Frankfurt a. M. - Paulskirche

  • menschenfeindliche BRD von 1949

    Man muss es jetzt nicht auch übertreiben mit der "Argumentation". Wenn die frühe BRD "menschenfeindlich" war, was war dann erst die DDR? Und was der NS-Staat?

    Auch die Farbe Weiß als tiefenpsychologischer Versuch der Unschuld scheint mir arg weit hergeholt. Weiß ist nun einmal stark die Farbe der Moderne, man sehe z.B. nur die Stuttgarter Weißenhofsiedlung an. Und die Nachkriegszeit war nun einmal die Zeit, in der der Modernismus nach der Macht griff, nachdem viele Traditionen abgeschnitten schienen. Erst recht, nachdem die letzten traditionalistischen Strömungen der unmittelbaren Nachkriegszeit gänzlich weggedrückt wurden.

    Eventuell könnte man über die Schlichtheit der Nachkriegszeit philosophieren. Diese sollte natürlich (auch in ihrer Leichtigkeit) einen bewussten Kontrast zur Monumentalität der NS-Architektur darstellen. Sie könnte auch ihre Wurzeln in der christlichen Demut haben. Und die Kirche spielte zwischen 1945 und 1968 noch einmal eine starke Rolle im gesellschaftlichen Leben. Ich erinnere mich noch an einen evangelischen Pfarrerssohn meiner Schulzeit, der sich über "protzige" Architektur echauffierte, womit die Gründerzeit gemeint war.

    Letztlich glaube ich nicht recht, an eine Rekonstruktion der Vorkriegs-Paulskirche. Und zwar vor allem, weil das teuer käme und sie dieses Geld einfach nicht locker machen werden. Und zugleich haben in dieser Diskussion jene die Oberhand, die den Status Quo erhalten wollen. Vielleicht ist das historische Dach drin, wenn die bestehende Struktur nicht mehr sanierbar ist. Für den Innenraum habe ich wenig Hoffnung, lasse mich aber gerne überraschen.

  • Die TAZ

    Nein, nicht "die taz" wettert, sondern der hinlänglich bekannte "Antifa"-Jungautor Adrian Schulz.

    Man erinnere sich an seine fundierte Berichterstattung zur letztjährigen Tagung "Altstadt 2.0" (siehe hier) oder an seine appellative Stilblüte zur "Nazi"-Hatz... Zitat:

    Zitat

    Nazis sind keine missverstandenen „Populisten“ oder gar Linke, die es zu bekehren gälte. Die wollen das genau so – rechtsextrem sein. Man muss sie deshalb sozial ächten. Bis sie sich nicht mehr trauen, auch nur zum Bäcker zu gehen.


    In diesem Kontext ist auch dieser Paulskirchen-Kommentar zu lesen. Es geht vor allem nicht um das Gebäude, sondern den "Kampf gegen rechts":

    Zitat

    CDU-Rechtsaußen Walter Wallmann; womöglich schrieb an dem Text aber auch sein Büroleiter mit: Alexander Gauland. (...) OB Wallmann wollte dieses Zwischengeschoss in den Achtzigern am liebsten einreißen – und nun, 35 Jahre später, wird dieser Wunsch wieder vorgebracht, in Frankfurt vornehmlich von Politikern im Umfeld der AfD. Der Partei also, die ihren Fraktionssaal im Bundestag „Saal Paulskirche“ nennt und dort Wandbilder zum Thema „Einigkeit und Recht und Freiheit“ aufhängt. (...) übersieht dann aber, wie eng die 1848er-Bewegung mit Misogynie und einem Antisemitismus verbunden war, der sich genau zu der Zeit, als sich „Deutschland“ formierte, langsam, aber sicher von einem religiösen in einen eliminatorischen verwandelte. Darauf weist in einer Ausgabe der Zeitschrift Arch+ zum Thema „Rechte Räume“ (...) Der Architekturtheoretiker Stephan Trüby aus Stuttgart ist einer der Hauptfeinde Hübners und seiner Kameraden – gewiefter Strategen, die auch das sich unpolitisch glaubende Bürgertum unter neutralen Formeln wie „Schönheit“ für ihre Ziele einzunehmen verstehen.(...) Dabei steht er zunächst vor einem Rätsel: „Warum ist gerade das traditionell eher liberale bis linke Frankfurt zum Schauplatz dieser Auseinandersetzungen geworden?“ Unter dem Begriff „Neoliberalisierungsarchitekturen“ hat er herausgearbeitet, „dass ein hoher Anteil von Rechtspopulisten und Rechtsextremen unter Immobilienunternehmern, -maklern und -verwaltern zu vermerken ist.“ Längst ist Frankfurt ein Hauptzentrum des entfesselten neoliberalen Raumkampfes.(...) „Rekonstruktionen, heile Fassaden sind da Opium des Volkes“, meint Trüby. „Die, die wenig bis nichts haben, werden besänftigt durch schöne Bilder.“


    Auch noch die Immobilienwirtschaft wird nun in diesen altmarxistischen Sermon von Trüby und Co. verwurstet. Überall Nazis außer Mutti.

    In einer Bewertung ist dem im Artikel zitierten Philip Sturm recht zu geben:

    Zitat

    Philipp Sturm (...) glaubt allerdings nicht, dass sich die Befürworter einer „Rekonstruktion“, anders als bei der vergangenen Herbst in Frankfurt eröffneten „Neuen Altstadt“, diesmal durchsetzen werden. (...) „Wir sind einen Schritt früher dran“ sagt Sturm jetzt, in einem weißen Ledersessel im Foyer des Museums sitzend. Außerdem sei der Sanierungsbedarf der Paulskirche nicht so groß wie anfangs befürchtet – das Dach zum Beispiel müsse gar nicht ersetzt werden. „So was ist sonst immer ein großes Einfallstor für allerlei Forderungen.“


    Das betrifft natürlich nur die Bewertung, nicht die selbstzufriedene Siegesgewissheit des Cachola Schmal-Zuarbeiters Sturm.

    Deshalb sage ich: Vergesst die Paulskirche. Da ist nicht viel zu holen. Da sind die Modernisten massiv am Drücker.

  • Zumindest hat der Autor für sich alles richtig gemacht - mit dem politischen Hintergrund kann man heute im Journalismus Karriere machen. Mit der Einschätzung zur Paulskirche gebe ich Dir Recht @Heimdall - es hat sich bereits eine breite Front gegen eine Reko gebildet und den Bürgern ist es da (anders wie bei der Altstadt) recht egal was da passiert.

    ...

  • Umso mehr Grund erst recht dafür zu kämpfen, den Rekonstruktionsgedanken in die Öffentlichkeit zu tragen und für Unterstützung zu werben. Zumal die Paulskirche als nationales Monument eigentlich Bundesaufgabe ist. Und wenn es in den nächsten 2 Jahren, nichts wird, dann eben in 20 Jahren. Steter Tropfen hölt den Stein. Die Paulskirche wird ihrer für ganz Deutschland so enormen historischen Bedeutung erst wieder gerecht, wenn Dach und Innenraum rekonstruiert worden sind!

  • Es gibt nur noch Restbestände des alten, spendenfreundlichen Stadt-Patriziats und Großbürgertums in Frankfurt. Die Bevölkerung hat sich gewandelt. Die Stadt ist in starkem Maß eine "global city". Das heißt, dass u.a. das internationale Kapital auch den Immobilienmarkt dominiert. Schon vor fast zwanzig Jahren lebte nur jeder zweite Einwohner länger als 15 Jahre in der Stadt. Dieser Austausch der Einwohnerschaft dürfte seitdem an Rasanz zugenommen haben. Zudem besitzt mittlerweile die Mehrheit der Stadt ausländische Wurzeln (Migrationshintergrund). Unter dieser Mehrheit dürften die Zu- und Wegzüge noch stärker sein, als unter den Deutschen, die noch über eine größere Zahl Alteingesessener verfügen, z.B. alte Hausbesitzer in den Stadtteilen. Diese sich ständig umwälzende Bevölkerung hat weniger Bindungen an die Stadt. Sie sieht sie primär als Arbeitsstandort und temporäres Wohngebiet, bis der nächste Job an anderer Stelle wartet. Die Paulskirche dürfte nur einer Minderheit ein Begriff sein. Und die ist seit Jahrzehnten an den jetzigen Zustand gewöhnt. Es handelt sich ja hier nicht um den Aufbau auf einer unansehnlichen Brache wie in Dresden oder Potsdam, sondern um einen Umbau, von dem die Masse der Bürger nichts mitbekommen dürfte, weil sie die Kirche nie betritt. Zudem werden sich Stifter nicht so einfach finden, weil sie sich damit gegen den Mainstream der "guten Stadtgesellschaft" stellen, also die Meinungsführer in Politik und Kultur (in diesem Fall Architekturmuseum und Anhang). Das Problem der Spenden zeigt sich schon beim "Langen Franz", wie "Götzenhainer" richtig bemerkt, und da stehen die Tore ja dank der guten Arbeit von Prof. Mäckler weit offen.

  • Wir können..

    a) lauter Gründe gegen ein wirklich wichtiges und unterstützenswertes Vorhaben wie die Paulskirchen-Reko finden,
    oder
    b) lauter wirklich gute Gründe dafür.

    Ich bin für Variante b. Und ich halte die Paulskirche für ein Schlüsselprojekt, um wieder ein gesundes, ungefährliches und stabiles Deutschland zu schaffen, das Selbstgewissheit, Frieden und Aufbruchstimmung verbreiten kann. Um bei diesem wirklich politischen Projekt mal eine kleine Note Pathos beizufügen.

  • Du kannst sicher viele Gründe dafür finden, wir können es womöglich auch (wenn damit die Diskutanten dieses Threads gemeint sind).

    Aber Du bist kein Entscheidungsträger, der bestimmt, was passiert. Und ich vermute, dass unter uns Diskutanten auch keiner der Entscheidungsträger mitschreibt.

    Insofern prognostiziere ich "vergebene Liebesmüh", auch wenn ich mich gerne überraschen lasse.

    Ein anderer Aspekt aber ist viel interessanter. Der Antrag der "Bürger Für Frankfurt" (BFF) vom Juli hat es ja bereits formuliert. Der Oberbürgermeister möchte ein "Demokratiezentrum" neben der Paulskirche errichten. Hierfür böte sich eine Rekonstruktion der Alten Börse an der Neuen Kräme an. Ein Projekt, das mehr Chancen hätte, und für das auch viele Sympathien existieren. Die Fläche wäre frei.

  • Der BDA sorgt sich um den Denkmalschutz! https://www.bda-bund.de/2019/10/bda-fr…atie-schuetzen/
    Zitat: "Denkmalschutz dient nicht dem Schutz von ästhetischen Vorlieben, sondern hat hochwertige Bausubstanz vor Änderungsanliegen zu schützen, damit sie auch kommenden Generationen gegenüber als prägendes Zeugnis der Geschichte dienen kann."
    Ja, lieber BDA genau so sieht es aus und das gilt nicht nur für schlichte,in der Nachkriegszeit gebaute oder wiederaufgebaute Gebäude, sondern besonders auch für unser historisches Bauerbe von vor dem 2. Weltkrieg.

    ...

  • Wie zu erwarten hat sich der Magistrat (Koalition von CDU, "Grünen" und SPD) gegen eine Rekonstruktion des Paulskirchen-Innenraumes entschieden.

    Rathauskoalition gegen Umbau: Paulskirche soll nur saniert werden
    https://www.faz.net/aktuell/rhein-…n-16473725.html

    Es wird sich nun zeigen, ob eine Chance für die Rekonstruktion der Alten Börse als Demokratiezentum besteht.

    Es war zwar zu erwarten, aber der Zeitpunkt kommt doch etwas überraschend. Immerhin hatte sich OB Feldmann ja noch vor einigen Wochen für einen Bürgerdialog ausgesprochen. Die wahre Überraschung an der Meldung ist jedoch, dass die Alte Kämmerei wieder als Standort für das Demokratiezentrum ins Gespräch gekommen ist. Die Idee war eigentlich Mausetot, denn abseits der frequentierten Fußwege macht der Standort keinen Sinn. Selbst Baudezernent Schneider hatte auf der Alte Börse Veranstaltung am 4.11. nicht mehr mit Herzblut für die Alte Kämmerei gekämpft https://www.faz.net/aktuell/rhein-…n-16470668.html . Klingt nach absoluter Sparlösung, die aber in meinen Augen dem Bürger kaum zu vermitteln wäre.

    ...

  • Das war doch absehbar. Philipp Sturm raunte doch nicht grundlos bereits „Wir sind einen Schritt früher dran“. Das Vorgehen, um ganz schnell Nägel mit Köpfen zu machen, dürfte bekannt gewesen sein.

  • Das war doch absehbar. Philipp Sturm raunte doch nicht grundlos bereits „Wir sind einen Schritt früher dran“. Das Vorgehen, um ganz schnell Nägel mit Köpfen zu machen, dürfte bekannt gewesen sein.

    Ein (Lehr-)Stück "gelebter Demokratie" und Meinungsbildung 2019.

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  • Das ging ja schnell: Der Bund hat für die Sanierung der Paulskirche 19,5 Mio. Euro locker gemacht, meldet heute die Presse.
    Vor einigen Tagen gab es zudem eine Veranstaltung im Deutschen Architekturmuseum zur Zukunft der Paulskirche: https://www.fr.de/frankfurt/buer…n-13215350.html
    Dabei gab es wohl auch eine verstörende Äußerung von Kunsthistoriker Ruhl "... Bei der neuen Frankfurter Altstadt zwischen Dom und Römer sei „architektonische Qualität zerstört“ worden, „um etwas Neues zu errichten“."

    ...

  • Dabei gab es wohl auch eine verstörende Äußerung von Kunsthistoriker Ruhl "... Bei der neuen Frankfurter Altstadt zwischen Dom und Römer sei „architektonische Qualität zerstört“ worden, „um etwas Neues zu errichten“."

    ablachen:):gehtsnoch::kopfwand::blah::ueberkopfstreichen:
    Kann man nicht ernst nehmen

  • (...) Markus Harzenetter, der Präsident des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege, erteilte einem Rückbau der Paulskirche auf den Stand von 1848 eine Absage. „Denkmalpflege findet nicht ‚in potentialis‘ statt, sie orientiert sich am historischen Bestand.“ (...)

    Dann hoffe ich aber wenigstens auf die Reko der Alten Börse als Demokratiezentrum.