Stuttgart - das alte Stuttgart - und Vergleiche

  • Schloßgespenst hat geschrieben:

    Quote

    Daß der Stuttgarter Rathausturm in den 50er Jahren noch unversehrt dastand und dann - nachdem man die Ruine des restlichen Rathauses beseitigt oder verbaut hatte - so verhunzt wurde, ist im übrigen unfaßbar und meines Erachtens in Deutschland einmalig. Oder gibt es eine andere Großstadt, die so mit ihrem Rathaus umgegangen ist?

    Die gibt es. In Essen wurde das historistische Rathaus noch in den 70ern abgerissen. In Köln wurde das besonders bedeutende mittelalterliche Rathaus (vielleicht ursprünglich das älteste Nordeuropas) nicht wiederaufgebaut, sondern völlig versaut. In Kassel hat das große historistische Rathaus immer noch ein Notdach. Mainz baute sich als Neues Rathaus eine modernistische Großbastionierung direkt am Rhein. In Pforzheim steht vom alten Rathaus noch ein stückchen der Erdgeschossmauer mit zwei Fenstern. Nürnberg hat sein wunderschönes historisches Rathaus zum Hauptmarkt hin ein unpassendes modernes vorgeblendet. Aschaffenburg baute sich als Neues Rathaus ein unpassender Kubusklotz direkt an seinem schönsten Platz bei der Stiftskirche. Dessau baute sein historistisches Rathaus nur zum Kleinteil wieder auf. In Neubrandenburg fehlt das historische Rathaus ganz.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • ... na ja, und bei uns hat man beide (alt und neu) zwar wieder aufgebaut. ABER alle anderen unversehrten Baudenkmäler dafür abgerissen. Und wenn nicht irgendwann Ende der 60er der Bund die Nahverkehrsförderung eingeführt hätte, wären dazu alle Gründerzeitlichen Stadtteile großflächig abgerissen worden - um Platz für Hochstraßen zu machen!

    Da fällt mir immer der Spruch ein: "Und aus dem Himmel kam eine Stimme `lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen`. Und er lächelte, war froh, und es kam schlimmer."

  • Und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es hier aussieht, wenn man damit beginnt, die ganzen Gründerzeitbauten abzureißen.

    An der Ecke Immenhofer Straße/Hauptstätter Straße stand vor Ewigkeiten ein ziemlich altes Haus (müsste grob geschätzt frühes 19. Jahrhundert gewesen sein), was aber auch dementsprechend schmuddelig aussah. Wirkte auch durch die Stadtautobahn etwas deplatziert. Anstatt, dass man da was Besseres anzufangen wusste, riss man das Ding ab und die Stelle lag erstmal mehrere Jahre einfach so brach da.
    Mittlerweile steht da ein selten hässliches Bürogebäude, wovon Stuttgart ja eh schon genug hat (und die meines Wissens nach auch fast alle Mühe haben Mieter zu finden). Ich sehe kaum einen Büro-Neubau, an dem nicht ein Plakat an der Außenfassade hängt, auf dem auf freie Büroräume aufmerksam gemacht wird.
    Wenn ich nach dem selben Schema in einem Spiel wie "Sim City" vorgehen würde - also sinnlos Büros in die Gegend setzen - wäre im Spiel schnell das Geld aus und dann Game Over.
    In der Realität scheint es aber kein Game Over zu geben.
    So sieht es hier aus.

  • Quote

    Schloßgespenst hat geschrieben:

    Die gibt es. In Essen wurde das historistische Rathaus noch in den 70ern abgerissen. In Köln wurde das besonders bedeutende mittelalterliche Rathaus (vielleicht ursprünglich das älteste Nordeuropas) nicht wiederaufgebaut, sondern völlig versaut. In Kassel hat das große historistische Rathaus immer noch ein Notdach. Mainz baute sich als Neues Rathaus eine modernistische Großbastionierung direkt am Rhein. In Pforzheim steht vom alten Rathaus noch ein stückchen der Erdgeschossmauer mit zwei Fenstern. Nürnberg hat sein wunderschönes historisches Rathaus zum Hauptmarkt hin ein unpassendes modernes vorgeblendet. Aschaffenburg baute sich als Neues Rathaus ein unpassender Kubusklotz direkt an seinem schönsten Platz bei der Stiftskirche. Dessau baute sein historistisches Rathaus nur zum Kleinteil wieder auf. In Neubrandenburg fehlt das historische Rathaus ganz.

