Frankfurt a. M. - Paulskirche

  • Schön zu sehen, dass der Innenraum damals ganz anders aussah als heute.
    Die Säulen und Emporen müssen wieder her. Genauso wie ein historisch korrektes Dach!

  • Die Paulskirche ist ein eingetragenes Kulturdenkmal des Landes Hessen und steht - wie sie steht und liegt - unter Denkmalschutz.

    Hier die Begründung der hessischen Denkmalbehörden:

    "Bewertung
    Als städtebauliche Dominante bestimmt die Kirche den Paulsplatz. Geschichtlich steht sie für die demokratische Tradition Deutschlands, die vom klar gehaltenen Wiederaufbau wirkungsvoll neu inszeniert wurde. Der prominent besetzten Planungsgemeinschaft glückte künstlerisch eine eigenständige Aneignung des klassizistischen Kirchenraums für eine schließlich vorwiegend kulturelle Nutzung. Damit vertritt die wiederaufgebaute Paulskirche einen Akt schöpferischer Denkmalpflege von bundesweitem Rang.
    "

    Damit ist doch alles gesagt, oder?

  • Ja. Dass Deutschland leider noch immer zu keiner selbstbewussten und positiven Präsentation seiner Geschichte in der Lage ist sondern ein besseres Provisorium zum Denkmal macht.

    APH - am Puls der Zeit

  • Angesichts der im Hessischen Denkmalschutz vorherrschenden Geisteshaltung mache ich mir da auch eher wenig Hoffnung auf substantielle Änderungen. Es sei an die unsägliche Verunstaltung des Senckenberg-Museums (durch Kulka übrigens) und entsprechende Äußerungen von Protagonisten wie Heinz Wionski erinnert. Eher wirds noch schlimmer.

  • Man kann aber nicht so ohne weiteres sagen wegen dem Denkmalschutz wäre eine Rekonstruktion ausgeschlossen. Schließlich wurden die abscheulichen Einscheiben-Verglasungen auch wieder durch Sprossenfenster ersetzt....da hatte der Denkmalschutz ja auch keine Probleme mit der Wiederherstellung des Vorkriegszustands :)

  • Der Denkmalschutz in Deutschland ist doch nur ein Papiertiger, nicht??

    Und diese neuen Sprossenfenster sind in ihrer Ausführung doch auch abscheulichster Art, mit Sprossen zwischen den Scheiben (mir gefällt einfach der Ausdruck "Sprossen in Aspik"; ich musste vor einigen Jahren mal Kardinal fragen, was denn "Aspik" eigentlich heisst. Wir sagen bei uns "Sulz"). Betrachtet mal die Fotos im ersten Beitrag dieses Stranges. Ich empfand das Innere dieses Bauwerks nebst allen Unterführungen und Rotlicht-Etablissements als eines der Schmuddeligsten in ganz Frankfurt!

  • Zitat von Riegel

    Betrachtet mal die Fotos im ersten Beitrag dieses Stranges. Ich empfand das Innere dieses Bauwerks nebst allen Unterführungen und Rotlicht-Etablissements als eines der Schmuddeligsten in ganz Frankfurt!

    Da hast du leider völlig recht. Ich schrieb ja bereits, dass man sich an ein drittklassiges Provinzmuseum aus den 70-er Jahren erinnert fühlt und das bei dem Museumsbau zur deutschen Demokratie schlechthin. Dass man sich so klein macht, ich verstehe es nicht.
    Man könnte aus dem Ort so viel machen, eine Rekonstruktion des Daches und des historischen Saals, gepaart mit einem Museumskonzept der Jetztzeit. Man sollte mal eine Delegations ins Imperial War Museum nach London schicken, um zu sehen, was Digitalisierung heute in Museen leisten kann, wie man Digitales und Exponate zu einer wirklich interessanten und lehrreichen Ausstellung kombinieren kann, die auch Jugendliche und Schüler anspricht, die eigentlich zu Hauf zu diesem Ort gehen sollten. Aber bei der Aufmachung, schlechter kann man es gar nicht machen, kein Wunder, dass solche Exkursionen jeder Schüler hasst. Diese Aufmachung ist sowohl eine didaktische wie auch historische und ästhetische Bankrotterklärung.

    APH - am Puls der Zeit

  • Zu viel der Ehre für drittklassige Provinzmuseen der 70er! Die schauen noch besser aus und sind vor allem oft liebevoll und unter mühen von Ehrenamtlichen eingerichtet.
    Was für ein schäbiges Loch! Ich kann wissen.de nur recht geben. Ich war mal vor einigen Jahren dort drin und meine Gefühle schwankten auch zwischen Fremdschämen und blanken Entsetzen. Den oberen Teil kannte ich von Fotos, wusste also, was mich erwartet und war dann trotzdem nochmal enttäuscht, den unteren Teil hatte ich zuvor auch noch nicht auf Bildern gesehen und konnte fast nicht glauben, was man dort an geistiger und materieller Armseligkeit geboten bekommt. An so einem bedeutenden Ort deutscher Geschichte!
    Es ist schon auch interessant: die Kirche war ja auch schon vor '45 äußerst schlicht und erst recht vor der Umgestaltung im 19. Jhd. Schlichtheit oder Bescheidenheit ist ja im 20 Jhd., aber besonders nach '45 zu dem Mantra, ja schon zur Ideologie der Architekten geworden. Aber das hat nicht gereicht, man wollte diese noble, klassische Schlichtheit noch weit unterbieten mit diesem vulgären Modernismus.

    Theoretisch sehe ich wegen des Denkmalschutzes auch keine Möglichkeit, das groß zu verändern. Allerdings, wie so oft spielt natürlich auch Geld eine große Rolle. In Frankfurt läufts finanziell trotz des Booms ja alles andere als gut. Sollte das noch ein paar Jahre so weiter gehen wird sich das natürlich auch auf die Substanz niederschlagen.
    Man bräuchte einen großzügigen Mäzen, der die Sanierung finanziert aber gleichzeitig auf einer Rekonstruktion des Inneren beharrt. :rolleyes: Wenn das Geld von außen kommt, könnte der Druck derart steigen, dass es eine politische Entscheidung gibt.

    Ist die Paulskirche eigentlich unterkellert?

  • Die Mäzene sollten sich erst einmal der Rekonstruktion der Rathaustürme widmen. Ich halte dieses Projekt für vorrangig. An der Paulskirche wird sich so schnell nicht viel ändern.

  • Wir sind ein reiches Land.
    Wir haben uns Bürgerrechte erkämpft.
    Wir haben Mann und Frau gleichberechtigt.
    Wir haben den Tiefpunkt der Menschheitsgeschichte ertragen und mehrere Diktaturen überstanden.
    Wir leben jetzt endlich in Frieden und Freiheit.

    Und wir stellen die weiß getünchten Wände eines peinlichen Nachkriegsminimalkonsenses unter Denkmalschutz?
    Nein, nicht wir, sondern die Kriegskindergeneration.
    Die Generation, die durch Materialismus und Desinfektion gekennzeichnet ist.
    Die Generation, die sich dadurch reinzuwaschen glaubte von ihren Traumata.
    Die Generation, die deshalb einen Rekordschuldenberg anhäufte und den Nachkommen hinterlassen wird.

    Die Kriegsenkelgeneration darf sich davon nicht vereinnahmen lassen. Muss sich davon abgrenzen. Muss also die einem Denkmal wirklich gerechte Sanierung einfordern. Und diese ist der Originalzustand vor 1945. Nur indem wir heute mit den Verwirrungen unserer Vorgänger aufräumen, können deren Wunden ausheilen. Dazu bedarf es Engagement und Entschlossenheit. Die Sprachlosigkeit haben wir immerhin schon überwunden.

    Einmal editiert, zuletzt von Goldstein (20. Januar 2018 um 10:00)

  • Nur der Vollständigkeit halber, da hinter einer Bezahlschranke:

    Zitat von faz.net

    Kraftakt für die Paulskirche:

    Ein Hilferuf an das ganze Land

    Der Wiederaufbau der Frankfurter Paulskirche – ein historischer Kraftakt. Aus eigener Anstrengung hätte die notleidende Stadt das nicht geschafft. Der Hilferuf fand große Resonanz.

    Im bombenzerstörten Frankfurt hat nach Kriegsende eine Not geherrscht, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen kann. Fast die Hälfte der in der Stadt verbliebenen 270.000 Einwohner war obdachlos. Rückkehrer und Zuzügler verschärften in den ersten Nachkriegsjahren noch die dramatische Wohnungsnot und Lebensmittelknappheit. Anstatt der eigentlich erforderlichen 2400 Kalorien pro Tag lagen die Rationen zeitweise bei nur 1600 Kalorien. In einer Notiz der städtischen Pressestelle hieß es im April 1948: „Weite Kreise unseres Volkes befinden sich in völliger Apathie. Der Hunger hat sie stumpf gemacht.“

    [...]

    http://www.faz.net/aktuell/rhein-…e-15477967.html

    Unter einem der Bilder zu dem Artikel, welches das aktuelle innere zeigt, steht nicht-ironisch "Schmuckkästchen". Damit ist wohl viel zum Tenor des Artikels gesagt.

  • Zitat von faz.net

    Umgestaltung der Paulskirche:

    Wiederkehr einer Debatte


    Die Rufe nach einer tiefgreifenden Umgestaltung der Paulskirche werden lauter. Das Verständnis für das architektonische Konzept der Nachkriegszeit ist verblasst. Dabei ist es einfach und schlüssig.

    Fried Lübbecke mochte die neue Paulskirche nicht. Als die „Frankfurter Neue Presse“ im Juni 1948 fragte, ob der Umbau geglückt sei, antwortete der Mann, der als „Altstadtvater“ und exzellenter Kenner der Baugeschichte der Stadt einen legendären Ruf genoss, sarkastisch: „Durch die gläsernen Hoteltüren und die Eingangsgrotte in Kinoarchitektur betrete ich den Untergrundbahnhof der Wandelhalle des Erdgeschosses mit den dilettantisch aus Aluminiumblech gebastelten Treppengeländern und steige die zu schmale Festtreppe zum Kirchenraum empor.“ Den hatte er bei anderer Gelegenheit mit einem Gasometer verglichen.

    Siebzig Jahre später häufen sich die Stimmen, die in das gleiche Horn stoßen wie einst Lübbecke. Den Anfang machte ein Beitrag in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ im vergangenen Herbst. Autor Benedikt Erenz rechnete darin geradezu gnadenlos mit dem Erscheinungsbild der Paulskirche ab: Wo Lübbecke von Hoteltüren gesprochen hatte, war nun von einem „Klinikportal“ die Rede.

    [...]

    http://www.faz.net/aktuell/rhein-…e-15537448.html

  • In der heutigen Papier-Ausgabe der FAZ heißt es, Untergruppierungen von FDP und SPD haben eine Debatte angestoßen, an der sich nun auch Vertreter von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung beteiligen. Die SPD im Ortsbeirat 1, der auch für die Altstadt zuständig ist, hat inzwischen einen Antrag vorgelegt, in dem sie ein neues Dach und die Wiederherstellung der historischen Empore samt Säulen fordern. Die SPD hofft dabei auf finanzielle Unterstützung durch den Bund. Eigenartigerweise hat neben SPD und FDP die Linkspartei für den Antrag gestimmt und neben den Grünen ist die CDU dagegen.

    Der Baudezernent Schneider und der Planungsdezernent Josef zeigen sich bislang "ambivalent". Schneider verweist u.a. darauf, dass zunächst geprüft werden müsse, wie genau ein zu rekonstruierender früherer Zustand dokumentiert ist und ob eine hölzerne Empore mit heutigen Brandschutzvorschriften vereinbar ist. Josefs Sprecher sagt immerhin, man wolle Rekonstruktionsideen nicht gleich eine Absage erteilen, andererseits habe das Bauwerk in seinem heutigen Erscheinungsbild einen "eigenen Stellenwert".

  • Der Stein kommt ins Rollen, sehr gut!

    All die wichtigen Momente der Paulskirche sind nun einmal eng mit ihrem historischen Antlitz verknüpft. Dieses muss wieder erlebbar werden! Meinetwegen kann man ja die Empore heute aus Stein ausführen, wichtig ist doch das Erscheinungsbild.


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zeit….jpg?uselang=de


    Wie viele Filmsets man sich allein sparen könnte dadurch... ;)

  • Ich hatte es bei der Schöpfung dieses Strangs ja bereits ausführlich dargestellt. Die heutige Situation ist derart schäbig, dass man sich dafür nicht nur schämen kann, sondern sogar muss.
    Die Defizite sind soo eindeutig, egal ob man es jetzt mit einem Krankenhaus, einer Kantine oder einem Heimatmuseum einer 2.000 Einwohnerstadt aus den 60-er Jahren vergleicht, all diese Assoziationen zeigen doch, wie mangelhaft eines der wichtigsten Denkmäler der deutschen Geschichte verunstaltet wurde und nicht nur das, es stellt sih auh die Frage, wie man es so unwürdig hat altern lassen können, dass es heute derart abgewirtschaftet aussieht, dass ich jetzt schon wieder derart wütend werde, wenn ich mich an meinen Besuch erinnere.
    Und die Lösung kann nur sein, dass man sowohl das historische Dach wie auch die Innenausstattung in den wesentlichen Elementen rekonstruiert. Denn bei allen politischen Polarisierungen der Gegenwart ist die Paulskirche doch mal ein Ort, der positiv "belastet" ist und wo es vielleicht nicht gleich die üblichen kontroversen Diskussionen gibt, insbesondere wenn die Farben Schwarz-Rot-Gold jenseits des Fussballs zum Tragen kommen.
    Es bestünde hier die Chance, einmal ein wirklich positives deutsches Denkmal zu kreieren, was den Geist des Selbstbewussten atmet und nicht der Depression. Ich würde mir jedenfalls sehr wünschen, dass wir für jetzige und kommende Genratonen einen Ort schaffen, bei dem man nicht nur intellektuell, sondern auch räumlich erfahrbar den Geist der Demokratie atmen kann, der eine Sternstunde deutscher Geschichte war und der gerade vor dem Hintergrund der Bedrohung genau jener Werte heute wichtiger wäre denn je.
    Daher kann die Lösiung eigentlich nur lauten: Es braucht die Rekonstruktion des Inneren der Paulskirche!

    APH - am Puls der Zeit

  • Dass die in der ausgebrannten Ruine stehengebliebenen Säulen damals überhaupt weggerissen wurden, ist schon ein Hammer. Andererseits: Wer weiß - hätte man die Ruine als Mahnmal stehengelassen, würde sich vermutlich heute niemand dranwagen. Außer der Dresdner Frauenkirche fällt mir keine als Mahnmal erhaltene Kirchenruine ein, die später aus ihrem Ruinendasein erlöst und wiederaufbaut worden wäre (wobei ich die zunächst aus diversen Gründen nicht und dann später doch wiederhergestellten Gotteshäuser wie die Magdeburger Johanniskirche oder den Königsberger Dom nicht mitzähle).

  • Zitat von Schlossgespenst

    Eigenartigerweise hat neben SPD und FDP die Linkspartei für den Antrag gestimmt und neben den Grünen ist die CDU dagegen.

    Eigenartige Lagerbildung SPD, Linke und FDP für Rekonstruktion, CDU, Grüne und Ökos dagegen. Da bin ich natürlich gespannt, wie der geschätzte Prof. Dr. Trüby das in seine Theorie einsortiert. Hängt wahrscheinlich von ab, wie sich die AfD positioniert...
    An sich eine gute Entwicklung und die Diskussionen scheinen interessant zu werden.