Frankfurt a. M. - Paulskirche

  • Der Paulskirche kommt im Sinne der Entwicklung Deutschlands zur Demokratie so etwas wie ein Gründungsmythos zu. Somit ist dieser Bau jedem Schüler ein Begriff als Ort der ersten frei gewählten deutschen Volksvertretung. Von 1789 an errichtet, diente das einstige Kirchengebäude den Volksvertretern als erstes Parlamantsgebäude, nach schweren Zerstörungen im Jahre 1944 wurde es als Gedenkort wiederaufgebaut.

    So viel zu den Fakten. Warum ich heute einen wahren Tobsuchtsanfall beim Betreten der Paulskirche hatte, erkläre ich gleich, zunächst aber eine Dokumentation des Außenbaus.

    Soweit so gut :)

    APH - am Puls der Zeit

  • Dann kommt einer dieser Momente, wo ich nur noch vor Wut schäumte, ich hatte mir echt vorgenommen, ruhiger zu werden, aber bei dem was ich dann im Gebäude sah, da zog es mir wirklich die Schuhe aus. Daher verzichte ich im kommenden Beitrag einmal auf eine wertfreie Dokumentation des Istzustandes sondern sage dann mal genau das zu, was ich mir beim Besuch gedacht habe.

    Ich hätte bei den zahlreichen Gedenktafeln schon skeptisch werden sollen, wurde ich auch, was dann aber auf mich zu kam, aber seht selbst.

    Als ich den Eingangsbereich sah, ahnte ich schon was mich erwartet.

    Aber ich dachte noch, bleib ruhig, es ist die Paulskirche, wo wenn nicht hier schafft es Deutschland endlich mal, sich würdig zu repräsentieren.

    Und dann kam das:

    Ein Rundgemälde karikierter Fratzen, ein Raum, der dem Ort nur eines tut, nämlich ihm spotten und eine Ausstellung zum Ort, wo mir endgültig die Worte fehlten.

    Schaukästen aus den 70ern, eine Präsentation von Inhalten, die man so vielleicht noch in einem drittklassigen Naturkundemuseum in Oberursel findet, frei nach dem Motto, lass zwei Praktikanten in 10 Stunden mal eine Ausstellung mit Material aus dem Keller zusammen stellen. Es war derart schlecht, ich habe mich geschämt, mich überhaupt in diesem Raum aufzuhalten.

    Die Hoffnung auf einen guten Ausgang dieses Besuchs hatte sich bereist völlig zerschlagen, aber dann kam noch der ehemalige Plenarsaal.

    Und dann - ich bin ehrlich -bin ich kochend vor Wut aus diesem Bau gelaufen, den ich intuitiv bisher gemieden hatte. Ich habe mich absichtlich bisher in diesem Forum nicht politisch geäußert und behalte das im Grunde auch bei, aber mit der geballten Faust in der Tasche muss ich doch sagen, dass ich mich als Deutscher selten mehr vor dem eigenen Land geschämt habe als am heutigen Tag.

    Wenn man bedebkt, welche historische Bedeutung diesem Ort zukommt, welchen Stolz man auch mit dem demokratischen Gründungsmythos dieses Landes verbinden könnte, so muss ich festhalten, dass dieser Bau das Sinnbild für die völlig entkernte deutsche Identität darstellt. Dieser Bau spottet allem, was wir sind oder was wir geleistet haben, der Umgang mit der eigenen Geschichte gerät bei der Betrachtung dieser Auststellung an seinen bildlich gewordenen Tiefpunkt. Mir bleibt ob des zur Schau gestellten Selbsthasses einfach nur die Spucke weg.

    Wie kann sich ein Land am Ort seiner demokratischen Staatswerdung so präsentieren, wie kann man zulassen, dass man vor sich selbst und vor anderen ein derart von sich selbst entfremdetes Bild abgibt? Dieser Ort zeigt im Kleinen all die Probleme und Kleingeistigkeiten dieses Landes wie mit dem Brennglas gezeichnet auf. Jeder, der erleben will, wie die Deutschen zu sich selbst stehen, der muss nur in diesen Raum gehen. Es ist eine resignierte Traurigkeit, die einen am Ende des heutigen Tages sprachlos zurücklässt.

    APH - am Puls der Zeit

  • Es ist eine resignierte Traurigkeit, die einen am Ende des heutigen Tages sprachlos zurücklässt.

