Potsdam - Garnisonkirche (die Diskussion um den Wiederaufbau)

  • Zur Sache ist zu sagen, daß die rechtliche Situation des Wiederaufbaus von zwei Dingen bestimmt wird: vom Eigentums- und von Baurecht.

    Eigentumsrechtlich hat die Landeshauptstadt Potsdam das gesamte Grundstück an die Kirchenstiftung notariell übertragen, und zwar zweckggebunden für einen Kirchenbau. Die Stadt wollte das so.

    Baurechtlich ist der B-Plan Nr. 1 fesgesetzt worden, der die Kirche in ihrer historischen Kubatr festgeschreibt. Dieser B-Plan stellt noch heute das gültige Baurecht dar. Wenn die Stadt diesen ändern wollte wäre sie gegenüber der SGP zum Schadensersatz, also zur Erstattung aller im Vertrauen auf dieses Baurecht aufgewendeten Leistungen wie Architektenhonorare etc. verpflichtet. Zudem müßte sie eine Idee dafür haben, welche Ausweisungen die Festlegungen im B-Plan ersatzen sollen.

    B-Plan Nr. 1, Auszug

    Eine Bürgerbefragung zur Garnisonkirche hat es nicht gegeben. Den Antrag hierauf hat die SVV mit der Begründung zurückgewiesen, daß es sich hierbei um ein B-Planverfahren handelt, die von Bürgereintschieden ausgenommen sind. Zudem entziehen sich Fragen der freien Religionsausübung Volksabstimmungen, sonst müßte über die neue Synagoge auch abgestimmt werden. Das wollte niemand.

    Die einzig repräsentative Erhebung zum Thema Garnisonkirche weist aus , daß zwei (2) Prozent der Potsdamer das Thema für dringlich halten. Die Themen Verkehr und Wohnen liegen mit ja fast 30 % auf den vorderen Plätzen. Der stets angeführte "Bürgerhaushalt" hat nur eine Beteiligung von wenigen hundert Potsdamern.

    Was die politische Implikation betrifft geht der OB ganz offenbar davon aus, daß er bei dieser Frage den Linken und Anderen Stimmen abwerben kann. Das halte ich für Irrglauben, bis dato sinkt die Zustimmung der Potsdamer zur SPD ständig. Eine finanzierbare Nutzungsalternative für das Kirchenschiff hat der OB auch nicht - insofern ist dieses Herumeiern wenig konstruktiv und sicher für den OB nicht vorteilhaft. Anstelle des OB würde ich mit dem Erfolg für die "Kreativszene" werben ca. 5.000 qm subventionierte Flächen in der Bebauung des Neuen Langen Stalls geschaffen zu haben.

    Tatsächlich wird 2022 der Turm fertig und 2023 das RZ abgerissen. Dafür sprechen der B-Plan, der Brandschutz, die stets knapper werdenden kommunalen Mittel und der ausgerufene Klimanotstand: schließlich soll anstelle des RZ eine Grünanlage und der Stadtkanal angelegt werden.

  • Ich würde es mal ganz vorsichtig so formulieren: sein Umgang mit dem Platz der Landeshauptstadt im Kuratorium der Stiftung lässt durchaus Rückschlüsse auf eine ablehnende Haltung zu.

    Es wird möglicherweise nach der nächsten Wahl das Prädikat "OBM der großen Worte" an ihn zu vergeben sein. Viel Wind um nichts in Verbindung mit ergebnisoffener Reisetätigkeit kommt ja von ihm - sogar in Bezug auf mehrere Projekte (wenn ich hier mal an sein selbsternannte Herzensprojekt Stadtkanal sowie an das Gelände Langer Stall und die Planungen für die Nutzung als neues stadtmittiges Kunst- und Kreativzentrum ob der Nähe zur Kirche erinnern darf).

  • Die nächste Wahl einer Oberbürgermeister findet in Potsdam im Herbst 2026 statt. Der OB ist in Brandenburg direkt auf 8 Jahre gewählt. Bis dahin sollte sich das eine oder andere in der Sache weiterentwickelt haben.

    Ich bin in Potsdam nicht allein mit der These, daß der amtierende OB gar keine Wiederwahl anstrebt sondern sich für eine prominente Verwendung in einer brandenburgischen Landesregierung im September 2024 profilieren will.

  • Er ist sicherlich nicht so verwegen, den Platz seines großen Gönners und Förderers zu beanspruchen. Aber sei's drum - dieser kleine Ausflug in die Politik hat ja bedingt etwas mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche zu tun (also auf der Rechtsebene nicht - aber auf der Theaterebene ?).

    Hinsichtlich der Stadtbildentwicklung des historischen Zentrums kann sich die Stadt glücklich schätzen, dass die wenigen Leute, die immer wieder mit lauter Stimme Planänderungen fordern, nicht bereits vor 30 Jahren das Sagen hatten.

