Als Hermann Walter im Jahre 1875 die Eisenbahnstraße 2 fotografierte, ahnte er noch nicht, wie rasant sich dieses Gebiet verändern würde.
Dazu muß man freilich wissen, daß es vor den Eingemeindungen in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] allein sechs Eisenbahnstraßen gab. Allerdings gab es diese Idyllen bezüglich der Natur damals überall, wenngleich vielleicht nicht in dem Komfort der abgebildeten Familie, die dieses Bild als Andenken verschickte.
Im Jahre 1891 hatte Reinhold Helm in seiner systematischen Heimatkunde bereits einen eher andeutenden 3D-Plan, der schon etwas von dem Kommenden abzeichnete:
Vom Stadtkern und den Bahnhöfen ausgehend sieht man hier oberhalb der Johanniskirche bereits den Krystallpalast, d.h. die Alberthalle sowie weitere Teile der Neustadt, von Volkmarsdorf und Sellerhausen - wenn auch nur angedeutet. Schönefeld scheint damals noch sehr weit entfernt.
Dies ändert sich mit dem Plan von 1905, der sehr genau die weithgehnd bis heute fixierten Strukturen kennzeichnet:
Um diese lang gezogene gerade Straße dreht sich dieses Thema, wo eine kleine Auswahl die städtische Atmosphäre, ihre Substanz und ihre Charakteristika andeutungsweise verdeutlichen soll. Auch wenn hier zur Verdeutlichung der Lage wie oben die innerstädtische Anbindung zu sehen ist, geht es in diesem Einstiegsbeitrag nur um den oberen Teil, der sich mit der Eisenbahnstraße verbindet.
Dies ist die Sicht von G. Friedrich auf die Eisenbahnstraße in Richtung Sellerhausen im Jahre 1901.
Das Einstiegs- bzw. Schlüsselerlebnis nach über hundert Jahren ist aber eher ein etwas unscheinbareres:
Hier sehen wir die Wissmannstraße 6 etwa um 1910.
Nach Krieg, 40 Jahren Sozialismus und "Wende" war die Sicht 1996 noch folgende:
Foto aus dem Jahre 1996
Vergleich 2013
Es hat also etwas Symptomatisches, wenn man sieht, welche Qualitäten von den Altvorderen überkommen sind, wo hier noch die Denkschablonen vom faulenden, parasitären und absterbenden Kapitalismus vorherrschten.
Doch zurück zur Eisenbahnstraße
Die Szenerie mit der Tauchaer Straße (gelaufen 13.08.1919) mit einer (zugegeben qualitativ schlechten) Vergleichsaufnahme
gleicher Standort 2005, allerdings sieht es im Jahre 2016 auch nicht ansehnlicher aus.
Die Taucher Straße heißt jetzt Rosa-Luxemburg-Straße. Im linken und hinteren Teil der Straßen ist ein Großteil der Bausubstanz erhalten geblieben.
Tauchaer Straße 52 im Jahre 1911
gleiches im Jahre 2006 und als Beispiel, daß auch die Bäume durchaus gedeihen können
Vergleich im Jahre 2013
In der Eisenbahnstraße selbst wurde ebenso mehrgeschossig gebaut.
Eisenbahnstraße 53 um 1910
Vergleich im Jahre 2000
Szenerie am 6. Februar 2016
Da im Vergleich 2000 der "Leipziger Hof" um die Ecke genannt ist, hier die Hedwigstraße 3
beschrieben am 02.01.1911 und einen Tag später nach Gera abgeschickt
Gleicher Standort gestern. Rechts abgedeckt, ahnt man schon den Sanierungsbedarf, der an zahlreichen Stellen vor Ort besteht. Wer also nach [lexicon='Leipzig'][/lexicon] kommt, kann von dort aus direkt viele Probleme Leipzigs verdichtet anschauen. Wir hatten bei Bau- und Sanierungsprojekten schon einige Beispiele wie mit der Zollikoferstraße, Schulze-Delitzsch-Straße 27 und der Mariannenstraße 68
im Jahre 2015, wo es bereits zwei Häuser daneben so aussah
Mariannenstraße 64 im Jahre 2013
Die Parallelstraßen zur Eisenbahnstraße sind im stadtauswärtigen Teil gelegentlich niedriger gehalten. Das Beispiel der Ludwigstraße 73 zeigt, daß die Prämissen zur Entstehungszeit vermutlich etwas anders waren.
Ludwigstraße 73 um 1910
Ludwigstraße 73 im Jahre 2000
D.h. im Jahre 1910 existierte augenscheinlich die gegenüberliegende, verschattende Straßenbebauung noch nicht, was jedoch die gepflanzten Bäumen nun nicht vom Wachstum abhält.
Zweifellos erlebt man immer wieder Überraschungen, nicht nur in der Eisenbahnstraße.
Eisenbahnstraße 64 , Aufnahme 1912
gleiches im Jahre 2006
die Gesamtsicht im Jahre 2006
die Szenerie am 06.02.2016
Auch bei Eckhäusern sieht die Situation auch recht unterschiedlich aus:
Elisabethstraße (gelaufen 30.07.1910)
Vergleich 2013
Idastraße 36 Ecke Mariannenstraße um 1910
Idastraße im Jahre 1996
Ludwigstraße Ecke Idastraße (gelaufen 30.12.1908)
Vergleich 06.02.2016 (leider kam gestern hier die Sonne dazwischen)
Das bedeutet, daß in den Seiten- bzw. Nebenstraßen die Geschäfte und Kneipen zumeist verschwunden sind. Nur an den Hauptstraßenbereichen wie zur Torgauer Straße künden Läden und sonstige Einrichtungen vom gegenwärtigen Niveau.
Kunsthandlung Oswald Krempler um 1905
Vergleich im Jahre 2000
Vergleich im Jahre 2016
Diese Seite der Torgauer Straße zeigt zugleich das andere Ende der Eisenbahnstraße:
Eisenbahnstraße stadteinwärts, Verlag G. Friedrich 1906
Vergleich 1996
Die Situation (06.02.2016)
Einige Beispiele der andere Seite der Eisenbahnstraße (Richtung Reudnitz - hier nach links) folgen diesem Beitrag