• Sehr freue ich mich, euch das wunderschöne Idstein in Hessen vorzustellen!
    Idstein liegt hinter dem Taunuskamm, zwischen Wiesbaden und Limburg an der Lahn.
    Ein wenig Geschichte: 1102 wurde die heute noch erhaltene Burg "Etichestein" zum ersten Mal erwähnt mit der kleinen, dazugehörigen Siedlung. Zuerst war der Ort unmittelbares Reichslehen, doch schon in der ersten Hälfte des 12 Jh., Wechsel an die Bischöfe von Mainz und als Lehen an die berühmten Grafen von Nassau. 1287 bekam Idstein zum ersten Mal Stadtrechte verliehen und wurde daraufhin im 14 Jh. mit einer Stadtmauer befestigt. 1340 wurde ein Kollegialstift hier gegründet, das jedoch in der hier sehr früh einsetzenden Reformation aufgelöst wurde. Bis 1605 Sitz der Linie Nassau-Idstein, danach der jüngeren Linie. Von 1721 bis 1728 gehörte der Ort Nassau-Ottweiler (siehe Ottweiler (Galerie)). Seit 1728 zu Nassau-Usingen. Dank der Napoleonischen territorialen Veränderungen von 1806 bis 1866 zum Herzogtum Nassau, danach in den preußischen Staat einverleibt. Seit 1945 dem neugegründeten Bundesland Hessen zugehörig.

    Das Besondere an Idstein ist seine besonders gut erhaltene Altstadt, die zum Glück nicht von den Franzosen im 17 Jh. zerstört wurde und somit ein sehr geschlossenes Bild des fränkischen Fachwerkbaus in Südwesthessen vom 16 bis 18 Jh. aufweist mit anderen sehr herausragenden bürgerlichen Bauwerken, die sehr viele geschnitzte Ornamente im Holz besitzen wie das Killingerhaus u.a.

    Bevor wir die Stadt uns anschauen, verschaffen wir uns einen Überblick von der nordöstlichen Anhöhe, (wo leider auch modernistische Bauten stehen), von der Altstadt von oben:

    Wir sehen ganz rechts den Turm der Burg, Hexenturm genannt, in der Mitte das Torhaus...



    ... und der Turm von der evangelischen Unionskirche



    Gehen wir nun hinunter in den Ort. Wir betrachten das prächtige Renaissanceschloss aus der ersten Hälfte des 17 Jh. erbaut (1614 - 1634)


    Es wurde von den Baumeistern Jost und Henrich Heer (Höer) für Graf Ludwig von Nassau II von Nassau-Weilburg errichtet, der jedoch schon 1627 in Saarbrücken verstarb. Sein Nachfolger Johann von Nassau Idstein wurde 1603 ebenfalls in Saarbrücken geboren und konnte nach Fertigstellung in das Schloss in Idstein einziehen:



    Eine elegante steinerne Brücke verbindet die alte Burg (links) mit dem Renaissanceschloss (links) über die Straße "am Hexenturm"


    Heute wird das ehemalige Residenzschloss von der Pestalozzischule genutzt, daher dieser modernitische Anbau:



    Gegenüber die Feuerwache im Neofachwerkstil:


  • Unter dem Hexenturm ein bemerkenswert gut errichteter Neubau schätze mal aus dem Ende der 90er Jahre, der Zeit also, die als Ausläufer gilt für die Postmoderne. Schön wurde hier meiner Meinung nach der Fachwerkstil der Region aufgegriffen und mit neuen Bedürfnissen wie hohe Fenster (viel Licht) verbunden :daumenoben:

    Steigen wir einfach (auch wenn das in Realität nicht funktioniert :lachentuerkis: ) auf die Brücke. Von dort aus nämlich hat man einen sehr schönen Blick auf das Residenzschloss:





    Zwei Fotos durchs verschlossene Tor geschossen mit dem imposanten Erkerturm und das große Renaissanceportal:



