München - Marienplatz, Neues Rathaus

  • Damenstiftkirche

    Oje, das ist aber mehrfach ganz übel... schon vom Liturgischen, weil hier würdige Messfeiern abgehalten worden sind, und auch wegen des Denkmalwertes des Wiederaufbaus. Hoffentlich kann man das so retten!

    Den alten Rathausturm hätt ich auch gemocht. Man sieht daran, dass die Neogotiker noch ein Formgefühl hatten, das den späteren einfach abgeht. Ein so bedeutender Architekt und Handwerker, der nicht einmal einen schlichten gotischen Rathausturm nachempfinden konnte...

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Heute vor 100 Jahren starb Georg von Hauberrisser (1841-1922), Architekt des Neuen Rathaus in München:

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  • Der Mann hat viel herrliches geschaffen, ich bin ihm sehr zu Dank verpflichtet.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Na ja, in Bezug auf sein Münchner Rathaus bin ich ihm leider nicht sonderlich dankbar. Das mag sich aus heutiger Hinsicht etwas komisch anhören, ist doch das Neue Rathaus die Attraktion des Marienplatzes und eines der berühmtesten Gebäude Münchens, außerdem sicherlich ein sehr opulentes Gebäude, was ordentlich was hermacht. Aber eigentlich hat Hauberrisser (und natürlich die Münchner Stadtverwaltung, die den Auftrag dazu gab) damit den zentralen bürgerlichen Stadtplatz mit seiner in Jahrhunderten gewachsenen Harmonie durch einen riesigen, für München völlig stilfremden und untypischen Klotz zerstört. Der vorher fast ausschließlich mit Bürgerhäusern mit teils einfachen, teils aufwändigen Putz- und Stuckfassaden gerahmte Platz, der wirklich noch wie eine bürgerliche, fast italienische Piazza anmutete und in dem nur ein paar überkuppelte Eckerker und einige wenige übriggebliebene mittelalterliche Dachformen die sonstige Einheitlichkeit und Geschlossenheit auflockerten, wurde auf einmal durch die Monumentalität und Fremdheit des Neuen Rathauses geradezu vergewaltigt: der Effekt auf die damaligen Zeitgenossen mag ähnlich erschütternd gewesen sein, als wie wenn man dort heute einen großen modernistischen Kubus hinstellen würde.

    Ironischerweise muss man heute aber sogar noch dankbar sein, dass nach den dramatischen Zerstörungen des 2. Weltkriegs wenigstens das Neue Rathaus übriggeblieben ist, sonst hätte man am Marienplatz vom Vorkriegs-Bestand heute nur noch zwei, drei Gebäude und die Nordseite wäre vermutlich mit ähnlich unbefriedigenden Geschäftshäusern wiederaufgebaut worden wie die Südseite - so gibt wenigstens das Neue Rathaus dem Platz ein Gesicht. (Dass das riesenhafte Neue Rathaus im Krieg nur relativ leichte Beschädigungen erfuhr, während die Areale ringsherum schwerstens zerstört wurden, lag anscheinend daran, dass die Alliierten die ganzen dort lagernden Akten und Unterlagen retten wollten, um sich ein besseres Bild von der Naziherrschaft machen zu können.)

    Aus Sicht der Erbauungszeit am Ende des 19. Jhs finde ich den Abriss der gesamten Nordzeile des Marienplatzes und die Errichtung dieses äußerst fremdartigen neuen Rathauses jedenfalls einen Kulturfrevel allerersten Ranges.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Wobei man auch sagen muss, dass die Nordzeile nicht auf einmal abgerissen wurde, und erst der rechte, bescheidenere und etwas glücklicher proportionierte Teil ohne den Turm - korrespondierend zu der feinen Neogotik des alten Rathauses - gebaut wurde (anstelle des schmerzlichen Verlusts des alten Landschaftsgebäudes). Erst später, als der erste Teil des neuen Rathauses nicht mehr ausreichte setzte man mit dem linken Teil und dem monumentalen Turm noch einen oben drauf.

  • Ja, wobei's mir grad um das alte Landschaftsgebäude mit seinen herrlichen, spezifisch münchnerischen Stuckaturen leid tut...

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    Karl Kraus

  • (Dass das riesenhafte Neue Rathaus im Krieg nur relativ leichte Beschädigungen erfuhr, während die Areale ringsherum schwerstens zerstört wurden, lag anscheinend daran, dass die Alliierten die ganzen dort lagernden Akten und Unterlagen retten wollten, um sich ein besseres Bild von der Naziherrschaft machen zu können.)