    Ganz kann man diese Situationen aber nicht miteinander vergleichen.

    Der Abriss des neugotischen Essener Rathauses 1964/65, obwohl es wiederhergestellt war, war eine Kulturfrevelei. Aber ist diese Stadt überhaupt zu retten? (höchstens wohl noch durch ein paar Rekonstruktionen)

    Ebenso schlimm ist der - hier nicht erwähnte - Abriss des Gelsenkirchener Rathauses 1970. (hier ein paar Bilder: http://www.gelsenkirchener-geschichten.de/viewtopic.php?…ddc0d8b87b1707a ) Auch hier würde eine Rekonstruktion etwas zur Verbesserung der städtischen Aufenthaltsqualität beitragen.

    In Neubrandenburg fehlt das alte Rathaus seit dem Krieg völlig. Doch Platz für eine Rekonstruktion wäre ja eigentlich vorhanden. Hier könnte die Zukunft noch etwas bringen.

    In Mainz hingegen wurde z.B. kein altes Rathaus für einen Neubau abgerissen oder überformt. Es gab schlichtweg vor dem (wahrlich häßlichen) modernen Großbau von 1974 kein einheitliches Rathaus.

    Das Rathaus in Aschaffenburg war ein sehr schlichter klassizistischer Bau. Als es 1956 zu einem Neubaukomplex und dem Abbruch der Kriegsruine kam, orientierte sich der neue Sitzungssaal am klassizistischen Bau. Der erhaltene Säulenportikus wurde integriert. Ich finde einigermaßen gelungen, da der alte Bau in Resten noch sinnlich erfahrbar bleibt.

    Köln ist zwar nur eine Teilrekonstruktion, allerdings sollte man sich mal anschauen, was 1945 noch von dem Gebäude übrig war. Dafür wurde sogar einiges an Wiederaufbauarbeit geleistet. Im Gegensatz zu Stuttgart war vom Rathausturm nur noch ein Stummel übrig. Er wurde rekonstruiert.

    Das Rathaus Dessau ist in Teilen immerhin erhalten, zum Beispiel eben der historistische Turm. Vielleicht kann man die Mischung aus alt und neu ein wenig mit dem Wiesbadener Wiederaufbau vergleichen.
    Hier eine Ansicht vor 1945: http://www.heimatsammlung.de/topo_unter/06_…rathaus-971.jpg
    Hier eine von 1945: http://www.dessau.de/index.asp?Menu…29&ImageID=1640
    Hier eine von heute: http://www.dessau.de/index.asp?Menu…=33&ImageID=744 (ganz so schlecht ist die Lösung nicht)

    Auch das Kasseler Rathaus ist weitgehend erhalten (immerhin in dieser Stadt). Über eine Dachrekonstruktion wird irgendwann mal zu reden sein. In diesem Fall erscheint mir aber der Ist-Zustand vergleichsweise erträglich.
    Einst: http://www.antik-falkensee.de/catalog/images/3500w226.JPG
    Heute: http://picasaweb.google.com/ediyacoo/20070…124549333045634

    In Nürnberg ist mir eine "Vorblendung" nie aufgefallen. Das Rathaus wurde vielmehr in der äußeren Gestalt weitgehend rekonstruiert. Gleichwohl wurde daneben ein Bau im Stil der 50er Jahre gesetzt.

    Die Situation in Pforzheim ist allerdings wirklich katastrophal. Hier ist der historische Rest allenfalls als Spolie einzuordnen. Eine Rekonstruktion würde hier gut tun.

    Also, die Stuttgarter Situation ist speziell. In dieser Überformung, dieser modernen Überbauung von Kriegsresten und der Entstellung des Ursprungsbaus am ehesten mit Pforzheim vergleichbar. Eventuell auch mit Aschaffenburg, wobei die Lösung bei letzterem sensibler durchgeführt wurde.

    Edited once, last by Heimdall (April 11, 2011 at 4:02 AM).

  • Quote from "Heimdall"

    Das Rathaus Dessau ist in Teilen immerhin erhalten, zum Beispiel eben der historistische Turm. Vielleicht kann man die Mischung aus alt und neu ein wenig mit dem Wiesbadener Wiederaufbau vergleichen.

    Stimmt, die architektonische Situation ist ähnlich - die städtebauliche wohl weniger: Das Dessauer Rathaus scheint in einer Betonwüste zu stehen, während das Wiesbadener Rathaus das einzige Gebäude am Schloßplatz ist, das nicht im Vorkriegszustand ist.

