Potsdam - Garnisonkirche (die Diskussion um den Wiederaufbau)

  • ^^^Die Geschichte des Niedergangs der evangelischen Kirche ist ein Kapitel für sich. In Potsdam sind - nur zur Information - wen man ALLE Buchreligionen zusammennimmt (Christen, Juden, Muslime) keine 20 Prozent der Bevölkerung mehr in der Kirche. Die Frage der Haltung der Kirchen ist also in Potsdam ohne Belang.

    Den pazifistischen Flügel der evangelischen Kirche hat es immer gegeben und da der Mehrheistflügel der Kirche seit dem Erstarken der Grünen keine theologischen Antworten mehr geben konnte ist dieser gewachsen. In der DDR hat der evangelische Pazifismus ganz wesentlich zur Wende beigetragen, wenn er dann auch mit der Vereinigung vielerorts gefremdelt hat. Zu dieser Fraktion gehört auch Schorlemer, wogegen der Westberliner Altbischof Huber (SPD) und SGP-Vorstand Wieland Eschenburg (SPD), der ehedem Kulturdezernent in Potsdam war, sich mit der Garnisonkirche versöhnt haben. Daß sich Pazifisten nicht von einer Garnisonkirche faszinieren lassen halte ich für nachvollziehbar und völlig legitim. Deren Wirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung ist zumindest in Potsdam gleich null.

    Die wesentlichen politischen Verschiebungen in der politischen Landschaft sind durch einen Linksruck a) der Linken, b) der Grünen und c) der SPD gekennzeichnet. Bei dieser Entwicklung, vielleicht schreibt man besser "bundesweiten Angleichung", hat die Kirche keine Rolle gespielt. Diese Linksverschiebungen sind ursächlich darin begründet, daß die früheren Parteien der politischen Mitte, die CDU und die FDP, keine glaubhaften Politikangebote für die Zukunft mehr zu bieten haben außer "auf Sicht zu fahren". Es wirbt ja keine Partei mehr für eine selbstbewußte repräsentative parlamentarische Demokratie und ein liberales Wirtschaftssystem. Nicht mal das Gewaltmonopol des Staates ist noch unbestritten.

    Daß in diesem Vakuum links und rechts alte Ideologie fröhliche Urständ feiern ist nicht verwunderlich.

  • Es ist nicht alles so einfach das alles zu verstehen. Danke Konstantin das Sie sich die Mühe gemacht haben die Politischen und Kirchlichen Zusammenhänge in Potsdam hier im Forum zu erklären.

  • der evangelische Pazifismus

    Die Bezeichnung „pazifistisch“ scheint mir in Bezug auf die heutige EKD nicht sonderlich passend zu sein. Pazifismus sollte eigentlich für eine christliche Kirche eine Selbstverständlichkeit sein.

    Nein, das Problem der EKD ist ihre Werte-Beliebigkeit und v.a. ihre extreme Anbiederung an den jeweiligen Zeitgeist. In der Hitler-Ära waren sie antisemitisch, nationalistisch und nannten sich „Deutsche Christen“, in der Gegenwart sind sie selbsternannte Bessermenschen und programmatisch eine Vorfeldorganisation der Grünen. Statt sich auf ihre christlich-lutherischen Grundlagen zu konzentrieren, huldigt die EKD wie besessen der neuen Ersatzreligion "Klima-Apokalypse", betätigt sich nach der Anschaffung eines „Flüchtlingschiffs“ als Schlepper, beschäftigt sich mit der Herausgabe von Bibeln in Genderprache (wie überhaupt alle EKD-Kommunikation „gegendert“ wird) und führt Kirchentage durch, in denen die Besucher esoterische- oder Seminare wie „Vulven malen“ (kein Scherz!) aufsuchen können. Sören Kiekegaard sagte einst: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein!“ Für die EKD hat dieser Spruch mehr denn je Bedeutung. Jedes Jahr nehmen die Kirchenaustritte massiv zu und es ist der EKD sch***egal, der Kurs bleibt derselbe.

    Von daher ist wohl kaum zukünftig von (keinem Flügel) der EKD irgendein nennenswerter Rückenwind für die Garnisonkirche zu erwarten. Im Gegenteil. Dass die EKD bisher wenigstens den Turmbau unterstützt hat ist eigentlich nur Altbischof Huber und seinen Mitstreitern zu verdanken, also EKD-Vertretern, die noch ein Minimum an theologischer Substanz vorweisen konnten.

