• Die einzelnen Bezirke Berlins weisen oft einen ganz eigenen Charakter auf. Kein Wunder, denn einige von ihnen waren bis 1920 eigenständige Kleinstädte, Landgüter oder Dörfer.
    Das gilt z. Bsp. auch für Spandau. Vielen "Berlin-Kennern" ist dieser Bezirk, dessen Bewohner noch lange nach 1920 die Mentalität von brandenburgischen Kleinstädtern behielten, nicht geläufig. Er liegt in weiten Teilen irgendwie "jenseits der Havel" von der Berliner Stadtmitte aus gesehen. "JWD", sozusagen. Und Stadtrand sowieso.
    Aber auch hier finden sich interessante Bauten, Standbilder und Museen. Und manche stadtgestalterische Entwicklung, die das moderne Berlin "heimsucht", kommt mit etwas Verzögerung auch hier an. Deshalb hier mein Plädoyer für Spandau. Es gehört auch zu Berlin, gewöhnen wir uns dran. (Wird nach knapp 100 Jahren auch mal Zeit.)
    Altstadt
    DSCI0857 by Clemens Kurz, auf Flickr

    Impression zwischen ehemaligem "Reichspostamt" und "Paketpostamt":
    DSCI0800 by Clemens Kurz, auf Flickr

    Zitadelle Spandau:
    DSCI1262 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Und hier gleich mal ein Einstieg ins Thema "Spandau", hier "Altstadt":
    In der Altstadt stehen, selbst nach den verheerenden Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges noch verschiedene Fachwerkhäuser. Zumeist Relikte des 18. Jahrhunderts. Denn: Spandau war seit dem Hochmittelalter eine sog. "Ackerbürgerstadt". Man hatte Landwirtschaft "vor den Toren", wohnte und überwinterte aber innerhalb der Stadtmauern.
    Daran erinnert dieses Gebäude mit der Adresse "Jüdenstraße 35". Es schaut doch so recht ackerbürgerlich aus, gell ? Das breite, grüne Tor in der Mittelachse weist auf die Befahrbarkeit mit Kutschen hin, die dem Ackerbürger als notwendig galt. Man schätzt, dass diese Optik schon seit 1781 so in der Altstadt Spandau zu sehen war. Ist das abgebildete Gebäude aber auch so alt ?
    Die Antwort ist: NEIN. Denn das Original-Haus Jüdenstraße 35 von 1781, in dem sogar zwischenzeitlich im späten 19. Jahrhundert eine Gastronomie betrieben worden sein soll, wurde wegen Baufälligkeit 1966 abgerissen. Was wir heute hier sehen und noch immer "Wendenschloss" nennen ist also ein Neubau aus Beton-Teilen, der mit einer Fachwerk-Fassade versehen wurde, von der evangelischen Kirche gekauft wurde und heute als Diakonie-Station genutzt wird. Der Begriff Wendenschloss ist übrigens unerklärbar. Weder lebten im Spandauer Raum Wenden noch war dieses Häusel jemals ein "Stadtpalais", welches man mit viel Liebe zum "Schloss" hätte erklären können. So gehts manchmal.

    DSCI0863 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Etwas zum Thema "wie man schrittweise die Wasser-Lagen privatisiert und den Ausblick auf Havel und Spree ruiniert" haben wir hier. Da mögen sich die Investoren noch so viel Mühe geben mit geschwungenen Linien und dem hier sicher nicht übermäßig tragfähigen Baugrund, dieser Turm wird die Aussicht weiter verschandeln und Blicke z. Bsp. auf die Eiswerderbrücke, die Zitadelle und die Altstadt Spandau über die Havel hinweg verstellen.
    "Havelperle" an der Oberhavel in Spandau

  • Vor allem dürfte Spandau über die ältesten profanen Bauwerke Berlins verfügen. Zwei Bilder aus dem Jahr 2011:

