht noch vom Bahnhofsviertel. Was ein klein wenig hinwegtröstet, ist dass die innere Neustadt zu über der Hälfte erhalten ist mit ihren original barocken Bauten und dann nicht zu vergessen das noch größere Gründerzeitviertel der Äußeren Neustadt. Aber trotzdem ist der Verlust des Herzes Dresdens in seiner Gesamtheit leider nicht so schnell auszugleichen :weinenstroemen:

  • Uraltes und interessantes Streitthema!

    Was macht die Stadt aus? Ein grandioses, aber weitgehend unbewohntes Ensemble in weltberühmter Flusslage? Oder die Straßen und Häuser, in denen die Menschen wohnten? Ich denke schon, dass Dresden stolz sein kann auf seine Barockbauten und auf den Wiederaufbau des Neumarktes und dass das funktioniert, davon zeugen die weiter stetig steigenden Besucherzahlen.

    Aber der Verlust an Qualität in der Fläche, den macht so schnell nichts wett, zumindest nicht für die Bewohner, die ihre eigene Stadt natürlich ganz anders erleben als ein Tourist oder Barockliebhaber. Die völlig aufgehobene Stadtstruktur um diese -fies gesagt- Traditionsinsel herum ist natürlich übel und wohl unkorrigierbar.

    Also: das barocke Dresden von Weltruf, das ist durchaus wieder erlebbar, auch dank des unermüdlichen Engagements vieler Bürger und Liebhaber der Stadt. Die Stadt als ganzes ist dadurch aber eben noch nicht geheilt. Und diese Geschichte zieht sich nicht nur durch ostdeutsche Städte, die natürlich besonders unter den Folgen der "aufgelockerten Moderne" zu leiden hatten, sondern auch durch westdeutsche. Die extrem repräsentative Bahnhofsvorstadt in Bremen: Bis auf zwei, drei Großbauten am Bahnhofsplatz komplett abgeräumt und von Verkehrsschneisen durchschnitten, ganze Straßen aufgehoben und überbaut - für einen Bürger, der 1940 ins Koma gefallen ist, heute kilometerweit nicht mehr wiederzuerkennen. Und so geht es mit wenigen, glücklichen Ausnahmen wie München, vielleicht Nürnberg (kenne ich nicht), Leipzig und etwas kleineren Städten wie z.B. Wiesbaden eigentlich jeder deutschen Stadt.

    Wenn ich solche Luftbilder sehe, dann überkommt mich immer eine ungeheure Traurigkeit ob des unwiederbringlichen Verlustes an Kultur und Lebensqualität. Warum nur glaubte die Nachkriegsgeneration, es unbedingt alles total anders machen zu müssen?

  • Naja, in jeder deutschen Stadt? Gerade in den Klein- und Mittelstädten Deutschlands ist noch unendlich viel historische Bausubstanz vorhanden. Aber ich habe als Landei wahrscheinlich einfach einen anderen Begriff von Stadt. :D Auf die Großstädte bezogen mag es stimmen.

    Ja, ich muss zugeben, ich betrachte das Ganze natürlich aus der Sicht eines Touristen. Ich war bisher drei Mal in Dresden und immer wieder aufs Neue fasziniert von dem einmaligen Elbpanorma und den fantastischen Prachtbauten... Wenn jedoch dieser Zauber aufgrund von Alltäglichkeit verloren geht und man sich hauptsächlich in weniger hübschen (euphemistisch ausgedrückt) Quartieren aufhält, dann kann ich mir natürlich schon vorstellen, dass man schließlich eine andere Meinung von Dresdens ästhetischer Qualität hat.

    Da fällt mir eine Diskussion ein, die ich mit besagtem Kumpel geführt habe, als wir zusammen in Leipzig waren. Da meinte er nämlich auch, dass Leipzig genau das besitze, was Dresden fehlt: Große, geschlossene, urbane Stadtviertel.

    Einmal editiert, zuletzt von Suebicus (6. Januar 2018 um 00:01)

  • Ist alles richtig, aber ich empfehle jedem sich nochmal die Bilder von kurz nach der Wende anzuschauen und das mit dem jetzigen Zustand zu vergleichen. Die Innenstadt ändert sich hier so schnell wie wahrscheinlich nirgendwo sonst in Europa, insofern kann man das nicht mit Köln oder Stuttgart vergleichen, wo höchstens punktuell erneuert wird. Gründerzeitbauten kommen freilich nicht wieder, aber es gibt durchaus gute Projekte und Pläne.

    Kurzer Überblick: https://www.youtube.com/watch?v=MZ_uy7b4_fg

    edit: Und so zu tun, als wäre alles jenseits der Elbe, die Viertel Striesen, Blasewitz etc. nicht "richtiges" Dresden ist auch ziemlich daneben.

  • Genau darum geht es "Heinzer" ... mich macht es als Dresdner auch durchaus wütend, mit welch bräsiger Selbstgefälligkeit sich die Dresdner Lokalpolitik in Bezug auf den Neumarkt auf die Schultern klopft, als wäre es eine außerordentlich herkulische Leistung gewesen dieses recht kleine Viertelchen zu rekonstruieren ... Dieses Gebiet macht vllt. 3% der zerstörten Stadtfläche aus, wenn überhaupt! Herausgekommen ist eine kleine Konsuminsel voller überteuerter Geschäfte für Touristen, die die Lebenswirklichkeit der normalen Dresdner aber nur peripher tangiert.
    Ich möchte nicht falsch verstanden werden: natürlich war es gut und richtig die Frauenkirche und den Neumarkt wiederaufzubauen! Besonders der Wiederaufbau der Frauenkirche ist eine Leistung die mich als Dresdner erfreut und mit Stolz erfüllt. Aber dieses Projekt sollte doch idealerweise nur der erste Auftakt für einen groß angelegten (auf mehrere Jahrzehnte ausgerichteten) Wiederaufbauplan sein, stattdessen werkelt man Jahrzehntelang auf dieser winzigen Fläche rum und will es dann auch noch dabei belassen. Die Untätigkeit und Planlosigkeit der Stadt ist einfach nur enttäuschend, aber als Dresdner hat man sich daran gewöhnt und resigniert.