Die Bewegung „manifantastisch“

  • „manifantastisch“ ist eine Bewegung, die von zwei Architekturstudierenden der Universität Stuttgart ins Leben gerufen wurde.

    Mit ihrem Manifest widmen sie sich den ethischen und ökonomischen
    Problemen, mit denen sie die zeitgenössische Architektur konfrontiert
    sehen.

    Punkte des Manifestes "Zur Rettung der Architektur" werden von Aktionen begleitet und aufhttps://l.facebook.com/l.php?u=http%3…jAtZW6b0tAM&s=1 veröffentlicht.

  • Und hier der Direktlink ohne facebook: http://www.manifantastisch.de/

    Die ersten sechs Manifestpunkte klingen überwiegend ganz gut nach Überfliegen:

    I Architektur ist Kunst


    II Keine Idee darf aus Angst vor Widerspruch nicht ausgesprochen werden


    III Verlasst euch nicht nur auf die Lehre der Autoritäten. Werdet zu Autodidakten


    IV Wir verabscheuen Dogmen und Normen die unsere Fantasie unterdrücken


    V Wir lassen uns nicht von den ökonomischen Gesetzen verpflichten


    VI Wir müssen uns gegen die Homogenisierung und Rationalisierung der Architektur wehren


    Doch dann finde ich wird es eher schwierig:

    VII Wir fordern gefährliche Architektur

    Architektur muss gefährlich sein! Schlechte Architektur ist
    menschenfreundlich, Architektur geprägt von Normen, ornamentiert mit
    Sicherheitsvorkehrungen (?), Investorenarchitektur. Schlechte Architektur
    will 
den betäubten Zustand des Menschen beibehalten, ihn in ein
    Hamsterrad stecken und konsumieren lassen, damit keine aktiven Gedanken
    entwickelt oder gar realisiert werden. Die Architektur die wir verlangen
    und brauchen muss gefährlich sein! Sie muss den Menschen endlich
    aufwecken! 
Sie muss ihm wieder Impulse, die zum Nachdenken und aktiven
    Handeln animieren, geben. Sie muss den aktiven Austausch des Individuums
    mit seiner Umwelt schaffen. Architektur ist nicht nur Haus und Hülle,
    sie ist unsere dritte Haut! Sie ist ein fester Bestandteil unserer
    Kultur.
    Wir müssen wieder mutiger, lauter, emotionaler, fantasievoller,
    leidenschaftlicher, geheimnisvoller, extremer, unbequemer und vor allem
    gefährlicher werden! Nur dann leisten wir einen Beitrag zu Rettung
    unserer Leidenschaft, der Architektur.


    Vielleicht ist mit "gefährlich" freilich einfach das Hinterfragen der geistigen Verkrustetheit und Stagnation der Modernisten in den letzten Jahrzehnten gemeint. Andererseits klingt mir das ein wenig nach schreiender Egomanen-Starchitektur und wiederum modernistischen Dogmen, manches auch geradezu kommunistisch...

    Kann mir noch keinen richtigen Reim darauf bilden, was die genau wollen. Vielleicht wollen sie auch nirgendwo dazugehören und in der Architektur schlicht wieder "alles möglich machen", was ich durchaus begrüßen würde, solange alles durchaus seinen Raum zum eigenen Wirken hat.

  • erbse: Der von mir angegebene Link ist der Direktlink und verweist nicht auf Facebook.

    In meiner Haltung gegenüber der Intention dieser Bewegung bin ich derzeit unentschieden.
    Das öffentliche Hinterfragen des etablierten Architekturbetriebs seitens der Studierenden begrüße ich.
    Ob und wohin sich diese aus einer Masterarbeit entstandene Bewegung einmal weiter entwickelt, bleibt abzuwarten.
    Punkt 7 des Manifest irritiert allerdings auch mich. Soll da der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden?
    Das zumindest wäre für die Stadtbilder alles andere als förderlich.

