• Architekteninitiative gegen Weltkulturerbestatus von Innsbruck

    INNSBRUCK-STADT.Gegen die Aufnahme Innsbrucks in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes bildete sich jetzt eine Architekteninitiative, mit dem Ziel, aus dem Aufnahmeverfahren wieder auszusteigen. Die Tiroler Architekten setzen sich zur Wehr, weil ihrer Ansicht nach die Gefahr eines Stillstandes in der Stadtentwicklung droht, da nur mehr "historisierendes Bauen" möglich sei (UNESCO-Weltkulturerbe-Konvention von 1972). Dieser Meinung äußerten Vertreter der Tiroler Architektenkammer, des Landesverbandes der Tiroler Architekten sowie des Architekturforums Tirol bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Gerade in den letzten Jahren befände sich Innsbruck auf einem guten Weg der Wiederbelebung der alten Stadt durch neue Architektur. Das gültige Denkmal- und Ortsbildschutzgesetz lasse auch Neues zu, doch Projekte wie das neue Innsbrucker Rathaus von Dominique Perrault oder die neue Bergiselschanze von Stararchitektin Zaha Hadid wären nach Meinung der Architekturinitiative mit dem Weltkulturerbe nicht möglich gewesen. So sehen es auch die Grünen und brachten im November einen dringlichen Antrag im Gemeinderat ein. Der Gemeinderat möge beschließen, dass "wegen der nachteiligen Auswirkungen auf die eigenverantwortliche Gestaltung der künftigen Stadtentwicklung die Aufnahme in die Liste des geschützten Weltkulturerbes weder betrieben noch gewünscht wird". Der Antrag der Grünen erhielt allerdings nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit für seine Behandlung. Im Jänner soll der Antrag erneut eingebracht werden. Selbst Landeshauptmann Van Staa, in dessen Ära als Innsbrucker Bürgermeister der erste Brief im Jahr 2000 an die UNESCO geschickt wurde, erklärte unlängst öffentlich, nur die Hofkirche und Schloss Ambras als Weltkulturerbe schützen lassen zu wollen. Was die Grünen auch stört, ist die Art der Entscheidung, sich für das Weltkulturerbe zu bewerben. Der Gemeinderat war mit dieser Causa nie befasst, so der grüne Gemeinderat Gerhard Fritz, der vermutet, dass primär der Innsbrucker Tourismusverband am Prädikat Weltkulturerbe interessiert ist, ohne die Folgen für die Stadtentwicklung zu bedenken. (Quellen: Tiroler Tageszeitung, 03.12. u. 20.11.2004, APA-Meldung, 02.12.2004, Antrag der Grünen vom 18.11.2004)


    :gehtsnoch::gehtsnoch::gehtsnoch:

    Heute bin ich nach ein paar Jahren mal wieder durch Bregenz gefahren, und beim Anblick der meisten (durchgängig im Kastenstil und teils mitten in Altstadtensembles gesetzte) Neubauten komme ich zu der Vermutung, daß die österreichische Architektenszene die deutsche in Sachen Radikalität, Traditionsablehnung und Bauhaustreue noch bei weitem übertrifft. Der Bericht über Innsbruck entspricht dem Eindruck. Daß man sogar die Aufnahme ins Weltkulturerbe für die Ideologie zu opfern bereit ist, hätte ich bisher nicht für möglich gehalten.

    In dubio pro reko

  • wirklich erschreckend, zu was die architekten alles bereit sind, um ihre ideologien durchzusetzen. die "vorarlberger schule" ist mir aus dem hochschulstudium nur zu gut bekannt: spartanische holzkisten, die in den alten bergbauerdörfern errichtet werden, sind mittlerweile zum anerkannten exportschlager geworden.

    kann man gegen die blockade in innsbruck nichts unternehmen?
    es wäre sehr wichtig, dass nicht auch innsbruck die vollen auswirkungen des modernismus zu spüren bekommt.

    eine reise durch tiroler gemeinde zeigt bereits heut z.t. erheblich in mitleidenschaft gezogene ortskerne, die auf andere art und weise als in deutschland zeigen, wie rücksichtslos mit dem baulichen erbe umgegangen wird und wie qualitätslos die gestaltung des neuen ist.