    Eine gebrochene Volksseele! Aber nimmer lang ...
    Was genau hat Dich denn so in Wut gebracht? Gut, die lieblos in Wandvitrinen altmodisch verbannte Ausstellung. Dieses Wandbild in seiner überzogenen karikaturesken Realistik. Ist das nicht von Werner Tübke!?? Eben Realismus,...
    Insgesamt die respektlose Würdelosigkeit vor der eigenen hier demokratischen Geschichte. Letztlich würde eine Rekonstruktion des Zustandes um 1848 mit einer modernisierten, multimedial aufbereiteten Ausstellung mit vielen Originalstücken(so vorhanden) einen neuen Ton angeben ...!?

  • @SchortschiBähr

    Wo soll man da anfangen?

    1. Bei einem Denkmal sollte es ja ums Gedenken gehen, doch an was will man in diesem heutigen Kontext denn gedenken? Im Inneren ist ja nichts mehr da, wie will man da Geschichte erleben? Ich gebe mal folgendes zu bedenken, in Frankfurt könnte man nicht nur die Geschichte des deutschen Kaisertums vor Ort studieren, sondern auch die Transfromation der ständischen und monarchischen Gesellschaft hin zur demokratischen. Aber wie denn bitte, wenn es die Orte nicht mehr wirklich gibt bzw. sich niemand um deren Erklärung bemüht. Erst mit der Rekonstruktion des Krönugswegs ist ja überhaupt der mittelalterliche Teil wieder in Realität überhaupt erfahrbar, vorher hatte man ja auch örtlich alles versucht, um diese Zeitschicht gerade nicht mehr ablesbar zu machen.

    Und in der Paulskirche haben wir das gleiche Problem. Wie sollen nachfolgende Generationen denn diesen Gründungsmythos der Demokratie erleben, wenn erstens nichts mehr vom historischen Inventar zu besichtigen ist, kein Plenarsaal, kein Rednerpodest, es gibt keinerlei historische Anleihen im Plenarsaal.

    2. Wo wir bei Punkt zwei wären. Wenn man schon auf einen authentische Repräsentation des Ortes verzichtet, dann muss eben die Ausstellung so gut sein, dass dies nicht nötig ist. Aber was haben wir denn? 10 Schaukästen in 70-er Jahre Optik, inhaltlich sind diese alle aufgebaut wie dieses hier

    Also 20 bebilderte Wikipediaartikel zum Bau, das wars. Wer schaut sich sowas noch an? Wie soll da Freude an Demokratie, wie Interesse am Ort entstehen?

    3. Wenn man schon kein historisches Inventar zu bieten hat und keine Ausstellung, die diesen Namen verdient, dann müsste man meinen, dass man die moderne Interpretation der Räume so gut macht, dass zumindest aufgrund dieser Gestaltung die Intention des Ortes deutlich wird. Aber was haben wir? Einen "Dokumentationsraum" mit einem Rundgemälde was alles hat, nur keinen erkennbaren Bezug zum Ort und Würde schon mal gar nicht. Und einen Plenarsaal, der wie ein provisorisch eingerichteter Unisaal ausschaut.

    4. Und dann sind wir beim 4. Problem. Wenn wir kein historisches Material haben, keine fantastische Ausstellung und auch keine moderne Interpretation des Gewesenen, die all dies auffängt, dann sollte an diesem Ort doch wenigstens eines vorhanden sein, nämlich die Würde des Ortes. Und hier liegt das großte Defizit. Das Innere hat die Ausstrahlung einer Krankenhauskantine der 80-er. Alles wirkt alt, planlos zusammengestellt und wie ein Provisorium, man spürt an keiner Stelle die Bedeutung des Ortes, nirgends jene Erhabenheit, die es an einem solchen Ort eigentlich bräuchte.

    Ich könnte jett mit 5. und 6. und 7. weiter machen, bin aber zu müde dafür. Dieser Bau ist einfach die zur Schau gestellte deutsche Unfähigkeit, sich positiv mit der eigenen Geschichte zu arrangieren.

    APH - am Puls der Zeit

  • Das ist eben authentische alte Bundesrepublik. Die stete Erinnerung an die Zerstörung und die Verzwergung zum Nichts. Andererseits sind mir die alten Schaukästen lieber, als wenn sich nun irgendwelche Jungdesigner für viel Geld mit ihrem kreativen Ideen zur multimedialen Museumspädagogik austoben würden. Da kommt derzeit meist nichts gutes heraus. Sprich: Es wird wahrscheinlich eher würdeloser.