    Quote

    Auch das Kasseler Rathaus ist weitgehend erhalten (immerhin in dieser Stadt). Über eine Dachrekonstruktion wird irgendwann mal zu reden sein. In diesem Fall erscheint mir aber der Ist-Zustand vergleichsweise erträglich.

    Auf jeden Fall - das sieht doch gar nicht so schlecht aus, weniger entstellt als in Dessau und Wiesbaden, finde ich.

    Was das Stuttgarter Rathaus angeht: Ist außer dem Turm denn überhaupt noch alte Bausubstanz übrig? Die quadratischen kleinen Fenster passen doch nicht zur Fassadeneinteilung des Vorkriegsbaus - kann es sein, daß das alles neu ist?

  • Schloßgespenst

    Meines Wissens blieben lediglich der Turm zum Marktplatz sowie die Seitenflügel erhalten. Der Längsriegel, also das Hauptgebäude zum Marktplatz wurde, außer dem Turm, komplett abgebrochen. Ein Aspekt, der abgesehen vom leichtfertigen Umgang der Stuttgarter mit ihrer Baugeschichte sicher auch hinzukommt, ist die Tatsache, dass der Wert des Historismus generell lange Zeit unberücksichtigt blieb. Unter diesem Blickwinkel scheint es fast ein Wunder zu sein, dass in Stuttgart nicht das gesamte Rathaus als Vertreter des Historismus abgeräumt wurde.. :augenrollen:


    "Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Stuttgart bei anglo-amerikanischen Luftangriffen in weiten Teilen zerstört. Der schwerste Angriff erfolgte am 12. September 1944 durch die britische Royal Air Force auf die Stuttgarter Altstadt.
    Dabei wurden 75 schwere Luftminen, 4300 Sprengbomben und 180.000 Elektrotermitstabbrandbomben abgeworfen. Dem anschließend entstehenden Feuersturm fielen mehr als 1000 Menschen zum Opfer. Insgesamt wurde Stuttgart 53 Mal angegriffen. Dabei wurden 68 % aller Gebäude zerstört und 4477 Menschen getötet.

    Nach dem Krieg wurde insbesondere auf Betreiben des neuen Oberbürgermeisters Arnulf Klett beim Wiederaufbau auf historische Konstruktionen, vor allem am ehemals historischen berühmten Stuttgarter Marktplatz, weitgehend verzichtet. Große Teile der Ruinen der Stadt kamen daher auf den Trümmerberg Birkenkopf. Die Idee war, eine autogerechte Metropole für das 20. Jahrhundert zu schaffen. So wurden auch ganze Straßenzüge und Plätze, die überhaupt nicht oder sehr gering beschädigt waren, abgerissen. Im 150. Todesjahr von Friedrich Schiller wurden 1955 die letzten Reste seiner alma mater, der Hohen Karlsschule in der Nähe des Neuen Schlosses, abgetragen, um für die Verbreiterung der Bundesstraße Platz zu schaffen (Adenauerstraße)."
    Quelle:http://www.flickr.com/photos/arenate/2217762311/

  • Quote from "Stefan"

    Schloßgespenst

    Meines Wissens blieben lediglich der Turm zum Marktplatz sowie die Seitenflügel erhalten. Der Längsriegel, also das Hauptgebäude zum Marktplatz wurde, außer dem Turm, komplett abgebrochen. Ein Aspekt, der abgesehen vom leichtfertigen Umgang der Stuttgarter mit ihrer Baugeschichte sicher auch hinzukommt, ist die Tatsache, dass der Wert des Historismus generell lange Zeit unberücksichtigt blieb. Unter diesem Blickwinkel scheint es fast ein Wunder zu sein, dass in Stuttgart nicht das gesamte Rathaus als Vertreter des Historismus abgeräumt wurde..

    Hier muss man aber beachten, dass die Seitenflügel nur stark vereinfacht wiederhergestellt und in diesem Zustand belassen wurden.

  • Quote from "AntinomyX"


    Hier muss man aber beachten, dass die Seitenflügel nur stark vereinfacht wiederhergestellt und in diesem Zustand belassen wurden.

    Richtig, ich hatte mich in meiner Antwort auf Schloßgespensts Ausdruck "alte Bausubstanz" bezogen, nicht auf die Wiederherstellung.

