Sonstige Meldungen aus Berlin

  • Philon schrieb:

    Zitat

    ich war ohnehin immer dafür ein Mahnmal für alle Opfergruppen zu errichten.

    Genau das habe ich auch befürwortet. Durch die Entscheidung jeder Opfergruppe ein eigenes Mahnmal zu errichten ist eine gewisse "Rivalität" in Bezug auf Standort, Größe und künstlerischen Wert (Prestige) aufgekommen. Jetzt könnten sich einzelne Gruppen - wieviele gibt es eigentlich noch? - benachteiligt fühlen, wenn sie einen Standort vorgeschlagen bekommen der ihnen aus verschiedenen Gründen nicht zusagt. Ein Mahnmal an prominenter Stelle ist schließlich prestigeträchtiger und zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich, als meinetwegen in einem Hinterhof.

    Im ARTNET habe ich folgendes zu den, teils bizarren, Wettbewerbsvorschlägen gefunden:

    Zitat

    [...] Erinnern wir uns: Man war auch von den ersten Wettbewerbs-Runden zum Holocaust-Denkmal enttäuscht. Stand man damals ratlos vor einem Karussell, dessen Gondeln um einen Davidsstern rotierten, kann man nun unter den Ergebnissen zum Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen den warmen See mit exotischen Pflanzen von Rudolf Herz bestaunen oder Lukas Duwenhöggers Wachturm, der mit einer sechs Meter hohen, tuckigen Teekanne gekrönt ist. In diesem Kontext wirkt die Plattitüde von Holger Beisitzer schon als gelungener Einfall: Er hat selbstbewusst das Wort „homosexuell“ als drei Meter hohen Schriftzug in den Tiergarten gestellt. Das verblüfft temporär – ungefähr so, wie es die überdimensionierte Aspirin-Tablette macht, die als Imageträger zur WM vor dem Reichstag aufgestellt wurde. Ingo Vetter, Sabrina Cegla und Amit Epstein begnügen sich mit dem Anfangsbuchstaben des Wortes, nicht weniger bescheiden. Sie asphaltieren den Park mit einem großen Monogramm, dessen typografische Linien als Wege angelegt sind und die für Abschnitte durch ein Heckenlabyrinth führen. Sie veranschaulichen das erheiternd mit einem bestickten Tuch als Entwurfsmodell. Ein Event-Garten als Denkmal? [...] Es ist schon erstaunlich, wie die Künstler ihre eigenen Entwürfe interpretieren. Das Überschreiten einer mit Magnolienknospen aus massivem Muranoglass dekorierten Brücke beschreibt Raimund Kummer als „besonders rhythmisches Erlebnis zur Bewusstmachung von Zeit und Wahrnehmung“. Piotr Nathan, der sein Denkmal dem Outside-Cruising widmet, erklärt die Form eines Urinflecks zum „Sinnbild von Leben und Tod“ und bei Alexej M. Gross soll allein der schräge Boden eines Glashauses Bewegungsschwierigkeiten verursachen, die „als ein Zeichen für das erlittene Schicksal der Opfer stehen“. Das steht den Beschreibungen von Christian Phillip Müller um nichts nach, denn auf seinem orangefarbenen Schiffsbug gibt es partiell verteilt beheizte Sitzflächen – ihr „Wärmeabdruck symbolisiert die Abwesenheit der im KZ ermordeten Homosexuellen“.

    In Anbetracht dieser Anhäufung von Beliebigkeit und Banalität, prätentiösem Gequatsche und Schwindel erregender Selbstüberschätzung kann man die Favorisierung der Jury für den eleganten Entwurf von Michael Elmgreen und Ingar Dragset gut nachvollziehen – wenn auch eine erneute Auslobung und Debatte anhand der eingereichten Arbeiten der konsequentere Schritt gewesen wäre. Elmgreen & Dragset schlagen einen Baukörper aus glattem, anthrazit eingefärbtem Sichtbeton vor, der sich in seinen Proportionen auf die Stelen des Holocaust-Denkmals bezieht, jedoch größer dimensioniert ist und auch stärker gekippt und geneigt ist – warum eigentlich? – als seine Vorlagen. Im Inneren des Hohlraums, durch eine Luke einsehbar, läuft die Endlosschleife eines Kurzfilms, der ein sich küssendes Männerpaar zeigt. Der Betrachter wird zum Kontrolleur, der Innenraum zur Zelle, zum Schutzraum und Versteck oder einfach nur zum Kino. [...]