  • Lieber Wissen.de deine Gefuehle sind bei mir.
    Ich bin vieleicht ein bisschen froh, dass das in Deutschland endlich bemerkt wird. Das tut mir leid das zu sagen.
    Der Grund das ich das sage ist die Tatsache das es hier in Nordamerika neben vielen, vielen Deutschstaemmigen
    noch 18 Deutschsprachige Gruppen gibt. Die Aimisch oder Pennsylvania Dutch sind wohl die einzige in Europa bekannte
    Gruppe. Da gibt es noch 17 weitere.
    Die Deutsche Regierung und auch zunehmend die Niederlande, Flandern und Oestereich behandeln diese Gruppen geradezu wie diese Kirche, naehmlich schlecht.
    Da ist zum beispiel Knight of Rights. Die Gruppe gibt es in 8 Amerikanischen Laendern. Die Gruppe hat bemerkt, das Ihr Deutsch nicht den heutigen Standart entspricht. Also hat die Gruppe mit meiner Hilfe eine Achterbahnfahrt mit Deutscher und Schweitzer Buerokratie hingelegt. Das fing damit an, das das Deutsche Konsulat Personal hat die noch nicht einmal in Deutschland waren. Das hatte damals auch meine Eltern geaergert weil Deutsche anders denken und andere Aerklaerungen benoetigen. Meine Muter (Das war lustig) kahm mit dem Telefon nicht durch, weil Kanadier nicht alle vorderen Nummern weitergeben, sondern nur alle hinteren Numern.

    Die Deutsche Regierung schickte an die Gemeinschaft auf deren Rechnung widerwillig ein Lesbisches Lehrerpaar.
    Die Gruppe ist etwas religioes, sagen wir mal so. Die Deutsche Regierung versannd nicht, warum Deutsche Deutsch Ihren Kindern lehren wollen, so wand man sich an die Schweitz. Lange Geschichte hin und her, man masste sich dann noch an, eine Gruppe die seit 250 Jahren in Nord und Sued Amerika lebt erziehen zu wollen. Die geschichte hat aber ein Gutes ende!

    Die Gruppe hat der Deutschen Regierung nicht den Gefallen getan und die beiden Frauen herzlich wilkommen geheissen.
    Die Gruppe versucht jetzt, die beiden Lesben zur Hochzeit mit Maennern zu erziehen! Ich habe das Gefuehl die Lehrer verzweifeln an Ihren Deutschen verkopplern!
    jedenfalls wollen jetzt alle 1560 Knights of Rights Gemeinschaften Deutsche Lehrer anheuern! Die Deutsche Regierung wird das vermutlich nicht bezahlen. Die brauchen das Geld fuer anderes.

    PS. 1 Million Einwanderer bekaehme man uebrigens auch mit Ehemaligen Deutschen hin, man muesste diese nur kontaktieren. Ich kenne Leute, die gerne nach Deutschland gehen wuerden. Oder Ukrainer. Die haben auch Krieg.
    Ich habe Ukraienische Kollegen. Die suchen fuer Ihre Familien eine bessere Zukunft, wollen aber nicht ganz nach Kanada.


    Zurueck zur Kirche: Was machen wir?

  • Vor vielen Jahren war ich auch mal da. Mein Vater wollte mir den Ort zeigen, wo einer unserer Vorfahren als gewählter Volksvertreter bei der ersten Nationalversammlung 1848 dabei war. Ich hoffte etwas von dem Geist von damals zu spüren, aber ich kam nicht weiter zurück als bis in die 1950er Jahre.

  • Als Erstes benötigt die Paulskirche wieder ihre historisch korrekte Dachform.
    Als Zweites eine Hüllensanierung (Außenfassade).
    Wenn dann das Schmuckstück zurückgekehrt ist, wird der Innenausbau begonnen.
    Dabei sollte so viel wie möglich rekonstruiert werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Goldstein (24. September 2017 um 17:11)

  • so und nicht anders! Und wenn man sich jüngste Entwicklungen anschaut (Altstadt),(langer franz und co.) ist es gar nicht mal so unwahrscheinlich und wenn die Pauls Kirche auch als "Kirche" zählt entfallen sogar, die ganzen bau forschrifften die in der Altstadt, mehr als nur ein knüppel zwischen die beine wahren.UND man kann Demokratie armten, das ist nämlich ein toller teil unsrer Geschichte wo man auch gerne mal stolz sein darf!Man müsste eine Bank oder so als Mäzen gewinnen.

  • Hängen denn inzwischen wenigstens die Fahnen alle richtig herum ?

