Dresden, Neumarkt - Quartier VI - Blobel

  • Ich bin wohl weniger historismusfeindlich als viele hier und finde das was ich sehe, keinesfalls so katastrophal wie meine Vorredner. Die Fassade ist etwas überladen, aber um das genau beurteilen zu können, müsste man schon detailiertere Visualisierungen haben. Das Dach kann ich auch nirgends sehen und daher auch nix zu sagen.
    Allerdings habe ich lieber 10 solcher Gebäude als ein Stellwerk Kunstwerk am Neumarkt. Ob Leute die sowieso rekofeindlich eingestellt sind dann mit der schon bereit liegenden Disneykeule um die Ecke kommen, ist mir da ehrlich gesagt völlig wurscht.

  • Ich bin wohl weniger historismusfeindlich als viele hier und finde das was ich sehe, keinesfalls so katastrophal wie meine Vorredner.

    Das Problem ist wohl eher, wie sehr diese "Neuinterpretation" das Original verballhornt. Diese gestauchte "Zwergengalerie" mit ihren Zwerg-Karyatiden ist ja wohl der Gipfel der Lächerlichkeit.

    Hätte das Haus durch seinen Ort und seine (immer noch bestehenden) Anleihen an das Original nicht den Anspruch eine (Teil)-Rekonstruktion zu sein, sondern wäre es als irgendein Neohistorismus-Gebäude in Berlin entstanden, wäre alles auch halb so wild.

  • Für Blobel sind das wuchtige 2 geschössige Schaufenster Mängel in den Proportionen, die er nun beseitigt. Außerdem war ihm die Dachlandschaft zu kraftlos und geduckt.
    Ebenso empfand er die Balkonbänder als zu hoch angesetzt.
    Aber Details wie Figuren unter den Balkonen und die allgemeine Fassadengestaltung hat er übernommen und werden rekonstruiert.

    Wenn er soviel Mängel an dem Ursprungsbau empfindet, warum muss er dann das Grundstück entwickeln. -.-

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Um vergleichen zu können, wie groß die Abweichungen zum Originalbau sind hier die Arte4D Visu:


    http://archiv.neumarkt-dresden.de/neumarkt13-14.html
    Und das Original:
    http://archiv.neumarkt-dresden.de/kaufhaus-Au-petit-Bazar.html


    Das hat nun in der Tat nichts mehr mit dem Originalbau zu tun. Die Neuschöpfung sollte für sich betrachtet werden. Der Übergang zum Nachbarn fällt zuerst am meisten negativ auf. Die Fassade an sich mag noch okay sein. Aber ich verstehe überhaupt nicht, weshalb Blobel das Original derart verändern muss/will/möchte!? Wozu? Was ist der Grund? Das gab es am Neumarkt noch nicht. Ein Bärendienst für die Rekobewegung! Sehr schade!
    Das Ladengeschoß ist völlig seiner edlen, großzügig, repräsentativen Ausstrahlung beraubt. Die Karyatiden sind zu kleinen Witzfigürchen reduziert. Und so weiter ... tsss!?
    Wird wengistens die handwerkliche Ausführung historismusgerecht?

    EDIT:
    Apropos "Verständnis für Proportionen": habe gerade ganz grob nachgemessen und ausgerechnet. Am Original teilt das obere Ende/Kante des Schaufensters die Fassade bis zur oberen Traufkante bezogen genau im Goldenen Schnitt, was aber, wie ich finde durch das massive Balkonband etwas verunklärt wird. Statt die Schaufenstergeschosse als das ursprüngliche Hauptgliederungselement zu verändern, hätte ich die Balkone verschlankt oder irgendwie so modifiziert, damit sie nicht so sehr die Proportionen verschieben. Aber in der "Reko": GS is futsch, Ausstrahlung dahin!
    (Überdies teilt das mittlere Gesims die Schaufensterzone noch einmal in etwa im Goldenen Schnitt, d.h.genauer die Brüstung des 1.Obergeschosses. Die zweite goldene Teilung ausgelöscht!)

  • Dadurch das die USD ihre Geschosse gestaucht hat, um ein weiteres einzufügen, wirkt das ganze zum Au petit bazar noch viel unharmonischer, da dort die Obergeschosse gestreckt sind.
    Das ist fast ein Verhältnis von 2 zu 4 Geschossen auf die Selbe Höhe.
    Und die Übergangsfensterachse erst, wo auch im EG ein Schaufenster fehlt, da dort nun ein Hofeingang ist.
    Der untere Balkon ist übrigens nichtmehr umlaufend er hört an der Ecke auf. Also entweder gibt es jetzt 2 Balkone im 1. OG oder der in der Frauenstraße ist komplett weg?

