Eine interessante Debatte, die den Kern der Rekonstuktionstheorie betrifft: Was kann man überhaupt rekonstruieren? Ein Gebäude ist ja immer eine Mischung aus Kunstwerk und historischer Nutzung, oder aus Idee und Funktion.
Ich neige zu der Ansicht, dass man Kunstwerke oder Ideen rekonstruieren kann, aber Geschichte oder die Funktion kann man nur nacherzählen. Natürlich ist ein Kunstwerk bzw. seine Idee immer auch geschichtlich, aber es ist im Prozess des Entstehens zu einer reineren, klareren Form geworden, die so, als Form, wiederentstehen kann. Ein gutes Kunstwerk ist überzeitlich, auch wenn der Stil ein historischer ist. Daher kann das Kunstwerk auch unmittelbar dem Jetzt etwas sagen. (Auch wenn es als Rekonstruktion zwangsläufig eine Neuinterpretation ist.)
Ich halte es dagen für schwieriger, das geschichtliche Werden eines Bauwerks überzeugend neu zu erschaffen. Es wird immer etwas museales an sich haben. Wenn man die Erinnerung als modernes (Bau)kunstwerk inszeniert, dann wird eher ein Schuh daraus. Genausowenig überzeugend wirkt es, wenn die historische Form der modernen Funktion widerspricht, weil man sich die historische Funktion nicht neu aneignen wollte oder konnte. Die Fassade des Braunschweiger Schlosses ist stadträumlich überzeugend, funktional ist sie es nicht.
Fazit für [lexicon='Leipzig'][/lexicon]: Unter den gegebenen Umständen kein schlechter Ansatz. Die alte Kirche war mehr Historie als Kunstwerk: das neue Gebäude erinnert in künstlerischer Neuinterpretation an das alte und wird gleichzeitig der modernen Funktion gerecht. Als Kirche war der Neubau leider nicht durchsetzbar, aber wenn es als Aula an die alte Funktion erinnert, ist das ja auch nicht schlecht.
In der Umsetzung bin ich allerdings noch skeptisch. Außen wirkt es interessant, aber ist es nicht auch etwas brutalistisch? (War selbst noch nicht dort.) Innen könnte es zu kulissenartig (sprich billig) werden. Muss man dann sehen, wenns fertig ist.
So jetzt geh ich schlafen.