    Noch einmal kurz abschwenkend (Ich glaube, es gibt dazu einen extra Fredd) - einige (also 3???) Staudenhofskulpturen sollen in den Komplex zurückkehren. Ist in diesem Vorgang möglicherweise das Wunschdenken zu sehen, dass die Entscheider den längst beschlossenen Anmarsch der Abrißbirne im nächsten Jahr verhindern wollen?

  • Der Bebauungsplan Nr. 1 ist am 13. April 2015 rechtsgültig geworden, das ist jetzt keine sechs Jahre her. Zwischen diesem Datum und dem heutigen liegt nur eine Kommunalwahl, bei der sich die Anderen von 4 auf 8 Prozent verdoppelt haben. Insofern hat das mit "vor 30 Jahren" alle s nichts zu tun - der Konsens var noch 2015 da.

    P.S. Die Meldung über die "Rückkehr der Skulpturen zum Staudenhof" ist bizarr. Im Mai wird über den Abbruch des Hauses entschieden.

  • Zitat

    Bei den Mitteln gehe es um die Finanzierung einer erweiterten Grundvariante des Turms, inklusive Mehrausgaben und Baupreissteigerungen, Projektsteuerungsleistungen, Ausstellung und Turmhaube

    Schön, dass die Turmhaube jetzt auch finanziert wird - wenn alles klappt.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Sehr erfreulich, dass dann auch die Turmhaube kommen könnte. Warum zeigt sich der Bund eigentlich so großzügig? Mir sind keine anderen Rekonstruktionsprojekte bekannt, wo der Bund soviel dazu gab.

  • Der Bund hat auch zum großen Teil den Wiederaufbau des Berliner Schloss finanziert (wenn man hier überhaupt von einer Rekonstruktion sprechen kann) und stellt auch Geldmittel bereit zum Wiederaufbau des Turm von Schloss Neustrelitz . Ich würde mir auch wünschen, dass der Bund Geldmittel bereitstellen würde, zur Rekonstruktion des "Langer Franz" und des "Kleiner Cohn" (Turmspitzen) in Frankfurt/Main und man bei den verschiedenen Projekten nicht nur auf Spenden angewiesen ist.

  • Der Bund hat auch zum großen Teil den Wiederaufbau des Berliner Schloss finanziert (wenn man hier überhaupt von einer Rekonstruktion sprechen kann) und stellt auch Geldmittel bereit zum Wiederaufbau des Turm von Schloss Neustrelitz . Ich würde mir auch wünschen, dass der Bund Geldmittel bereitstellen würde, zur Rekonstruktion des "Langer Franz" und des "Kleiner Cohn" (Turmspitzen) in Frankfurt/Main und man bei den verschiedenen Projekten nicht nur auf Spenden angewiesen ist.

    Kann das nur die Stadt selbst, der ja vermutlich das Rathaus gehört, in die Wege leiten?

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Der Bund hat auch zum großen Teil den Wiederaufbau des Berliner Schloss finanziert (wenn man hier überhaupt von einer Rekonstruktion sprechen kann)

    Man kann schon von einer Rekonstruktion sprechen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie präzise die äußere, bis zu etlichen Dezimetern dicke Außenhülle dem Original entspricht. Allerdings ist dies genau derjenige Teil des Gebäudes, der ohne Finanzierung des Bundes ausgekommen ist.

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Genau, deshalb ist das Berliner Schloß kein interessantes Argument. Ich freue mich immer darüber, wenn gemeinnützige Projekte wie die Garnisonkirche mit Steuergeldern gefördert werden (das werden sie ja auch bei Privatspenden, weil diese steuerlich abzugsfähig sind).

    Trotzdem hat die evangelische Kirche die Gesamtlage, und auch die eigene Rolle, falsch eingeschätzt. Es ist ja nicht so - wie behauptet - daß für den Wiederaufbau der Kirche zuwenig gespendet worden ist. Tatsächlich hat de ev. Kirche viele Millionen zurückgewiesen, weil Ihnen die Spender nicht paßten und zu konservativ waren. Dieses hat - verbunden mit der Ankündigung in den Räumen ein evangelisches Friedens- und Versöhnungszentrum einzurichten - bei vielen Spendern zu erheblicher Skepsis geführt, die ich nachvollziehen kann. So sehr ich den Turm der Kirche städtebaulich wichtig finde ist ein architektonischer Hybrid mit einer moralisch überladenen Nutzung nicht auszuschließen.

    Gottlob sind diese zurückgewiesenen Millionen für viele andere gute Projekte eingesetzt worden.

  • Gottlob sind diese zurückgewiesenen Millionen für viele andere gute Projekte eingesetzt worden.

    Tatsächlich? Waren die nicht gebunden?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Potsdamer Neuste Nachrichten (PNN), hat am 20.02.2021 ein Interview mit Eckart Conze geführt. Herr Conze sagte in dem Interview gegenüber Potsdamer Neuste Nachrichten (PNN) „Die Garnisonkirche kann kein positiver Bezugspunkt sein“.

    https://m.pnn.de/potsdam/interv…n/26936106.html

    Nun eine Frage an die Teilnehmer im Forum oder Mitglieder in der Stiftung Garnisonkirche. Wie bewertet ihr dieses Interview?