Nordische Kirchen auf Grönland

  • (VERALTET)
    Ein neuer Entwurf von mir - nicht völlig frei erfunden, aber eine relativ freie Rekonstruktion eines recht exotischen Gebäudekomplexes, den hier sicher niemand kennt - oder doch? Sobald sich jemand daran versucht hat, die ungefähre Lage auf der Nordhalbkugel unseres Planeten (ja, soweit muss man schon ausholen) zu erraten, verrate ich die Lösung.


    [Ich spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, dieses "Rätsel" in den Keller zu schieben, also den offiziellen Ratethread. Dort würde ich hiermit jedoch nur für Frustration sorgen  :biggrin: - also ist es hier gelandet, wo es meines Erachtens auch besser hinpasst.]

    3 Mal editiert, zuletzt von Mündener (11. Januar 2014 um 14:58)

  • Es ist der Hof in Garðar, dem mittelalterlichen Bischofssitz Grönlands (1126-1378) , etwa im Jahre 1300.

    Der heutige Ort an derselben Stelle heißt Igaliku.

    Nicht gebaut habe ich einen etwas nördlich liegenden Handelsplatz (oder wahlweise Thingplatz, die Forschung ist sich darüber nicht einig)

    :biggrin:

    Eventuell werde ich noch den Hof in Brattahlið (heute Quassiarsuk) und den deutlich nördlicher gelegenen Hof in Anavik (östlich von Nuuk) nachbauen (beide jeweils mit Kirche)

  • Und alle Information, die ich zum Bau des Modells brauchte, stammen aus dem Internet:

    Für den Grundriss der Kirche (und die Information, dass sie einen Turm besaß):

    http://books.google.de/books?id=TIrB5…20norse&f=false

    (Seite 16)


    Für den Grundriss des restlichen Hofs:

    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j…erRrUBWCDsA4kFA


    (die Seite lädt offenbar nicht mehr)


    Sowie....

    http://www.khm.uio.no/english/resear…8-sanmark15.pdf


    (Seite 184)

    (Daher auch die Infos zum Thing- bzw. Handelsplatz)


    Und ein paar nebensächliche Informationen, hauptsächlich aus Wikipedia.

    Und der Vergleich mit anderen Wikingerhöfen, die besser erhalten sind (hauptsächlich Hvalsey; die dortige Kirche war nachweislich weiß gestrichen, also wird die Kathedrale es wohl auch gewesen sein)

  • (VERALTET)
    Nachdem ich endlich verlässliche Literatur zum Thema hab, muss ich auch gleich einiges nachbessern (bisher nur bei der Kathedrale)

    1.

    Dass beim Grundriss die Westwand völlig fehlte, war kein zufälliger Fehler des Zeichners. Die Westseite war nämlich eine Holzkonstruktion (bei einer Steinkirche wohlgemerkt; es brauchte etwas Zeit, bis ich es akzeptiert hab :D ) in bester Tradition der aus Island stammenden Siedler (dort baute man die Holzkirchen, die an drei Seiten von dicken Torfwänden ummantelt waren, nur die Westfassade zeigte eine Holzkonstruktion.) Demnach kann man auch hier eine Holzfassade annehmen, und da es eine Darstellung einer solchen Fassade aus Island ungefähr aus der Bauzeit der Kathedrale gibt ( Kirchtür von Valþjófsstaður ), kann man sich gut daran orientieren.

    2.

    Der Turm in meinem Modell resultiert hingegen sehr wohl aus einem methodischen Fehler des Zeichners, denn eine eingezeichnete Wand (die der "Beweis" für den Chorturm gewesen wäre) gehört zu einem kleineren Vorgängerbau an gleicher Stelle (der damals scheinbar noch nicht bekannt war).


    Mein neuer Rekonstruktionsversuch daher:


    (im Hintergrund der Grundriss der Kirche mit der falschen Wand im Chorraum)


    PS: der Bischofspalast wird auch noch einmal komplett neu gebaut. Da sind jede Menge Fehler noch zu beheben.

    3 Mal editiert, zuletzt von Mündener (11. Januar 2014 um 14:57)

  • Falls noch Interesse besteht, ich hätte noch eine grönländische Kirche fertig:

    Diesmal die Kirche eines Benediktinerklosters an einem Ort, der heutzutage Narsarsuaq heißt.

    Mit europäischen Benediktinerklöstern hat es aber fast nur die Bezeichnung als solches gemeinsam, wie ihr gleich sehen werdet.