  • wie so oft bin ich für basisdemokratie:
    ob eine stadt sich um den weltkulturstatus bewerben will oder nicht sollen die bürger entscheiden (und nicht die architekten).

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Wie lächerlich... ich hoffe mal wirklich, dass sich die Architekten nicht durchsetzen! Schließe mich Antiquitus an... Basisdemokratie.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • übrigens halte ich in diesem fall die basisdemokratie für besonders erforderlich, weil ein solcher status durchaus erhebliche eibnschränkungen bedeuten kann. einen guten bürger sollte das aber nicht stören, sondern der status sollte ihn mit stolz erfüllen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • bezeichnende diskussion - ich hoffe es waren großteils studenten der tu graz, die sich tatsächlich an der architektur und nicht aus neid an diesem klotz erhitzt haben. dann bestünde einmal mehr hoffnung auf veränderung...

    wie gesagt, dirk, halte uns bezüglich innsbruck bitte auf dem laufenden.

  • wie und warum konnte die stadt innsbruck dem abriss bereits
    zustimmen, ohne zu wissen, was anschließend dort hinkommen
    wird? das ist ein unermesslicher schaden für das strassenbild.
    stehen die historischen gebäude nicht unter denkmalschutz?
    warum läßt man nicht wenigstens die fassaden stehen?

    fühle mich in die rücksichtlosigkeit der 70er jahre und
    der brutalismus-ära versetzt bei diesem anblick
    bin entsetzt, geschockt!!! :schockiert:

  • Dabei ist Innsbruck schon eh gestraft mit der Stadtbildverschandelung v.A. in den letzten 30 Jahren. Als ich in dieser Stadt war, fand ich außer der traumhaften Lage, der Fußgängerzohne und dem innenstadtnahen Villenviertel die Stadt eher zum weglaufen!

  • Ich hab das Gefühl die Österreicher sind noch unsensibler in Bezug auf ihren architektonischen Bestand als die Deutschen. Solche unerhörten Vorgänge wären hier mittlerweile kaum noch gegen den öffentlichen Protest durchzusetzen. Oder ist es einfach der Umstand, daß deren Städte noch reich an Altbauten sind und man somit leichtfertig Denkmalzerstörung betreibt?

    http://diepresse.at/Artikel.aspx?c…661&gesamt=true

    In dubio pro reko

  • Zitat von "Dirk"

    Ich hab das Gefühl die Österreicher sind noch unsensibler in Bezug auf ihren architektonischen Bestand als die Deutschen. Solche unerhörten Vorgänge wären hier mittlerweile kaum noch gegen den öffentlichen Protest durchzusetzen. Oder ist es einfach der Umstand, daß deren Städte noch reich an Altbauten sind und man somit leichtfertig Denkmalzerstörung betreibt?

    http://diepresse.at/Artikel.aspx?c…661&gesamt=true

    Jedes Wort von Dir stimmt hier - leider! Wenn ich mir ansehe, welcher Schrott permanent in Wien produziert wird und welch großartige Architekten in Berlin zum Zuge kommen (Kollhoff, Stuhlemmer, Patzschke), dann kann man nur den Kopf schütteln. Ich denke auch, dass die Fülle an Baudenkmälern dazu geführt hat, dass man (Wiener Stadtregierung) sich um das Alte nicht immer besonders viel schert. In Deutschland (wenn ich L und DD als Beispiel heranziehe), würden die gesamten Gründerrzeitviertel schon längst unter Denkmalschutz stehen. Naja, wer mit dem Auto nach Wien einfährt, kann auf großen Lettern lesen: "Wien ist anders".

