Abrechnung mit dem Städtebau der Wiederaufbaujahre

  • Und was bedeutet das? Dass es eben nicht um das Alte Rathaus geht, sondern um das Gebäude, in dem gegenwärtig das Einwohnermeldeamt untergebracht ist, nämlich Bürgermeisterstraße 25 (vgl. hier).

    Das L-förmige Gebäude südlich der Grün- und westlich der Bürgermeisterstraße:
    https://www.google.de/maps/@52.67930…m/data=!3m1!1e3
    http://www.rbb-online.de/content/dam/rb…ize=708x398.jpg

    http://www.rbb-online.de/politik/beitra…-in-bernau.html

  • Der MDR hat eine sehr interessante Doku über die Zerstörung unserer Städte 1945 und ihren Wiederaufbau produziert, die an eine ähnliche ARD-Doku von vor drei Jahren anknüpft.

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  • Hier mal eine zeitgenössische Perspektive. Man beachtet die Haltung gegenüber der althergebrachten Schulgebäude und das Lob der Moderne.

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    Das ist ein sehr schöner Bericht. Bleibt zu hoffen, daß die Stadtplaner etwas daraus lernen können.

    Besonders krass ist wohl der Abriss des Lloyd-Gebäudes in Bremen. Das war ein richtiger Palast. Am (in Teilen) neu entstehenden Berliner Schloss kann man eindrücklich beobachten, wie viel Arbeit in der Errichtung eines so kunstvollen Hauses steckt. Zur Zerstörung dagegen, braucht man nicht viel.

    Weiß hier zufällig jemand, was aus den Wiederaufbaubestrebungen der Flusswasserkunst geworden ist? Die Idee scheint leider tot zu sein. Dabei wäre das Bauwerk doch sicher brauchbar für ein kleines Wasserkraftwerk.

  • Beim Lloydgebäude bestünde nun im Rahmen der Neugestaltung des Gebiets und einem zumindest möglich gewordenen Abriss des Kaufhofgebäudes sogar eine theoretische Möglichkeit, zumindest eine Teilreko zu machen. Wie gesagt, nur hingeblubbert, ich habe dazu noch nie außer hier und in ein paar Leserkommentaren im Weserkurier etwas gelesen. Da das neu zu bebauende Gebiet sonst auch vorher keine wesentlichen Highlights mehr aufzubieten hatte (die kleinteilige Altstadtstruktur war schon für die NDL-Verwaltung weitgehend plattgemacht worden), wäre dies ggf. als kleiner Gag sogar gar nicht so unrealistisch. Man bräuchte einfach eine bessere Vernetzung in der Stadt, jemanden, der Kurt Zech kennt und ihm diesen Gedanken vielleicht einpflanzen kann.

    Bin mir auch ziemlich sicher, dass das in Bremen durchginge, es gab überhaupt gar keinen vernehmbaren Widerstand gegen die Essighausfassadenreko von Jacobs und das Gebäude ist auch im sicherlich nicht konservativen Fernsehmagazin von Radio Bremen immer wieder als großer Verlust bezeichnet worden, hier war auch mal ein Filmchen verlinkt, in dem die Reporter mit großen Bildern des NDL-Gebäudes in der städtebaulichen Wüste dieses Teils der Innenstadt umhergelaufen sind und Passanten gefragt haben, ob sie den Abriss verstünden und welches Gebäude (das alte oder das neue) sie besser fänden.

    Ironischerweise, und das folgende vielleicht nicht ganz ernst nehmen, es ist natürlich leicht provokant, kann ich angesichts der Aufnahmen aber sogar nachvollziehen, warum es nach dem Krieg als verzichtbar galt. Es hat schon etwas unpassend-protzig-neureich "Unhanseatisches" mit dieser nicht immer gelungenen Melange aus, keine Ahnung, Neobarock, frühem Expressionismus und Jugendstilelementen, fast irgendwie vulgär in manchen Details, zuckerbäckerig. Das soll den Denkmalwert nicht schmälern und des Abriss nicht rechtfertigen, auch was innen alles verloren gegangen ist, das tolle Treppenhaus etc. - unermesslich. Aber richtig "schön" im klassischen Sinne finde ich das Gebäude ehrlich gesagt nicht, sehr groß, klobig, ein komischer Stilmix, zwischendurch ein paar Neorenaissancegiebel, auch die irgendwie zu groß und hoch - Geld war zweifellos da, Geschmack, nunja.

    Ändert nichts daran, dass das Gebäude heute natürlich ein absolutes Highlight wäre und ein Leuchtturm in der Wüste der westlichen Innenstadt, was man daraus alles machen könnte.

  • Sehr interessanter Artikel des Spiegel. Vermutlich sähen unsere Städte heute auch ohne Krieg so aus, wenn sich das Regime gehalten hätte.

  • Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Wiederaufbaupläne deutscher Großstädte nach dem Krieg bisweilen strukturell an den Plänen der Nationalsozialisten orientierten, wo sie nicht sogar übernommen wurden. Dies zeigt auch, welch Geistes Kind die Nachkriegsmodernisten in sich trugen und wo es der eigenen Ideologie von nutzen war, übernahm man wie in diesen Fällen die Ideen der Nazis, von deren Gedankengut man sich doch radikal befreien wollte...

  • Das Leitbild einer stärker aufgelockerten, modernisierten und für den Autoverkehr ausgebauten Stadt war allerdings nicht spezifisch nationalsozialistisch, sondern zu jener Zeit ein gewisser stadtplanerischer Konsens. Es war eine Reaktion auf die (auch durch Überbelegung enstandene) Enge der gründerzeitlichen Blockrandbebauung. Und das Bemühen, die Städte zum Einen für die Moderne samt Individualverkehr "fit" zu machen und zugleich die alten lebensreformerischen Ziele nach Licht, Luft und Sonne umzusetzen. Heute sehen wir das hinsichtlich der Urbanität zum Teil anders. Architektonisch schöner als in der Nachkriegszeit oder heute (Stichwort Styroporschachteln) wäre es allerdings bei einer Umsetzung zur NS-Zeit auf jeden Fall geworden. Es wäre in großen Teilen der Städte in eine Richtung wie die Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin hinausgelaufen, die nun nicht das Schlechteste für eine Großstadt ist. Das soll die damit einhergehenden Zerstörungsvorgänge allerdings in keiner Weise kleinreden oder gar rechtfertigen.

  • Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Wiederaufbaupläne deutscher Großstädte nach dem Krieg bisweilen strukturell an den Plänen der Nationalsozialisten orientierten

    Das sollte man in Diskussionen möglichst oft erwähnen. Gerade weil es ein leicht fassbares, auch gut überprüfbares Argument von geringer Komplexität ist.

  • von geringer Komplexität

    Und das ist meist das Problem. Denn die Dinge sind nun einmal real komplex.

    Lässt man sich auf eine solche Argumentationsebene ein, dann spielt man das Spiel mit, dass alles, was in der NS-Zeit gemacht wurde, ausschließlich böse war. Und alles, was genau das Gegenteil macht, ausschließlich gut ist. Dieses Spiel beherrscht aber auch die Gegenseite. Die kann argumentieren, dass ja in der NS-Zeit Säulen gebaut wurden, weshalb man so etwas heute auf keinen Fall mehr als Gestaltungselement verwenden dürfe. (Und ich habe ein solches "Argument" wirklich mal vernommen.)

    Ebenso käme es der Fahrradlobby entgegen zu sagen, man dürfe nicht mehr mit dem Auto in die Stadt fahren, weil das auf NS-Ideen beruhe, wie die Pendler das sehen, ist aber eine andere Geschichte.

    Ich will damit sagen, dass man die Planungen auch aus ihrer Zeit und ihrem Erkenntnisstand heraus verstehen muss. Die Entwicklung der "autogerechten Stadt" vollzog sich ja auch in anderen Ländern ohne NS-Hintergrund. Es war damals eben stadtplanerisch über die Grenzen hinweg ein Zeitgeist. Ein fataler, ein unurbaner, ein ahistorischer. Auf jeden Fall. Unter NS-Regie wäre das ganze immerhin architektonisch weit schöner ausgefallen. Leider lief der Wiederaufbau bereits unter halb-modernistischer Regie, um das NS-Erbe zu verdrängen. Und der "Spiegel"-Artikel hängt sich ja sogar noch daran auf, dass es einigen wenigen Architekten in der Nachkriegszeit noch gelungen ist, etwas architektonisch gefälligere Bauten im Neoklassizismus ("NS-Stil) zu errichten, statt im Flachdach-Rasterblock.

    Heute muss es darum gehen, die Fehler der Vergangenheit teils zu korrigieren, also Stadtreparatur zu betreiben. Das sollte möglichst ohne derartige ideologische Argumentationsmuster passieren, die einen herrschenden simplen Diskurs unterstützen und so gewendet werden können, dass sie uns wieder auf die Füße fallen.

  • Für mich erstaunlich ist, daß es in dem Spiegel-Artikel auch sehr differenzierte Passagen gibt. So wird wie so oft z.B. nicht verschwiegen, daß es neben dem großflächigen Kahlschlag für die Nord-Süd-Achse, ein riesiges Neubauprogramm für Wohnungen gab (Südstadt).

    Wenig bekannt ist auch, daß es in den Planungen der Nord-Süd- Achse eben nicht nur Staatsbauten, sondern auch riesige Freibäder, Opern, Theater und Kinos - repräsentative Plätze und begrünte Ruhezonen mit Springbrunnen und Spielplätzen gab. Durchaus urban und mit Aufenthaltsqualität.

    Sehr informativ: Lèon Crier "Albert Speer - Architecture 1932 - 1942"

  • Kassel ist ja eine einzige Wiederaufbau Katastrophe.

    Ich kenne Kassel zwar nicht, aber mein Eindruck von der Stadt ist sehr betrübend. Ich frage mich ob Kassel nicht die größte Enttäuschung unter den wiederaufgebauten deutschen Städten ist. Nicht einmal die Martinskirche konnte richtig restauriert werden. Ansonsten fehlt es an bedeutenden Bauwerken, so weit ich weiß. Die einst reizende Fachwerkstadt (zweitgrößte in Hessen?) wurde ausnahmslos vernichtet: d.h., es bleibt kein representatives, hochkarätiges Viertel wie in Halberstadt, Hildesheim, Braunschweig, wo man sehr bedeutende Häuser und verwinkelte Gassen noch bewundern kann. Wichtige mittelalterliche Grossbauten wie in diesen drei Städten hat es in Kassel sowieso nie gegeben, und eine modern wiederaufgebaute Stadt ohne solche Anhaltspunkte muß deswegen enttäuschend sein.

    Freilich gibt es andere Enttäuschungen in Deutschland: aber manche vergleichbare Städte haben einige historischen Sehenswürdigkeiten zu bieten: etwa Mannheim (Schloß und Jesuitenkirche, Museum und Wasserturm, Reste vom Markt); Magdeburg (Dom und Domplatz, eleganter Nachkriegs-Marktplatz mit Blick auf Rathaus und Johanniskirche ); Stuttgart (Schlößer, Oper, Schillerplatz, Schloßplatz); Heilbronn (Katherinenkirche, Rathaus am Markt, Deutschordenskommende); Darmstadt (Schlößer, Rathaus, Theater, Mathildenhöhe); Hannover (Rathaus und Marktkirche, Krämerstrasse, Ballhof, Oper und Rathaus). Kassel besitzt zwar ein Kunstmuseum von Weltrang und eine schöne Parkanlage: sie liegen aber außerhalb des Zentrums.

    Als Tourist kann man nur sagen, arme Stadt!

  • Die kann argumentieren, dass ja in der NS-Zeit Säulen gebaut wurden, weshalb man so etwas heute auf keinen Fall mehr als Gestaltungselement verwenden dürfe.

    Ich meinte das ja auch eher als Reaktion auf sowas wie oben, um die Einfachheit solch einer Argumentation bloßzustellen.

  • Frage mich immer warum es heute in Kassel (aber auch in Köln oder Magdeburg) keine Meisterplanung gibt um das riesige Manko an historische Bauten endlich zu beenden und die Stadt wieder attraktiv zu machen. Es fehlt nicht an Kapital in D. also warum machen Städten keinen Anfang mit Rekonstruktionen die Danzig oder Frankfurt und Dresden mit einer herrliche ansehliche Altstadt?

  • Frage mich immer warum es heute in Kassel (aber auch in Köln oder Magdeburg) keine Meisterplanung gibt um das riesige Manko an historische Bauten endlich zu beenden und die Stadt wieder attraktiv zu machen. Es fehlt nicht an Kapital in D. also warum machen Städten keinen Anfang mit Rekonstruktionen die Danzig oder Frankfurt und Dresden mit einer herrliche ansehliche Altstadt?

    Schöne Städte sind faschistisch. Wenn die Heimat schön ist, erliegt das Volk vielleicht noch der Versuchung sie wert zu schätzen. Hässliche moderne Architektur schafft Abhilfe.