• Diesmal stelle ich euch Freudenberg vor, eine kleine Stadt am Main, am äußersten nördlichen Teil von Baden(-Württemberg).

    Die erste urkundliche Erwähnung fand 1159 statt als "Lüllenseit" statt. Kurz darauf hin bauten die Fürstbischöfe von Würzburg eine Burg über den Ort. 1287 wurde Freudenberg zur Stadt bezeichnet. Die Stadtrechte bekam Freudenberg aber erst 1333 durch Kaiser Ludwig dem Bayer. 1556 kam sie wieder an das Fürstbistum Würzburg zurück,1581 an die Herrschaft Löwenstein-Herrstein, seit 1612 wieder würzburgisch. 1806 auf Druck von Napoleon zu Baden geschlagen, seit 1952 zu Baden-Württemberg gehörig.


    Die kleine, aber feine Altstadt liegt sehr eng im Tal zwischen dem Main und dem Berg mit der Burgruine.


    Am Main haben sich ein paar Reste der mittelalterlichen Stadtmauer erhalten:


    Das erste schöne Fachwerkhaus vom südlichen Eingang der Hauptstraße mit schöner Muttergottes:

    Blick hinauf zum Berg:

    Etwas weiter ein schönes Fachwerkhäuschen von 1795 mit steinernen Erdgeschoss:

    Und eine schöne Gruppe mit einem gelbgestrichenen Fachwerkhaus, 17-18 Jh., erinnerte mich ein wenig ans Elsass:



    Etwas versteckt hinter der Hauptstraße, am Hang dieses Fachwerkgebäude mit vorkragenden Obergeschoss und leider heruntergekommener Umgebung:



    Ein Stück weiter nach Norden diese beiden Häuser, das rechte leider mit sprossenlosen Fenstern:



    ---Fortsetzung folgt---

  • Freudenberg a. M. wurde immer wieder in seiner Geschichte von schweren Mainhochwassern heimgesucht. Dekan Ludwig Mönch, Stadtpfarrer von Tauberbischofsheim, war der Sohn eines Freudenberger Bäckers und erzählte, dass er beim schweren Mainhochwasser 1909 mit dem Schelch, das ist ein hölzernes Fischerboot, zur Taufe in die Freudenberger Kirche gefahren worden sei. Das Wasser habe damals ein Stockwerk hoch in der Hauptstraße gestanden. Viele Freudenberger waren Schiffer und befuhren den Main und den Rhein, oft bis nach den Niederlanden. Sie verbrachten meist nur den Winter, wenn die Schifffahrt ruhte, daheim in Freundenberg. Auch brachten sie viele Ausdrücke und Redewendungen mit, so dass sich die Freudenberger Mundart vom Dialekt der Nachbargemeinden hörbar unterschied.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (30. Mai 2017 um 23:23)

  • Weiter gehts:
    Ein Renaissanceeingang von 1623

    direkt gegenüber von der barocken Kirche:



    Daneben das Fachwerkrathaus, das Sockelgeschoss spätgotisch von 1499:


    Das Fachwerk ist jedoch aus der Renaissancezeit von 1605


    Etwas weiter das alte Amtshaus von 1627. Es wurde mitten im Dreissigjährigen Krieg errichtet, 22 Jahre nach dem Bau der oberen Geschosse des Rathauses und ist schon vom Stil her frühbarock!

    Zwischen Rathaus und Amtshaus dieses fränkische Fachwerkhaus:



    ---Fortsetzung folgt---

  • Der letzte Teil dieser kleinen Galerie:

    Auf der linken Seite vom Amtshaus steht dieses Fachwerkhaus. Es wurde 1667 erbaut, das Erdgeschoss mit Ladeneinbau kam im 20 Jh. hinzu.

    Gehen wir die Hauptstraße weiter. Zu unserer linken Seite befindet sich der winzige Sternplatz:

    Auf der Nordseite befindet sich ein meiner Meinung nach sehr gut anpassender Neubau aus der Nachkreigszeit, der ein verputztes Fachwerkhaus imitieren soll und im "Rothenburger Stil" gehalten ist. cclap:)


    Ein Blick weiter in die Hauptstraße Richtung Norden:

    Das Haus Nr 188 besitzt reiches fränkisches Zierfachwerk und wurde im 17/18 Jh. errichtet.



    Noch etwas weiter Erbsengasse Nr 4 ein stattlicher Bau mit steinernen Erdgeschoss aus der Renaissancezeit von 1604 bezeichnet.


    Schließlich noch ein Blick auf die Mainbrücke mit Fahnenmasten:


    --- Ende ---

  • Daneben das Fachwerkrathaus, das Sockelgeschoss spätgotisch von 1499:

    Das Fachwerk ist jedoch aus der Renaissancezeit von 1605


    Das ist aber ein eigenartiges Fachwerk. Sehr wahrscheinlich wurden die Fassaden im 20. Jahrhundert weitgehend rekonstruiert, was ich aus der altertümlich aussehenden Fenstereinteilung schliesse, die auf den ersten Blick keinerlei Unregelmässigkeiten oder Veränderungen aufweist. Und trotzdem ist die Fenstereinteiluing irgendwie ahistorisch. Auf den Fotos erkennt man leider nur vereinzelte Balkenoberflächen genau, woraus man schliessen könnte, was neu ist und was alt. Jedenfalls sieht man aufgerauhte und glatte Balkenoberflächen. Im Web findet man fast keine brauchbaren Angaben zur Baugeschichte.

