Potsdam - Wiederaufbau des Griebnitztores

  • Im Schatten der großen Projekte gedeihen immer wieder kleine Pflänzchen. In der Wannseestraße 15 im Potsdamer Ortsteil Kleinglienicke (der auf der Insel Wannsee liegt) wird z. Zt. das Griebnitztor wiedererrichtet. Es handelt sich um ein bewohntes Torgebäude des Böttcherbergparks, der zum Anwesen des Prinzen Carl v. Preussen gehörte. Das Tor ist spätestens 1961 für die "Sicherung der Staatsgrenze der DDR" abgebrochen worden. Nun entsteht es als Erinnerungsbau wieder.

    Die Entwurfsskizze Stülers

    Foto vor 1961

    Baustelle Griebnitztor Ende Oktober 2017

  • Gibt es zu diesem Projekt denn weiterführende Informationen? Einen Link? Z.B. wäre ja interessant zu erfahren, wer dieses Projekt initiiert hat, wer Bauherr ist?

  • Goldstein,Konstantin schreibt ja,ein Erinnerungsbau.Also keine 1:1 Reko .Aber zumindest Historisierend.Dieses Gebäude kenne ich gar nicht,muss ich mir mal ansehen.Auch in Klein Glinicke tut sich baulich so einiges interessantes.

  • Richtig, Herr Herrmann, Erinnerungsbau. Hier ist die Defintion eines solchen Bau durch den Stadtkonservator Andreas Kalesse:

    "Eine Erinnerungsarchitektur ist ein Ausdruck aktuellen Bauens, welche am originalen Standort eines materiell weitgehend untergegangenen Bauwerks durch Rückgewinnung bzw. Bezugnahme auf wesentliche Gestaltungselemente der verlorenen Architektur an diese zu erinnern versucht, ohne sie zu kopieren. Dabei hängt einerseits der erzielbare Näherungswert an das Original von der Überlieferungsqualität und -menge ursprünglicher Dokumente, zeichnerischer, schriftlicher, fotografischer und baulicher Art, ab. Andererseits kann in den meisten Fällen nur eine den aktuellen Nutzungsbedürfnissen und den aktuellen Baunormen angepasste neue Architektur entstehen und so ist eine Rekonstruktion im klassischen Sinne von vornherein weitgehend ausgeschlossen und wird auch gar nicht erst angestrebt.
    Die Erinnerungsarchitektur legt Zeugnis dafür ab, wie verlorene historische Gestaltqualitäten zur Rückgewinnung bzw. Reparatur eines größeren Bauensembles in die aktuellen Daseinsformen einer Stadt oder anderer baulicher Zusammenhänge gelingen kann.
    Die Grenzen zur Rekonstruktion können dabei allerdings fließend sein und hängen in ihrem Gelingen von den politischen, rechtlichen und ökonomischen Grundvoraussetzungen ab.
    Mit Hilfe der Erinnerungsarchitektur kann an frühere künstlerische Qualitäten und auch an die Tragik ihres Verlustes erinnert werden. Sie kann auch als eine Art von Modell 1:1 verstanden werden, um durch die haptische Erfahrung eine frühere Erscheinungsform architektonischer Zusammenhänge besser verstehen zu können und sie somit nachvollziehbar zu gestalten. Der Übersetzungsfaktor von Alt zu Neu spielt also eine wesentlich größere Rolle in einem derartigen Prozess als die akribische wissenschaftlich abgesicherte Wiederholbarkeit einer verlorenen Form."

    Andreas Kalesse, Potsdam/Berlin, 29.2.2016

    Ich persönlich befürworte das Konzept weil es zeitgemäß ist und den ideologischen Grabenkämpfen der Rekodebatte aus dem Weg geht. Wie gut das Tor wird vermag ich noch nicht zu sagen. Ich kenne weder Architekten noch Bauherrn. Weiterführende Links sind mir auch nicht bekannt. Ich sah den Bau beim Spazierengehen...

  • Hier mal ein paar 'aussagekräftige' Fotos von mir. Das Gebäude ist fast fertig gestellt. :

    Blick von unten, an der Wannseestraße:


    Direkt davor:




    Fenster:



    Erinnerung an die Pergola:



    Garage:



    Haustür:



    Blick zum Obergeschoss:


    Seitenansicht:


    Hinteransicht, Boettcherbergseite:




    Vom Aufstieg zum Boettcherberg her gesehen:



    Ich finde es ist ein gelungener 'Erinnerungsbau'.

  • Bitte nicht falsch verstehen, aber für mich ist leider genau so etwas ein Eigentor für das Ansinnen, klassisch und schön zu bauen - ein paar Faschen und Gesims, ein bisschen Satteldach, zugegebenermaßen schöne Fenster, gemischt mit einer Eingangstür aus dem Baumarkt, einer Garage aus den 1950ern und im Ergebnis völlig falschen Proportionen im Vergleich zum Originalbau von Persius.

    Irgendwie ist das nichts Halbes und nichts Ganzes, kein Erinnerungsbau, keine Rekonstruktion, gefühlt ein in den 1930ern überformter Altbau, der aus "Komfortgründen" überdimensionierte Fenster erhalten hat und nach der Wiederherstellung des Originalzustandes ruft.

    Auf den ersten Blick geht die Qualität der Ausführung absolut in Ordnung und wirkt sehr hochwertig, umso unverständlicher, warum jetzt dort solch Zwitter steht.

  • Leider wahr. Dieses Kulleraugengesicht mit Knollnase (und Balkonentwässerung!) ist bizarr.

    Auch der Bossenputzsockel, der stark simplifiziert ist, überzeugt mich nicht, ebenso die Pseudo-Gründerzeitfenster. Die letzte Sprosse wäre sicher im Budget noch dringewesen.

    Nein, da hat der Bau von 1850 nicht ausgereicht und der Architekt hat das als Gründerzeitbau nochmal aufgepustet. Schade.

  • Ja,es stimmt schon Konstantin wenn man das neue Gebäude mit dem Persius Orginal vergleicht.Aber Letzendlich fügt sich die Villa doch harmonisch in die Gegend ein.Hätte auch anders kommen können-.ein Neubau im knallweiss, klobig, kantigen Bauhausstil.

  • Es ist eine angenehme Remineszenz. Niemand sagt, dass es das Original sein soll. Daher würde ich das hier nicht mit Reko-Augen sehen, sondern durch die neuklassische Brille. Und da sind allein Ornamente und Bauschmuck schon ein Riesenfortschritt in dem Bereich.

    Es ist vom Rest der Republik aus betrachtet geradezu amüsant, über welche Luxusprobleme in Potsdam "gejammert" werden darf! biggrin:) So ein Niveau gibt es selbst in den Ostseebädern bei neuen Bädervillen selten.

  • Lisenen deren Basen frei im Raum schweben, der Erker hat ein viel zu kleines Kranzgesims und keine Stuckrahmen, wohl aber die runden Fenster, die Baumarkttür, die fehlenden Oberlichter... es passt nicht und ist nicht harmonisch. Diese Art von Interpretation ist leider öfter anzutreffen, Bädervillen stimmt. Es ist aber kein Luxusproblem. Das Geld war ja da, sondern ein tiefgreifendes Verständnisproblem. Wenn das Forum dem nicht begegnet ist es nutzlos.

  • Die Dachrinne 1850 war übrigens aufliegend und nicht vorgehängt. Das Gesims soll der Abschluss sein, nicht die Dachrinne. Solche Probleme sehen viele schon gar nicht mehr.