Das Bremer Rathausdach und seine Fehlstelle
Dieser Themenstrang widmet sich der zukünftigen Gestaltung des Daches des Alten Rathauses in Bremen. Nachdem die gegenwärtige Kupferdeckung, welche aus den 1920er Jahren stammt, so schadhaft geworden ist, daß eine Neukupferung zwingend erforderlich ist (wenn man eine Beeinträchtigung der Bausubstanz nicht in Kauf nehmen will), plant die hiesige Denkmalbehörde mit der Neukupferung in diesem Jahr (2016) zu beginnen. In der Folge wird sich das altgewohnte Erscheinungsbild des Rathauses über Jahrzehnte verändern, da – aufgrund der erfreulichen Reduzierung der Schadstoffe in der Luft – die Patinierung des neuen Daches sehr viel länger dauern wird, als bei früheren Erneuerungen. Vor diesem Hintergrund wurde von mehreren Seiten angeregt, noch einen Schritt weiter zu gehen und nicht bloß das Dachkupfer zu erneuern, sondern auch die Struktur des Daches zu verändern und zwar derart, daß ein Fehler, der sich bei der Neukupferung von 1877 eingeschlichen hatte, korrigiert wird, nämlich die unvorteilhafte Beseitigung der historischen zwölf Gauben, die zum integralen Bestandteil des genialen Plans des Baumeisters Lüder von Bentheim gehörten, welcher im frühen 17. Jahrhundert aus dem gotischen Rathaus ein Renaissance-Schmuckkästlein formte. Durch die Wiederherstellung dieser Dacherker würde das Rathaus seine von Bentheim gewollten Proportionen zurückerhalten, die seit nunmehr einhundertneununddreißig Jahren nicht mehr erlebbar sind.
Abgesehen von kunsthistorischen und ästhetischen Argumenten spielen natürlich auch Fragen der Finanzierbarkeit und der Statik des Daches eine Rolle. Deshalb würde es mich sehr interessieren wie man hier im Forum die Kosten für derartig überkupferte Gauben einschätzt und ob diese – in Zeiten heftiger werdender Stürme – eine Beeinträchtigung der Stabilität der Dachkonstruktion bedeuten würden ?
Abbildung 01:
Photographie der Südseite des Bremer Rathauses vor 1877. Auf dem Dach erkennt neun der insgesamt zwölf Gauben (sechs auf der Südseite - je drei rechts und links des Mittelgiebels - sowie drei auf der westlichen Schmalseite des Daches).
Abbildung 02:
Photographie des gegenwärtigen Zustandes des Rathausdaches – ohne die Gauben.
Abbildung 03:
Digitale Visualisierung der Wirkung des Daches mit dem neuen, noch nicht patinierten Kupfer.
Abbildung 04:
Kopie der Seite 241 des amtlichen Druckwerks ‚Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft’ aus dem Jahre 1876, welche den entscheidenden Passus des auf das Rathausdach bezogenen Gutachtens des damaligen Bremer Oberbaudirektors Ludwig Franzius wiedergibt, aufgrund dessen die Gauben dann ein Jahr später beseitigt wurden.
Abbildung 05:
Die berühmte Ansicht des Bremer Marktplatzes von Matthäus Merian aus dem Jahre 1630. Die Gauben auf dem Rathausdach sind deutlich zu erkennen !
Abbildung 06
Photographie der östlichen Schmalseite des Rathauses vor 1877 mit den Gauben. (Im Hintergrund, in der Bildmitte ist übrigens der Turm von St. Ansgarii zu sehen.)
Abbildungen 07 und 08:
Die von dem Architekten Heinrich Mänz vorgenommene Bewertung des Fehlens der Gauben als Defizit in dem Werk ‚Bremen und seine Bauten 1900’.
Abbildung 09:
Das Plädoyer des Architekten Eduard Gildemeister für die Wiederherstellung der Rathausgauben, abgedruckt im Jahre 1924 in den ‚Bremer Nachrichten’.
Abbildung 08:
Aktuelle einschlägige Leserbriefe in der Bremer Tagespresse.
Abbildung 09
Eine Postkarte die deutlich nach 1877 entstanden ist (so zeigt sie den erst 1888 eingeweihten neuen Bahnhof) und 1893 versandt wurde. Auf ihr ist das neue Kupferdach von 1877 zu sehen und – fälschlicherweise – auch noch die Gauben. Diese wurden also schon damals vermisst…