New York City (Galerie)

  • Ich war jetzt ein paar Tage in New York, zum ersten Mal seit über 20 Jahren. Ist immer noch eine irre Stadt, sowas gibt es in Europa einfach nicht. Wobei ich sagen muss, dass die Neubauarchitektur praktisch durchgehend in Stahl und Glas ausgeführt ist. Sicherlich gibt es auch Ausnahmen, aber mein Eindruck war, dass sehr modern neu gebaut wird, von irgendeiner Wiederaufnahme frühmoderner Elemente, wie es in Europa gerade tlw. geschieht, war nichts zu sehen (kann aber auch einfach nur sein, dass die Dinger sich so gut einpassten, dass ich sie übersehen habe ;).

    Mit großen Bilder aus Manhattan will ich Euch gar nicht langweilen, das ist schon alles wirklich beeindruckend, aber eben auch sehr ikonisch und bekannt. Glaube nicht, dass meine Schnappschüsse vom Straßenniveau hier irgendeinen wesentlichen Erkenntnisgewinn brächten (bei Interesse gerne Bescheid sagen), ABER: Ich habe mir einen halben Nachmittag "frei"genommen und bin nach Harlem gefahren mit der U-Bahn auf der Suche nach "Brownstones" und anderer Architektur der letzten Jahrhundertwende. Harlem ist explosionsartig gewachsen von ca. 1880 bis 1920, dagegen war die Bebauung des Prenzlauer Bergs eine Dorfkirmes. Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten hier reiche New Yorker ihre Villen und Landsitze, bis der Hunger nach Baugrund so groß wurde und der Zuzug so immens, dass hier in atemberaubender Geschwindigkeit und vergleichbar mit dem westlichen Brooklyn zum richtigen Zeitpunkt massiv Wohnbebauung entstand.

    Ich hatte einige Vorurteile gegenüber amerikanischem Städtebau, und viele davon bestätigten sich auch. Auch die relativ lieblose Gestaltung der entstandenen Blocks mit den oft backsteinsichtigen Fassaden mit nur sehr wenig Schmuck und den außenliegenden Feuertreppen muss man mögen. Es ist allerdings auch tatsächlich anscheinend entstuckt worden, so dass der heutige Eindruck nicht unbedingt der erbauten Realität entsprach. Zudem haben alle diese Stadtteile außerhalb der südlichen 2/3 Manhattans mit Architektur der Jahrhundertwende sehr harte Zeiten hinter sich, in den 1950er-1980er Jahren handelte es sich tatsächlich um echte Slums mit extrem hohen Kriminalitätsraten und Verwahrlosung, Leerstand, Bränden, etc.

    Ich fange mal an, so sehen die Hauptstraßen (Avenues) aus, die in Nordsüdrichtung verlaufen:

    Oder so:

    Man sieht schon am Eckladen "Organic Choice", dass hier in den letzten Jahren eine ordentliche Gentrifizierung Einzug gehalten hat. Tlw. durchaus prachtvolle Eckgebäude, dieses hier wie einige andere an eine italienische Neorenaissance gemahnend:

    Völlig atypisch für die modernen USA hat sich hier auch ein Straßenleben erhalten. Es ist ja nicht so, dass es das in den USA nie gegeben hätte, es ist nur einfach mit dem totalen Siegeszug der autogerechten Stadt und einer massiven Suburbanisierung praktisch verschwunden gewesen bzw. den ärmsten Stadtteilen, dann erkauft mit sehr hohen Kriminalitätsraten, vorbehalten gewesen. Das ändert sich aber gerade, die Menschen holen sich sozusagen ihre Stadt zurück mit dem Ergebnis, dass Harlem hier an manchen Ecken fast wie eine europäische Großstadt wirkt.

    Schon einzigartige Straßenbilder für das europäische Auge:

    In den quer verlaufenden Wohnstraßen geht es dann aber richtig los:

    Die Ausdehnung dieses Gebiets stellt alles in den Schatten, was ich erwartet hatte. Ich dachte, ja gut, da kommen dann so zwei, drei halbwegs erhaltene Straßen, verbrämt als "Historic District" und der Rest ist Grütze - weit gefehlt. Das hat riesige Ausmaße, das Gebiet, vielleicht nicht immer zu 100% geschlossen an den Hauptstraßen, aber diese Wohnstraßen - davon gibt es alleine in Harlems hunderte so erhaltener Blocks wie hier gezeigt, vollkommen irre.