    Und diesmal auch von innen:

    Das Ganze ist übrigens hier zu finden in Google Maps

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (29. Dezember 2013 um 15:19)

  • Und noch ein Beitrag zu Garðar; so langsam häufts sich.

    Abermals mit einigen Änderungen, aber vor allem mit dem Inneren der Kathedrale.


    1. Was ich bisher nicht wusste war, dass es in Grönland große Specksteinvorkommen gab; ein Material, dass sich ideal für dekorative Zwecke eignet. So wurden bei der Ausgrabung der Kirche im Jahr 1926 ein profilierter Stein des Südportals gefunden, sowie ein Ziersäulchen mit dem Ansatz eines Bogens; letztere sind zwar zu klein, um als Bauschmuck gedient zu haben; dennoch bildeten sie einen Teil der Ausstattung, wahrscheinlich eines Altars oder eines Taufsteins.

    2. Offenbar war die Kirche durch ein hölzernes Innengerüst, das hauptsächlich das Dach trug, in drei Schiffe unterteilt, was norwegischen Stabkirchen nicht unähnlich ausgesehen haben dürfte.

    3. (Bisher nicht umgesetzt) südlich der Kirche wurden zwei sehr bemerkenswerte Gebäude entdeckt, eines davon sehr klein auf quadratischem Grundriss, aber das einzige Gebäude des gesamten Hofs, bei dem Mörtel verwendet wurde statt rohem Lehm (oder Torf), scheinbar wurde eine gewisse Stabilität benötigt; man geht davon aus, dass es sich hierbei um einen Glockenturm handelte.
    Das zweite Gebäude ist ebenfalls quadratisch, aber deutlich größer,und mit einem zentralen Pfeiler. In ihm wurde eine große Anzahl von Glockenfragmenten aus Bronze gefunden; demnach diente auch dieses Gebäude als Glockenstube, und man verfügte über eine nicht geringe Anzahl an (teuer importierten) Bronzeglocken. Der zentrale Pfeiler trug vermutlich den Balken, an dem die Glocken aufgehängt wurden.

    4. In der Nähe der südlichen Langhauswand wurde eine kleine grünliche Glasscheibe gefunden; ein solcher Luxus dürfte zudem Fenster, die mehr als bloße Lichtschlitze waren, voraussetzen.

    Genug geschrieben, nun zu den neuen Bildern:


    Die Westseite besteht auch weiterhin aus Holz, jedoch nun ohne Portal



    Äußerlich entspricht die Kathedrale nun in etwa einer durchschnittlichen norwegischen Kirche


    Innen nun dreischiffig; die gefundene Ziersäule interpretiere ich als Teil des Altars.

    Hier sieht man auch gut, dass die Kirche alles andere als symmetrisch ist; keine zwei Wände sind gleich dick, das Langhaus ist ein unregelmäßiges Viereck, die Arkadenreihen sind daher auch nicht parallel, und auch Chorbogen und Ostfenster sind alles Andere als in einer Achse.


    Und noch ein Längsschnitt durch die Kirche:

    Noch eine Innenansicht; die Kerzenhalter entsprechen Exemplaren, die am Fundort ausgegraben wurden.

    Wer die zugrunde liegenden Materialien (Grundriss der Kathedrale, Türprofil des Südportals, Grundriss des Bischofspalasts, Plan des gesamten Hofs) haben möchte, auf Anfrage per PN, denn das Urheberrecht für das Buch ist noch gültig.

    3 Mal editiert, zuletzt von Mündener (11. Januar 2014 um 17:45)

  • Nach langer, langer Zeit bringe ich mal wieder eine Runde von Rekonstruktionsmodellen zu grönländischen Kirchen (der erste Teil ist auf den Seiten 7-8 dieses Strangs zu finden).

    Viele werden denken, was für erbärmliche Bauten das gewesen sind, mich allerdings fasziniert das Vermögen, selbst mit den einfachsten Mitteln und Gefühl für Proportionen gute Architektur entstehen zu lassen.

    Überzeugt euch selbst:


    Undir Höfða: Ein großer Hof mit Pfarrkirche am Ende eines Fjords, von dem vermutet wird, dass er der Einzige war, der nicht der Kirche, sondern dem norwegischen König gehörte.


    Klaustr: Wie man vielleicht am Namen erkennen kann, gehörte diese Kirche zu einer Niederlassung der Benediktiner, einem von zwei Klöstern im mittelalterlichen Grönland.


