Frankfurt a. M. - Paulskirche

  • Wieder mal typisch an dem Schema ist, dass das Wort "Diktatur" in Frakturlettern geschrieben wurde. Dabei würde die Fraktur weit eher zu 1848/49 passen.

    Abgesehen davon aber zeigt das Schema, dass es ja mit dem Einbau einer Empore nicht getan ist. Das ganze Bodenniveau ist anders. Man müsste also die Decke des heutigen Eingangsfoyers zum Paulskirchensaal komplett herausstemmen, um den nach dem Krieg höher gelegten Paulskirchensaal auf Bodenniveau zu bringen. Eine vermutlich enorm aufwändige und teure Maßnahme.

  • Ich weiß natürlich nicht, wie verlässlich das Schema ist, aber womöglich ist es ja nicht nur mit dem herausstemmen der Zwischendecke getan, sondern man müsste auch einen Teil des Kellers aufgeben und die Kellerdecke durchbrechen. Der Haupteingang hatte vor dem Krieg zwar ein höheres Niveau (man beachte die Freitreppe vor dem Turm auf den historischen Fotos ggü dem ebenerdigen Niveau der post-1950er), aber der tiefste Punkt im Saal vor dem Rednerpult ist womöglich teilweise schon im heutigen Kellerbereich zu verorten. Dort sind heute Garderobe, Toiletten, Technik, also Dinge auf die man heute auch nicht verzichten kann. Vielleicht könnte man in einem rekonstruierten Dach die Technik unterbringen und somit Platz die Vertiefung des Saals machen.
    Alternativ wäre die vollständige Entkernung und der Einbau eines zweigeschossigen Kellers am besten, so dass ein Teil des ersten UG den "Tiefbau" des Saals aufnehmen kann, man aber durch ein zweites UG insgesamt keine Flächeneinbußen hat.

    Also es würde sicher eine größere Aktion werden sollte eine Rekonstruktion in Angriff genommen werden. Ist natürlich auch eine Frage wie viel Substanz sowieso erneuert/ausgetauscht werden müsste, unabhängig davon, für welche Lösung man sich entscheidet.

  • Mit ihrem aktuellen Beschluss erteilt die CDU möglichen Überlegungen, die zu sanierende Paulskirche im Stil der Parlamentskirche von 1848 zu rekonstruieren, eine Absage. „Eine historisierende Sanierung lehnen wir ab und geben einer Lösung den Vorzug, die die äußere und innere Gestalt sowie das Erscheinungsbild der Paulskirche respektiert, das bei ihrem Wiederaufbau 1948 gewählt wurde“, sagt der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Dürbeck. (...)

    (...) In Anlehnung an einen Artikel der „Zeit“ stellte Oliver Strank, Vorsteher im Ortsbezirk 1, bereits den Antrag, das Flachdach der Paulskirche durch die ursprüngliche Konstruktion mit Säulen und Emporen zu ersetzen. Eine Idee, die zunächst in der Frankfurter Parteienlandschaft durchaus auf Interesse stieß. Doch auch die SPD im Römer spricht sich gegen diese Lösung aus. (...)


    Klingt für mich wie eine vergebene Möglichkeit, der Kirche ihre Würde zurück zu geben. Sehr bedauerlich.

  • Das ist natürlich total schade und eine momentan vergebene Chance, um auch den Geist der Demokratie und zwar dort, wo man ihn wieder voll inhalieren hätte können, wieder erlebbar und spürbar zu machen.

    Hand aufs Herz, aber von einer Linkspartei a la CDU hätte ich mir momentan ohnedies an dieser Stelle keine Bewegung erwartet. Die Chance zur Wiederherstellung der Pauskirche in angemessener Form und Hort der Demokratie und Bürgerrechte, wird vermutlich erst nach der nächsten kommenden 48er Revolution wieder möglich sein.

  • Ausgerechnet die CDU! Der Hort des Konservativen. Gerade diese Partei sollte es sich zur Aufgabe machen, die 1945 verlorene Schönheit der Paulskirche zurückzuholen.
    Und dieses ist eben gerade nicht der Toilettenschüsselentwurf von 1949.
    Deshalb unterscheidet sich die CDU in diesem Punkt überhaupt nicht mehr von den Linken, denen bekanntermaßen die Schönheit ja ein völlig unbekannter Terminus ist.

    Ich hoffe sehr, dass die CDU damit katastrophalen Schiffbruch erleiden wird.
    Denn sie steht damit der jungen Generation im Weg, die diesen Irrsinn nicht mehr länger hinnehmen will.

  • Ausgerechnet die CDU! Der Hort des Konservativen.

    Hoffentlich habe ich bloß die Ironie nicht erkannt.

    Ist die Paulskirche überhaupt noch geweiht? Als ich im März dort war. befand sich im Ergeschoß eine Ausstellung zur 1848er Revolution, im Keller eine Karikaturenschau zur jungen BRD und das Obergeschoß sah wie die Aula einer 1960er Jahre Schule aus...

  • Soweit ich weiß, wurde die Paulskirche nach dem Krieg in der Hoffnung rekonstruiert, der Bundestag werde dort seinen Sitz nehmen. Adenauer hat sich dann für Bonn stark gemacht - angeblich, weil es kürzer nach Rhöndorf war, tatsächlich wohl weil er wusste, dass Frankfurt den Hauptstadtstatus niemals an Berlin zurückgeben würde...
    Insofern ist der Wiederaufbau von 1948 auch ein historisches Zeugnis, das erhaltenswert ist. Aber ich bin selber zwiegespalten...

  • Die Paulskirche ist nun aber hauptsächlich nicht deshalb bekannt, weil dort 1948/49 ein Wiederaufbau den neu gegründeten Bundestag unterbringen wollte, sondern weil eben dort 1848/49 der erste Reichstag überhaupt seine Arbeit aufnahm. Und an 1848/49 erinnert man eben nicht authentisch mit einer Umkonstruktion aus 1948/49, sondern mit der Ursprungsform.

  • Für mich spielen zwei Aspekte eine Rolle im Bezug auf die Paulskirche: die Architektur und die Historie. Die Bilder von Wissen.de zeigen ausführlich das Innere der Kirche und ich komme zu dem Schluss, dass der Ist-Zustand irrelevant, ein Interim ist. Historisch ist er wahrscheinlich für die Nachkriegzeit und die BRD als Staat relevant, für die Paulskirche ist es die Gestaltung von 1848.

    Das die XYU eine Rekonstruktion ablehnt überrascht wenig, von der SPD ganz zu schweigen.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    Einmal editiert, zuletzt von Fusajiro (10. Juni 2018 um 07:52)

  • Soweit ich weiß, wurde die Paulskirche nach dem Krieg in der Hoffnung rekonstruiert, der Bundestag werde dort seinen Sitz nehmen.

    Das kann ich mir schwer vorstellen, da damals für den erhofften Bundestag ein Neubau im Nordend gebaut wurde, der später als Funkhaus des HR genutzt wurde, siehe hier: Link Wikipedia

    Ich war damals auch überrascht, wie würdelos die Paulskirche im Innern aussieht, schade, das dies so bleibt.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • ...schade bloß, dass die Abstimmung nicht bindend ist!


    Wenigstens aber zeigt es, dass der Zug in die richtige Richtung fährt. Wo, wenn nicht hier mit diesem Projekt könnte man das ohnehin bereits ziemlich ramponierte Bild der jetzigen Demokratie wieder in eine positivere Richtung lenken. Es gibt kaum einen positiveren Ort, um die deutsche Demokratie zu feiern und zu bewerben als in und mit der rekonstruierten Paulskirche!


    Die rekonstruierte Paulskirche wäre absolut identitätsstiftend und ein willkommener (und im Verhältnis zu teuren Werbeschaltungen billiger) Imagegewinn für die ohnedies angezählte Regierung. Würde einem eigentlich schon der gesunde Hausverstand schon sagen...(aber vielleicht ist das ja das eigentliche Problem).


    Hier noch einmal der wichtige Link von @svuzhohenburg zur Abstimmung:


    bild.de/regional/frankfurt/pau…ssehen-56323984.bild.html

  • Hauptsache einmal, dass weiterhin darüber geredet wird:

    Debatte über Frankfurter Paulskirche
    Denkmal deutscher Demokratie

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-ueber-…ticle_id=423558

    Deutschlandfunk.de

    Meiner Meinung kommt nur eine möglichst originale Rekonstruktion in Frage und es sollte jede Schulklasse zumindest einmal dorthin fahren. Das wäre anschauliche Bildung und Herstellung eines positiven Bezugs zur eigenen Geschichte! Beim Besuch des jetzigen Ratzenstadls bzw der Konservierung dessen, ist viel eher davon auszugehen, dass der Besucher der falsche Eindruck vermittelt wird a la "bitte, so geht man mit DEM Hort der Demokratie in Deutschland um"...da baut keiner emotional eine Beziehung sowohl zu dem Ort noch zur Demokratie auf - eher das Gegenteil.

    Neben dem gelungenen Wiederaufbau eines kleinen Teils der ehemaligen Altstadt könnte sich nun eine weitere, womöglich noch viel wichtigere Chance für Frankfurt hiermit ergeben! Im Grunde genommen, müssten sich hier für diese "2. Frauenkirche" wieder eine Hand voll Bildungsbürger an die Spitze stellen! Im Gegensatz zur Frauenkirche müsste das diesmal sogar viel rascher und mit weniger finanziellem Aufwand gehen. Ich stünde als Spender schon einmal bereit. Das aktuelle Deutschland hätte dieses Projekt - unter unser gesagt - bitter nötig.

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (23. Juli 2018 um 20:16)

  • Leider hilft das zugehörige Interview im DLF mal wieder überhaupt nicht. Das typische "Die Nazizeit darf nicht vergessen werden, die Zerstörung muss dokumentiert werden in der Architektur" und "ein einzigartiges Wiederaufbauprojekt der BRD, welches auf jeden Fall erhalten bleiben sollte". Wieso nur gibt es im Radio immer nur Leute, die so einen Unfug erzählen und nicht mal Rekonstruktionsbefürworter? Das geht einem schon auf den Senkel :angry:
    Goldstein hat völlig Recht, die Kirche ist schließlich relevant und bekannt für ihre Gestalt von 1848, nicht für den Wiederaufbau nach dem Krieg, der wie eine Satire wirkt.

    Ich war vor ein paar Monaten mal in Frankfurt, hab mir da uninformiert und unvoreingenommen einfach mal die Stadt angesehen. Das einzige was ich im Kopf hatte, wo ich unbedingt mal vorbeischauen sollte, war die Paulskirche.
    Nun ja, als ich sie dann gefunden hatte und hineingegangen bin war ich wie vor den Kopf gestoßen. Das war eine riesige Enttäuschung. Und dann sieht man noch ausländische Touristen, denen was von der Historie des Ortes vorgelabert wird, ich dachte mir nur, kommen die sich nicht eigentlich verarscht vor?

  • Kein Wunder, dass Seehofer den Besuch absagt, rufen doch seine Gegner bereits in den zukünftigen Amtssprachen Buntlands auf, die Paulskirche zu...ich halte nicht viel von Seehofer, aber dass er die Paulskirche diesem Unheil und sich selbst nicht aussetzen will, kann ich verstehen. Ich glaube, es muss alles noch viel schlimmer kommen, bevor es wieder gut wird - natürlich und vor allem bezogen auf die Architektur der Paulskirche ;-).

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (15. September 2018 um 17:43)

  • Ein aktueller Bericht zur anstehenden Renovierung der Paulskirche:

    https://www.sueddeutsche.de/politik/paulsk…licht-1.4139588

    (...) Auch der Frankfurter Freidemokrat Georg Wässa findet, es müsse bei der Sanierung mehr getan werden als nur Schadensbeseitigung. Er hat einen Verein namens Demokratiedenkmal Paulskirche gegründet und plädiert für den Einbau der alten Empore, auf der Zuschauer 1848 die Beratungen der Abgeordneten verfolgten. "Der Innenraum mit den hohen Fenstern sagt, ich möchte eine Empore", meint Wässa. Eine komplette Rekonstruktion inklusive Dachaufbau aber will er nicht. Es gehe ihm nicht um ein "Disneyland". (...)

    Der Begriff Disneyland, wird heute von jedem Deppen genutz. Ob er jetzt einen Sinn hat, oder nicht. Was hätte die Wiederherstellung der alten Dachform mit den Kulissen im Freizeitpark zu tun? :gehtsnoch:

    (...) Eine Empore könne man zwar bauen, aus Brandschutzgründen würden Besucher sie aber nicht erklimmen können. "Warum soll man etwas konstruieren, das man hinterher nicht benutzen kann?", fragt Schneider. (...)

    Wieso sollte man die Empore nicht nutzen dürfen? Ist das in anderen Kirchen auch so? Was wäre denn, wenn die originale Empore noch da wäre? Würde man sie absperren? Mir scheint, der Brandschutz wird gern vorgeschoben, um unbeliebte Baumaßnahmen zu verhindern.

    (...) Der ambitionierte Baustadtrat Jan Schneider, ein Christdemokrat, hat, wie er sagt, lange über die Frage Paulskirche nachgedacht. Und kam zu dem Schluss, dass Mängel repariert, das Gebäude aber seinen nüchternen Nachkriegsstil behalten solle. Diese Form erinnere an die demokratischen Hoffnungen der Nachkriegszeit, sagt er. (...)

    Vielleicht empfinde nur ich das so. Aber diese Entscheidungen nach persönlichen Vorlieben einiger weniger Politiker, haben für mich wenig mit Demokratie zu tun. Gerade bei diesem Gebäude, das immer als DAS Symbol für Demokratie herangezogen wird. Vielleicht sollte hier einmal wirklich das Volk entscheiden.