    Das sog. Gotische Haus (spätes 15. Jhdt.) in der Altstadt

    Pallas (15. Jhdt.) und Juliusturm (13. Jhdt.) in der Zitadelle

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Und hier noch etwas zum Thema der Bauten und Orte, die man heute nicht mehr im Berliner (hier Spandauer) Stadtbild finden kann. Die Spandauer Garnisonkirche kann, anders als das ältere und geschichtsträchtigere Bauwerk gleichen Namens in Potsdam, nicht mehr auf einen Wiederaufbau rechnen. Nicht mal als reiner Turm, wie es wohl in Potsdam diskutiert wird.
    Denn das Stadtbild Spandaus zwischen Bismarckplatz und Mühlengraben wurde nach dem Zweiten Weltkrieg massiv verändert. Der ehemalige Spandauer Hafen wurde zugeschüttet, die Neuendorfer Straße neu geführt und die Friedrichstraße deshalb verkürzt. Die Anlage des "Falkenseer Platzes" machte dies notwendig. Die Ruine der beschädigten Garnisonkirche wurde abgetragen.
    Dennoch hatte dieser Bau etwas einzigartiges: Sein Turm stand im Osten des Kirchenschiffes, der Havel zugewandt. Üblicherweise wurden Kirchtürme ja seit dem 12. Jahrhundert etwa hierzulande eher im Westen angelegt. Das einzige, jemals in Spandau errichtete Reiterstandbild befand sich übrigens nur wenige Meter südlich der Kirche, zwischen Gotteshaus und Mühlengraben.
    Mehr dazu hier:
    Garnisonkirche Spandau - Reiterstandbild Wilhelms I.

  • Sodele, dann kommen wir mal zur Industrie-Architektur in Spandau. Da ist viel zerbombt, in Wirtschaftkrisen und ähnlichem beseitigt worden, aber es steht auch noch dies oder jenes Gebäude, welches u. a. an die Geschichte des Bezirks als Standort der preußischen, später deutschen Rüstungsindustrie erinnert. Der vielleicht jüngste, aber aus dem Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges relativ wenig beschädigt hervorgegangene Bau ist der sog. "Hertleinbau" nördlich des "Nordhafens".
    Der Hausarchitekt des Siemens-Konzerns Hans Hertlein, der u. a. auch am Siemensstädter "Wernerwerk" seinen Zeichenstift angelegt hatte, ist auch für das ehemalige "Luftfahrtgerätewerk" in Hakenfelde architektonisch verantwortlich, das von 1939-42 gebaut wurde. Relativ nüchtern und unspektakulär gehalten und ursprünglich in einer ganz anderen, als der im Foto unten gezeigten Farbe gehalten, wurde hier an Armaturen und Steuerungstechnik für die Luftwaffe gearbeitet und geforscht, sowie die entsprechenden Gerätschaften gefertigt. Auch und gerade von Zwangsarbeiterinnen, was zum dunkelsten Kapitel der deutschen Industriegeschichte als solcher gehört.
    Später lernten hier "Pennäler" (wie z. Bsp. ich selbst) ihre Fremdsprachen und Lektionen in Geschichte, Physik oder Religion (ja, gabs noch damals). Im ehemaligen "großen" Musiksaal kann man übrigens heute Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen, da inzwischen im Erdgeschoss Ladengeschäfte eingezogen sind. Neugierig geworden ? OK, mehr gibts dann hier:
    https://ckstadtspaziergaenge.wordpress.com/2016/03/09/ver…erk-in-spandau/