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Jetzt ist die Katze zumindest mal aus dem Sack und man kann über Fakten diskutieren.

    Ich sehe den Bau sehr ambivalent und würde aktuell eher der Position von Oktavian zustimmen als dass ich mich über den Bau wirklich freuen könnte.
    Ich will dies auch gerne begründen. Positiv ist, dass uns der nächste gesichtslose Füllbau erspart bleibt. Der Bau war kein Leitbau, theoretisch hätte da auch ein weiterer Stellwerkentwurf kommen können. Das ist schon mal auf der Habenseite, aber dann kommt das große Aber:

    Es wurde bereits angesprochen, das es sich nicht mehr um eine Rekonstruktion handelt, dafür ist der Bau zu sehr abstrahiert. Prizipiell hätte ich nix dagegen gehabt, wenn man es gut gemacht hätte. Aber hier stimmt leider sehr wenig. Die Proportionen, das Dach, der Übergang zum Nachbar ist nicht nur ob der völlig grotesk wirkenden Hofeinfahrt (wie kommt man auf die Idee, sowas derart zu machen?) völlig missraten, auch der Übergang an sich wirkt völlig ahistorisch, gepaart mit der Streckung des Blobelbaus und der Stauchung bei dem USD-Bau wirkt das in der Summe alles völlig seltsam.

    Auch der Fassadenschmuck sieht eher nach russischem Zuckerbäckerstil aus als nach einem historischen Bau. Das ist eben das Resultat, wenn heutige Architekten historisch bauen wollen, es aber nicht können.
    Ich stimme oktavian daher zu, dass es besser gewesen wäre, dass man komplett rekonstruiert hätte oder ein völlig neues Historismusgebäude entworfen hätte. Dieses Mittelding ist irgendwie sehr unbefriedigend.

    Was mich dann auch alles etwas verwirrt zurücklässt, weil ich mich frage, warum Blobel das erstens macht und zweitens frage ich mich, wie er dieses Ding durch die Kommission und die Verwaltung gebracht hat. Da man weiß, was die früher alles verhindert haben, stellt sich mir die Frage, wieso man hier so "nachsichtig" war. Oder ob man bewusst die Blamage in Kauf nimmt, um in Zukunft Munition gegen weitere Rekos im Stadtgebiet zu haben, damit man mit dem Finger drauf zeigen kann, dass man sowas nun eben nicht nochmal will.

    So bleibt in der Summe, dass man zwar einen Bau bekommt, der meiner Meinung nach - besonders an der Stelle - besser ist als ein weiterer grauer Kasten, aber ich muss schon sagen, dass der Bau für die Rekoidee der Sache eher weniger zuträglich ist. Leider.

    APH - am Puls der Zeit

  • ... und zweitens frage ich mich, wie er dieses Ding durch die Kommission und die Verwaltung gebracht hat. Da man weiß, was die früher alles verhindert haben, stellt sich mir die Frage, wieso man hier so "nachsichtig" war.

    Ganz einfach: Das Grundstück kam aus Privatbesitz - nicht auch städtischem - in Blobels Hände.
    Für das gesamte Quartier existiert kein gültiger B-Plan, also bleibt nur § 34 Baugesetzbuch - und nach dem ist so gut wie alles möglich (bei Architekten "Brech-Paragraph" genannt, da man erst, wenn man br...en muss, etwas verändern kann/darf).
    Dieselbe Situation besteht übrigens auch für die USD mit dem Chiapponischen Haus. Deshalb wird dort so gebaut, wie eben gebaut wird. Die Stadt hat in beiden Fällen keinerlei Rechtsinstrument, die Bauten zu verhindern

    .... weil ich mich frage, warum Blobel das erstens macht ...

    DAS fragen sich andere Leute auch schon seit Jahren.....
    Aber wartets: Das DACH habt Ihr noch nicht gesehen.....

  • Alles vergeht auf dieser Welt, lieber Jörg, alles vergeht.....

    "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
    und alle Herrlichkeit des Menschen
    wie des Grases Blumen.
    Das Gras ist verdorret
    und die Blume abgefallen."
    (Brahms, Deutsches Requiem, nach 1. Petrus 1, 24)

  • Mir gefällt diese zeitgenössische Neuinterpretation soweit ganz gut. Das Dach würde ich gern noch sehen wollen.