  • Quote

    Das Dessauer Rathaus scheint in einer Betonwüste zu stehen, während das Wiesbadener Rathaus das einzige Gebäude am Schloßplatz ist, das nicht im Vorkriegszustand ist.

    Toll ist die Situation in Dessau nicht, aber die Zerbster Straße ist dann doch nicht ganz so schlimm. Also das Areal ist nicht nur eine Betonwüste, eher ein Wiederaufbaugebiet im angepassten Stil der 50er Jahre mit wenigen historischen Überresten und Nachwende-Einkaufszentren.

    Hier sieht man im Hintergrund etwas davon: http://lh4.ggpht.com/_smTPij8-7PA/R…AY/P6042252.JPG

    Und hier: http://www.db3.dessau.de/main/deu/00_di…ter-strasse.jpg
    http://www.db3.dessau.de/main/deu/00_di…dventsmarkt.jpg

    Edited once, last by Heimdall (April 11, 2011 at 4:03 AM).

  • Ah ja, das geht ja noch - die fiese Bebauung beginnt also erst hinter dem Rathaus...

    Wie ist das eigentlich in Stuttgart, gibt es wenigstens in der Nähe von Marktplatz und Ratbunker noch ein paar erhaltene historische Bauten (außer den beiden Kirchtürmen, die man da sieht)?

  • Für mich sind die schönste Rathäuser:

    - Hamburg
    - [lexicon='Leipzig'][/lexicon] Neues Rathaus
    - Hannover Neues Rathaus

    - Dresden Neues Rathaus (nicht komplet, besonders Fassaden & Dach)
    - Wuppertal (nicht mehr komplet, besonders Dach)
    - Kassel (nicht mehr komplet, besonders Dach)

    - Chemnitz
    - Frankfurt (nicht mehr komplet besonders Dach, Türme, [lexicon='Langer Franz'][/lexicon])
    - Wiesbaden (nicht im Vorkriegszustand)

    - Nürnberg / München/ Stuttgart (aber hier kaum etwas übrig)

    Das Kasseler Rathaus ist was Zustand angeht gut mit das Wuppertaler Rathaus zu vergleichen (Vorkriegszustand war hier wunderschön).

    Finde Berliner Rathäuser nicht so schön. Am Besten noch die 4 Rathäuser von Steglitz, Neuköln, Köpenick und Pankow.

  • Zu Stuttgart:

    Ja, Markthalle sowie Schillerplatz und Schloßplatz sind gar nicht weit weg, vielleicht 2 Minuten zu Fuß. Man könnte ohne weiteres ein kleines Altstadtensemble zusammenstellen, zumal hinter dem Rathaus gleich das kleine Geissstraßen-Viertel kommt. Aber das ist natürlich außerhalb jeder Vorstellungskraft, daß dies jemals kommen wird.

  • Quote from "silésiendejanté"

    Zu Stuttgart:

    Ja, Markthalle sowie Schillerplatz und Schloßplatz sind gar nicht weit weg, vielleicht 2 Minuten zu Fuß. Man könnte ohne weiteres ein kleines Altstadtensemble zusammenstellen, zumal hinter dem Rathaus gleich das kleine Geissstraßen-Viertel kommt. Aber das ist natürlich außerhalb jeder Vorstellungskraft, daß dies jemals kommen wird.

    Allein schon wenn man daran denkt, dass mit Stuttgart 21 schon eine riesige Baustelle, mitten in der Stadt, kommen wird.
    Das wollen die Stadt-Oberen den Bürgern dann doch nicht zumuten. Aber da die sich eh nicht dafür interessieren, da irgendwas Altes wieder neu aufleben zu lassen, sind diese Gedanken hinfällig.
    Ich fände es genial, wenn man den gesamten Bereich zwischen Galeria Kaufhof und Rathaus wieder so herstellen würde, wie er sich vor dem Krieg zu sehen gab.
    Dazu noch den alten Marktplatz, und allein damit wäre ich schon zufrieden.
    Viel besser kann es in Stuttgart eh nicht mehr werden, dafür ist schon einfach zuviel kaputt gemacht worden.

