• Bei manchen Gebäude in Wien sieht man oft ein Fenster im Giebel, und ich hab mich schon immer gewundert, wie es dahinter eigentlich ausschaut. Manche dieser Fenster sind ja eigentlich wirklich enorm, und man muss da wirklich einen herrlichen Ausblick haben.


    Hier wäre eine Beispiel, was ich meine.

    Was versteckt sich hinter diesem Fenster? Ist es nur als Dekoration, sprich, ist dahinter der Dachboden? Oder hat man da ursprünglich auch Wohnungen gefunden? Schon klar, dass es auch praktisch war, Licht am Dachboden zu haben.

    Heute sieht man ja oft auch Gauben, die dazu gebaut wurden, im Zuge eines Dachbodenausbaus.

    Hier ein anderes Bild. Die Gauben werden in diesem Fall wohl original sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das Fenster in der Mitte nur einer Wohnung diente.

    Hier ein ähnliches Beispiel.

    Und was sich wohl hinter diesem Giebel versteckt hat? Ich hab aber schon einige Giebelfenster gesehen, die waren größer als der ganze Giebel bei diesem Haus.

    Wie zum Beispiel hier, das fängt schon an, ganz groß zu werden. Vielleicht irgendwelche Ateliers für Künstler? Ich hoffe diese Häuser hatten schon einen Lift, wenn's darum ging, riesige Schränke oder schwere Bilderrahmen runterzutragen :biggrin:

    Das hier ist auch ganz interessant. An den neuen Fenster hinten im Dach merkt man, dass sich hier vollwertig genutzte Räume befinden.

    Auch nicht ganz klein sind die Giebelfenster bei diesem Haus hier.


    Ich hab bemerkt, dass es meistens neobarocke Gebäude sind, wahrscheinlich aber nur deshalb, weil das die meisten sind, die erst einen Giebel haben. Aber auch etliche Gebäude von 1910-1920 oder so haben das, dort sind die Fenster aber wirklich enorm. Davon gibt es recht viele an der Wien Zeile finde ich. Oder generell in Mariahilf.

    Also, was ist der Mythos dahinter? Was war dort mal, und wofür war es vorgesehen?

    Licht für den Dachboden? Ateliers für Künstler? Vollwertige Wohnungen? Oder doch nur Dekoration…? huh:):P

  • @ Sean Apollo

    Nun, Giebel, Zwerchgiebel, sind zunächst, wie auch Erker mit Hauben oder Turmhelmen, eine Zierde des Hauses. Dass Giebel mit Fenstern belebt wurden und daneben diese Fenster auch noch als Lichtquelle dienten, lässt eine Wohnnutzung des Dachstocks zu. Das es in Großstädten , wie z. B. etwa in München sicherlich auch in Wien, eine sehr große Anzahl von Kunst-Malern gab, die viel Licht und große Fenster für ihre Arbeit brauchten, lässt auf viele benötigte Malerateliers schließen. Dachgeschosswohnungen mit großem Fenster im Giebel waren für ein Künstleratelier ideal, besonders, wenn das Fenster nach Norden ging.

    Parterrewohnungen und Dachwohnungen waren in Mietshäusern die günstigsten Wohnungen aus folgenden Gründen: Die Wohnungen im Dachgeschoss waren im Sommer oft sehr heiß und im Winter recht kalt. Im Parterre lagen die Wohnungen über den Kellern von unten her im Winter ebenfalls kalt. Außerdem bekamen die Erdgeschosswohnungen, wenn hohe Häuser gegenüber standen, in der Regel wenig und erst zuletzt Sonne. Gut bürgerliche Herrschaften hatten um 1900 zumindest ein Dienstmädchen. Diese Dienstboten hatten in dem Haus, in dem sie dienten, meistens unter dem Dach ihre Kammer. In gut bürgerlichen städtischen Wohnhäusern mit z. B. vier Stockwerken gab es deshalb unter dem Dach mindestens drei Dienstmädchenkammern. Die Bewohner des Erdgeschosses konnten sich meistens keine Dienstmädchen leisten. Die "Mädchenkammern" im Dachgeschoss hatten oft nur sehr kleine Fenster. Ein Teil des Dachbodens war in aller Regel nicht ausgebaut und diente als Wäschetrockenraum. Auch hier befanden sich normalerweise nur kleinere Fenster.

    Bei der Sonderform der Villa auf großem, parkartig angelegten Grundstück, die in aller Regel von den Eigentümern alleine bewohnt wurde, befanden sich im Dachgeschoss häufig mit großen Fenstern versehene vollwertige Zimmer, die von Mitgliedern der Familie, als Gästezimmer oder auch als Dienstboten- oder Mädchenkammer genutzt wurden. In letzterem Falle jedoch meistens mit kleineren Fenstern. Bei hochherrschaftlichen Villen waren die Dienstboten mitunter in einem separaten Gebäude untergebracht. Die Wohnräume der Dienstboten befanden sich dann oft über der Waschküche, über dem Pferdestall oder über der Kutschenremise.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (22. Februar 2016 um 17:33)

  • Danke für diese ausführlichen Beitrag @Villa1895!

    Habe ich mir gedacht, dass diese Dachgeschosswohnungen mit riesigen Fenstern von Künstler verwendet wurden. Auf die Idee war ich eigentlich deshalb gekommen, weil die Gegend, wo in Wien viele dieser Häuser stehen, jetzt noch eine "Künstlergegend" ist. Es sind dort jede Menge Ateliers untergebracht.