    Die überkreuzten Fuss- und Kopfstreben in Kombination mit Viertelkreisfussstreben sind typisch für das hessisch-fränkische Fachwerk des 15. Jahrhunderts, was zum spätgotischen Erdgeschoss von 1499 passen würde, keinesfalls aber ins Jahr 1605 (ich habe die Jahresangabe auch auf verschiedenen Webseiten gefunden, die aber offensichtlich einander abgeschrieben sind). Die Viertelkreisfussstreben mit diesem Gegenschwung am unteren Ende wirken sehr gekünstelt. Ich kenne keine historischen Vergleichsbeispiele dazu. Die Kopfstreben des 2. Obergeschosses sind in die Fensterstürze eingezapft anstatt in den Rähm, was konstruktiv völlig falsch ist. Auf der rechten Traufseite ist unklar, ob sie dort in den Rähm oder in einen von unten aufgedoppelten Balken münden.

    Auf der linken Traufseite erkennt man ebenfalls am 2. Obergeschoss Andreaskreuze in Kombination mit Viertelkreisbogen. Dies ist ein typisches Brüstungsmotiv, wie es ab Ende des 16. Jahrhunderts auftritt. Beim Freudenberger Rathaus ist das Motiv aber zwischen zwei Streben eingespannt, anstatt zwischen zwei Fensterpfosten (weiter links findet es sich zweimal zwischen zwei Fensterpfosten). Auch hier ist mir kein Vergleichsbeispiel bekannt. Die Balken in diesem Bereich sehen alle neu aus.

    Alles in allem eine liebevoll gemachte Restaurierung mit zimmermannsmässigem Geschick, vom Rekonstruktionsgedanken her aber ohne Sachkenntnis und für die Fachwerkforschung völlig unbrauchbar geworden.

  • Adolf von Oechelhäuser schreibt im 1896 erschienen Werk "Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden, Vierter Band, Kreis Mosbach" über das Fachwerk des Rathauses zu Freudenberg a. M. Folgendes: Die Thür, welche von der Terrasse des Amtshauses in die in schmucklosem Fachwerkbau errichteten oberen Geschosse führt, zeigt am Sturz die Jahreszahl 1605 und das Steinmetzzeichen (Anmerkung von mir: dieses kann ich leider nicht wiedergeben). Das Innere ohne Bedeutung. Die alte Decke der Rathsstube ruht auf 2 derben Holzstützen. Nun wissen wir also wo die Jahreszahl 1605 für die Fachwerkgeschosse des Freudenberger Rathauses herkommt. Bestimmt hat Riegel recht mit seiner Beurteilung des Fachwerks. Vermutlich wurde es irgendwann im Laufe des 20. Jh. weit gehend neu errichtet, wobei dann aus Unkenntnis einige Fehler unterlaufen sein dürften.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (2. Juni 2017 um 15:48)

  • Sehr wahrscheinlich wurden die Fassaden im 20. Jahrhundert weitgehend rekonstruiert,

    Auf der Homepage der Stadt Freudenberg steht: "Als man im Jahre 1908 den beschädigten Putz abklopft, kommt das Fachwerk zu Tage 'ein schöner altertümlicher Holzbau', der als '...Prachtgebäude zur Zierde der Stadt und des Landes hergestellt werden kann'. Vier Jahre später erfolgt die Restaurierung."
    Zwei Ansichten des Rathauses noch im verputzten Zustand findet man hier und hier. Täusche ich mich, oder zeichnet sich auf dem zweiten Bild das Fachwerk durch den Putz hindurch ab? Zumindest an der Seite ist die Befensterung anscheinend unverändert geblieben.
    Einige Innenaufnahmen

  • Danke für den Link. Ich war doch gestern auch auf Freudenbergs Homepage, bin dann aber auf der Seite der Führung durchs Rathaus stecken geblieben... Hier steht übrigens "Es trägt im Giebelfeld die Jahreszahl 1605 und stammt aus einem zweiten Bauabschnitt oder Umbaus." Dann ist für mich ganz klar, dass 1605 nur ein Umbau des 1499 errichteten Rathauses stattgefunden hat und kein Neubau der Fachwerkobergeschosse.

    Im Vergleich mit den beiden Ansichten im verputzten Zustand scheint es, dass an der Giebelseite an beiden Obergeschossen die äussersten Fenster zugemauert worden sind. Und an der Seite scheinen tatsächlich die geschosshohen Streben durch, nicht aber die Andresakreuze mit den Viertelkreisbogen, von denen sich mindestens eine dunklere Verfärbung hätte ergeben müssen.

    Wenn die Fassaden 1912 restauriert worden sind, dann verwundert es mich nicht, wenn dabei einige Veränderungen "schöner" als ursprünglich erfolgten. Denn damals galt Schönheit mehr als Authentizität.