Lustgartenseite des Berliner Schlosses

  • Mal zwei, drei Fragen an die hiesige Gemeinde:
    Kann jemand Auskunft darüber geben, warum die Roßbändiger 1950 in den Westsektor nach Schöneberg gebracht wurden? Wie kam es dazu?
    Die andere Frage stellt sich mir in Bezug auf den Verbleib des Adlers der Adlersäule. Es ist unwahrscheinlich, dass er beim Abriss der Säule zerstört wurde, denn das darunter befindliche Kapitell tauchte ohne Schäden, die es zweifelsohne beim Sturz aus der Höhe erhalten hätte im Pergamonmuseum auf. Somit wurde es wahrscheinlich mit einem Kran abgebaut. Das würde dann auch für den Adler gelten. Bloß wer schmeißt den Adler weg und behält ein korinthisches Kapitell, was für sich genommen nichts besonderes ist? Wenn der Adler zur Metallgewinnung eingeschmolzen wurde, warum nicht auch das Kapitell? Oder gibt es schriftliche Belege für die Vernichtung? Nach meinem Gefühl existiert die Skulptur noch irgendwo - vielleicht auch im ehem. West-Berlin? Kam sie zusammen mit den Roßbändigern über die Grenze? Ich möchte keine Verschwörungstheorien aufstellen, aber irgendetwas passt in der Sache nicht zusammen. Wer kann für etwas Aufklärung sorgen?

    Einmal editiert, zuletzt von Friedenau (15. Oktober 2018 um 17:17)

  • Leider lässt sich Wikipedia darüber garnichtaus, aber ich spekuliere mal. dass die Russen damals intervenierten, wegen der Figurengruppe in St. Petersburg (Leningrad), und erreicht haben, dass die beiden Rossebändiger vor das Gebäude des Alliierten Kontrollratsgebäudes kamen, also in den Kleistpark.

  • Nein, das ist nicht der Grund. Der Gartengestalter Prof. Georg Pniower, der den Kleistpark für die britische Besatzungsmacht entworfen und angelegt hat, schlug die Rossebändiger und den "Engel vom Schloß" zur Gestaltung vor (er hatte 1946 zwei Wochen Zeit für einen Entwurf bekommen), deshalb wurden die Figuren, auch der Genius vom Denkmal FW III. nach Schöneberg gebracht. Für Pniower war das alles ein "Notbehelf" mangels Zeit, auch bemängelte er, dass die Figuren in ihre Maßstäblichkeit nicht passen.

    Dass die Berliner Denkmalpflege den Zustand, den selbst sein Entwerfer als Notlösung kritisiert hat, heute für unverzichtbar und schützenwert hält gehört zu den bizarren Wendungen der Denkmalpflege.

    Vom Adler gibt es keine Spur. Das Kapitell stand jahrzehntelang auf der Museumsinsel im Hof des Pergameonmuseums, bevor es bei dem Beginn der Sanierung des Neuen Museums von einem Hobbyhistoriker "erkannt" wurde. Vermutlich ist es zu DDR einfach als klassisch ausgegeben worden, damit nichts passiert - wie auch die Potsdamer Denkmalpflege einen Teil der widerrechtlich gesicherten Attikafiguren des Stadtschlosses unter die Figuren des Neuen Palais gemischt hatte, damit sie nicht erkannt werden.

  • Vielen Dank für die interessanten Hintergrundinformationen, Kontantinegeer. Gibt es die Aussage von Prof. Pniower noch in schriftlicher Form? Man sollte versuchen die Politik und die Denkmalsbehörde doch noch davon zu überzeugen, dass diese doch geschichtlich und auch künstlerisch bedeutenden Skulpturen der Roßbändiger von Peter Clodt von Jürgensburg wieder zur gebührenden Geltung kommen - da wo sie hingehören, vor Portal IV.
    Zum Adler der Adlersäule. Auch dessen Bildhauer Christophe Fratin ist ein bedeutender Künstler des 19. Jahrhunderts. Eine Adler-Skulptur von ihm findet sich auf der Terrasse von Schloss Babelsberg und eine andere zum Beispiel im Centralpark von New York. Ich bin sicher, der Adler hat die Wirren der Zeit überstanden hat. Es gibt eine Aussage, dass er nach Sanssouci gebracht wurde - vielleicht ein Hoffnungsschimmer, ihn in irgendeinem Depot zu finden.

  • Wieso waren denn die Briten dort zuständig, wo doch Schöneberg im Amerikanischen Sektor lag? Gab es den Kleistpark nicht schon länger, seitdem der Botanische Garten nach Dahlem umgezogen ist? Oder wurde er nach Nachkriegsrodungen neu angelegt? Und wo wurde der Engel, den ich vom Umfeld der Nikolaikirche kenne untergebracht?

  • Hallo Spreetunnel, der Engel ist seit den 50ern im Kleistpark. Früher hat er die Hand auf die Schulter der Allegorie der Wissenschaft, die sich an der Nicolaikirche befindet, gelegt. Da waren beide noch Bestandteil des Denkmals von Friedrich Wilhelm III im Lustgarten.

  • Wieso waren denn die Briten dort zuständig, wo doch Schöneberg im Amerikanischen Sektor lag? Gab es den Kleistpark nicht schon länger, seitdem der Botanische Garten nach Dahlem umgezogen ist? Oder wurde er nach Nachkriegsrodungen neu angelegt? Und wo wurde der Engel, den ich vom Umfeld der Nikolaikirche kenne untergebracht?

    Der Vorsitz im all. Kontrollrat, der im Gebäude saß, rotierte.


    Der heutige Heinrich-von-Kleist-Park wurde 1945 von Georg Bela Pniower im Auftrag des Alliierten Kontrollrates neu gestaltet. Auf einem Restgelände des ehemaligen Königlichen Botanischen Gartens war nach dessen Übersiedlung nach Dahlem von 1910 an durch den damaligen Stadtgartendirektor Albert Brodersen ein an symmetrisch angelegter Park gestaltet worden, der sich zwischen dem neobarocken Kammergerichtsgebäude 1909-1913) im Westen und den 1910-11 an die Potsdamer Straße translozierten Königskolonnaden erstreckte.

    G- B. Pniower, der während der Zeit des Nationalsozialismus mit einem Berufsverbot belegt war, sollte den im Krieg verwüsteten Park für den Sitz des Kontrollrates im ehemaligen Kammergerichtsgebäude in einen "distinguished foreground" umgestalten.

    Der Park war 1948/49 von Georg Pniower angelegt worden und wird nach Auskunft des zuständigen Stadtrats Oliver Schworck (SPD) wieder nach diesen Plänen rückgestaltet. »Pniowers Pläne waren Grundlage für die Anerkennung als Gartendenkmal«, erklärte er gestern. Deshalb sei die Hecke am Haupteingang entfernt worden, Bäume wurden zurückgeschnitten. »Der Parkcharakter muss wieder erkennbar sein«, so Schworck. »Aber wir machen den Kleistpark nicht platt.« 650 000 Euro kostet die Umgestaltung, die der Bezirk finanziert. Und der Zugang von der Grunewaldstraße, der noch geschaffen wird, berühre die Gartenanlage nicht, wie Anwohner befürchteten. Der Weg führt laut Schworck bis zum Anfang des Parks. Die Grünanlage war ursprünglich Teil des Botanischen Gartens, der zwischen 1899 und 1910 nach Dahlem verlegt wurde. Zum 100. Todestag von Heinrich von Kleist am 21. November 1911 wurde die Anlage nach dem Dichter benannt.

  • Nun, das wirkt, als ob die Roßbändiger vom Schöneberger Bezirk nicht hergegeben werden. Dann muss vielleicht eine andere Lösung gefunden werden. Wo hatte von Jürgensburg denn eigentlich seine Werkstatt? Bzw., worauf ich hinaus möchte, gibt es noch die Formen für die Roßbändiger, denn es wurden ja mehrere Nachgüsse (Neapel und St. Petersburg) angefertigt - oder besteht die Möglichkeit, wenn diese nicht mehr existieren, Abformung und Nachgüsse zum Beispiel bei Noack herzustellen. Vielleicht wurden während des Krieges sogar Abformungen angefertigt. Die Abgüsse könnten dann nach Schöneberg und die Originale wieder an ihren angestammten Platz.

  • Als Schöneberger verstehe ich nicht, wieso sich der Bezirk so sträubt, so egoistisch ist. Ginge es um die Königskolonnaden wäre ich absolut auf der Seite des Bezirks, aber die beiden stehen doch total unscheinbar, von Büschen umwuchert außerhalb jeder Sichtachte. Ob die nun da sind oder nicht, wird wohl kaum auffallen.

  • Ja, die Rossebändiger! Ich war schon oft in Berlin, aber ich war noch nie im Kleistpark. Wirklich ein gutes Versteck!

    In Sankt Petersburg habe ich die Rossebändiger gleich bei meinem ersten Besuch gesehen.

    St. Petersburg, Newski-Prospekt, Anitschkow-Brücke, die Rossebändiger Nr. 1 und 2 (Foto: prepsster, September 2010, CC-BY-SA-3.0)

    Sie stehen dort auf der Anitschkow-Brücke, die den Newski-Prospekt über die Fontanka führt, also im Stadtzentrum. Sie sind dort anders aufgestellt als einst die Figuren vor dem Berliner Schloss. Die Männer zur Fahrbahn, die Pferde nach außen. Die Petersburger Exemplare oben sind die Erstgüsse. Sie stehen seit 1841 am westlichen Ende der Brücke. Am östlichen Ende wurden zunächst Wiederholungen der beiden ersten Gruppen in Gips aufgestellt, die mit Bronzefarbe angestrichen wurden und später durch Bronzegüsse ersetzt werden sollten. Als diese 1842 frisch aus der Gießerei kamen, schenkte Zar Nikolaus I. sie König Friedrich Wilhelm IV. So kamen sie nach Berlin. 1844 wurden die nur in Gips ausgeführten östlichen Rossebändiger dann durch Bronzegüsse ersetzt. Nikolaus ließ sie jedoch schon zwei Jahre später wieder von der Brücke nehmen, weil er ein Geschenk für den König beider Sizilien brauchte. Danach wurden noch jeweils drei Bronzegüsse der beiden östlichen Gruppen hergestellt, die Schlosskomplexe innerhalb Russlands schmücken sollten - Peterhof, Strelna, Kusminki. Von diesen sind nur die Rossebändiger in Kusminki erhalten. Bis 1851 schuf der Bildhauer Peter Clodt von Jürgensburg für das östliche Brückenende dann zwei gänzlich neue Gruppen. Die blieben auch auf der Brücke stehen und wurden nicht mehr verschenkt.

    Petersburg, Anitschkow-Brücke und Belosselski-Beloserski-Palast, Darstellung von Joseph-Maria Charlemagne-Baudet, etwa 1850-1860

    Die Figuren in Neapel sind ebenfalls prominent platziert. Sie flankieren das Tor zum Palazzo Reale.

    Neapel, Rossebändiger am Tor des Palazzo Reale (Foto: Luigi Versaggi, 2005, CC-BY-SA-2.5)

    Berlin, Rossebändiger Nr. 1 vor dem Kammergericht im Kleistpark (Foto: Manfred Brückels, 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Petersburg, Rossebändiger Nr. 1 auf der Anitschkow-Brücke (Foto: Alex "Florstein" Fedorov, August 2015, FAL)

    Berlin, Rossebändiger Nr. 2 vor dem Kammergericht im Kleistpark (Foto: Marek Sliwecki, April 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Petersburg, Rossebändiger Nr. 2 auf der Anitschkow-Brücke (Foto: Наталья Филатова, Juni 2010, CC-BY-3.0)

    Petersburg, Rossebändiger Nr. 3 auf der Anitschkow-Brücke (Foto: Наталья Филатова, Juni 2010, CC-BY-3.0)

    Petersburg, Rossebändiger Nr. 4 auf der Anitschkow-Brücke (Foto: Sergey Tsyganov, Oktober 2014, CC-BY-SA-4.0)

    Diese vier Rossebändigergruppen gehören zu den bekanntesten Bronzeplastiken in der an hochkarätigen Kunstwerken so reichen Stadt Petersburg. Würde man ihre Gegenstücke in Berlin vor dem Schloss aufstellen, so wäre dies ein schönes Zeichen der deutsch-russischen Freundschaft, von der übrigens auch das Geländer der Anitschkow-Brücke zeugt. Es enstand nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel - eine Gegengabe Friedrich Wilhelms IV. - und findet sich so ähnlich auch an der Berliner Schlossbrücke. In Berlin sind die Mischwesen mit menschlichem Oberkörper aber männlichen Geschlechts - Tritonen -, in Petersburg sind sie weiblich - Nereiden.

    Petersburg, Detail des Geländers der Anitschkow-Brücke, Nereiden (Foto: Sergey Tsyganov, Oktober 2012, CC-BY-SA-4.0)

  • Hier noch das männliche Gegenstück zum oben gezeigten Geländer der Anitschkow-Brücke.

    Berlin, Detail des Geländers der Schlossbrücke, Tritonen (Foto: Achim Buehl, Dezember 2017, CC-BY-SA-4.0)

    An beiden Brücken wechseln sich Wasserrösser mit halb menschlichen Wesen ab.

    Petersburg, Detail des Geländers der Anitschkow-Brücke, Wasserrösser (Foto: Sergey Tsyganov, Oktober 2012, CC-BY-SA-4.0)

    Berlin, Detail des Geländers der Schlossbrücke, Wasserrösser (Foto: Lienhard Schulz, 2005, CC-BY-SA-3.0)

    Spätestens jetzt fällt uns ein weiterer Unterschied zwischen den Geländern der beiden Brücken auf. In Petersburg sind die Schwänze der Fabelwesen geschuppt, in Berlin sind sie glatt. Auch die Mäanderrahmungen sind nicht völlig gleich.

    Petersburg, Detail des Geländers der Anitschkow-Brücke, Delfin (Foto: Anastasia Galyamicheva, März 2019, CC-BY-SA-4.0)

    In Berlin dient der Delfin ebenfalls als Bindeglied zwischen den größeren Feldern. Er ist hier aber ganz anders gestaltet.

    Berlin, Geländerfeld von der Schlossbrücke mit Delfin, aufgestellt neben der Brücke im Lustgarten
    (Foto: Angela Monika Arnold, 2008, CC-BY-SA-3.0)

    Und noch ein interessantes Detail unterscheidet die beiden Brückengeländer voneinander: Die Tritonen drehen in Berlin dem Wasser den Rücken zu. In Petersburg zeigen die Nereiden nach beiden Seiten - also auch zum Wasser hin - Brust und Gesicht. Die Behauptung, die man zum Beispiel bei Wikipedia lesen kann, beide Brücken hätten das gleiche Geländer, stimmt also nicht. Es handelt sich vielmehr um ähnliche Gestaltungen nach Entwürfen von Schinkel. Das Material ist in beiden Fällen Eisenguss. Zudem haben beide Brücken drei Bögen. Die Anitschkow-Brücke wirkt jedoch eleganter.

    Petersburg, die Anitschkow-Brücke über die Fontanka von Süden (Foto: Alex "Florstein" Fedorov, August 2015, FAL)

    Berlin, die Schlossbrücke über den Spreekanal von Süden, vor dem Wiederaufbau des Neuen Museums und der Errichtung der James-Simon-Galerie (Foto: Dieter Brügmann, 2005, CC-BY-SA-3.0)

    Zar Nikolaus I. war mit der Schwester Friedrich Wilhelms IV. verheiratet. Vor ihrer Heirat hieß sie Charlotte. Nach ihrem Übertritt zum russisch-orthodoxen Glauben Alexandra Fjodorowna. Unweit vom Berliner Schloss erinnert auch der Alexanderplatz - benannt nach Zar Alexander I. - an das seit den napoleonischen Kriegen bestehende preußisch-russische Bündnis.

  • Ganz großartige Dokumentation über die diversen Exemplare der Rosselenker.

    Vielen Dank dafür Rastrelli !

    Der von Ihnen geschilderte Geschenkaustausch zwischen den Romanows und den Hohenzollern erinnert an den späteren, ganz ähnlich gelagerten Vorgang, als Kaiser Wilhelm II. zur Verstärkung der Freundschaftsbande mit den USA eine Replik der Statue Friedrichs des Großen aus der Siegesallee (von der eine weitere Ausgabe übrigens auf der Plantage hinter der Garnisonkirche stand) dem amerikanischen Volk schenkte. Präsident Theodore Roosevelt ließ das Kunstwerk vor dem National War College in Washington D.C. aufstellen. Nach diversen Ab- und Aufbauten des Denkmals im Zuge der Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts befindet es sich heute auf dem Areal der Carlisle Barracks in Pennsylvania.

    Hier ein 'Link'
    https://www.pennlive.com/editorials/201…derick_the.html

    Das Gegengeschenk vom amerikanischen Volk und Congress in Form einer Doublette des in der Hauptstadt der USA aufgestellten Steuben-Denkmals, ist den Potsdamern heute ja wieder sehr gut bekannt, steht es doch in der Grünanlage nördlich des Marstalls.

  • Ich kann mich nur wundern, wie kann man sich verweigern, die Rossebaendiger wieder an ihrem alten Standort wieder zurück kehren zu lassen. Das würde auch die entstehende Steinwüste auflockern. Aber es gibt in der Politik Menschen ( Politiker ? ) die wollen mit aller Macht das verhindern, genauso wie mit der Verschauckelungswippe die vor der historischen Fassade absolut nicht hinpasst. Ein Umdenken würde ihr Ego zerplatzen lassen ! :daumenunten:

    Ich liebe Fledermäuse :)

  • Ja, es ist nicht zu verstehen. Vor allem, wenn man weiß, welche Bedeutung Peter Clodt von Jürgensburg in der russischen Kunstgeschichte hat und wie viele Menschen seine Werke in Petersburg kennen.

    Hier noch zwei Fotos der Berliner Rossebändiger:

    Berlin, Heinrich-von-Kleist-Park, Rossebändiger Nr. 2 (Foto: OTFW, Mai 2015, CC-BY-SA-3.0)

    An der Plinthe ist eine Inschrift zu erkennen. Sie besagt, dass Imperator Nikolaus I. dieses in "Petropolis" gemachte Werk im Jahr 1842 geschenkt hat. Wer den lateinischen Text selbst lesen will - über den Bildlink lässt sich das Foto stark vergrößern. An der Plinthe der anderen Gruppe steht entsprechend, dass König Friedrich Wilhelm IV. dieses Werk im Jahr 1844 aufstellen ließ. Diese Inschriften beziehen sich auf die Aufstellung vor dem Schloss. Dort waren die beiden Rossebändiger im Vergleich zur Aufstellung in Petersburg vertauscht.

    Berlin, Heinrich-von-Kleist-Park, Rossebändiger Nr. 1 (Foto: OTFW, Mai 2015, CC-BY-SA-3.0)

    Vor dem Schloss standen die Rossebändiger im Dialog mit den Figurengruppen auf den Wangen der großen Freitreppe des Alten Museums. Dem Rossebändiger Nr. 2 stand die Amazone zu Pferde im Kampf mit einem Panther von August Kiß gegenüber.

    Berlin, Altes Museum, Amazone zu Pferde von August Kiß (Foto: Christian Benseler, Oktober 2013, CC-BY-2.0)

    Dem Rossebändiger Nr. 1 antwortete der Löwenkämpfer von Albert Wolff.

    Berlin, Altes Museum, Löwenkämpfer von Albert Wolff (Foto: Ajepbah, Juli 2015, CC-BY-SA-3.0)

    Die Amazone entstand praktisch zur gleichen Zeit wie die beiden Rossebändiger und wurde 1842 vor dem Alten Museum aufgestellt. Der Löwenkämpfer geht auf einen Entwurf von Christian Daniel Rauch zurück. Er wurde von Albert Wolff ausgeführt und 1861 aufgestellt. Beide Gruppen haben - wie die Rossebändiger - das Ringen des Menschen um die Beherrschung des Tieres zum Thema. Sie sind aber bewegter und malerischer als die mehr dem klassischen Ideal verpflichteten Rossebändiger und tragen damit charakteristische Züge der Berliner Bildhauerschule. Die Rossebändiger wirkten hingegen noch lange in der russischen Bildhauerkunst nach.

    Ich möchte hier noch die Rossebändiger in Kusminki vorstellen.

    Moskau, Landsitz Kusminki / Кузьминки, die Rossebändiger Nr. 1 und 2 vor dem Musikpavillon des Pferdehofes / Konny dwor

    (Foto: Digr, Juli 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Kusminki nahe Moskau war der Landsitz der Familie Golizyn. Die Rossebändiger wurden passenderweise vor dem Pferdehof aufgestellt. Zu diesem gehört neben Stallungen und Reitplatz auch ein Musikpavillon, der die charakteristischen Eigenheiten des russischen Klassizismus zeigt. Der Pavillon wurde 1823 fertiggestellt, die Rossebändiger wohl 1846 davor platziert. Sie stehen hier wie auf der Anitschkow-Brücke und somit andersherum als einst vor dem Berliner Schloss. Sie flankieren hier aber in ähnlicher Weise eine Eingangssituation.

    Moskau, Landsitz Kusminki, die Rossebändiger vor dem Musikpavillon des Pferdehofes (Foto: Digr, Juli 2017, CC-BY-SA-4.0)

    In der Seitenansicht wird deutlich, dass die Aufstellung in Berlin - etwas weiter vom Gebäude weggerückt - günstiger war. Die Gruppen müssen ihren Bewegungsdrang nach allen Seiten ausleben können und sollten daher nicht zu dicht vor einer Wand stehen.

    Moskau, Landsitz Kusminki, Rossebändiger Nr. 1 (Foto: Digr, Juli 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Moskau, Landsitz Kusminki, Rossebändiger Nr. 2 (Foto: Digr, Juli 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Peter Clodt war nicht nur ein hervorragender Bildhauer, sondern auch Bronzegießer - eine Verbindung, die selten ist. Ihm gelangen meisterliche Güsse seiner Rossebändiger. Ein Hauptwerk der Gießkunst ist das Reiterdenkmal Nikolaus' I. Das Pferd steht nur auf den Hinterbeinen, nicht einmal der Schwanz berührt den Boden.

    Petersburg, Isaaksplatz, Denkmal für Nikolaus I. (Foto: Витольд Муратов, August 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Clodt schuf das Reiterdenkmal in den Jahren 1856-1859. Am Sockel befinden sich vier allegorische Frauenfiguren von Robert Salemann. Eine von ihnen, wohl "der Glaube", trägt die Züge der Kaiserinwitwe Alexandra Fjodorowna - der Schwester Friedrich Wilhelms IV., dessen Reiterdenkmal vor der Alten Nationalgalerie in Berlin steht.

    Petersburg, Isaaksplatz, Denkmal für Nikolaus I., allegorische Frauenfigur "der Glaube" mit den Zügen der Kaiserinwitwe Alexandra Fjodorowna, von Robert Salemann (Foto: georgij9500, September 2009, CC-BY-SA-3.0)

  • Weitere Bilder der Rossebändiger hier im Forum an dieser und jener Stelle.

    Ein Hauptwerk der Gießkunst ist das Reiterdenkmal Nikolaus' I. Das Pferd steht nur auf den Hinterbeinen, nicht einmal der Schwanz berührt den Boden.

    War es nicht Andreas Schlüter, der ein Pferd mit nur zwei Beinen auf dem Boden erstmalig bei seinem Großen Kurfürsten zustande brachte?

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    Eine weitere Pferdefigur, welche m. E. die meisterlichste und lebendigste Detailausformung bei einem Eisenguss-Pferd beinhaltet, ist St. Georg als Drachentöter (August Kiss, 1855) aus dem Großen Schloßhof, heute am Spreeufer des Nikolaiviertels.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    2 Mal editiert, zuletzt von Mantikor (12. November 2019 um 23:37)

  • Heute wurden drei weitere der herrlichen Schupmann-Kandelaber an der Straße vor der Lustgartenseite des Schlosses gesetzt.

    Die Granitblöcke zur Einfassung der Neuinterpretation der Schlossterrassen haben eine sichtbare Aussparung erhalten, offenbar um als Bank fungieren zu können. Hoffentlich werden die Blöcke gut gegen Graffitti-Geschmier geschützt...