    Interessanterweise wurden vor einigen Tagen zwei Studentinnen der Architekturfakultät an der Universität Stuttgart vor dem Milaneo Einkaufszentrum in unmittelbarer Nachbarschaft der neuen Stadtbibliothek in Stuttgart zur Thematik und Problematik der Gestaltung von Investorenarchitekur im Stadtraum in einem Fernsehbeitrag* interviewt. Leider liegt mir der Sendebeitrag nicht vor. Ich sah auch lediglich das Ende des Interviews. Möglicherweise handelt es sich dabei aber um jene Studentinnen, die sich für „manifantastisch“ verantwortlich zeichnen.

    *Der Beitrag wurde im Regionalsender RegioTV Stuttgart gezeigt.

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (21. Februar 2017 um 13:14) aus folgendem Grund: Aktualisierung

  • Das beachte ich nicht sonderlich, ehe mir nicht sichtbare Ergebnisse vorliegen. Es könnte auch nur ein wenig Wichtigtuerei von zwei Studentinnen sein, die sich dadurch etwas besser zu vermarkten hoffen.

  • Wer sucht, der findet...manchmal! Und es handelt sich um die Urheberinnen von manifantastisch.
    Zwischen Minute 0:40 und 4:00 zu hören und zu sehen:

    Externer Inhalt www.youtube.com
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  • Durchaus gut reflektierende junge Köpfe. Sie spüren -wie wir alle hier- dass vieles in der heutigen Architektur nicht richtig ist. "Architektur wieder mit örtlichem Bezug, zum gebauten Bestand und für die Menschen schaffen", "städtischen Kontext respektieren" und "die Menschen sensibilisieren" sind Zitate der beiden, die doch sehr gut zu "Architectura pro homine" passen. Ob sie jetzt wirklich klassische Architektur im Sinne haben sei mal dahingestellt, es geht ihnen sicher zunächst vor allem um kleinteilige Strukturen in menschlichen Maßstäben.

  • Die beiden haben völlig zurecht konstatiert, dass das neue Stuttgarter Viertel um den Pariser Platz herum von Anfang an ein "Griff ins Klo" geworden ist, durchaus vergleichbar mit der derzeit entstehenden Berliner "Europacity". Man hat den Eindruck, die Architekten lernen über Jahrzehnte hinweg nichts dazu, entscheidend ist, dass die finanzierenden Auftraggeber ihre halbwegs spektakulären Kisten hingestellt bekommen. Unbegreiflich ist, dass die jeweils verantwortlichen Stadtplaner noch immer nicht verstanden haben, dass es letztlich um die Bürgerstadt geht, die durch kleinteilige Parzellierung und Funktionsmischung erst das entstehen lässt, was Stadt ausmacht. Die eigentliche stadtplanerische Herausforderung besteht in der Abwägung, ob die vielen Quadratmeter Nutzfläche, die eine Firma etwa für ihre Hauptverwaltung benötigt, irgendwie geschickt in die Bürgerstadt integriert werden können oder an den Stadtrand ausgelagert werden müssen. Auf keinen Fall aber darf die Innenstadt, die Bürgerstadt, den Interessen der Konzerne geopfert werden, wie das im Wiederaufbaudeutschland nun seit bald siebzig Jahren praktiziert wird.

    Recht haben die beiden auch mit ihrer Kritik an der Konzeption des "Milaneo" genannten Einkaufszentrums, das so plaziert wurde, dass es die Konsumenten von der Innenstadt abzieht statt dieser ein Plus an Lebendigkeit und Attraktivität zu verleihen. Man wünscht den beiden, dass sie der vor sich hin dilettierenden Planerzunft endlich funktionierende Alternativkonzepte vor Augen setzen werden.

  • Das Milaneo würde ich als insgesamt gelungen einstufen, auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung gegenüber der übrigen Bebauung in dieser Ecke, die ich als besonders häßlich empfinde (Fotos folgen). Und teilweise sieht man schon, was hinter den "Fenstern vor sich geht", da an der Hauptfassade Richtung Westen meist Restaurants mit Blick nach außen untergebracht sind.

    An Einkaufsmöglichkeiten und Publikum besteht aber in der Innenstadt kein Mangel, sei es in der Königstraße oder in den Königsbau-Passagen. Weitaus unschöner als das Milaneo empfinde ich die seltsame Betonlandschaft hinter dem neuen Kunstmuseum und die abweisenden Fassaden Richtung Theodor-Heuss-Straße der Neubauten, die im Zuge der Königsbau-Passagen errichtet wurden.