    Blick von der Verbindungsbrücke auf die Stadt:

    Auf der anderen Seite noch ein paar passable Neubauten:

  • Kommen wir nun zur mittelalterlichen Burganlage. Wir nähern uns ihr von der hinteren Seite. Der schon mehrmals genannt Bergfried, der sogenanne Hexenturm (benannt wahrscheinlich nach den vielen Hexenverbrennungen, die in Idstein geschahen in der Neuzeit) wurde im unteren Teil ca. 1170 erbaut, der obere Teil des Turmes stammt von 1240. Er ist somit der älteste Teil der gesamten Anlage:

    Die restlichen Burghäuser stammen zum größten Teil aus dem 16 Jh. man beachte das verspielte rheinische Fachwerk aus dieser Zeit:



    Eine Ausnahme bildet sicherlich dieses Fachwerkhaus. Man kann an dem Gefüge erkennen, dass es noch spätmittelalterlich ist, also eventuell noch aus dem 15 Jh.





    Ein Blick zurück zum Renaissanceschloss:


  • Das Torhaus der Burg ist 1497 errichtet worden:



    Von der Marktplatzseite ergibt das Torgebäude ein besonders malerisches Bild:




    Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf den Marktplatz mit seinen wundervollen Fachwerkbauten:





    Der Brunnen des oberen Marktes, wie dieser Marktplatz genannt wird, wurde 1937 errichtet im traditionellen, oktogonalen Grundriss. Vorher standen hier zwei Häuser:


  • Nun kommen wir zu einem der schönsten Häuser des Platzes: Himmelgasse 2. Dieses prächtige Renaissancefachwerkhaus wurde 1615 erbaut. Die geschwungenen Bundstreben beherrschen das Bild mit den Andreaskreuzen. Die vielen Schnitzereien an den Eckständern, Brüstungsfeldern oder den Feuerblöcken haben mich so sehr beeindruckt, dass ich von ihnen auch Detailaufnahmen gemacht habe!
    Bauherr dieses prächtigen Bauwerks war Tobias Weber, der Sohn des ersten evangelischen Pfarrers von Idstein:







    Blick in die Himmelsgasse Richtung Nordosten:

  • Eine kleine Anmerkung am Rande: Der runde Turm der Idsteiner Burg wurde in Form eines Butterfasses errichtet. Eine Sonderform der Bauweise bei Türmen, die einem in Hessen immer wieder mal begegnet.

  • Danke für die schöne Galerie, Fachwerkliebhaber. Für mich als "alten Hessen", der die hessischen Städte wirklich gut kennt, ist Idstein mit die schönste Stadt im Bundesland.

    Es mögen zwar Städte wie beispielsweise Limburg oder Marburg bedeutendere Einzeldenkmäler haben, von der Gesamtwirkung -und auch vom Restaurierungszustand her- ist Idstein aber ziemlich einzigartig !

  • Schräg gegenüber Himmelsgasse 1, ein Eckhaus aus dem 18 Jh mit sehr stimmigen Erker in der Ecke:

    Rechts daneben, wieder Richtung Platz steht das Haus Nr 15 vom heutigen König-Adolf Platz. Dabei habendelt es sich um ein Fachwerkhaus von 1607. Sehr interessant, das sogenannte "Oberlicht" der Haustür:

    Doch die wahre Schokoladenseite der "guten Stube" ist die Südwestfront:


    Hier steht u. a. das am reichsten verzierteste Fachwerkhaus der Stadt und wohl auch, das bekannteste, nämlich das Killingerhaus. Es wurde ebenfalls 1615 errichtet und nach seinem ersten Besitzer benannt, dem Amtsschreiber Johann Conrad Killing. Der oktogonale Erker beherrscht die Giebelfassade. An den Fenster kann man jeweils fränkische Fentsererker erkennen. Die Hölzer und Balken sind überbordend verziert mit fantasiereichen Schnitzereien mit Motiven aus der Renaissancezeit wie Säulen, Ranken, oder unter den Fensterkern Masken. Wahrscheinlich dienten diese wie an Häusern im Hochmittelalter zur Vertreibung der bösen Geister vom Haus.