    Übrigens plane ich bald (so das Wetter es zulässt) eine kleine Fahrrad-Tour entlang der Spandauer Oberhavel auf den Spuren diverser Industrie- und sonstiger Relikte des Produktionsstandortes Spandau. Bei Interesse einfach bei mir melden, noch sind keine Termine fix, da ich noch an meinem uralten Fahrrad herumbastele, um noch ein paar Kilometer aus ihm und meinen Knochen herauszuholen ! :) Würde mich über Mitradler freuen, die vielleicht auch gerne solche "schrägen" Bauten fotografieren.
    DSCI1263 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Hier noch etwas zum Thema "Fachwerkhäuser" und alte Bauten in der Spandauer Altstadt. Im Gegensatz zum oben im Thread-Beitrag erwähnten "Wendenschloss" ist das ehemalige "Hotel zum Stern" tatsächlich ein Altbau. Vermutlich um 1750 oder etwas früher errichtet (die Akten, die nähere Angaben ermöglichen würden, sind wohl im Feuersturm des Zweiten Weltkrieges verbrannt), wurde es zwar mehrfach umgebaut, blieb im Großen und Ganzen aber im Kern so erhalten, wie es einst gebaut worden war.
    Leider ist mit den Aufzeichnungen über die Besitzübertragungen auch viel Konkretes über das "Hotel zum Stern" verlorengegangen. Immerhin weiß man, dass hier einst ein Bäcker seine wohlduftende Kunst ausübte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein gastronomischer Betrieb sein Obdach hatte, mit dem wohl auch das Hotel in Verbindung stand. In dieser Kneipe, die wohl gerne von Soldaten des 5. Garde-Grenadier-Regiments frequentiert wurde, soll es öfters heftig "gekracht" haben. Prügeleien zwischen den Angehörigen verschiedener Regimenter (und so wie es die weitgehend nur mündliche Überlieferung will: auch zwischen Soldaten und Zivilisten, die um die Gunst hübscher Spandauerinnen buhlten) sollen wohl öfter vorgekommen sein. Der übliche Alkohol- und Testosteron-Mix halt.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg brannte es hier öfters. 1954, 1969 und 1978. Die Gastronomie war zur Gefahr geworden und darunter litt natürlich der Hotelbetrieb. Kurzfristig fand hier noch einmal ein Fischrestaurant Unterschlupf, aber in den 80er Jahren wurde dann sowohl das Hotel als auch die Gastronomie erst einmal aufgegeben. Nach einem mit Restaurierungsarbeiten verbundenen Umbau 1986/87 wurde das Hotel im ersten Stock komplett aufgegeben und dort Wohnungen eingerichtet. Nach verschiedenen Nutzungen der ehemaligen Gastronomie ist heute hier wieder ein kleines Restaurant zu finden, das vor allem im Sommer gut frequentiert wird. Und gebrannt hat es in den letzten Jahren auch nicht mehr. Das ist mal was ! :) Der dekorative "Stern" an der Fassade hat übrigens die Umbauten nicht überlebt und so muss man schon wissen, dass das Haus "Carl-Schurz-Straße 47" an der Ecke zur Ritterstraße eben einst diesen Namen trug, denn auf den ersten Blick sehen kann man es leider nicht mehr.
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  • Der Hausarchitekt des Siemens-Konzerns Hans Hertlein, der u. a. auch am Siemensstädter "Wernerwerk" seinen Zeichenstift angelegt hatte, ist auch für das ehemalige "Luftfahrtgerätewerk" in Hakenfelde architektonisch verantwortlich,...