    Undir Sólarfjöllum: Ein Paradebeispiel für Sprachverwandtschaften, die man auf dem ersten Blick nicht vermutet, der Name ist eine Ortsbeschreibung (Unten am sonnigen Hang).


    Herjolfsnes: Auch dieser Name beschreibt den Ort (nes = Landzunge), an dem die Kirche steht (stand), und nennt den Namen des Hofgründers. Besagter Hof war einer der Wichtigsten des mittelalterlichen Grönlands, da über ihn fast der gesamte Handel mit Europa abgewickelt wurde.


    Garðanes: Ein etwas kleinerer Hof mit einer dementsprechend eher kleinen Kirche, die wahrscheinlich auch eher bescheiden ausgestattet war.


    Garðar: Mein mittlerweile vierter Rekonstruktionsversuch der Kathedrale des grönländischen Bistums, an ihr erkennt man gut, auf welchem baulichen Niveau wir uns hier befinden. Allerdings muss man bezüglich der Dekoration des Gebäudes Vorsicht walten lassen, da es in Grönland große Specksteinvorkommen gab, die von den Nordmännern (ich versuche, den Ausdruck "Wikinger" zu vermeiden) zu unterschiedlichsten Zwecken und teilweise mit großem handwerklichen Geschick genutzt wurden.

    So, ich hoffe, jemand findet vielleicht Interesse an diesem doch eher exotischen Thema :wink:

    4 Mal editiert, zuletzt von Mündener (2. Dezember 2016 um 18:23)

  • So, ich hoffe, jemand findet vielleicht Interesse an diesem doch eher exotischen Thema

    Selbst für das abgelegenste Thema muß sich ja irgendein Mensch interessieren :) Und um diese Gewißheit ist es sehr schön. Ich finde die Mühen und dein offensichtliches Fachwissen, daß du in deine Passion investiert, bewundernswert, gerade umso mehr für ein Gebiet dessen Faszination sich wohl erst auf den vierten oder fünften Blick erschließt.

    Aber selbst wenn man sich für Architektur interessiert, die sich viel spektakulärer und effektheischerischer präsentiert, wird man unter den "StiNo"-Leuten doch auch ziemlich belustigt bestenfalls als Sonderling beäugt, was ich ziemlich schade finde.

  • Mündener: ich finde diese Erst(?)besiedlungperiode Grönlands durch Nordeuropäer sehr interessant, denn das war ja so eine absolute Pionierzeit des Schiffsverkehrs. Und es war damals wohl dort wärmer als heute.
    Was ich mich bei deinen rekonstruierten Sakralgebäuden aber frage: wie wurden die beleuchtet? Ich meine, Grönland liegt ja sehr weit nördlich, da gibt es den Mittsommer in dem die Sonne nicht untergeht, und entsprechend ist dann ein halbes Jahr fast Nacht, insofern nimmt man Fenster vielleicht nicht so wichtig, aber trotzdem ist mir ein Gebäude mit so winzigen Öffnungen nicht so ganz geheuer. Was haben deine Nachforschungen diesbezüglich ergeben? Gibt es Anhaltspunkte für Fenster (selbst die Unteruhldinger Pfahlbauten hatten solche) oder für keine Fenster (so à la isländisches Nur-Grasdach-Haus)?

  • Man hat an diversen Orten kleine Talg- und Öllampen aus Steatit (Speckstein) gefunden. Ich denke, dass man aus Mangel an Alternativen auch die Kirchen damit erleuchtet hat. Nur der Bischof in Garðar hat sich für teures Geld ein Paar Kerzen aus Europa besorgen lassen (man hat dort einen Kerzenhalter aus Bronze gefunden). Die Diözese hat ganz nebenbei auch noch ganz andere Kostbarkeiten wie Fensterglas und einen recht großen Satz Bronzeglocken teuer importieren lassen.

    Die Häuser hatten sehr wahrscheinlich keine Fenster im klassischen Sinne, Dachluken wie bei zeitgleichen isländischen Bauten sind anzunehmen, aber auch nirgendwo belegbar, weder durch Befunde, noch durch Schriftquellen.

    Auffällig ist auch, dass der Hauptwohnraum sowohl isländischer als auch grönländischer Bauernhäuser in der Regel mit einer sehr langen Feuergrube ausgestattet war, in der wahrscheinlich konstant ein Feuer brannte (als Lichtquelle und Heizung). Zudem ist die Anzahl der Feuergruben in den Häusern sehr groß, man findet in fast jedem Raum irgendwo Eine, und sogar in der Kathedrale in Garðar hat man in der Nordostecke des Langhauses eine Feuergrube gefunden.

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (1. Dezember 2016 um 23:11)

  • Feuergrube... das kannte ich noch nicht. Allerdings stelle ich mir das auf Grönland und Island, wo es kaum Bäume gibt, problematisch vor! Eben wegen dem Holzverbrauch. Könnte vielleicht mit ein Grund gewesen sein, warum die Siedlungen auf Grönland wieder aufgegeben wurden?
    Zu welcher Zeit wurden Glas, Glocken und Kerzen(halter) importiert? Kann man das datieren?

  • Latenter Holzmangel war sowohl in Island als auch in Grönland ein Dauerproblem, aber durch den stetigen Nachschub an Treibholz, dass über die Meeresströmungen des Nordatlantiks aus Sibirien und Kanada an die Küsten Grönlands und Islands gespült wurde, hatte man zum Heizen im kleinen Maßstab genug Holz. Zudem gab es im Mittelalter sowohl in Grönland als auch in Island recht umfangreiche Baumbestände aus kleinen, niedrig wachsenden Birken, die aber überall recht schnell dran glauben mussten. Und zu guter Letzt konnte man auch Schlachtabfälle und Walfett und -Knochen verheizen - und das hat man trotz des üblen Gestanks auch regelmäßig getan.


    Zur Datierung der Importe: Die gestaltet sich aufgrund weitgehend fehlender datierbar Stilmerkmale schwierig. Bei den Glasfenstern ist an die Zeit um 1200, die Bauzeit der Kathedrale, zu denken. Die Glocken dürften teilweise älter sein, denn der Glockenturm, der neben der Kathedrale stand (fast direkt vor dem Südportal des Langhauses) gehörte noch zum Vorgängerbau der "heutigen" Kathedrale. Später hat man noch ein eigenes Gebäude nur zum Aufhängen von Glocken errichtet, die Importe von Glocken dürften also bis weit ins 13. Jahrhundert vonstatten gegangen sein. Der Kerzenhalter ist wahrscheinlich ebenfalls von kurz nach 1200.

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (2. Dezember 2016 um 00:00)

  • Das ist ein sehr exotisches Thema ;)
    Die ganzen Zusammenhänge mit Licht, Feuer, Holzvorkommen etc. sind für die Bauforschung natürlich ebenso interessant wie die Rekonstruktion aufgrund archäologischer Ergebnisse; beides ergänzt sich. Schade dass man den Hergang zu deinen Rekonstruktionen nicht sehen kann... aber da würde eine Seite Text und Bilder wohl nicht reichen.

    Was technisches: diese "Trauerrahmen", welche die Grundplatten deiner "Modelle" umgeben, würde ich weglassen. Sie verstärken auch den optischen Eindruck, dass die Grundplatten gegen hinten grösser werden, hervorgerufen durch die ungleichseitigen Vierecke.

  • Um die Beleuchtungsfrage sehr anschaulich zu beantworten, habe ich eine Innenansicht der Kirche von Brattahlið gerendert, mit einer kleinen Tonlampe als Lichtquelle:

    Und da ich die Kirche von Brattahlið gestern noch nicht hatte, kommt hier auch gleich noch eine Außenansicht hinterher:

    Spoiler anzeigen

    3 Mal editiert, zuletzt von Mündener (2. Dezember 2016 um 15:18)

  • Schade dass man den Hergang zu deinen Rekonstruktionen nicht sehen kann... aber da würde eine Seite Text und Bilder wohl nicht reichen.

    Die Quellenlage für die Rekonstruktionen ist leider ziemlich dünn, aber die wichtigsten Referenzen kann ich hier sogar zeigen, da sie frei im Internet verfügbar sind:

    Die Grundrisse aller bekannten Kirchen der grönländischen Ostsiedlung (in der Westsiedlung gibt es noch 2 weitere bekannte Kirchen), leider sehr klein und ungenau, aber von vielen der Kirchen hab ich genaue Maße und bessere Grundrisse aus der Literatur.

    Die noch recht gut erhaltene Kirche von Hvalsey, als Referenz für den Großteil der aufgehenden Bausubstanz (ausgenommen die Kathedrale, da gibt es detailliertere Befunde zum Bauschmuck und die passende Literatur dazu)

    Für die hölzernen Westfassaden mancher Kirchen gibt es als Referenz eine um 1200 geschaffene Kirchtür aus Island mit der Darstellung einer solchen Fassade, die Tür von Valþjófsstaður (besagte Fassadendarstellung befindet sich im oberen Kreis ganz oben rechts)