    An den Ecken dann oft höhere Dinger:

    Blick zurück in die Straße:

    Als absoluter Liebhaber der "gründerzeitlichen" Großstadt und ihrer Architektur kann ich nur sagen, dass ich absolut verzaubert war. Ich hätte 3 Tage nur durch Harlem laufen können und dann nochmal 5 Tage nur durch Brooklyn. Leider waren es nicht einmal 2 Stunden. Geht noch weiter...

  • Und weiter entlang eines kleinen Parks (Morris Park):

    Überall sitzen Leute auf den Treppen und grüßen einen freundlich, daran muss man sich auch erstmal gewöhnen, v.a. als weißer Tourist in Harlem, war da erst etwas nervös, aber die Leute sind einfach wirklich freundlich, wurde mehrfach angesprochen, aaah from Germany, yeah, it's beautiful here usw...

    Halloween wirft seine Schatten voraus:

    Nur an diese horizontal geteilten Fenster mag ich mich nicht recht gewöhnen, das wäre mit einer europäischen Aufteilung alles noch schicker (vielleicht aber auch nur deutsche Hybris)...

    hier mal ganz andere Häuser, mit Vorgärten und diesen Porches zum Sitzen:

    Gegenüber:

    Und überall Bäume mit viel natürlichem Schatten (gerade im Sommer hier Gold wert, ist dann doch eher ein Mittelmeerklima im Sommer, aber mit unangenehm kalten Wintern:

    Noch eine Straße, sorry, dass das jetzt schon fast repetitiv wirkt:

    Ein Ensemble (man achte auf die EG-Fenster des Hauses leicht links der Mitte):


    Nochmal eine der Hauptstraßen (Boulevards oder Avenues):

  • Die Hauptstraßen wirklich von gemischtem Charme, aber das ist die Prenzlauer Allee auch:

    Zwischendurch auch immer wieder Hochhäuser wie im Hintergrund zu sehen.... mal wieder eine Querstraße, aber mit mehr Leben und ein paar Läden:

    Eine Parallelstraße wieder sehr prachtvoll:

    mit diesen runden Erkern, auch schick:

    Nochmal eine andere Variante:

    An der nächsten Avenue geht es wieder deutlich gemischter zu:

    Die schlechtesten Überlebenschancen dürften natürlich diese zweistöckigen Dinger mit den Läden wie im Vordergrund haben, rechts im Bild ist (wahrscheinlich) genau so was durch den noch mit Gerüst versehenen Neubau ersetzt worden:

    Wieder die Avenue nach Süden:

    Und eine große Schule - auch das erinnert frappant an deutsche Stadterweiterungen der gleichen Epoche: Wohnstraßen quer zu Hauptstraßen mit Läden und Verkehr - Kirchen, Schulen und kleine Parks und Plätze überall dazwischen:

  • Auf meinem Spaziergang bin ich nun ausgehend vom Morris Park in Central Harlem immer weiter nach Nordwesten gegangen, hatte zwar einige Ziele aus dem Reiseführer, mich aber dazwischen treiben lassen und tlw. auch einige der hervorgehobenen Häuser und Straßenzüge verpasst, weil ich in einer Parallelstraße war - egal, war alles sehr schön, nur dass das Licht immer schlechter wurde.

    Das schöne Eckhaus mit dem Türmchen wirkt verlassen und trotz des Gerüsts nicht wie unter Renovierung. Das gab es durchaus auch nicht selten, also solche "Schutzgerüste" wie nach der Wende in Leipzig. Wenn es keine Schule ist, so ist es eine Kirche:

    Ein größerer Block mit etwas morbidem Charme:

    Hier geht es auch merklich bergan:

    Eine - diesmal allerdings anscheinend - aufgegebene Kirche:

    Hier kommt dann ein Gebiet, in dem auch hellerer, "normaler" Sandstein als Fassadenmaterial genutzt wurde:

    Gegenüber:

    Einfach schöne Straßen, schöne Eingänge, alles etwas "runter", aber auf die angenehme Art:

    Blick zurück nach unten/angeschnitten ganz rechts ein weiterer anscheinend leerstehender (?), zumindest aber mit einem Schutzgerüst versehener Eckbau:

  • Danke für die wunderbaren Fotos! Mein Vater besuchte als Jazzliebhaber vor über 25 Jahren Harlem und fotografierte viel, lief alle Straßen ab. Aber: Das Gefühl war damals noch äußerst mulmig. Er war der einzige Weiße auf der Straße und die Blicke vergaß er nicht. Das hat sich meines Wissens mittlerweile aufgrund der Gentrifizierung zum Glück geändert und auch der Umstand, dass viele Schwarze heute ebenfalls Teil des Mittelstands sind, ist natürlich wohltuend. Heute würde ich tatsächlich auch gerne mal dieses schönste Gründerzeit-Viertel der USA besuchen, vor allem aufgrund der Architektur (und weil es prägender Stadtteil vieler Subkulturen ist, die heute natürlich auch in Europa „Mainstream“ sind).


    Ich staune übrigens auch grade, wie überaus gepflegt dieses Viertel ist. Überall Pflanzen und Blumen. Und: kein einziges Graffiti konnte ich wahrnehmen! Und das in Harlem. Man sieht hier, wie sehr sich die Zeiten ändern können und wie aus einem einstigen Ghetto fast schon „die gute Stube“ einer Stadt werden kann. Wie gesagt, sehr beeindruckend.

  • Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich hatte auch durchaus Respekt vor der Aktion, nicht unbedingt aus Angst, aber schon so, dass man natürlich nichteuropäische Städte und Straßen viel schlechter "lesen" kann und gerade aus den USA natürlich alle die Geschichten kennen, wie jemand nur zweimal falsch abgebogen ist und sich in einer ganz üblen Gegend wiederfand.

    War aber alles tatsächlich kaum der Fall, ich war auch erkennbar nicht der erste Tourist, der da langgelaufen war, ich habe soweit möglich vermieden, Fotos mit Leuten vor ihren Häusern zu machen (und mich dafür manchmal hinter Bäumen so postiert, dass ich und die Leute auf den Treppen nicht sichtbar waren).. Spätestens aber, als eine asiatische Reisegruppe mit Führer und 10 Mann mit Selfiesticks und Hüten da rumlaufen sah, entspannte ich mich. Bin am Ende sogar noch bei Schummerlicht durch einen Park gelaufen zur U-Bahn, das war alles ganz normal da. Kinder auf Bolzplätzen, Leute am Schachspielen im Park. Allerdings auch deutlich mehr weiße Gesichter als zur Zeit des Besuchs Deines Vaters, v.a. in dem Teil, der jetzt noch kommt. Und auch eindeutig das, was Du beschreibst, also eine nicht nur wie seit Jahrzehnten herbeigewünschte, sondern jetzt auch vorhandene schwarze Mittelklasse.

    Ja, das mit dem Jazz ist auch so eine Sache. Ich weiß nicht, ob Du den Film "Soul" kennst (ist so ein Trickfilm der neuen Generation von Pixar, die muss man mit Kindern halt alle sehen), aber der spielt auch in einem fiktiven, klar an Harlem angelehnten Stadtteil von New York und dreht sich um einen leidenschaftlichen Jazzpianisten und seiner Suche nach dem Glück und dem Leben.

    Es geht nochmal weiter:

    Wie gesagt, Licht jetzt immer schlechter, leider, denn es kamen weitere sehr schöne und unerwartete Straßenzüge:

    Hier auch mal rötlicher Sandstein wie oft im Rhein-Main-Gebiet:

    Da kam ich dann plötzlich in so ein kleinen "Stadtvillen"-Viertel, auch das kennt man ja aus den deutschen Stadterweiterungen der gleichen Epoche, diesen Wechsel aus Mehretagen/Mietshäusern und Straßen für Betuchtere zwischendrin, kann man in Hamburg zum Beispiel noch gut sehen oft, auch in Hannover.

    Tolle Straßen:

  • Leider nicht. Es war ein ohnehin schon sehr gepresster Besuch u.a. bei Verwandten, die ich seit 20 Jahren und die Brut noch nie gesehen hatte, das war einfach mal überfällig. Am Ende haben wir uns dann noch 3 Tage New York freigeschaufelt, und im Rahmen dieser 3 Tage ist das an einem Nachmittag, an dem die anderen keine Lust mehr hatten, entstanden.