    Sehr Interessant. Er hat dort ein Industrieensemble erschaffen, dass es so wahrscheinlich nur einmal in Deutschland gibt. Ich selber bin im Wernerwerk ein und ausgegangen und habe die Gemeinsamkeiten mit dem (abgesehen von der nicht passenden Farbe) Luftgerätewer sofort erkannt. Allgemein, so finde ich, sind die Siemenswerke, neben dem Juliusturm der Nikolaikirche, die Stadtbild prägenden Gebäude von Spandau und der Superlativ der Industriearchitektur.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Und hier geht´s los mit dem Thema "Kirchenbauten in Spandau". Wie in anderen Bezirken Berlins finden sich auch hier im "äußersten Westen" der Hauptstadt noch einige "klassische" Backsteinkirchen. Die wenigsten davon stammen aus dem Spätmittelalter wie die Kirche St. Nikolai in der Altstadt. Wie in Berlin üblich wurden die meisten davon in der "Kaiserzeit" errichtet, also vor 1918.
    Ein vielleicht auch überregional bekanntes Beispiel dafür ist die Stiftskirche im ev. Johannesstift Spandau im äußersten Norden Spandaus. Ihr Bild prägt das Gesicht des Stifts, zumal eine Platanen-Allee direkt auf den Eingang der Kirche zuläuft (beliebtes Fotomotiv). Der Gründer des Johannesstifts, der Binnenmissionar und Vordenker der Caritas Johann Hinrich Wichern, hatte diese Anordnung ausdrücklich befürwortet.
    Mehr zum ev. Johannesstift als solchem: https://ckstadtspaziergaenge.wordpress.com/2016/02/13/aus…ift-in-spandau/
    Die Stiftskirche nun stammt aus dem Zeichenstift Otto Kuhlmanns, der als einer der letzten, deutschen Architekten 1918 noch den Titel "geheimer Hofbaurat" erhielt. Er überwachte aber den Bau nicht selbst. Dies übernahmen seine Kollegen Herrmann Solf und Franz Wichards. Das wirklich nicht sehr große Kirchlein weist einige Besonderheiten auf. Die "klassische" Einteilung von Hauptschiff, Querschiff und im Westen gelegenem Turm über dem Zugangsbereich wird hier variiert. Dazu schreibt das Stift auf seiner Webseite:
    <<Die Kirche bildet im Grundriss ein gedrücktes lateinisches Kreuz. Durch ihren massiven, 56 Meter hohen Turm erweckt es von außen aber nahezu den Eindruck eines Zentralbaus.>>
    Die Stilelemente, welche Kuhlmann zum Einsatz brachte, sind in geradezu eklektizistischer Nachlässigkeit aneinandergefügt, so daß man keinen wirklich dominanten Stil ausmachen kann. Bei anderen Kirchen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist das einfacher auszumachen. "Neoromanik" und "Neogotik" bzw. deren Schmuckelemente und Fensterformen dominieren jahrzehntelang bei dieser oder jener Kirche (die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche etwa spielt mit Elementen der Romanik etc. etc.). Die Stiftskirche jedoch weist außer dem regionaltypischen auf Sicht gebauten, roten Backstein-Äußeren nur wenig markante Züge auf. Der geradezu "barock geschwungene Turmhelm" mischt sich mit Elementen, die man in Romanik und Gotik fand. Dennoch wirkt die Stiftskirche nicht wirklich "dahingeschludert", sondern passt in ihrer Gesamtwirkung sehr gut in die Anlage und das Gelände. Vielleicht liegt das daran, dass die Stiftskirche mehrfach umgebaut und restauriert wurde. Zwar bezogen sich die meisten Umbauen mehr auf das Innere und die "Funktion", aber dennoch... Zuletzt übrigens legte man noch im Jahre 2003 gestalterisch Hand an.
    Auch die 1968 eingebaute "Walcker-Orgel" mit 64 Registern ist für die sehr überschaubare Größe der Stiftskirche eigentlich viel zu groß geraten. Ihren Einbau verdankt das Gotteshaus der Tatsache, dass von 1928 bis 1998 die Berliner Kirchenmusikschule im Johannesstift ihren Sitz hatte. In dieser Zeit fanden in der Kirche auch recht regelmäßig Konzerte statt. Ich erinnere mich an die ein oder andere Bach-Kantate, die ich dort noch selbst gehört habe. Die Akustik des Gebäudes ist jedoch, das sollte schon erwähnt werden, nur mäßig. Größere Hallenkirchen bieten da z. Bsp. mehr zu erwartenden und angenehmen "Hall".

    DSCI1215 by Clemens Kurz, auf Flickr

    DSCI1254 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Hab gerade noch einen "verschollenen Ort" in Spandau ausfindig gemacht. Das alte Amtsgericht, das ab 1950 abgerissen wurde und umgangssprachlich auch als "Prinz-Heinrich-Palais" bekannt war, weil dieser in seiner Zeit als Regimentskommandeur in Spandau hier residierte. An die Nachnutzung der Immobilie durch einen Discounter kann ich mich sogar noch persönlich erinnern. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen.

    https://ckstadtspaziergaenge.wordpress.com/2016/03/20/ver…ais-in-spandau/

  • Und hier noch ein "altes Haus" aus der Spandauer Altstadt. Es gilt als das "älteste Bürgerhaus auf Berliner Stadtgebiet". Anderen als die "älteste, durchgängig bewohnte/genutzte Parzelle" der Stadt. Na, ich war im 15. Jahrhundert noch nicht persönlich dabei, als hier mit dem Bau eines Hauses begonnen wurde, dessen Überbauten und restaurierte Nachbauten noch immer auf demselben Fleck zu finden sind. Insofern lege ich für keine dieser Definitionen die Hand ins Feuer. Unter der Adresse Breite Straße 32 ist heute vor allem die Touristeninformation Spandaus zu finden.
    Im 14. Jahrhundert wurde hier wohl mit dem Bau eines Fachwerkhauses begonnen. Auf dessen gemauertem Kellergewölbe wurde dann im 15. Jahrhundert ein festerer Steinbau errichtet, der den Kern des "Gotischen Hauses" darstellt. Das Haus selbst hat eine vielfältige Nutzung im Laufe der Zeit erlebt. So sind ein Restaurant, ein Weinhaus und sogar eine auf dem Hof gelegene Kegelbahn belegt. Für fast fünf Jahre (1852–1857) beherbergte das Gebäude das Spandauer Postamt. Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich im Haus auch mal ein Lager für Särge. Bei archäologischen Grabungen 1980 wurde die Bedeutung des Hauses erkannt und 1981 wurde das Gotische Haus unter Denkmalschutz gestellt.
    Im 18. Jahrhundert brannte es auch einmal ordentlich aus und bekam danach eine klassizistische Fassade. Diese Anmutung ist aber heute verschwunden und bei den letzten Restaurierungsarbeiten von 1987 - 1993 wurde ein Teil der Backsteinmauern "freigelegt" um die historischen "Wurzeln" des Hauses zu betonen. Ein Teil des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau befindet sich heute im Obergeschoss. Diese Dauerausstellung widmet sich dem Thema "Leben und Wohnen in Spandau".

    GOTISCHES_HAUS3 by Clemens Kurz, auf Flickr

    GOTISCHES_HAUS2 by Clemens Kurz, auf Flickr

    GOTISCHES_HAUS1 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Die Anlage des "Falkenseer Platzes" machte dies notwendig. Die Ruine der beschädigten Garnisonkirche wurde abgetragen.

    Habe diesen Platz mal "gegoogelt". Das ist doch nur eine öde Straßenkreuzung im Nichts, da könnte man doch - den Willen vorausgesetzt - locker rekonstruieren, oder nicht?

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Habe diesen Platz mal "gegoogelt". Das ist doch nur eine öde Straßenkreuzung im Nichts, da könnte man doch - den Willen vorausgesetzt - locker rekonstruieren, oder nicht?

    Keine Chance. Zu verkehrsreich. Die Verkehrsplaner der Nachkriegszeit haben hier eine Umfahrung der Spandauer Altstadt mit einer Ost-West-"Magistrale" kombiniert und "Fakten" geschaffen, die derzeit kaum umzustoßen sind. Auf dem Gelände der Garnisonkirche steht heute außerdem der Teil eines Kindergartens, den wohl niemand zu Gunsten einer ach-so-bösen Militärkirche abreißen würde. Aus denselben Gründen würde sich wohl auch kein Investor finden bzw. keine Spendengelder eingehen, wie in Potsdam. Ein Bauwerk von dem weitgehend unbedeutenden Architekten "Roßteuscher" ist wohl nicht populär genug.
    Dennoch mag ich Ihr unkonventionelles Denken, lieber "Der Münchner". Und hoffen darf man natürlich immer irgendwie. :) Danke für die Anregung, denn der "Falkenseer Platz" ist halt tatsächlich nur ein spärlich bewachsener Kreisverkehr.

  • Hier mal etwas anderes. Für die Foto-Freunde und Neugierigen unter euch hab ich einen Termin, den ich teilen wollte. Spandau war ja einst ein Industriebezirk und am Wasser sieht man davon heute noch ein bischen etwas. Wer "rund um den Spandauer See" spazierengeht, kann auf Neubauviertel, das ehemalige "Luftfahrtgerätewerk", sog. "Wehrmachtsspeicher", den Ort der ehemaligen CCC-Filmstudios, die Eiswerderbrücke und die gleichnamige Insel und noch vieles mehr treffen. Bei schönem Wetter gibts nicht nur diverse Bauen, sondern auch das ein oder andere "Havelpanorama" zum Fotografieren. Mehr dazu finden Sie genau hier.
    Datum: Samstag,16. April 2016, 11.00 Uhr, Treffpunkt: Streitstraße 18, 13587 Berlin, Parkplatz, direkt vor dem Haupteingang von "Edeka". Würde mich über Mit"wanderer" freuen, :) .

    DSCF0243 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Industrie-Architektur steht ja immer im Schatten der repräsentativen - oder der Wohn-Architektur. Schlösser, Villen, Parks mit Statuen und Pavillons etc. nehmen eine besondere Stellung im Stadtbild ein und tragen zur optischen Verschönerung bei.
    Industriebauten, Verwaltungs-, Labor- und Produktionsgebäude hingegen sind oftmals nur den Mitarbeitern der jeweiligen Unternehmen bekannt. Ihre Architekten erlangen kaum "Kultstatus" oder Nachruhm. Es gibt aber bestimmte Ausnahmen, wie ich im Falle von Hans Hertlein, dem ehemaligen Hausarchitekten der Firma Siemens und seinem "Luftfahrgerätewerk" in Spandau ja schon hier im Thread erwähnt habe.
    Als weitere Ausnahme könnten wir Hans Poelzig, einen Zeitgenossen Hertleins, ansehen, der ja in Breslau als "Expressionist" begonnen haben soll und später Beiträge zur "Neuen Sachlichkeit" lieferte. Puh, soviel zu "wikipedia". :) Wie auch immer: Poelzig entwarf u. a. die Talsperre Klingenberg in Sachsen, das Gebäude des Kinos "Babylon" am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin und das Verwaltungsgebäude der IG Farben in Frankfurt/Main (heute Verwaltungsbau der Goethe-Universität Frankfurt). Sein bekanntestes Gebäude in Berlin ist möglicherweise das "Haus des Rundfunks" an der Masurenallee in Charlottenburg.
    Etwa zeitgleich mit der Arbeit für die IG Farben gestaltete Poelzig auch den Komplex des "Kabelwerks Dr. Cassirer" in Berlin-Spandau. Diese Firma wollte seine Produktionsstätten in Charlottenburg erweitern. Dort war aber nicht mehr genug Raum zur Expansion vorhanden, so dass man sich entschloss, das neue Werke nach Spandau zu verlegen. Man beauftragte Poelzig damit, die wichtigsten Produktions- und Verwaltungsgebäude dafür zu entwerfen. Von 1928 - 30 wurde das Kabelwerk, trotz wirtschaftlicher Probleme und des Rückzugs von Firmenchef Hugo Cassirer aus der Firmenleitung noch während der Erweiterung 1929, schließlich errichtet. Dafür wurde das Gelände am Havelufer mit Tonnen von Sand aus dem U-Bahnbau um den Alexanderplatz aufgeschüttet und der Boden "verdichtet". Später erhielt das Werk verschiedene Namen und Eigentümer. Zuletzt hieß es "Bergmann Kabelwerke" und produzierte hier noch bis 1993. Nach der Einstellung der Produktion gab es Bemühungen, den Gesamtkomplex unter Denkmalschutz zu stellen, aber die Planungen für das Stadtentwicklungs-Projekt "Wasserstadt Oberhavel", welches aus den ehemaligen Industriegebieten Spandaus im Bereich zwischen Haveleck und Zitadelle "blühende Wohnlandschaften mit Wasserlage" machen sollte, bekamen Vorrang. Fast alles wurde abgerissen und durch Wohnhäuser und Supermärkte ersetzt.
    Langer Vorrede, kurzer Sinn: von Hans Poelzigs Industriekomplex stehen heute nur noch das ehemalige Pförtnerhäuschen, in dem jetzt ein türkischer Imbiss seine Heimat gefunden hat und die Poelzig-Halle, wo seit 2003 die Stiftung Stadtmuseum Büros nutzt und seit 2010 auch Lagerkapazität mit Beschlag belegt.
    Der Hallenkomplex setzt sich aus einem zweigeschossigen Lager-, Sozial- und Verwaltungstrakt zusammen, der an der Nord- und Westseite winkelförmig die eigentliche Werkshalle einfasst. Die Werkshalle selbst besteht aus acht Schiffen mit unterschiedlichen Breiten und Höhen. Die Ost- und Südfassaden sind fast fensterlos errichtet worden. Die die Fassade gliedernden Pfeiler zeigen die Achsenabstände der inneren Stützenreihen der Hallenschiffe an.
    Im Rahmen des Wasserstadtprojektes sollte die Halle in den 90ern eigentlich "vermarktet" werden und wurde als Möglichkeit für die Unterbringung von Kulturbetrieben oder Einzelhandelsgeschäften angeboten. Auch ein Supermarkt war hier angedacht, wurde jedoch direkt gegenüber errichtet. Alles zerschlug sich, so dass letztlich die Stiftung Stadtmuseum hier in die "Hugo-Cassirer-Straße 44/Ecke Hans-Poelzig-Straße") einzog. Von außen sieht man dies der Poelzighalle jedoch nicht an. Kein Schild, keine Kennzeichnung an einem externen Postkasten o. ä. weist auf den derzeitigen Nutzer hin. Alles wirkt ebenso nichtssagend, wie geheimnisvoll. :) Sehen Sie selbst:


    Poelzighalle_stitch by Clemens Kurz, auf Flickr

    Poelzighalle2_stitch by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Sie haben es ja schon bemerkt, liebe Architektur-Freunde, dass ich auf diesem Thread ein wenig "bunt" und "querfeldein" durch die Liste aussagekräftiger Bauten im Bezirk Berlin-Spandau gehe. Immerhin liegt auch dieser Vorgehensweise eine Methode zugrunde. "Industriebauten", "Kirchenbauten", "Gebäude in und um die Spandauer Altstadt", sowie "bekanntere Sehenswürdigkeiten" und "Sonstiges" könnte man als Überschriften für diverse Beiträge hier im Thread nehmen. Gesagt, getan: Hier kommt ein weiterer "Kirchenbau" (nach der "verlorenen" Garnisonkirche und der Kirche im Johannesstift schon der dritte) aus Spandau.
    Der Kirchenbau in Preußen, speziell in Berlin und Brandenburg, erlebte in der Kaiserzeit einen richtigen "Boom". Viele, auch heute noch bekannte und repräsentative Kirchen wurden in diesen Jahren errichtet, oft später von Bomben beschädigt, abgerissen, als Monument erhalten oder wieder aufgebaut. Aber es gibt mehr als die Gethsemanekirche, den Berliner Dom oder die Ruine der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. In allen Berliner Bezirken stehen Gotteshäuser aus dieser Zeit, die z. T. interessante Geschichten erzählen.
    Eine dieser Kirchen ist die katholische Kirche "Maria, Hilfe der Christen" (ich nenne sie hier mal etwas unpräzise "Marienkirche") in Berlin-Spandau an der Flankenschanze. Ihre Geschichte zu erzählen, würde diesen Beitrag unnötig aufblasen, aber es sei darauf hingewiesen, dass in der von Schwer- und Rüstungsindustrie geprägten Kleinstadt Spandau an der Grenze zum 20. Jahrhundert die Anzahl der katholischen Bürger gewaltig anstieg. Zumeist als Industriearbeiter gekommen, war ihre Kirche am Behnitz an die Grenzen ihrer Kapazität für Gottesdienste gekommen und so baute man an der heutigen Flankenschanze von 1908 - 1910 ein neues, größeres Kirchengebäude. Beauftragt wurde mit dem Entwurf der Architekt Christoph Hehl, der vor allem für seine Kirchenbauten und seine kreative Neu-Interpretation der Romanik bekannt war.
    Auch für dieses Gebäude in Spandau nahm er wieder Anleihen des Romanischen auf, gestaltete aber keine klassische Basilika, sondern kombinierte im eklektizistischen Geist seiner Zeit ein wenig "wild drauf los". Immerhin blieb er der regionaltypischen Backsteinoptik dabei treu. So entstand ein überkuppelter Zentralbau über einem kreuzförmigen Grundriss in ungefährer Nord-Süd-Ausrichtung. Die gewölbte Kuppel des Zentralbaus bildet ein Zehneck mit 20 oberen Fenstern. Kombiniert wird das ganze mit einem 52, 5 m hohen Kirchturm, der, für die Bauzeit ungewöhnlich, keine Uhr beherbergt.
    Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, sollte nach dem Willen der britischen Siegermacht das Gebäude abgerissen werden. Dies konnte jedoch verhindert werden und nach Enttrümmerung und Wiederaufbau konnte 1952 die Neuweihe stattfinden. Von 2000 - 2006 wurden neue, farbige Glasfenster eingesetzt, die aber kein kompliziertes Bildprogramm abbilden. Die Kirche hat nach dem Verlust der Original-Orgel im Zweiten Weltkrieg seit 1959 wieder ein ähnliches Instrument mit 30 Registern aufzuweisen.
    Rein optisch gehört der Kirchturm der Marienkirche in Spandau zur Silhouette des historischen Spandau dazu und kontrastiert hierfür mit der Traditionskirche St. Nikolai, auch wenn die Marienkirche etwas außerhalb der eigentlichen "Altstadt" zu finden ist.