    Ganz schön steile These. ;) Schwierig, ein einzelnes Gebäude bei einem Flächenbombardement im Zweiten Weltkrieg so auszusparen, um nicht zu sagen: unmöglich. Ein Volltreffer galt schon dann als Volltreffer, wenn er sich in einem Radius von 200m um das eigentliche Ziel befand (wenn ich mich da richtig erinnere). Soweit ich weiß, wurde das Neue Rathaus ebenfalls teilweise zerstört, nach dem Krieg aber wieder (teils vereinfacht) aufgebaut.

  • Ich hab das mal gelesen, ich weiß aber nicht mehr wo. Es erscheint mir auf jeden Fall einigermaßen glaubhaft, weil, wie ich bereits schrieb, nahezu das gesamte Umfeld schwer zerstört wurde und das wirklich riesige Rathaus einsam stehenblieb. Gerade das Areal unmittelbar nördlich des Rathauses wurde völlig zerstört, so sehr, dass es gar nicht mehr wiederaufgebaut wurde, während das Rathaus, gemessen an seiner Größe, nur relativ leichte Beschädigungen erlitt. Diese waren hauptsächlich im nördlichen Teil, der dann nur vereinfacht wiederhergestellt wurde, die südliche Hauptseite sowie die zentralen Teile und Innenhöfe hingegen waren meines Wissens kaum in Mitleidenschaft gezogen.

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    Karl Kraus

  • [...] nahezu das gesamte Umfeld schwer zerstört wurde und das wirklich riesige Rathaus einsam stehenblieb.

    Na ganz so einsam sicherlich nicht, aber es hat sicherlich in Anbetracht seiner Größe überschaubare Zerstörungen erlitten.

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    Ob diese Ansicht des Marienplatzes von ca. 1830 wohl zu idealisiert dargestellt ist?

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ob diese Ansicht des Marienplatzes von ca. 1830 wohl zu idealisiert dargestellt ist?

    Die Häuserfront von Interesse hier erscheint schon mal höchst akkurat. Hier das Bild von 1568:

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    Man erkennt, die Grundstückseinheiten waren noch aus dem Mittelalter völlig erhalten, es sind 10 Häuser, so wie um 1830 wohl auch. Das erste komplett abgebildete Haus rechts in Deinem Bild ist wohl noch praktisch vollständig erhalten gewesen, aber mit seinem rechten Nachbar bereits optisch verschmolzen worden. Interessant ist zudem, dass mit einer Ausnahme alle Häuser noch ihre Ergeschosszone behalten haben. Das lässt sich daran festmachen, dass die Zahl der Bögen stimmt, von rechts nach links ab dem vollständig erhaltenen Haus 3,3,3,2,3,3,2.

  • Na ganz so einsam sicherlich nicht, aber es hat sicherlich in Anbetracht seiner Größe überschaubare Zerstörungen erlitten.

    Ja natürlich, das hab ich etwas zu salopp formuliert... ich hab damit gemeint, dass in der Umgebung größtenteils nur die Umfassungsmauern der Häuser stehenblieben, das Innere dieser Häuser aber zerstört war; beim Neuen Rathaus hingegen blieb die Dachlandschaft überwiegend intakt und somit die meisten Innenräume unzerstört. Das ist schon bemerkenswert.

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  • (Dass das riesenhafte Neue Rathaus im Krieg nur relativ leichte Beschädigungen erfuhr, während die Areale ringsherum schwerstens zerstört wurden, lag anscheinend daran, dass die Alliierten die ganzen dort lagernden Akten und Unterlagen retten wollten, um sich ein besseres Bild von der Naziherrschaft machen zu können.)

    Solche Legenden gibt es in vielen deutschen Städten. Wir haben da die Bilder der US-Kriege im Irak/Afghanistan im Kopf - gezielt ein Haus treffen bzw. nicht treffen usw. Das war im zweiten Weltkrieg nicht möglich, gerade bei den Flächenbombardements. Abgesehen davon war das Rathaus in erster Linie eine Kommunalverwaltung - da ging´s weniger um die Greueltaten der Nazis. Mit dem Argument hätte man die Reichskanzlei, das Braune Haus und viele andere Nazizentralen verschonen müssen. Ausserdem war das Münchener Stadtarchiv weitgehend ausgelagert. Wie beim Kölner Dom war es schlicht die gewaltige Baumasse, die das Gebäude überleben ließ.