    Brooklyn bietet zumindest nach meiner Recherche sogar fast noch mehr solcher Gegenden, u.a. Park Slope, aber auch das von Dir erwähnte Brooklyn Heights (relativ kleines Gebiet) und viele Ecken um den Prospect Park. Das muss fast noch beeindruckender sein.

    Letzte Rutsche Fotos, es ist so schon zuviel und zu unselektiert:

    So wie das Haus links müssen weite Teile dieses Gebiets, aber eben auch Brooklyns und der Bronx in den 1960er-1990er Jahren ausgesehen haben.

    Vielleicht nicht mehr ganz so groß, aber immer noch sehr schöne Häuser und Straßen....

    Hier übrigens mal ein kleiner Blick in einen Hinterhof, das sind grüne Oasen, und interessanterweise die Gärten wie in Bremen unter Straßenniveau, so dass das Souterrain zur Straße hintenraus ein Vollgeschoss ist:

    Halloween wird dort sehr ernstgenommen ;)

    Noch so eine schöne Straße:

    Auch entgegen dem Klischee sehr abwechslungsreich, also keineswegs immer nur derselbe Häusertyp, wie man es vielleicht dem sonst strukturell nicht ganz unähnlichen Großbritannien nicht ganz zu unrecht vorwerfen kann. Auch faszinierend finde ich, dass Städte zwar auf viele verschiedenen Weisen hässlich sein können, aber die schönen doch auf sehr ähnliche Weise schön sind (zumindest in den nicht innerstädtischen Wohnbezirken). Es ist immer ein Spiel mit Dichten, die nicht zu niedrig sein dürfen, Blockrandbebauung, abwechslungsreichen, aber doch klassischen Fassaden und einer sehr guten Mischung aus Wohnen, Gewerbe und Dienstleistungen und kurzen Wegen. Die Melodie ist in Schwabing, dem Eixample und Harlem sehr ähnlich, das aufgeführte Stück aber unterscheidet sich dann doch sehr stark.

    Es ist aber alles kein Hexenwerk, warum der westliche Städtebau 100 Jahre experimentieren musste, um jetzt immernoch widerwillig und sehr zäh wieder ähnliche Wege einzuschlagen, ist frustrierend.

    Das Haus hier in der Mitte hat fast etwas Pariserisches:

    Schön gemischte Avenue im Abendlicht, das kriegen sie komischerweise wie Bremen irgendwie nicht hin mit den Traufhöhen:

    Aber langweilig wird es nicht:

  • Doch noch ein paar letzte Fotos:

    Zwischendurch ein paar Villen:

    Dann wieder hohe Häuser (hier mit Blick über einen links liegenden Park):

    Weiter unten am Ende des Parks dann dieses Entree, das Ding links könnte auch original eine Lückenbebauung in Berlin aus dem Jahr 2000 sein:

    Hier mal ein durchgehender Mietshausblock mit 5 Stockwerken, auch relativ europäisch wirkend:

    Natürlich im Hintergrund die auch in deutschen Städten unvermeidlichen 70er-Geschenke mitten in solchen alten Stadterweiterungen, da musste der Modernismus sich dann doch noch einmal entleeren, allerdings in New York dann mit entsprechend mehr Geschossen. Die Gegenseite ähnlich nett, aber cremefarben:

    Insgesamt finde ich, dass das alles nicht so wahnsinnig überzeugt bzw. erkennbar nicht die Stärke war/das ganze etwas schmucklose Massenunterkünfte waren und man das anders als bei ähnlichen Gebäuden in Europa auch sieht.

    Wirklich toll finde ich diese v.a. oft an den Eckgebäuden grün angemalten Dachgesimse, die so einen kupfernen/Grünspanlook haben.

    Das wars. Wirklich mal wieder ein tolles Stück Stadt, und sehr schöner Beifang unseres New York-Besuchs. Falls ich jemals nochmal nach New York kommen sollte, werde ich mir mehr Zeit nehmen und auch Brooklyn anschauen, auch die jeweiligen "Upper West" und "East Side" sollen, je weiter man auf beiden Seiten des Central Parks nach Norden/Harlem kommt (fließende Übergänge) noch viele solcher Straßen haben. So sehe ich mich im Ruhestand. Andere machen Kreuzfahrten, ich kucke mir Großstadterweiterungen der letzten Jahrhundertwende an.