    MariaHdC by Clemens Kurz, auf Flickr

    Marienkirche Spandau by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Das aktuelle Wohnungsbauprogramm in Berlin wird auch für eine Wiederbelebung der alten Blütenträume in der sog. "Wasserstadt Oberhavel" in Spandau sorgen. Werden dabei sinnvolle Ergänzungen zu bereits bestehenden Wohngebieten geschaffen, oder sind seelenlose Wohnghettos ohne Charakter und Ästhetik vorprogrammiert ? Wir werden es sicher erleben.
    http://www.rbb-online.de/politik/beitra…-12-berlin.html
    Morgen, Samstag, den 16. April, 11.00, Streitstraße 18, "Maselake-Areal", gehe ich persönlich schon mal auf den Spuren der "Wasserstadt" spazieren. Ob das Wetter allerdings ein paar aussagekräftige Fotos ermöglichen wird, werden wir noch sehen. Momentan sieht es nach einem Schauer-Wolken-Sonnen-Mix aus, der nichts ausschließt. In jedem Falle haben diese Quartiere in Spandau durch das forcierte Planen neuer Wohnbauten in Berlin wieder eine gewisse Relevanz erlangt.
    DSCF0284 by Clemens Kurz, auf Flickr

  • Im Spandauer Grimnitzseepark soll die "Keramische Verkehrssäule Spandau" rekonstruiert werden. Diese wurde 1937 enthüllt, im Krieg beschädigt und 1958 endgültig abgetragen. Die geplante Reko wird auch von der SPD-Fraktion unterstützt.

    Zitat

    Der Finkenkruger Kunstbildhauer Gottfried Kappen schuf daraufhin eine vier Meter hohe, sechseckige, vollständig mit Kacheln verkleidete Säule.18 farbenprächtige Bildplattenkacheln zeigten Motive aus Spandau und dem Havelland, so war unter anderen je eine Kachel der Havel, dem Stadtwald, dem Juliusturm und der Schützengilde gewidmet. Auf einem der beiden umlaufenden Spruchbänder stand zu lesen: „Besucht Spandau – Auskunft Verkehrsverein Spandau Rathaus“. Den Abschluss der Säule bildete eine gelbe Keramik-Weltkugel von 70 Zentimetern Durchmesser, die auf einem umlaufenden blauen Band von den zwölf Sternzeichen geziert wurde.


    Keramiksäule soll rekonstruiert werden

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • In der Zeitschrift "Centralblatt der Bauverwaltung", herausgegeben vom Ministeruim der öffentlichen Arbeiten, Berlin, 26. März 1892 findet sich ein interessanter Artikel. Dieser berichtet über den Bau der Landungstelle für den Kaiserlichen Salondampfer Alexandria bei Spandau. Sowohl der Grundriss, als auch eine photographische Abbildung setzen mich in Erstaunen, denn die Ähnlichkeit zur Matrosenstation Kongsnaes in Potsdam ist ganz offensichtlich. Auch das Gebäude in Spandau lehnt sich in seiner Formgebung an die Vorbilder der norwegischen Holzbauweise an. Aber genug der Worte, seht und lest selbst:



    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (16. Mai 2018 um 22:17)

  • [...] dieses Gebäude mit der Adresse "Jüdenstraße 35". Es schaut doch so recht ackerbürgerlich aus, gell ? Das breite, grüne Tor in der Mittelachse weist auf die Befahrbarkeit mit Kutschen hin, die dem Ackerbürger als notwendig galt. Man schätzt, dass diese Optik schon seit 1781 so in der Altstadt Spandau zu sehen war. Ist das abgebildete Gebäude aber auch so alt ?

    Die Antwort ist: NEIN. Denn das Original-Haus Jüdenstraße 35 von 1781, in dem sogar zwischenzeitlich im späten 19. Jahrhundert eine Gastronomie betrieben worden sein soll, wurde wegen Baufälligkeit 1966 abgerissen. [...]
    DSCI0863 by Clemens Kurz, auf Flickr

    Und so sah das Haus einige Zeit vor dem Abriss aus. Der Wiederaufbau ist m. E. durchaus gelungen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)