    Das geht auch gut zusammen mit der Tatsache, dass das die günstigsten Wohnungen waren! :)


    Jetzt würde es mich interessieren, wie diese Wohnungen oder Räume von Innen ausgeschaut haben mögen. Was mich besonders interessiert, ist, wie mit den Dachschrägen damals umgegangen wurde.

    Zwar gibt es hier in meiner Gegend etliche Einfamilienhäuser um 1905-1915, die ebenfalls ein Stockwerk mit einer solchen Dachschräge haben, aber das waren eher ärmere Häuser, und da ist das ganz einfach, mit Brettern gemacht worden.

    Wie es aber wohl bei diesen riesigen Zinshäusern ausgeschaut haben mag? Oder in einer Villa?


    Auch wenn es die günstigsten Wohnungen waren, muss es doch einen eleganten Touch gegeben haben. Ich kann mir das aber mit einer Dachschräge nicht vorstellen, ich stelle mir eine Dachschräge von Innen nie wirklich elegant vor, sondern eher 'normal'. (ironischerweise sitze ich selber gerade in einem ausgebautem Dach unter einer solchen Dachschräge, und es schaut aus wie bei den anderen Häusern hier – normal, mehr nicht).

    Eine sehr gute Freundin von mir hat eine Hochparterrewohnung mit Blick auf den zweiten Hof eines Hauses, das sehr zentral in Wien liegt. Ich glaub zentraler geht es fast kaum. Dafür, dass die Wohnung im Hochparterre liegt, ist sie schon sehr 'herrschaftlich'. Etwas über 4m Raumhöhe, mehrere Räume mit riesigen Flügeltüren, überdimensionierte Fenster mit den Lambris, von denen wir einst hier geredet hatten (Holzverkleidungen um die Fenster herum, aber auch um die Türen herum), dann natürlich Fischgrätenparkett und das ganze Trallala, nur Stuckdecken hat sie keine.

    Aber die Fassade des Hauses ist auch Innen, im ersten sowie im zweiten Hof vollständig dekoriert, also genauso wie auf der Straße. Das zeigt schon, dass es kein billiges Haus war. Ich frage mich immer, wie wohl die Wohnungen im 1., 2. oder 3. Stock ausschauen. Aber interessant wäre es auch zu sehen, wie eben eine Wohnung im Dachgeschoss ausschauen würde, mit einem Giebelfenster.

    Ob die Giebelfenster da auch die Lambris/Fensterverkleidungen aus Holz hätten? Kann man die überhaupt öffnen / sind das Kastenfenster? (in den meisten Fällen meine ich)

    Bei Ateliers schauen die Wohnung aber sicher viel 'industrieller' aus.


    Ich stelle mir nur die Flügeltüren, die Tür- sowie Fensterverkleidungen, etc. irgendwie lustig oder unpassend mit der Dachschräge vor. Jetzt gehören also Bilder her! :D

  • Interessant finde ich in diesem Zusammenhang das Bild "Der arme Poet" von Carl Spitzweg (Link zu Wikipedia). Nachdem ich letztens eine Reportage über das Berliner "Hipstertum" gesehen habe, müsste man bei dem Bild nur noch Bart, MacBook und iPhone ergänzen, um es ins 21. Jh. zu überführen :)

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ursprünglich dienten Dachräume als Lagerräume, wie man das in alten Häusern gelegentlich noch sieht, vor allem wenn die Häuser noch aus der Gotik oder Renaissance stammen. Da hats dann gerne auch den klassischen Ladegiebel. Das waren dann oftmals hohe und steile Dächer, die auch kaum anders nutzbar waren.
    Zur Änderung der Nutzung weiß auch Wikipedia was:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mansarde
    In den Dachgeschossen waren, wie schon beschrieben, einfache Wohnungen oder nur Kammern fürs Personal. Der "Ausbaustandard" war meist sehr niedrig, billige Dielen, die Schrägen mit Schilfmatten und Putz verkleidet (natürlich ohne Wärmedämmung), mitunter nur Brettertüren. Fließend Wasser gabs von den Wänden oder dem undichten Dach :) Eigentlich sind das wirklich eher Notwohnräume. Im Barock wurden die Dächer teilweise mit zwei oder drei Etagen ausgebaut, weil das noch vor der Niederlegung der Befestigungen geschah und Platz einfach knapp war. Im frühen 19. Jh. findet man dann vielfach wieder Satteldächer oder Walmdächer, oft auch sehr flach geneigt und nicht ausbaufähig - da war dann wieder Platz vorhanden. Ab der Mitte des 19. Jh. wuchs die Bevölkerung rasant, und daher haben viele Gründerzeithäuser das typische Mansarddach, um mehr Wohnraum zu schaffen. Wenn ich jetzt sehr druch die Dresdner Brille geschaut habe, möge man mir das nachsehen.

    Die Außengestaltung der Giebel hat nur selten was mit der Qualität der Innenräume zu tun. Giebel waren oftmals Schmuck und Zier eines Hauses. Gerade die sog. Gründerzeit hat viel Architektur hervorgebracht, bei der das äußere Bild mit der inneren Aufteilung wenig bis nichts zu tun hat, auch und gerade in den Dachzonen.