  • Tolle Bilder. An solchen Straßenzügen kann ich mich kaum sattsehen, da brauche ich gar keine berühmten Must-Sees abklappern, mir würde es reichen, einfach durch diese Straßen zu schlendern - wobei ich Harlem damals in 2012 in Teilen als recht bedrohlich empfand, zumindest die Abschnitte, in denen ich unterwegs war.

    Was mich noch heute ein wenig verwundert ist, dass ich bei manchen Straßenzügen das Gefühl hatte - und man darf mich nun gerne auslachen -, ich wäre zu Hause im Bremer Fesenfeld. Ich meine natürlich diese eher kleineren Reihenhäuschen mit den Treppen zum Hochparterre, den Töpfen auf den Treppen, den zwei oder drei Vollgeschossen und dem oft eher dunklem Souterrain. Diese Häuser passten nicht in mein Weltbild von NYC und es war umso überraschender, diese nicht nur in Harlem oder ganz klassisch in Brooklyn anzutreffen, sondern teilweise auch in Manhattan, etwa in Greenwich Village.

  • Mich faszinieren immer die geschlossen historischen Quartiere NYCs. Sowas findest du in keiner deutschen Großstadt mehr. NYC ist in der Substanz und der Größe der Substanz historischer als jede deutsche Großstadt. (Außer vielleicht Berlin mit seinen großen Mietskasernen-Vierteln, aber davon ist ja gut 70% entstuckt/entstellt.)

  • Tolle Bilder. An solchen Straßenzügen kann ich mich kaum sattsehen, da brauche ich gar keine berühmten Must-Sees abklappern, mir würde es reichen, einfach durch diese Straßen zu schlendern - wobei ich Harlem damals in 2012 in Teilen als recht bedrohlich empfand, zumindest die Abschnitte, in denen ich unterwegs war.

    Was mich noch heute ein wenig verwundert ist, dass ich bei manchen Straßenzügen das Gefühl hatte - und man darf mich nun gerne auslachen -, ich wäre zu Hause im Bremer Fesenfeld. Ich meine natürlich diese eher kleineren Reihenhäuschen mit den Treppen zum Hochparterre, den Töpfen auf den Treppen, den zwei oder drei Vollgeschossen und dem oft eher dunklem Souterrain. Diese Häuser passten nicht in mein Weltbild von NYC und es war umso überraschender, diese nicht nur in Harlem oder ganz klassisch in Brooklyn anzutreffen, sondern teilweise auch in Manhattan, etwa in Greenwich Village.

    Wie gesagt, bzgl. des Sicherheitsgefühls wird es eine Mischung sein aus weiterer Gentrifizierung, Glück und vielleicht, dass ich in den richtigen Bereichen unterwegs war. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass man in manchen Bereichen sehr schnell als Fremdkörper wahrgenommen wird, zumal man ja machen kann, was man will optisch, man sieht eben aus wie ein Tourist, auch wenn ich ganz bewusst auf Dinge wie einen Rucksack etc. verzichtet habe.

    Ich könnte das auch ewig machen.... bin einfach ein Großstadtliebhaber und könnte ewig durch Städte laufen, sehr zum Leidwesen meiner Mitreisenden. Und die Ähnlichkeiten mit Bremen würde ich als durchaus vorhanden bezeichnen, die Treppen zur Straße, das Leben nach vorne, die tiefliegenden Gärten mit nach hinten ebenerdigen Souterrains.... also richtig weit hergeholt sind diese Vergleiche nicht, auch wenn die Dimensionen und die genaue Gestaltung natürlich ganz anders sind. Aber auch dieses an den Ecken dann höhere Mietshäuser und in den Querstraßen Reihenhäuser - das ist schon alles erstaunlich ähnlich, fand ich auch.

    Mich faszinieren immer die geschlossen historischen Quartiere NYCs. Sowas findest du in keiner deutschen Großstadt mehr. NYC ist in der Substanz und der Größe der Substanz historischer als jede deutsche Großstadt. (Außer vielleicht Berlin mit seinen großen Mietskasernen-Vierteln, aber davon ist ja gut 70% entstuckt/entstellt.)

    Ist sicherlich etwas übertrieben, aber ich kann die Übertreibung nachvollziehen. Würde auch sagen, dass es nur sehr, sehr wenige bis keine Städte auf dieser Welt geben dürfte, die mehr Bausubstanz aufweisen, die - etwas willkürlich jetzt - älter als 100 Jahre ist. Und "sehr, sehr wenige" kann hier auch explizit "keine" heißen - selbst Paris und London dürften da etwas ins Straucheln geraten, wobei natürlich dann auch immer "mit Altbauten bebaute Fläche" vs. "Einwohner, die tatsächlich in alten Gebäuden leben", zu definieren wäre. Bei erstem Kriterium werden zweifellos New York und London vor Paris liegen wegen der (außerhalb Manhattans) verbreiteten Reihenhausbauweisen mit eher geringeren Dichten, bei letzterem wahrscheinlich Paris vor London (und für New York wüsste ich es nicht). Es sind auf jeden Fall riesige, riesige Gebiete, die so bebaut sind in New York. Und wie Du richtig gesagt hast - selbst wenn Berlin da irgendwie noch mithalten könnte beim Thema "Einwohnerzahl in Altbauten", sind die Gebäude eben zum großen Teil entstellt.

    Bei den meisten Häusern wurden wohl die schönen alten Sprossen und Kreuzfenster durch vollverglaste Fenster ersetzt?

    Ich glaube ehrlich gesagt, dass diese horizontal geteilten Fenster oft original sind. Mag sein, dass die bei Erbauung noch zumindest eine vertikale Aufteilung hatten, also dann quasi wie Kreuze aussahen, was man auch manchmal noch sieht, aber grundsätzlich haben die USA wie Großbritannien diese "Schiebefensterkultur", also, dass man das untere Fensterelement zum Lüften nach oben schiebt, so wird dort tlw. bis heute gebaut. Allerdings habe ich tlw. auch sanierte Altbauten mit europäischen, vertikal geteilten Fenstern gesehen und den normalen, deutschen innenliegenden Fenstergriffen, so dass sich das dort langsam zu ändern scheint, weil die Dinger natürlich unpraktisch und schlecht isoliert sind und praktisch nie richtig funktionieren/klemmen etc.

  • Verstehe das voll und ganz. Ich würde mir das auch nicht nehmen lassen und trotz der möglichen Gefahr das Viertel besichtigen. Und würde sogar die Bronx besuchen (dort ist das Hip Hop Museum). Und Harlem lohnt sich architektonisch einfach zu sehr (hast du eigentlich auch das Apollo Theater fotografiert)? Dennoch muss man aufpassen, das ist meine Meinung und im Freundeskreis würde ich ggf. sogar davon abraten (meine Mutter war damals stinksauer, als ihr mein Vater erzählte, dass er Harlem besichtigte). Ich wuchs selbst eher in einem Brennpunktviertel auf und lebe bis heute dort (sehr gerne übrigens) da lernt man gewisse Methoden, was das Verhalten in „feindlicher Umgebung“ betrifft, so besuchte ich in Berlin auch Neukölln (meine damalige Freundin lebte dort, so war auch meine Unterkunft dort). Keine Angst zeigen ist das A und O, auch wenn es mir nachts in Neukölln zugegeben schwer fiel.


    Und ja, Soul hab ich übrigens gesehen :) Bin gar kein Freund von 3D-Animationen und vermisse den klassischen gezeichneten Zeichentrick. Aber Soul hatte tatsächlich Soul.

  • New York muss dennoch aufpassen, es wird leider gerade im Zentrum sehr vieles abgerissen. Noch in den 1960ern gab es eine Unzahl an Art Deco-Wolkenkratzern, die modernen Kisten weichen mussten, das ist dann wie bei deutschen Städten: mehr als Schwarz-weiß-Bilder gibt es dann nicht mehr. So wurde auch vor wenigen Jahren ein wunderbares historisches Hotel mitten im Zentrum abgerissen, damit der „Toothpick“ gebaut werden konnte. Ich glaube, der Denkmalschutz hat dort weniger zu melden. Zumindest kommt es mir so vor. Der amerikanische Geist der „Gewinnmaximierung“ trifft leider auch die Architektur.


    Hier ist eine äußerst schmerzhafte Liste:

  • Genau, es gibt so ein paar Tricks, die sich allerdings mit dem eigentlichen Ziel des "Besichtigens" etwas beißen, zügig gehen, immer den Eindruck hinterlassen, man wisse, wo man hingeht, ich hatte auch wirklich nur mein 4 Jahre altes Handy und eine U-Bahnkarte dabei, keinen Rucksack, kein Portemonnaie, bin dazu ein relativ großer und nicht magerer Mann.

    Die Bronx würde ich mir auch gerne nochmal anschauen, dort muss es in den 70ern ja Gegenden gegeben haben, die laut Präsident Reagan "wie London nach dem Blitzkrieg" ausgesehen haben, also komplett zerstörte Blöcke durch eine Epidemie von Brandstiftungen und massivem Vandalismus. Den Wiederaufbau würde ich mir auch ankucken, Hip Hop-Museum auch. Aber alles nicht unter den Umständen dieser Reise möglich gewesen.

    In Berlin finde ich das alles ziemlich harmlos. Habe da gar keine Probleme oder auch nur ansatzweise Angst gehabt, war sogar mal abends in Neukölln unterwegs, bin aber auch kein Berlinkenner oder der große Abendsrumtreiber (mehr) und seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr in Berlin ausgegangen. Am Ende passiert einfach überall deutlich weniger, als man befürchten würde, da kommen wir dann wieder zu meinem Thema des "Safariblicks" von außen auf solche Viertel, da kann man sich im EFH irgendwo auf dem Land immer so schön gruseln über die "Zustände" in den Städten, dabei sehen auch absolute Brennpunktviertel in Deutschland immer noch aus wie Bullerbü im Vergleich zu vielen anderen Ländern.

    Arbeite selbst in einem sozialen Brennpunkt, viel Zuwanderung, viel Armut, noch nie etwas Blödes erlebt hier. Soll die Probleme, die es zweifellos gibt, nicht beschönigen und auch gar nicht zu politisch werden jetzt, aber ich finde das Bild, das von Großstädten gezeichnet wird in vielen Medien nicht erst seit einiger Zeit etwas befremdlich, als gäbe es selbst in so kaputten Städten wie Bremen wirklich "no go areas" - ich weiß immer nicht, wer solche Artikel schreibt und wo diese Leute dann wohnen bzw. was sie erwarten. Am Schlimmsten finde ich mittlerweile eher die Bahnhofsumfelder vieler westdeutscher Großstädte (Frankfurt, Bremen, Hamburg, um mal ein paar zu nennen) mit diesen offenen Drogenszenen (viel Crack), das macht zumindest mich deutlich nervöser als die "Zustände" in irgendeinem Hochhausviertel.

  • So wurde auch vor wenigen Jahren ein wunderbares historisches Hotel mitten im Zentrum abgerissen ...

    Das war das Hotel Pennsylvania, das ehemals größte Hotel der Stadt. Und der Aufschrei der Empörung war schon recht groß. Hat nur alles nix genutzt.

    War selber schon lange nicht mehr in NY. Damals sogar für ne Stunde oder so in Harlem. Viele Erinnerungen sind allerdings nicht übrig geblieben. Nur einige Eindrücke und ein allgemeines Feeling für den Ort. Von daher danke für die tollen Bilder.

    Waren vor ein paar Jahren über Weihnachten in London und hatten zwischenzeitig überlegt, dass mit NY zu wiederholen. Aber unser Sohn macht nächstes Jahr ein Auslandssemester in Tokyo und da sollte man sich die Besuchsoption zumindest offen halten. Obwohl, diese langen Flüge sind irgendwie nix mehr für mich.

  • Also ich muss ehrlich gestehen: Dafür, dass New York so unglaublich häßlich ist, ist die Stadt ja außerordentlich schön.

    Ich wusste nicht dass es da so schöne Ecken gibt.

    Vielleicht ist Dein hier vielfach geäußertes (Vor)urteil, demzufolge New York "unglaublich hässlich" sei, ja auch einfach falsch? Ich muss sagen, ich zähle diese von großen alten Bäumen bestandenen Reihenhausstraßen zum baulich Schönsten im Bereich "städtische Wohnarchitektur", was ich so kenne. Das geht dort auch deshalb vollkommen in Ordnung, weil wie gesagt die Sonne einen ganz anderen Wumms hat (40° Breitengrad), eher wie am Mittelmeer und im Sommer eher Problem denn Lösung ist, im Winter sind dann die Bäume kahl und lassen viel mehr Sonne durch. Praktisch ideal fürs Mikroklima.

    Bei uns würde das wohl zu stark beschatten (je nach Entwicklung des Klimas aber vielleicht auch nicht mehr lange), dort ist das wirklich traumhaft, selbst im Oktober noch. Auch die ganze restlichen Dinge sind ja noch da wie die alten gusseisernen Vorgartenzäune (in Bremen viel zu oft ersetzt), die alten Straßenlaternen (in Deutschland außerhalb von besonderen Gebieten ebenfalls fast durchgehend modern). Die Vernachlässigung der 50-90er Jahre war auch in New York eindeutig ein Segen, denn die fehlenden Investitionen führen nun ähnlich wie im Osten zu viel besser erhaltenen Straßenbildern.

    Trotzdem droht auch dort Gefahr durch den Wohnraummangel und Abrisse, wie Erbse und East hier schon geäußert haben. Und das betrifft leider nicht nur die großartige Art Deco-Wolkenkratzerarchitektur in Manhattan, sondern leider auch die jetzt langsam wieder wachsenden "Wohn"stadtteile wie Brooklyn oder eben Harlem. Man macht sich außerdem kaum ein Bild davon, was da alles schon abgerissen wurde, u.a. für die zahlreichen durch intakte Viertel geschlagenen, oft aufgeständerten Schnellstraßen. Das, was in Europa und v.a. Deutschland oft Kriegseinwirkung war, haben die Amis ganz von alleine hinbekommen.

    Umso beeindruckender ist das, was da noch alles steht. Ich war wie gesagt auch selbst unbewusst davon ausgegangen, dass die Bilder von den "schönen" Straßen mit Brownstonereihenhäusern immer relativ selektiv waren in den oft eher bescheiden aufgestellten "Historic Districts" und war dementsprechend überwältigt vom Ausmaß und Erhaltungsgrad dieser Straßen. Ich bin überhaupt nur deshalb auf Harlem gekommen, weil es einen entsprechenden bebilderten Spaziergang in unserem auf deutsch verfassten "Lonely Planet"-Reiseführer New York gab. Sonst wäre ich da niemals hingegangen. Ich hatte -anders als eine erfreuliche Anzahl von Mitforisten- wirklich nur ein sehr schemenhaftes, eher negativ geprägtes Bild von diesem und den anderen "historischen" Stadtteilen New Yorks und war bislang alles andere als ein Fan des amerikanischen Pendants der deutschen "Gründerzeit"-Architektur, die ich instinktiv als bestenfalls mittelmäßig, tendenziell gar als minderwertig ggü. den europäischen Pendants eingeordnet hätte.

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    Trotzdem muss ich sagen, dass der Gestaltungsminimalismus, der wir in Deutschland aktuell so kultivieren, in den USA nicht so vorzufinden ist. NYC war die erste amerikanische Stadt, die ich 2008 besuchte, und es hat mir durchweg den Atem verschlagen. Als Berliner war ich soetwas nicht gewohnt. Gründerzeithäuser mit voll erhalten Stuckfassaden und 20 Stockwerken, Art-Deco-Wolkenkratzer mit einer unfassbaren Menge an Details, unglaublich. Später habe ich noch Chicago, Detroit, Indianapolis, Denver, San Diego usw. gesehen und muss durch die Bank weg sagen, dass überall Architektur mehr geschätzt wird als bei uns. Ich würde mich sogar hinreissen lassen zu der These, dass ein Abriss in den US-Großstädten nicht so wehtut wie bei uns, weil das was nachkommt gestalterisch anspruchsvoller ist. Da ist mehr Geld und Wille da etwas schönes zu gestalten, und es wird nicht aufgefressen durch überbordene Bauvorschriften. Die Kultur, Gebäuden Namen und Identitäten zu geben, stammt ja auch von dort. Da muss ich immer lachen, wenn hierzulande gesichtslose weiße Kisten gebaut werden die dann "Palais" heissen. Art Deco, Jugendstil usw. sind Baustile, aus denen man sich in den USA auch heute noch bedient und kreiert. Ich für mich habe das immer auch gefeiert.