  • Das geht nur über eine organisierte Bürgerinitiative vor Ort. Zum Beispiel einen Verein "Kritische Bürger für Stuttgarter Baukultur e.V.", der sich bei Projekten einmischt, Pressemitteilungen verfasst und Infoaktionen durchführt. Bislang, so ist mein Eindruck, interessiert sich niemand so recht für die Stadt. Dabei hat Stuttgart durchaus Potential, immerhin zwei Schlösser, den großen Schloßplatz, das altstädtische Bohnenviertel, gründerzeitliche Quartiere, die Lage, umgeben von bewaldeten Hügeln. Wenn man die Innenstadt ein wenig besser herrichtet, d.h. gemäß historischer Tradition, möglichenfalls mit einigen wenigen Rekonstruktionen, könnte auch eine viel attraktivere Stadt daraus entstehen. Das geht aber eben nur durch den organisierten und fachkundigen Bürgerwillen in der Stadt, nicht von außen.

  • Quote

    Was also vermag Stuttgart nun noch zu retten?

    Hmm, entweder

    1. der absolut konsequente einheitliche Wille eines Großteils der Bürger zu Rekos und historisierenden Gebäuden in der Innenstadt mit verfügbaren finanziellen Mitteln oder

    2. der Ausgang des Erdöls und der damit verbundene Rückfall in mittelalterliche Verhöltnisse. Denn dann kann es sich niemand mehr leisten mit Waren aus Erdölprodukten großflächig und verschwenderisch zu bauen, da heimische Ressourcen billiger und effizienter wären.
    Obwohl, vielleicht denkt sich die ach so moderne Architektenkaste dann hölzerne Kuben oder Lehmpyramiden aus :augenrollen:

  • Saturos
    Punkt 2 ist ein sehr realistischer, ja mittelfristig sogar höchstwahrscheinlicher Ansatz, obgleich ich nicht von Rückfall in 'mittelalterliche Verhältnisse' sprechen würde. Nicht alles, was dem derzeit herrschenden Aberwitz (der sich nicht zuletzt in horrenden Stadtbildern à la Stuttgart uva manifestiert) zuwiderläuft, muss deshalb gleich 'mittelalterlich' sein (obzwar dies architektonisch zweifellos keinen übelbelaumundeten Begriff darstellt).
    Dieses Versiegen der Ölquellen ist mE die einzige Chance für die Menschheit - und damit auch für Stuttgart (obzwar zweifelsohne die damit verbundenen Umwälzungen enorme Risken in sich bergen, zB bezweifle ich, dass sich die USA mit ähnlichem Anstand wie die UdSSR aus ihrer Führungsrolle verabschieden werden), weshalb ist nicht so despektierlich anmutende Konsequenzen in Aussicht stellen würde.

  • Eins noch:
    Selbst nach dem wohlverdienten Auslaufen des Erdölzeitalters, wie man sagen wird (wenn dann überhaupt noch jemand was zu sagen vermag), wird festzustellen sein, dass Stuttgart im Wesentlichen nur aus Schrott eben aus dieser Zeit besteht. Auch wenn sich dieser Schrott beseitigen wird lassen, bleibt es bedauerlich, dass im Gegensatz zu einigen anderen Städten kein einziger bedeutender Bau aus dieser unseligen Epoche vorhanden sein wird.

  • Langsam nimmt die Diskussion surreale Züge an... welche "Chance" soll sich denn hier bieten, wenn uns unser wichtigster Energieträger ausgeht? Wieder zurück ins Mittelalter, den ganzen Winter über Kälte- und Hungertote, und 99 % der Bevölkerung sterben dann mit 30?

    Stuttgart sieht so aus, weil sich hier 99,9 % der Bevölkerung überhaupt nicht für das Erscheinungsbild ihrer Stadt interessieren bzw. es ihnen sogar gefällt. Erst vor kurzem erzählt mir eine Rentnerin, wie schön es doch sei, daß das "kitschige" alte Rathaus weg sei und durch so etwas solides und modernes ersetzt worden sei...

  • Zudem zeigen leider auch einige Beispiele des zeitgenössischen Holzbaus (vgl. das Stadthaus in Berlin), dass man heutzutage selbst mit traditionellen Materialien nichts mehr hervorzubringen vermag, das sich ästhetisch auch nur mit prähistorischen Pfahlbauten messen kann.

    Auch wenn ich als Fachwerkanhänger zugegeben schon selber derartige Gedankenspiele geübt habe, was das Ende des Erdölzeitalters angeht, so habe ich doch meine Zweifel, dass dies die abgestorbenen Geschmacksnerven weiter Teile der Menschheit (und damit meine ich nicht die auf der Zunge) zu beheben vermag.