Ich möchte nochmal betonen, dass Kritik selbstverständlich erwünscht ist. Nur dürfen andere sich eben auch kritisch mit der Kritik auseinandersetzen. So entsteht eine Diskussion.
Und über das Blobelhaus lässt sich trefflich streiten. Stellt es eine schöpferische Weiterentwicklung traditioneller Bauformen dar oder verdirbt es den guten Geschmack? Ist es Kunst? Was darf Kunst?
Treverer wies weiter oben auf den Kanon von 8 Kopflängen in der Lehre von den menschlichen Proportionen hin. Das ist richtig. Und es ist gut, dass diese Grundlagen an den Kunstschulen gelehrt werden. Aber wir wissen, dass viele Künstler nach dem Studium von den akademischen Regeln abweichen. Die Kunst des 20. Jahrhunderts folgt zum großen Teil nicht der akademischen Tradition. Wenn hier nun eben kein historisches Gebäude rekonstruiert wird - der Bauherr, Günter Blobel, wollte das ausdrücklich nicht -, warum sollen sich dann die Bildhauer nicht gewisse Freiheiten gegenüber dem Handbuch von Seinsheim nehmen dürfen?
Wir sprechen gerne von Bau-Kunst. Warum soll dann der Fassadenschmuck abgehandelt werden wie Wärmedämmung oder Brandschutz, für die es zahlreiche Normen und Vorschriften gibt? Gibt es eine DIN-Norm für Karyatiden?
Meines Erachtens spricht die Tatsache, dass uns das Blobelhaus zu diesen Diskussionen anregt, dafür, dass es gewisse künstlerische Qualitäten hat.