  • Ich glaube nicht, daß das selbstverständlich sein sollte, weil ich die Haltung für grundfalsch halte. Ich kenne jedenfalls viele Christen, die sich wehren, wenn sie angegriffen werden und nicht den Möchtegern-Ghandi spielen.

    Aber - ehrlichgesagt - habe ich diese Debatte mit meinem 16 Lebensjahr abgeschlossen und bin aus der ev. Kirche ausgetreten. Da die EKD heute politisch keine Rolle mehr spielt und dies künftig auch nicht tun wird halte ich diese Debatte auch für verschwendete Zeit. wir können uns nach der Eröffnung des Garnisonkirchenturm genug aufregen, wenn da im ersten Stock ein Kirchenmodell setht, das die Besucher mit Knete bewerfen können, um ihre Agressionen loszuwerden (tatsächlich geplant).

  • Aktuell sind in der Umgebung der Baustelle an allen Gebäuden Wörterinstallationen angebracht, welche seitens des "Kreativenzentrums" ersonnen wurden. Auch die Baustelle der Garnisonkirche hat eine solche zugelassen! Das ist klassisch "die andere Wange hinhalten" und "zu Kreuze kriechen" in Kombination, meine ich. Wie tief wollen die mit ihrer Stiftung eigentlich noch sinken?

    Dazu passen dann auch gut die politisch linken Zeitgeistparolen am ganzen Bauzaun. Ich bin da raus bezüglich Spenden und hätte meine eigentlich lieber zurück...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • wenn da im ersten Stock ein Kirchenmodell setht, das die Besucher mit Knete bewerfen können, um ihre Agressionen loszuwerden (tatsächlich geplant).

    Wie krank ist das denn?... :kopfschuetteln::kopfwand:

    Ich bin da raus bezüglich Spenden und hätte meine eigentlich lieber zurück...

    Ich habe von vornherein gesagt, dass ich keinen Cent spende. Seitdem fühle ich mich stets bestätigt.

    Tut mir leid um Dein Geld. Du hättest Dir ein besseres Objekt aussuchen sollen. Na ja, sportlich nehmen. Ist wie beim Aktienkauf. :wink:

  • was mich mal näher interessieren würde,warum auch einige Christen "Christen ohne GK"allen voran der bekannte Pfarrer F.Schorlemmer so ablehnend der GK gegenüber stehen.Welche tieferen Hintergründe gibt es da?

    Der Begriff "Christen" ist ja nicht rechtlich geschützt. Deshalb kann jede Gruppe, die im Verlaufe der vergangenen 2000 Jahre eine Religion gegründet hat, sich "Christen" nennen. (Das Wort "Pfarrer" kommt in der Bibel übrigens überhaupt nicht vor...)

    Da in der Bibel ausdrücklich darauf hingewiesen wird, man solle von ebendiesem Dokument nichts wegnehmen oder hinzufügen, betrachte ich all diejenigen als Christen, die sich den Inhalt der Bibel zur Richtschnur nehmen. Damit sind - leider - die beiden deutschen "Landeskirchen" schon draußen. Wenn ich jemals Mitglied gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich ebenfalls längst ausgetreten.

    Glaubt mir, ich kenne keinen an der Bibel orientierten Christen, der rechts- oder linksradikal ist - das ist schlichtweg nicht miteinander vereinbar. Und gegen die Reko der Garnisonkirche hat kein mir bekannter Christ irgendwelche ideologischen Einwände.

    _______________________________________
    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Die PNN berichten heute über die verschwundene Denkmalschutz-Dame Behrendt. Im Beamtenrecht scheint sie bewanderter als beim Denkmalschutz. Üb immer Treu und Redlichkeit ist da doch ein gutes Klingeln in den Ohren. Ob ihre Absenz jetzt gut oder schlecht für die Kirche ist kann ich nicht beurteilen. Sie kommt aus Hannover vom Käßmann Klüngel, also wohl eher gut.

  • Da gibt es so viele gebildete und engagierte Kunsthistoriker in diesem Land, die sich von einer befristeten Stelle zur nächsten hangeln und so eine schwierige Persönlichkeit blockiert eine der begehrtesten Stellen in der deutschen Denkmalpflege ohne sie tatsächlich auszuüben. Das ist schon bitter.