    http://www.artnet.de/magazine/features/schachtebeck/schachtebeck05-09-06.asp\r
    http://www.artnet.de/magazine/features/ ... -09-06.asp

    Abgelehnter Entwurf eines Wachturms mit Teekanne, unbedingt ansehen!
    http://www.artnet.de/magazine/features/schachtebeck/schachtebeck05-09-06_detail.asp?picnum=6\r
    http://www.artnet.de/magazine/features/ ... p?picnum=6

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Die Teekann ist ja echt scharf! Der Rest ist mal wieder mehr oder weniger dasselbe, wie man es schon von anderen Denkmäler kennt, Wand mit Loch, Loch mit Wand irgendwelche Schriftzüge...

  • Bin ja selbst "Künstler" aber die Entwürfe zu dem Homosexuellen-Mahnmal machen mich echt sprachlos. :augenrollen:
    Die sind teilweise so platt und lieblos...und teils auch richtig lächerlich! War das ein öffentlich ausgeschriebener Wettbwerb? Wenn dem so gewesen wäre, wären sicher viel vieeeel bessere Interpretationen zu Stande gekommen.

    Ich muss gestehen, die Betonstele mit Videofilm zählt noch zu den besseren Werken. Auch wenn es eben wie ein billiger Abklatsch des Holocaust-Mahnmals wirkt.

    Bin echt enttäuscht von Berlin... *seufz*

  • Zitat von "Philon"

    Na ja, ich war ohnehin immer dafür ein Mahnmal für alle Opfergruppen zu errichten.

    Bloß würde das völlig den Mechanismen des Systems widersprechen. Die Mahnmale bringen ja niemanden aus der Vergangenheit zurück, noch hinterlassen sie eine Gesellschaft besserer, geläuterter Menschen. Das hat nicht mal Jesus vor 2000 Jahren geschafft, inclusive aller nach ihm gefertigten Kruzifixe.
    Die Mahnmale sind (abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt für ansonsten womöglich unterbeschäftigte Künstler) vielmehr Produkte der verschiedenen Lobbygruppen, die sich im gesellschaftlichen Machtkampf um Einflußzonen und Geldzuwendungen zu positionieren versuchen. Wer sich deutlich sichtbar als "Opfer" präsentiert, schafft es in der westlichen Welt der Gegenwart eben besser, Widerspruch gegen eigene Ansprüche zu schwächen und finanziellen Forderungen besser Nachdruck zu verleihen. Deshalb wird es auch immer mehr Gedenkstätten für immer mehr gesellschaftliche Gruppen geben, je länger die NS-Zeit vergangen ist. Und danach kommt die Kolonialepoche ran, und danach die angeblich unterdrückten Gastarbeiter, und dananch wieder etwas.
    Und dieses Gedenken ist natürlich völlig selektiv. Es wird nur derjenigen Opfer gedacht, deren Lobby ausreichend gut organisiert auftritt und innerhalb der Gegenwartsgesellschaft gewisse Machtpositionen erlangt hat. Wobei das ja in der Regel eben nicht die Lobby der - längst toten - Opfer ist, sondern es eben um die Absteckung von Einflußclaims der heute in der Gegenwartsgesellschaft Lebenden geht.

    Nun zum konkreten Fall: Ein zentrales Denkmal für verfolgte Homosexuelle hat insofern seine Berechtigung, als es ein solches offenbar wirklich noch nicht gibt. Das Thema kann auf diese Weise also durchaus mal Erwähnung im öffentlichen Diskurs finden.
    Das hier gezeigte Denkmal der verfolgten Homosexuellen sieht aber aus wie ein Klein-Bunker mit Schießscharte. Könnte in Albanien stehen, als Überbleibsel der Hodscha-Ära. Höchstwahrscheinlich aber soll das so sein, denn die Mahnmale sollen ja ins Auge springen, sollen ja weh tun und stören. Ich wette mal drauf, daß das Ding in ein paar Jahren zugesprayt ist, die Glasscheibe eventuell verklebt oder zertrümmert. Eigentlich schade um die Erinnerung.
    Die anderen Entwürfe hingegen wirken auf mich zumeist deplaziert und würdelos. Man will verfolgter und ermordeter Menschen gedenken und präsentiert dafür Teekannen und allerlei rosa Plüschkitsch. Daran erkennt man deutlich, daß es inhaltlich nur noch um das (gut bezahlte) Selbst-Ausleben einiger Künstler geht, nicht um eine sensible Annäherung an jene längst ferne Epoche.

    Zitat von "jörg"

    Tja, da fällt einem spontan wenig zu ein - außer natürlich: Der Wahnsinn hat System!

    So ist es.

  • Zitat

    sondern es eben um die Absteckung von Einflußclaims der heute in der Gegenwartsgesellschaft Lebenden geht.

    (Leider) eine völlig zutreffende Analyse. Und weil viele Menschen dies intuitiv bemerken, gibt es auch eine so verbreitete Skepsis gegen die Mahnmalitis - eine Skepsis, die genau in dieser (und keiner anderen) Hinsicht auch ihre ideologiekritische Berechtigung hat, die aber leider meist mit der politisch korrekten Keule niedergeknüppelt wird.

  • wie könnte es auch anders sein, icc bleibt und deutschlandhalle wird abgerissen. bande von banausen-volksvertretern.
    gut, das icc soltte schon bleiben, auch wenns im grunde ne fiese kaschemme ist, aber trotzdem eine berliner nachkriegs ikone.
    und die deutschlandhalle eben eine vorkriegslegende. aber danach schreien die modernisten ja nicht, obwohl grenzmodernisticher bau.


    http://www.morgenpost.de/content/2008/05/28/berlin/964667.html\r
    http://www.morgenpost.de/content/2008/0 ... 64667.html
    http://www.morgenpost.de/content/2008/05/28/berlin/964668.html\r
    http://www.morgenpost.de/content/2008/0 ... 64668.html
    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschlandhalle\r
    de.wikipedia.org/wiki/Deutschlandhalle

  • Zitat von "Der Spiegel"

    ...sich küssenden Männer zu sehen ist. [...]

    Gähn!

    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/extra/se…display/6435661

    Und in zwei Jahren:

    http://www.virginmedia.com/images/britney…iss-gal-mtv.jpg

    Nicht einmal ich bin empört.

    Im Übrigen:

    http://fami.oszbueroverw.de/denkmaeler_fue…rosawinkel.html

    Zitat von "Philon"

    Na ja, ich war ohnehin immer dafür ein Mahnmal für alle Opfergruppen zu errichten.

    Gibts ja, und meiner Meinung nach ist es das schönste, würdigste und ausdrucksstärkste Nachkriegsdenkmal, die Neue Wache.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Berl…iew%2C_2005.jpg

    http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Wache

    "Nichts zeichnet eine Regierung mehr aus als die Künste, die unter ihrem Schutze gedeihen."
    Friedrich der Große

  • Schwarzer Sichtbeton. Sieht in natura bestimmt ätzend aus. Bei der Altmoderne liegen Anspruch und Wirklichkeit ja bekanntlich weit auseinander.
    Wenn die könnten wie sie wöllten, würden unsere Städte zu unwirtlichen Raumstationen verschandelt.

    Hier ein interessanter Spiegelbeitrag zu Berlin: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,555831,00.html\r
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 31,00.html

  • http://www.morgenpost.de/content/2008/05/30/berlin/965041.html\r
    http://www.morgenpost.de/content/2008/0 ... 65041.html

    schaut gut aus, aber...


    Zitat

    Stadthäuser mit weißer Fassade und französischen Fenstern von kleinen Gärten umgeben: Winsgärten heißt das neue Wohnviertel an der Greifswalder Straße 200 in Prenzlauer Berg, das in den kommenden Monaten gebaut wird. Die Pläne von Architekt Stephan Höhne zeigen Ähnlichkeit mit den Prenzlauer Gärten gegenüber dem Volkspark Friedrichshain. "Es ist eine zeitlose, klassische Architektur", sagt Höhne. Orientiert haben will er sich an Straßenzügen in den Londoner Vierteln Notting Hill und Kensington

    Zitat

    "Die sind wie aus einem Guss gemacht, das hat mich begeistert." Zurückhaltend, elegant, unaufgeregt

    natürlich vergleicht er mit london, und nicht mit traditionneller deutscher formensprache, oder französicher usw usw.

    typisch:
    entweder sind sie altmodernisten und haben ausser deutschland und modernisten unis schon gar nix gesehen.
    oder sie waren in england, schweden oder holland, und denken london wäre modern

    frankreich, italien russland, usa, indien usw. nix, aber auch gar nix mitbekommen.

    und auf der basis läuft die ganze entwicklung der branche in deutschland.
    bei mir in nizza laufen alle diskussionen ganz andsers, weil der erfahrungsstand aller leute eben ein anderer ist (x hat schon for 15 jahren bei y ein schönes traditionelles mietshaus gesehen und hat all dies bei seinen entwürfen im kopf)
    das gilt für architekten, stadtgremien, investoren. resultat: andere debatten und resultate. das ist auch ein grund,warum es mich so aufregt, wenn ich dann in dresden diese hinterwäldlerische diskussionen bei symposien usw. mitverfolge. die reden von zeitgenössich und denken dabei an altmoderne und wissen einfach nicht, dass es anderswo längst zeitgenössisch anders aussieht.

    aber ich denke, dass mit jedem projekt wie dem obigen, die altmoderne weiter stirbt. das ist wie eine unaufhaltbare infektion mit information im kollektiven wissen.

    wenn dann die new urbanism geschichte im tacheles auch noch kommt, ists in berlin vorbei mit 'zeitgenössich' als abbild altmoderner kisten. stimmt mich positiv :))

    Zitat

    "Die sind wie aus einem Guss gemacht, das hat mich begeistert." Zurückhaltend, elegant, unaufgeregt

  • Auf den Punkt gebracht. Wünsche ihm viel Erfolg mit seinem Institut für Stadtbaukunst - Deutschland kann es dringend brauchen.

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Zitat von "lbfoo"

    Man glaubt es kaum aber folgendes Interwiev wurde mit einem Architekten gefüht:

    http://www.morgenpost.de/desk/2051644.html


    Aber hat das Zoofenster entworfen. *würg* Er sagt zwar das Goldrichtige, aber für mich würde er zum kleinen Helden werden, wenn er sich wehement gegen seine von ihm selbst kritiserten Entwürfe - wie das Zoofenster - stellt. Trotzdem toll, seine Ansicht darf von ihm natürlich in Jüngere implementiert werden. =)

    Mit Teilen des Geldes, das in diese nach Jahren eh an "Schönheit" und Wert verlierenden Hochhäuser gesteckt wird, würde ich lieber die zeitlose Gedächtniskirche wieder aufbauen, wie man es ja so unglaublich schön in Dresden geschafft hat. Man baut eine Attraktion und der Platz wird somit zunehmend interessanter für die Leute und die Investoren. Aber die Hochäuser machen sich in den Sichtbeziehungen alle selbst zu Attraktionen, die sie meist eigentlich nicht sind, besonders nicht in der Nähe eines Platzes mit einer berühmten Kirche. Die Kirche geht doch unter, wenn auf einmal drei, vier Himmelsnadeln sie ersetzen.

  • also die kirche dort zu rekonstruieren lohnt sicher nicht.

    da müsste man den ganzen platzt abreissen und alles angepasst wieder aufbauen. utopisch. dann schon lieber ein kleines manhatten nachverdichten, kann auch gut sein, wenn richtig gemacht...

  • Hab ein Bild der neuen Bank am Platz des 18. März gefunden.
    http://www.flickr.com/photos/21203532@N05/2564466920/sizes/l/in/set-72157605520952017/\r
    http://www.flickr.com/photos/21203532@N ... 520952017/
    Sieht doch gut aus! :zwinkern:
    (hoffe die nette Amerikanerin nimmt mir die Verlinkung nicht übel, aber man bekommt ja so selten Bilder zu sehn.)

    Anders als hier mal gemeint wurde, hab ich übrigens gelesen, dass das Material chinesischer Granit sein soll. Also mal kein Beton.

  • Und hier noch eine Frage an die Berlin-Experten:

    Gegenüber des Doms befindet sich schon eine ganze Weile diese Skulpturen:
    http://www.flickr.com/photos/dmitry_shakin/2560761147/sizes/l/in/set-72157604263759381/\r
    http://www.flickr.com/photos/dmitry_sha ... 263759381/

    Die waren zwischenzeitlich mal wieder verschwunden...scheinen nun aber wieder dort zu sitzen. Weiß einer mehr darüber? Von welchem Künstler stammen sie?

    Ich finde, sie machen sich da sehr gut...und sie sind auch mal eine schöne Abwechslung zu allen abstrakten Skulpturen der heutigen Zeit.