    Dazu kann ich wenig sagen, habe da in meiner Wut aber auch nicht genau hingeschaut. Welche Fahne hing denn mal falsch? :lachentuerkis::lachentuerkis:

    Zu den Fahnen kann ich diese Bilder anbieten

    APH - am Puls der Zeit

  • Laut diesem schon par Jahre alten FAZ u.a. die sächsische. Wenn ich die Bilder so sehe, hat sich daran nix geändert. Vereinfacht gesagt, ist bei Bannerflaggen links das Oben in horizontaler Hissung. Da man hier die Banner von beiden Seiten sieht, gibt es für jedes Land jeweils zwei Banner. So dass man stehts die korrekte Farbfolge sieht.
    Auf deinem zweiten Bild unten rechts erkennt man es. Rheinland-Pfalz korrekt, dahinter wohl das Saarland ebenfalls korrekt. Dann kommt Sachsen, beginnend mit grün. Das ist falsch, die sächsische Flagge ist weiß-grün. Sehr peinlich.

  • Liebe Mitleserinnen und Mitleser,

    heute begeht die Christenheit einen besonderen Geburtstag.
    Die Geburt einer neuen Regierung indessen verläuft schwerer als erwartet.
    Und das liegt auch am mangelnden Demokratieverständnis der Egoisten unter den Parlamentariern.

    Zeit also, an die Ursprünge der Deutschen Demokratie zu erinnern.
    Zeit also auch den Wiederaufbau der Paulskirche zu fordern und zwar in der ursprünglichen Form als nationale Erinnerungsstätte der Geburt unserer Deutschen Demokratie und der darauf aufbauenden Deutschen Einheit.
    Was in Dresden mit der Frauenkirche gelang, sollte in Frankfurt mit der Paulskirche endlich eine Fortsetzung finden!

    Der derzeitige Zustand ist eine absolute Schande und so unwürdig, wie die wahrscheinlich noch 4 Jahre dauernden Sondierungsgespräche irgendwelcher Möchtegern-Wichtigtuer (der Flughafen BER wird sicher eher fertig!).

    Wir sollten trotz allem mit Zuversicht in die Zukunft schauen und uns daran erinnern, wie wichtig gerade für uns Deutsche Demokratie und Freiheit sind. Deshalb muss uns gerade die Paulskirche eine Herzensangelegenheit sein!

  • Hier zwei sehr schöne Innenvisualisierungen des Zustandes um 1848, die anlässlich der ZDF Doku-Reihe "Die Deutschen" entstanden sind:

    http://fritzvoepel.net/rekonstruktion/paulskirche/

    (In der Doku sieht man einige wenige Sekunden als Animation, u.a. bei 18:06 und 24:34)

  • Frohes Neus Jahr!

    So, jetzt hab ich nach alten Bildern aus dem Jahr 1848 gesucht und auch gefunden!
    Bildern die das innere zeigen waehrend der ersten Parlaments Sitzung!
    Hier koennte man dieses Original Rekonstruieren, mit den vielen Flaggen!
    Kostuemirte Darsteller koennten lustige episoden nachspielen! Lachen geht immer sehr gut.
    Die Bilder sind oeffentlich und aus dem Magazin "Geschichte" von "Der Spiegel" Nr. 3 / 2014
    Mein Onkel hat mir das Magazien mal geschickt. Ich stelle die Bilder mal hier herein. Ich habe sie
    abfotografiert und entschuldigt die Qualitaet;

    Frankfurt im Jubelrausch - Die vielen Flaggen!

    Die Kirche von aussen;


    Das innere. Wie das original in dem damalingen Moment aussah;

  • Von der Raumwikung her jedoch schade, dass für das Paulskirchenparlament zur Verbesserung der Akkustik und des Raumklimas die Decke heruntergezogen wurde und damit die ganze obere Fensterreihe aus der Raumarchitektur verschwand.

    Vorher:
    http://deacademic.com/pictures/dewik…aum_um_1830.jpg

    Nachher:
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Paulskirche.jpg

    Auch die folgende Version, die bis zur Kriegszerstörung blieb, wirkte irgendwie unpassend:
    http://altfrankfurt.com/kirchen/paulsk…c/Paul07int.jpg

    Bei einer (rein hypothetischen und auf Jahrzehnte erstmal unwahrscheinlichen) Rekonstruktion des Innenraums würde ich beinahe dazu tendieren, für eine ahistorische Variante zu plädieren. Austattung und Schmuck des Parlaments, den Raum jedoch im Ursprungszustand mit hoher Decke. So kann man beidem gerecht werden, der Geschichte wie der Architektur des Gebäudes.

    3 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (11. Januar 2018 um 12:19)

  • Interessant finde ich an den Bildern die Größenverhältnisse. Die Personen sind absichtlich viel zu klein dargestellt, sie wurden regelrecht zu Liliputanern, um die Räume und Gebäude viel größer erscheinen zu lassen als sie eigentlich waren. Ein damals wohl typisches Stilmittel.

    In dubio pro reko