    Wer sagt denn dass es eine Rekonstruktion sein muss?

    Man kann auch heutzutage schön bauen ohne rekonstruieren zu müssen. Ich glaube das zu zeigen ist Blobels Intention.

  • Finde die Blobel-Variante durchaus interessant, allerdings ist das Ganze im Sinne des Rekonstruktionsgedankens doch etwas fragwürdig. Um nicht zu sagen, ziemlich fatal.

    Wobei man sagen muss, gerade zu Zeiten des Historismus ist man mit diesen Dingen schon einmal viel entspannter umgegangen und hat dabei häufig Großartiges geschaffen. Vielleicht sollten wir uns auch eine gewisse Lockerheit angewöhnen, wenn wir allerorten wieder mehr klassisches Bauen sehen wollen.
    Wenn das Ganze zu starr und verbissen angegangen wird, verlieren wichtige Akteure -und gerade die Bauherren- wohl eher die Lust. Zumal uns ja auch gerade daran gelegen sein sollte, dass aus dem klassischen Formenkanon auch Neues, gern auch mal Innovatives entsteht. Das ist doch der Kern der neuklassischen Bewegung.

    Allerdings stimme ich zu, dass hier leider der falsche Ort dafür ist. Das wäre eher etwas für einen Standort, an dem eben keine Leitbaurekonstruktion vorgesehen ist und es ggf. keinen (so) bedeutenden Vorgängerbau gab.

  • Im Gegensatz zur Online-Ausgabe hat die SZ in der Druck-Ausgabe die Visualisierung inklusive Dach abgebildet.
    Oktavian hat recht, das Dach ist einfach inakzeptabel.
    Noch schwerer wiegt aber - wie ich finde - der "Übergang" (wenn man ihn denn überhaupt so nennen darf) zum Patrizia-Bau. Der auf dem Online-Bild gerade noch zu sehende Einschnitt über der Hofeinfahrt wird von einem Glas-Satteldach "gekrönt", es gibt also keinen fließenden Übergang zum Dach nebenan. Das sieht einfach grotesk aus.
    Sehr schade, das alles.

    Da kann auch die geplante Baumreihe nicht wirklich helfen (welche ich übrigens nie als "Bereicherung" gesehen habe).
    :/

    Und auch hier wieder die schrecklichen quadratischen Dachgauben am Mittelbau...

  • Endlich erfährt man (fast) etwas konkretes! Nun hab ich mir die Planung und den Ursprung knapp 30min lang angeschaut und komme zu einem zweiteiligen Ergebnis.

    Aus Sicht einer wünschenswerten Reko ist es natürlich ernüchternd, im Prinzip schließe ich mich da Oktavian an.

    In Anbetracht der allgemeinen städtebaulichen Situation und dem Bau an sich bin ich dann aber eher positiv gestimmt, auch wenn es da auch schon erwähnte Mangelpunkte gibt: Der Übergang zum Nachbarn, die Geschosshöhen und die Gestaltung der 3 Geschosse über der Ladenzone (diese sollte sich eher um Vorgängerbau orientieren, zu überladen).

    Die schon angedeutete und von Oktavian angekündigte Blamage "Dach" wird wohl in beiden Ansichten ein Minuspunkt werden. Ein Staffelgeschoss? Da ist es vollkommen egal ob es eine Styropor-Putz-Kiste oder klassisch gestaltet mit Balustrade davor wird. Passt nicht! Aber mal sehen...

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Ein Staffelgeschoss? Da ist es vollkommen egal ob es eine Styropor-Putz-Kiste oder klassisch gestaltet mit Balustrade davor wird. Passt nicht! Aber mal sehen...

    Ihr seht doch schon auf dem bisher veröffentlichten Bild am oberen linken Rand des Gebäudes, dass es ein Staffelgeschoss hat. Aber das ist noch immer nicht alles. The best is yet to come...

  • Ihr seht doch schon auf dem bisher veröffentlichten Bild am oberen linken Rand des Gebäudes, dass es ein Staffelgeschoss hat. Aber das ist noch immer nicht alles. The best is yet to come...

    Ich weiß, das meinte ich mit...

    Die schon angedeutete und von Oktavian angekündigte Blamage "Dach" ...


    Die von Bert erwähnte Visu vom Dach in der SZ wäre jetzt wirklich interessant. Was ist schlimmer als ein Staffelgeschoss? :--)

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.