    Die Gründe dafür sind auch in Wien vielfältig. Zum einen ein öfters ins Weinglaserl schauender Bürgermeister, um das einmal lieblich zu sagen und auf der andern Seite eine Parteiriege (In Wien haben die Sozialisten die absolute Mehrheit?!), die wie in der DDR noch, an nahestehende Parteiarchitekten Aufträge vergibt. Das da nichts Weltstädtisches dabei heraus kommt, ist da kein wunder. Zum Glück hat Wien "Transdanubien", wo sich momentan die gewaltigsten Erektionen auftun, die Wien erlebt hat. Zum Glück fern der Innenstadt, leben wir Wiener dort unsere neurotischen Potenzprobleme aus. Um es andersrum (im Vergleich zu Berlin) zu sagen: Wien ist reich und schön, aber nicht sexy! :gg: (das schön bezieht sich auf Zeiten, als es noch eine andere - nicht rote - Stadtregierung gab).

  • Zitat von Stefan

    wie geht es weiter mit dem kaufhaus "tyrol"?

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    Wahnsinn :!:

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    Ist ja krass, wie der Bagger die schönen Fassaden "auffrisst". Also gibt es auch in Österreich so hirnverbrannte, die solche Schmuckstücke vernichten. :(

  • Ging ich noch davon aus, dass zumindest eine Fassade gerettet werden könnte, wurden nun tatsächlich beide Gebäude abgebrochen...
    und diese löchrige, modisch-überholte Fassade wird wohl tatsächlich
    gebaut - das ist ein Skandal!!!

    Hier wird man das Baugeschehen der kommenden Monate live betrachten können, seht selbst:

    http://live.tyrol.at/innsbruck-stadt/

  • Totaler Irrsinn, eine solch prächtige und vollständige Häuserzeile einfach aufzubrechen. Ist für mich so ziemlich die unbegreiflichste Aktion der letzten Zeit. :?

    In dubio pro reko

  • Um das neue "Kaufhaus Tyrol" wieder aus der Versenkung zu heben...
    so solls wohl aussehen:

    http://www.signa.at/28.html

    der Innsbrucker Architekt Michael Prachensky fasst den Verlauf des Vorgänge zusammen und freut sich über das Ergebnis...

    http://www.prachensky.com/michael/presse…rvernichter.php

    Keine löchrige Käsefassade, doch mit dieser großen Belanglosigkeit
    darf sich Chipperfield nun ein Mahnmal an der Innsbrucker Prachtstraße
    setzen...Baukultur zu Beginn des 21.Jahrhunderts. :?


    Wie viel Wasser muss, auch den Inn, noch hinab fließen,
    bis die Mehrheit der Architekten verstehen... :augenrollen:


    http://1.bp.blogspot.com/_PuaB0sEohhs/R…aus%2BTyrol.jpg
    Diese beiden Gebäude des Kaufhauses wurden abgebrochen...

    http://www.prachensky.com/michael/bilder…fassade-400.jpg
    http://farm4.static.flickr.com/3104/2610163795_582e6671d7.jpg?v=0
    ...dieser Gebäudeteil hat wohl überlebt und wird mit modernistischem Dachaufsatz in den Neubau integriert!?


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    Kritischere Texte und Bilder, die nachdenklich stimmen...

    http://novemberpogrom1938.at/d/Maria_Theresien_Strasse.html

    http://picasaweb.google.com/gerhard.riha/K…760731468873858


    Hier stehen die Gebäude noch (Rückansicht):
    http://lh6.ggpht.com/_lkIwSzzmhuA/R…Sg/DSCN0118.JPG


    Und dann der Abbruch:
    http://lh5.ggpht.com/_lkIwSzzmhuA/R…jA/DSCN0449.JPG
    http://lh4.ggpht.com/_lkIwSzzmhuA/R…0050116+007.jpg
    http://lh4.ggpht.com/_lkIwSzzmhuA/R…2g/DSCN0437.JPG
    Das Gebäude im letzten Bild ganz links bleibt erhalten.