  • Und ihr Vorgänger Andreas Kalesse hatte angeboten ein oder zwei Jahre über die Altersgrenze hinaus weiterzuarbeiten. Aber der Baubeigeordnete wollte das nicht.

  • Wie bei vielen Großprojekten (Stuttgart21, Stadtschloss Berlin, BER Flughafen), kommt es auch bei der Rekonstruktion des Turms der Garnisonkirche zu Bauverzögerungen, was natürlich mit höheren Kosten verbunden ist.

    https://www.pnn.de/potsdam/kosten…e/26652656.html

    (Quelle: Potsdamer Neuste Nachrichten, 24.11.2020)

    Natürlich hat dies der linke Bundestagsabgeordnete Norbert Müller gleich zum Anlass genommen, die Rekonstruktion zu kritisieren, was sich aber im Umkehrschluss als lahme Ente erwiesen hat. Das Kultusministerium unter Monika Grütters hat nämlich genau erörtert warum es zu einer Kostensteigerung gekommen ist.

  • Die Kritik an der Rekonstruktion hat sich "als lahme Ente erwiesen"? Was willst Du uns mit dieser verunglückten Metapher sagen? Daß die Linke gegen eine Rekonstruktion des Turmes sind ist doch nichts Neues. Im übrigen ist Frau Grütters Kulturstaatsministerin und nicht "Kultusministerin" - die gibts nur in den Ländern und sind für Schule und Bildung verantwortlich.

  • @ Konstantindegeer: entschuldige bitte, es hat sich bei den Begriffen "Kulturstaatsministerin" und "Kultusministerin" der Fehlerteufel eingeschlichen aber gut das du mich korrigiert hast, du machst einen großartigen Job.

    Das die Kritik der Linken an der Rekonstruktion des Turms der Garnisonkirche zu erwarten war, wenn es zu einer Kostensteigerung kommt war abzusehen. Die Kulturstaatsministerin hat aber gut dargelegt warum es zu einer Kostersteigerung gekommen ist. Im Trugschluss hätte die LInke sich die Kritik sparen können.

  • ^Die Linken und Norbert Müller kritisieren ja nicht die Kostensteigerung sondern die Rekonstruktion als solches als protofaschistoid. Zudem unterstellt Müller die weitere Unterstützung des gemeinnützigen Projektes sei "ein Fall für den Rechnungshof".

    Die Sozialisten haben das Projekt immer kritisiert und werden es immer kritisieren.

  • Was den letzten Halbsatz anbelangt, ist das nicht so sicher. Ausgeführte, allgemein beliebte, "nicht mehr wegzudenkende" Rekos werden auch von Sozialisten nicht länger thematisiert. Da sind sie zu opportunistisch.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was den letzten Halbsatz anbelangt, ist das nicht so sicher. Ausgeführte, allgemein beliebte, "nicht mehr wegzudenkende" Rekos werden auch von Sozialisten nicht länger thematisiert. Da sind sie zu opportunistisch.

    Das ist aber für die Garnisonkirche angesichts des "Tag von Potsdam" auszuschließen. Zudem wird uns die Debatte über das Kirchen-Schiff ja noch viele Jahre erhalten bleiben und die Sozialisten leben politisch von der Ablehnung der Kirche, haben ja sogar ein Bürgerbegehren dagegen mitgetragen.

    Aber keiner verlangt von den Sozialisten den Wiederaufbau der preußischen Hof- und Garnisonkirche zu unterstützen. Die haben schließlic schon den Wiederaufbau des Stadtschlosses, des Barberini und des Pallazo Pompei unterstützt. Es reicht ja, wenn alle anderen Fraktionen der SVV das weiterhin tun.

  • Es gibt aber auch Elemente, die versöhnlich stimmen können. So ist die Ablehnung des Berliner Schlosses mittlerweile auch ein Affront gegen die 16 Damen und Herren des Schlüterhofes. Und unter dieser Prämisse prophezeihe ich bei jedem "linken Kunstfreund" die Wandlung ins Gegenteil, weil man sich einem so schönen Ort der Kunst und des Kunstgenusses nicht entziehen möchte.

    Mit etwas Zeitverzögerung passiert das auch hier in Potsdam.