Berlin - Neuer Marstall am Schlossplatz

  • Das sehe ich anders, denn es gibt ja wohl erheblichste Unterschiede. Oder willst Du behaupten, dass die Leistungen und Verfehlungen Bismarcks oder die des Königreichs Preussen unter Friedrich Wilhelm IV auf einer Ebene mit der sozialistischen Diktatur, welche sich einzig durch die Eroberung der Russen legitimiert hat ausbilden können, stünden? Nein, es ist nur fair hier zu Differenzieren und nicht einfach unhinterfragt jedes Denkmal stehen lassen zu müssen, als Teil der Geschichte.

    Ich will gar nichts behaupten, ich habe das lediglich aus der Sicht derjenigen geschrieben, von denen man genau weiß, dass sie Bismarck und Co. heute als absolut "unerträglich" empfinden, vor allem in Hinblick auf die große Kolonialdebatte. Und da kommst du mit differenzieren und hinterfragen nirgens hin, denn da lässt man nicht mit sich reden. Heimdall hat es über mir ganz gut erklärt.
    Ich wiederhole mich also nur noch mal knapp: Die beste Vorgehensweise heutzutage ist Tolerenz und Schutz für alle geschichtlichen Zeitzeugen.
    Wenn dieser Schutz aufgeweicht wird, dann landen nämlich Bismarck, Roon und Moltke als erste im Altmetall.
    Ernsthaft, das Bismarck heute überhaupt noch in Hamburg und Bremen steht, und nur "rekontextualisiert" wird, haben wir dieser Praxis zu verdanken.

  • Das hat aber einen hohen Preis. Nämlich dass das sozialistische Regime rückwirkend über die Jahrzehnte immer weiter relativiert und normalisiert, wohl sogar verharmlost wird. Ich finde diesen Preis zu hoch, wenn man dagegen nur Befürchtungen aufwiegen kann, dass womöglich unverhältnismäßig damit umgegangen wird. Wie gesagt, unsere osteuropäischen Partner verstehen diesen Preis und nehmen die Gefahr ernster. Wir reden hier über einen sowjetischen Satellitenstaat, dessen Erbe ganz klar ein anderes ist als das von Politikern, welche sogar von Bundesinstitutionen geehrt werden, wie im Falle Bismarcks.

  • Ich sprach von Begründungen im Fall der Fälle. Direkte Vergleiche gibt es derzeit nicht. Das wäre auch etwas konstruiert.

    Aber Bismarck ist nun mal für diese Leute der "Posterboy der AfD". Was gibt es heutzutage noch schlechteres?


  • Ernsthaft, das Bismarck heute überhaupt noch in Hamburg und Bremen steht, und nur "rekontextualisiert" wird, haben wir dieser Praxis zu verdanken.

    Immerhin würde das heutige Deutschland als moderner Nationalstaat ohne Fürst Bismarck und vermutlich einer der größten Deutschen überhaupt nicht existieren. Abgesehen einmal von der Reichseinigung, der ersten Sozialversicherung weltweit und dem Gründerboom, der auch heute mit den zu einem Teil noch existierenden Unternehmen, sogar immer noch für Wohlstand sorgt!

    Meiner Meinung nach sollte eher das kontextuiert werden, wenn man sich an diese Persönlichkeit einmal ernsthaft herantrauen möchte.

    Das heutige, von einem aktuellen Politiker bezeichnete „beste Deutschland aller Zeiten“ wäre ohne Fürst Bismarck überhaupt nicht denkbar.

  • Verstehe ich das richtig, das einige hier ganz überrascht/ungläubig sind, dass Bismarck heute so in der Kritik steht? Ist an denen komplett vorbeigegangen, dass die Bismarck-Denkmäler (und die Person selbst) zur Zeit in Hamburg und Bremen stark in die Kritik gekommen sind, die Maximalforderung sogar Abriss war, und man die Wogen nur mit Anbringung von "rekontextualisierenden Tafeln" und "künstlerischen Interventionen" glätten konnte, für jetzt zumindest? Oder dass unsere Außenministerin das Bismarck-Zimmer im Auswärtigen Amt (welches Bismarck gründete) erst kürzlich umbenannte und sein Portrait entfernte?

    Bremen:
    https://www.kreiszeitung.de/lokales/bremen…l-91401647.html

    Hamburg:
    https://www.abendblatt.de/kultur-live/ar…neu-denken.html

    Auswärtiges Amt:

    https://www.spiegel.de/politik/deutsc…24-4da5890b6b7e

    Nur der grundlegende Schutz, den diese Zeitzeugen genießen, hat die Hamburger und Bremer Denkmäler gerettet. Wenn der grundlegende Schutz für aus der Zeit gefallene Denkmäler aufgehoben wird, dann werden nicht zuerst die sozialistischen Denkmäler fallen, sondern Bismarck, Wilhelm I., Luther (ja, sogar der steht in der Kritik), Wagner und Co.

  • Ich empfinde diese ganze Diskussion doch als einigermaßen absurd. Und es ist auch ein Symptom dessen, was mich beim lesen dieses Forums doch immer wieder resignieren lässt. Treverer hat völlig richtig aufgezeigt, wie gefährlich es sein kann, sich mit diesem "Bildersturm von rechts" gemein zu machen. Fällt euch nicht auf, dass ihr die gleichen Argumente, wie diejenigen, die Denkmäler der Kaiserzeit abräumen lassen wollen oder Rekonstruktionen des Historismus verhindern möchten, anwendet? Eben nur auf Grundlage gegenteiliger ideologischer Präferenzen. Wie arbiträr diesbezügliche Aussagen dadurch werden, liegt doch auf der Hand.

    Viel sinnvoller wäre es doch, wenn man sich doch mal wirklich dem modernen Denkmlabegriff annähert und Bauten und Kunstwerke im öffentlichen Raum als Zeugen des historischen Zeitgeistes betrachtet. Selbstredend muss dieser doch nicht mit den eigenen Meinungen und Überzeugungen übereinstimmen. Dies einzufordern wäre nur ein weiteres Beharren auf einer alternativen "political correctness". Mit dem gleichen Argument müsste man in Berlin alles, was ikonografisch mit der Monarchie assoziiert ist, durch "demokratische" Werke ersetzen.

    Nehmt euch persönlich doch einfach etwas zurück und betrachtet die Reliefs als interessantes Beispiel sozialistischer Denkmalkultur und Geschichtsrezeption!

    Dabei ist die Kategorie, ob die Aussage des Werkes "wahr" ist, vollkommen fehl am Platz. Wie "wahr" ist z.B. aus unserer Perspektive die Legitimität der Monarchie durch Gottesgnadentum? Dennoch würde man nicht die mit dieser verbundenen Reiterstandbildern der Hohenzollern abräumen lassen. Wahrheit ist, abseits der Naturwissenschaften, stets ein Konstrukt. Auch eine Lehre, die sich im offenen Umgang mit Denkmälern finden lässt.

  • Mir gefällt eigentlich die heutige, stärker klassizistisch wirkende Fassung besser.

    (ad Neuer Marstall)

    Mir geht es eigentlich auch so. Aber das muss man nicht so sehen. Jedenfalls war/ist dieser Bau - in welcher Form auch immer - kein Ruhmesblatt für seine Zeit. Und dass dieser Bau sogar in seiner reduzierten Form heute so etwas wie ein Hingucker ist, über den man froh sein muss, sagt alles über das heutige Bauen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wunderschön! Die beiden Wandbrunnen erinnern mich ein bisserl an die beiden Wandbrunnen an den beiden Flanken des Michaelertraktes der Wiener Hofburg am Michaelerplatz.

    Ich kann mir aber schon vorstellen, dass die beiden Wandbrunnen in Berlin früher oder später wieder rekonstruiert werden. Dafür wird noch etwas Zeit vergehen, aber irgendwie schreien diese Stellen danach wieder vervollständigt zu werden. In Wien sind diese Wandbrunnen ein schöner Anziehungspunkt, vor allem im Sommer, wenn sie in der Nacht beleuchtet sind! Alles wird irgendwann wieder gut.

    Ja, die Analogie zum Michaelerplatz in Wien drängt sich auf. Vielleicht könnten die Brunnen darüber hinaus eine Reminiszenz an Schlüters und Eosanders Münzturmprojekte gewesen sein.


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich empfinde diese ganze Diskussion doch als einigermaßen absurd. Und es ist auch ein Symptom dessen, was mich beim lesen dieses Forums doch immer wieder resignieren lässt. Treverer hat völlig richtig aufgezeigt, wie gefährlich es sein kann, sich mit diesem "Bildersturm von rechts" gemein zu machen. Fällt euch nicht auf, dass ihr die gleichen Argumente, wie diejenigen, die Denkmäler der Kaiserzeit abräumen lassen wollen oder Rekonstruktionen des Historismus verhindern möchten, anwendet? Eben nur auf Grundlage gegenteiliger ideologischer Präferenzen.

    Scheinbar hast Du noch nicht verstanden, welche bedeutenden Unterschiede es zwischen den Argumentationen gibt. Die monarchischen Symboliken sind in einer historischen Kontinuität entstanden. Wir haben uns nun mal von Monarchien hin zu demokratischen Systemen entwickelt. Alle europäischen Nationalstaaten haben dies so durchlaufen. Aber auch die Diktatur des 3. Reiches gehört dazu, so wurde diese frei gewählt und hat dem damaligen Zeit- und Gesellschaftsgeist entsprochen. Die sozialistische Diktatur ist hier jedoch diametral anders. Sie wurde durch Okkupatoren eingesetzt, die infolge unserer Aggression unser Land zerteilten und zu deren Einflusssphären erklärten. Hier gab es keine Kontinuität, im Gegenteil, die DDR vollzog einen Bruch, wie ich am Beispiel Bismarcks bereits ausführte. Das ist KEINE ideologische Präferenz, wenn man die Werke der DDR anders behandelt, als den Rest. Wer behauptet, das wäre ideologisch begründet, der weist sich eher selbst als jemand aus, der hier gegen die Ratio agiert. Oder sind jetzt plötzlich die ganzen Osteuropäer gegen Denkmalschutz, sind ideologisch rechts und vernichten nun Denkmäler zu unrecht? Sind die jetzt plötzlich "alternativ political correct"? Ich denke nicht.

  • Es handelt sich um ein dünnes Netzgeflecht.

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    Zwei Aufnahmen aus dem Königlichen Marstall an der Breiten Straße von Hugo Rudolphy aus dem Jahr 1898. Wo genau sich die Ställe befanden, kann ich leider nicht sagen - ich vermute rückwärtig Richtung Spreeufer. Vielleicht weiß jemand mehr?

    "Großer Stall"

    bmrst_grstxvien.jpg

    "Klosterstall"

    bmrst_klst6bdo3.jpg

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)