    Die Inschrift lautet: "Deo avspice io.conradvs killingivs Anna Margareta Loberin conivges has aedes exstruxervnt 1615".

  • Der Erker im Detail:

    Besonders nachhaltig beeindruckt hat mich der Giebelabschluss des Erkers und des Hauses selbst mit seinen Fischformen und Menschenköpfen. Solch eine Fantasie hat leider kein Architekt heute mehr :weinen:

    Und dann dieser wundervoll geschwungene rheinische Giebel ansich, einfach ein Fachwerktraum <3


    Die rechten Nachbargebäude:


    Noch ein Blick zurück zum Killingerhaus:

    Richtung Norden sehen wir das Ensemble bestehend aus Rathaus mit alter Burg und links davon das schiefe Haus:


    Das Rathaus, der rote Bau selbt ist ein schlichtes Bauwerk von 1698. 1928 wurde es durch einen Felsrutsch zerstört und von 1932-34 wiederhergestellt. Man kann als Fußgänger unter dem Haus durchgehen. Über der Kante des Durchgangs das Wappen der Stadt:

  • Man entschuldige vielleicht meine etwas oberflächliche Einschätzung, ich bin beileibe kein Fachwerkexperte, aber dieser Bau sieht etwas aus wie der kleine, etwas weniger geschmückte Bruder der Goldenen Waage aus Frankfurt. Die hessische Verwandtschaft sieht man auf jeden Fall :daumenoben:

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (23. Oktober 2017 um 16:44)

  • Ja die goldene Waage in der neuen Altstadt von Frankfurt hat sehr große Ähnlichkeiten mit dem Haus Himmelgasse 2 aber auch mit dem Killingerhaus in Idstein. Die geschnitzten Eckpfosten, der geschweifte, konvex-konkave rheinische Giebel, die Verstrebungen und die Andreaskreuze, das sind typische Merkmale für den fränkisch-hessischen Fachwerkbau in der Südwestecke der Region vorallem verbreitet! Ich bin auch froh, dass man die Farbgestaltung mit dem Ochsenrot bei der goldenen Waage durchgeführt hat, denn nach den Visus wäre die hellbraune, naturhölzerne Farbe total atypisch für Südhessen!

  • Weiter gehts! Links, neben dem Rathaus steht das sogenannte "schiefe Haus" ein Fachwerkbau, dessen Gefache in blau gestrichen sind und von zwei Zwerchgiebeln bekrönt wird. Es wurde laut Inschrift 1527 erbaut, jedoch im 18 Jh. verändert:

    Und tatsächlich das Haus ist total schief, jedes Stockwerk auf seine Art :--)


    Gehen wir wieder über den Marktplatz zurück. Das linke Haus neben dem Killingerhaus ist ebenfalls sehr sehenswert. Es wurde um 1600. errichtet und sein Fachwerk weist starke Ähnlichkeiten mit dem Killingerhaus und dem Haus am Markt 4 in Bad Camberg, welches ich später ebenfalls mit der Altstadt vorstellen werde:



    Nun verlassen wir aber endgültig den König Adolf Platz nach Süden und schauen uns die kunsthistorisch sehr bedeutende Obergasse an:

  • Am Anfang steht nämlich ganz rechts an der Obergasse ein sehr wichtiges sakrales Bauwerk: die Unionskirche. Sie wurde von 1335 bis 1350 erbaut. Im 16 Jh. wurde hier sehr früh die lutherische Lehre verbreitet. Seit 1552 ist daher diese Kirche evangelisch. 1665-1677 wurde das Kirchenschiff nach Westen erweitert. Aus dieser Zeit stammt auch die prächtige Bemalung des Inneren, welche sehr ungewöhnlich und höchst beeindruckend ist für ein protestantisches Gotteshaus:

    Von Außen ahnt man nichts von diesem prachtvollen Innenraum:


    Doch dann die große Überraschung =O


    An den Emporen stehen in vergoldeter Schrift Auszüge aus der Bibel:

  • Kommen wir zum prachtvollen Chorraum. Hier steht der Hochaltar von 1676 aus Marmor:


    Besonders das Gewölbe ist beeindruckend:




    Noch ein paar Aufnahmen von den wunderschönen Bildern (insgesamt sind es 38! mit Szenen aus den Evangelien)

  • Nachdem wir nun diesen prächtigen barocken Innenraum genießen konnten, gehen wir wieder raus in die Obergasse:

    An der Gabelung zur Kaffeegasse steht dieses putzige Fachwerkhaus mit reich geschmückten, geschwungenen, rheinischen Giebel. Es wurde 1596 erbaut:



    Das dazugehörige Renaissanceportal:


    Schräg gegenüber die Nr. 9 mit geschnitzten Eckpfosten, im Kern aus dem 17 Jh. später oft umgebaut bis zuletzt ins 19 Jh.

    Ein Bick zurück:

    Der zweite rheinische Giebel von Obergasse 14:

  • Rechts daneben steht eines der stattlichsten Häuser der Stadt. Das massive Erdgeschoss stammt aus dem 17 Jh., das Obergeschoss aus Fachwerk aus dem 18 Jh. 1899 Sitz der ersten Idsteiner Zeitung durch Georg Grandpierre. Die Sandsteinmedaillons erinnern daran und wurden 1926 eingebaut:





    Gegenüber dieser wunderschöne Ackerbürgerhof von 1513. Anfang des 17 Jh Ergänzung des Hoftors mit in Holz geschnitzten Renaissanceformen:



    Das linke Nachbarhaus ebenfalls ein Ackerbürgerhof aus dem 16 Jh. mit fränkischen Fachwerk:

  • Von hier aus hat man einen sehr malerischen Gesamtanblick auf die Gasse, die vom Hexenturm und der Turmspitze der Unionskirche bekrönt wird:

    Obergasse 18, ein Fachwerkbau von 1605 mit hübschen Erker:



    Nr 26 ist ein kleines, aber feines Fachwerkhäuschen. Es stammt im Kern aus den 16 Jahrhundert, wurde im 18 und 19 Jh verändert und besutzt ein reizvollen (etwas schiefen) Giebel mit Zierfachwerk:

  • Kommen wir zu einem weiteren Höhepunkt der fränkischen Fachwerkbaukunst in Idstein: der Hoerhof:
    Dieser wurde vom Architekten des Idsteiner Schlosses, Heinrich Heer von 1620 bis 1622 erbaut. Der südliche Flügel kam im 18 Jh. hinzu. Von 1911 bis 1955 wohnte der Maler Ernst Toepfer.
    Zur Straßenseite hin sind die Schnitzereien an dem Erker von besonderer Bedeutung. Der Innenhof des heutigen Hotels ist zudem sehr malerisch:



    Detail:


    Hofeinfahrt:


    Vorgeblendete Galerie (wahrscheinlich später zugebaut:

  • Noch ein paar Bilder vom Innenhof:

    Renaissancetürmchen:



    Erweiterungsbau 18 Jh



    Renaissanceportal aus rotem Sandstein (leider war die Sonneneinstrahlung nicht optimal für dieses Foto huh:) )

    Spazieren wir nun direkt zum nächsten Bürgerhof bzw. Adelshof, dem Stockheimer Hof. Dieser wurde 1599 von den die Herren von Stockheim, Burgmannen der Grafen von Nassau errichtet. Besonders reizvoll der mittige Renaissancetreppenturm zur Schauseite sowie der tiefliegende Garten: