Fassadengestaltung… was ist möglich? Tipps? Anregungen?

  • Liebes Stadtbild-Deutschland Forum,

    nach kurzer Recherche bin ich hier gelandet und bin mir sicher richtig zu sein.

    Wir haben uns letztes Jahr ein Mehrfamilienhaus in Dortmund gekauft (BJ. 1911). Beim durchblättern alter Unterlagen sind mir ein paar alte Bauzeichnungen in die Hände gefallen. Wenn ich diese Bauzeichnungen mit den Sanierungsarbeiten abgleiche, passen diese auch!

    Was aber augenscheinlich nicht passt ist die Fassade des ganzen Objektes. Zum Vergleich habe ich mal den aktuellen Zustand und die Zeichnung nebeneinander platziert (s. Anhang).

    Auch wenn das gerade nicht akut ist, würden wir natürlich mittelfristig am liebsten den alten Zustand wieder herstellen!! Und da kommt ihr ins Spiel! Da sich hier ja einige schon ausgiebig mit solchen Themen beschäftigt haben, würde ich euch gerne um eine Einschätzung bitten.

    Die Fragen die wir uns stellen:
    • kann die Fassade wirklich mal so ausgesehen haben?
    • wie würde es wohl aussehen, wenn man den "neuen" Putz wieder entfernt?

    Vielen Dank und beste Grüße
    Daniel

  • Nun, das Gebäude wurde komplett entstuckt, "skalpiert", wärmegedämmt (?) und die Toreinfahrt "versachlicht". Im Resultat kaum wiederzuerkennen. Rein technisch wäre das selbstverständlich alles reversibel.

    Das kritischte wäre für mich ein WDVS - ist eins auf der Fassade drauf oder täuscht der Eindruck? In dem Fall wäre eine Sanierung ja kaum ohne eine Verschlechterung der Wärmedämmung möglich, womit Fördermöglichkeiten entfallen dürften.

    Edit: Die alte Zeichnung scheint nicht 1:1 den tatsächlich damals gebauten Zustand widerzuspiegeln. Die einzig noch vorhandenen Verzierungen unter den beiden "Trägern" (kenne die Fachbezeichnung nicht) müssten sich ja in der Zeichnung finden, tun sie aber nicht.

    3 Mal editiert, zuletzt von HelgeK (29. Dezember 2015 um 11:39)

  • Nein, wärmegedämmt ist die Fassade nicht. Das ist höchstwahrscheinlich ein normaler Putz aus den 50/60ern und darunter wird wohl nur noch das Ziegelmauerwerk sein.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Hallo Helge,

    vielen Dank für die zügige Antwort. Das da eine Dämmung drunter ist ist, glaube ich persönlich nicht. Jedenfalls fühlt es sich nicht so an und sieht auch nicht so aus (um sicher zu gehen, müsste man natürlich mal ein Stück freilegen). Mit skalpiert meinst du, dass der Stuck abgeschlagen wurde? Also nicht einfach übergeputzt?

    Ja diese Träger (ich nenne sie mal Löwentatzen) fehlen tatsächlich..

  • Mit "skalpiert" meinte ich, dass der Dachaufbau fehlt. Oder täuscht dass, weil der Bereich im Foto im Gegenlicht untergeht?

    Es sieht einfach so aus, als wenn daß Mansardengeschoß zu einem Vollgeschoß ausgebaut worden ist. Ob darüber noch ein Satteldach ist, kann man tatsächlich auf dem Photo nicht erkennen.

  • Ach so… ja das Dach war ursprünglich mal ein Mansardendach. Im Krieg ist da eine Brandbombe drauf gefallen und das Dach wurde leider gegen ein flaches Satteldach ausgetauscht.

    Was müsste man denn wohl tun um den ursprünglichen Zustand der Fassade (Dach und Toreinfahrt mal abgesehen) wieder herzustellen. Um einfach mal ein Gespür für den Aufwand und die Kosten zu bekommen?

    Danke

  • Zunächst: Interessante Gegenüberstellung :rolleyes:

    Mit einer Dämmung haben wir es nicht zu tun, gerade schon weil die Fenster (nahezu) in der Fassadenebene sitzen. Ausserdem müsste die Fassade unten am Natursteinsockel hervorstehen, und das tut sie ja nicht.

    Wenn eine Sanierung angedacht wird muss man zwei grundsätzliche Schritte bedenken:
    _Herstellung der alten Proportionen (Dach, Erker,..)
    _Stuckatierung

    Für meine Begriffe könnte bei einer sparsamen Revitalisierung der erste Schritt bereits ausreichen, um ein angenehmes Resultat zu erreichen.
    Schritt 2, die Fassade zu bestucken, kann immer zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Das wäre dann das i-Tüpfelchen!

    Von der Option den jetztigen Ist-Zustand zu bestucken würde ich abraten.

    Schauen wir mal genauer hin:


    Ich habe mir erlaubt obiges Bild zu bearbeiten ;)

    Die Schritte könnten im Einzelnen so aussehen:

    ++ Abtragen des obersten Vollgeschosses (Die Fensterformate scheinen eh nicht zum Rest zu passen, leider sind sie vom Baum verdeckt)
    ++ Errichtung eines Mansarddaches (grün) in Sparrenbauweise mit zwei Gauben in Holzbauweise und dem kleinen Zwerchgiebel (hellgrün) als Mauerwerksbau. Man hätte dann im Dachgeschoss zur Straße eine leichte Schräge, daher könnten von der Nettogeschossfläche ca. 2% verschwinden. Allerdings kann das auch sehr gemütlich wirken!
    Hier ein Beispiel: Klick
    ++ Abtragen der obersten Erkerebene (Bauzeitlich hatte er nur zwei Ebenen, wenn ich die Fassadenskizze nicht vollkommen missversterstehe :wink: (siehe hellrote Rahmung)
    ++ Ausbildung des Erkerdachs als Austritt (Terrasse) für die Wohnung im 3.OG
    ++ Optional: Einbau eines Mauerwerkbogens in die Tordurchfahrt. Der jetzige Flachsturz stört aber nicht gravierend.

    Zu den schon angesprochenen Konsolen des Erkers: Sie fehlen im Aufriss, das stimmt, aber sie sind durch die Anordnung der
    Erdgeschossfenster schon in der Planung vorgesehen gewesen. Ich habe sie in rot eingetragen.

    Fazit: Das Zurückversetzen in die alten Proportionen würde ich als ersten Schritt angehen! Selbst wenn man es anschließend nur schlicht verputzen würde, bekommt das Haus bereits einen Teil seiner Würde zurück. Stuckatiert man gleich alles mit, wäre das eine wirkliche tolle Sanierung, aber damit könnte man theoretisch auch noch etwas warten und zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Ortsbild (29. Dezember 2015 um 18:05) aus folgendem Grund: Absätze

  • Ist es nicht möglich, dass die Zeichnung nicht den umgesetzten Entwurf entspricht und man sich schon beim Bau für eine Etage mehr und einen 3stöckigen Erker entschieden hat?!

  • Was die frühere Gestaltung der Fassade angeht, so hatte ich dies in meiner Stuttgarter
    Zeit so gemacht, dass ich mich ans Bauamt der Stadt, an die sog.
    Bauaktei gewandt hatte. Dort lagen beim Baugesuch die original
    eingereichten Baupläne des Hauses, in dem uns damals eine
    Eigentumswohnung gehörte (Augustenstr. 46, Stuttgart-West). Diese Pläne
    aus dem Jahre 1874 waren sehr genau, von Hand mit Tusche gezeichnet und
    sogar teilweise koloriert.

    Vielleicht hast Du Glück und die Bauakten für euer Haus haben den Krieg
    überstanden und sind bei der zuständigen Bauverwaltung noch vorhanden
    und können vom Eigentümer des Gebäudes eingesehen werden (incl.
    Anfertigung von Kopien, die dann den Stuckateurfirmen zur Verfügung
    gestellt werden könnten). Dabei gehe ich davon aus, dass Du/Ihr den
    tatsächlichen Originalzustand wiederherstellen möchtet. Manchmal muss
    man halt ein wenig Detektiv spielen, was aber auch sehr spannend sein
    kann.

    In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wurden nach der Wende durch Stuckateurbetriebe wahre Meisterleistungen bei Wiederbestuckungen von Gebäuden vollbracht. Und dies in sehr, sehr vielen Fällen.

    Infolgedessen gibt es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] bestimmt eine Vielzahl von Firmen, die sich Wiederbestuckung von Gebäuden spezialisiert haben, über langjährige und vielfältige Erfahrung verfügen und auf Verlangen Unterlagen nebst Fotomaterial über Ihre Leistungen vorlegen können.

    Deshalb würde ich empfehlen, dass du unverbindlich Kontakt zu solchen Firmen aufnimmst und Dir von einigen einen verbindlichen Kostenvoranschlag unter Vorlage von Plänen erstellen lässt. So könntest Du einen Preisvergleich zwischen mehreren Angeboten treffen. Das wäre ja dann bei der Wiederbestuckung eines Hauses ein größerer Auftrag, so dass auch ein auswärtiger Auftrag für eine Firma durchaus interessant sein könnte.

    Recherche nach Fachunternehmen, die auf Wiederbestuckung spezialisiert sind. Deinerseits könnte die Suche über das Intenet erfolgen oder vielleicht über die Fachinnung. Evtl. könnte Dir auch die Industrie- und Handelskammer [lexicon='Leipzig'][/lexicon] eine Liste mit einschlägigen Fachfirmen zukommen lassen. Oder unsere Leipziger Forumsteilnehmer könnten Dir womöglich wertvolle Informationen zu Fachfirmen erteilen.

    Noch zum Schluss ein Hinweis: Steht das Haus evtl. unter Denkmalschutz? Bitte abklären. In diesem Falle nämlich könnte eine steuerliche Denkmalschutz-Abschreibung gem. § 7 i EStG in Betracht kommen, falls das Denkmalamt die Maßmahme als förderungswürdig anerkennt. Es müsste ein Antrag bei der unteren Denkmalschutzbehörde nebst Kostenvoranschlag und Plänen eingereicht werden. Erteilt das Denkmalamt seine Zustimmung zu der Maßnahme, darf erst danach der Auftrag an den Handwerksbetrieb vergeben werden. Erteilt man dem Handwerksbetrieb den Auftrag jedoch schon bevor die Zustimmung des Denkmalschutzes vorliegt, entfällt die steuerliche Abschreibung. Hier heißt es also: sehr gut aufpassen, damit nichts schief geht.

    Viel Glück für dein Vorhaben.

    4 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (29. Dezember 2015 um 16:46)

  • Wow… vielen vielen Dank für diese schnell und fundierten Antworten!

    Da sich der ein oder andere (mich einbezogen) nicht ganz sicher war ob die gezeichnete Fassade auch wirklich so umgesetzt worden ist - hab ich versucht noch weitere Zeichnungen zu bekommen und siehe da…

    das passt doch irgendwie besser obwohl es durchgestrichen ist!?

    Damit das Verständnis der Stockwerke und so etwas klarer wird hab ich mal schnell ein kleines Model gebaut.


    • auch wenn das Gebäude nicht unter Denkmalschutz gestellt ist, werde ich mich mal an die örtliche Denkmalschutzbehörde wenden ob die das nicht in irgend einer Form mit Sponsern wollen;)
    • Der Tipp mit [lexicon='Leipzig'][/lexicon] klingt für mich auch sehr vernünftig und vielversprechend, danke!

    Eine Frage hätte ich noch… wie würdet ihr das einschätzen… auch wenn die "neue" Zeichnung wesentlich weniger Stuck aufweist als die andere.. was ist wohl unter dem Putz erhalten?
    Blanker Ziegel?

    Vielen Dank noch mal an alle… auch wenn das gerade nicht akut ist, ich werde euch auf dem laufenden halten! cclap:)

  • Auf mich wirkt es als ob der Erker auf alle vier Geschosse durchging. Also auch ins Mansardach.

    Sie haben gefragt, ob man frueher wirklich so entstuckt hat. Die Antwort: Ihr Haus ist noch ein einfaches Opfer.

    Danke fuer Ihr Intresse in Ihr Haus! :thumbup: Und fuers Teillen! ughug:)

  • Eine Frage hätte ich noch… wie würdet ihr das einschätzen… auch wenn die "neue" Zeichnung wesentlich weniger Stuck aufweist als die andere.. was ist wohl unter dem Putz erhalten?
    Blanker Ziegel?

    Da schließe ich mich meinen Vorpostern an, ich würde auch sagen ->> blanker Ziegel.

  • Wow - das ist die richtige Zeichnung. Der ursprüngliche Zustand ist damit dokumentiert (keine Selbstverständlichkeit)!!

    Ich kann mich der Empfehlung weiter oben, zunächst die Gebäudeform (hier also die Dachform) zu rekonstruieren, und den Rest von den jeweils verfügbaren Mitteln abhängig zu machen, nur anschließen. In den ersten Schritt gehören natürlich auch noch der originalen Aufteilung entsprechende Fenster hinein. Solche maßangefertigten Fenster können ziehmlich teuer sein. Firmen mit entsprechender Erfahrung, die dennoch relativ preiswert arbeiten, gibt es beispielsweise in unserem östlichen Nachbarland (Tipps gerne per PN).

    IM OG könnte dabei trotz der heute üblichen massiven Dämmung durch Einbeziehung des Dachbodens ein wunderbares "Loft" mit sehr hohen Räumen entstehen.

  • Den Dachboden auszubauen - ist auch ohnehin der Plan. Dabei sollen die beiden obersten Wohnungen mit dem Dachboden verbunden werden - nicht unbedingt als Loft - sondern eher über eine Treppe, so dass man den Wohnraum zusätzlich nutzen kann. Mit Dachgauben die sich dann "irgendwie" in das Gesamtbild einfügen. (Zum Verständnis das 4. OG ist ein ganz normales Geschoss mit einer Deckenhöhe von 3m, der Dachboden ist aus Estrich)

    Danke

  • Ha, ja, der durchgestrichene Entwurf paßt natürlich viel besser! Und wirkt, als sei er 10-15 jahre jünger. (Nebenbei haben mich die Erkerkonsolen von Anfang an stutzig gemacht, ob der alte Entwurf wirklich zu dem Haus paßt)
    Ein gewisses Glück ist es natürlich, daß durch die einfachere Fassade des tatsächlichen Ursprungszustandes die Fassadenrekonstruktion auch um einiges günstiger sein dürfte.
    Und so wie das aussieht ist das auch kein richtiges Mansardendach, sondern ist das oberste Geschoß ein Stafellgeschoß dem eine kleine Dachschräge bis zur Fensterreihe vorgeblendet wurde.
    Im Prinzip würde dieser Entwurf auch mit den Bestandsfenstern funktionieren. Am ehesten würde ich noch die links und rechts des Erkers austauschen, da wirkt ein Doppelkreuzfenster besser als ein einfaches Kreuzfenster, aufgrund der Breite.

  • Also erst einmal ziehe ich meinen Hut vor jedem Hausbesitzer welcher sein Haus wieder in den Originalzustand versetzen möchte - die Kosten werden natürlich immens sein, es wird sich aber langfristig lohnen.

    Ein befreundeter Dachdeckermeister von mir meinte, das wichtigste an einem Haus ist das Dach, bevor das Dach nicht in Ordnung ist, machen alle anderen Arbeiten wenig Sinn. Nun, ich bin ja kein Dachdecker und weiß es daher selbst nicht - klingt für mich aber logisch.
    Bei der Fassade denke ich, müßt der ganze Nachkriegsputz runter bis der blanke Ziegel freigelegt ist - ich denke dann sieht man auch was von den Verzierungen unterziegelt war, das müßt man dann wieder herstellen. Ich halte übrigens den ersten Entwurf für authentischer, ist aber nur eine Vermutung.

  • Sehr schönes und ambitioniertes Projekt. :) Wenn doch nur mehr Hauseigentümer so denken würden. Ich wünsche ganz viel Erfolg und die immense Aufwertung wird sich sicher lohnen.
    Auch ich bin der Meinung der durchgestrichene Plan kommt der Ursprungsgestaltung näher, denn es passt besser zum doch etwas späten Baujahr nach 1910. Der erste Entwurf erscheint mir für diese Zeit etwas zu üppig. Ein guten Aufschluss auf die Fassade könnten aber auch andere Häuser in der Straße geben. Damals wurden auch oft mehrere Häuser im Block gleichzeitig hochgezogen. Wie sieht z.B. das grünliche Haus direkt daneben aus. Es scheint nicht entstuckt, oder?

  • Vielleicht ist´s ja doch älter als 1911 und nur in diesen Jahr umgestaltet worden?

    aber mit der anderem Fassade kann es auch nicht so viel älter sein als 1900..vielleicht noch 1895, davor auf keinen Fall, davor hat man eigentlich viel reiner historistisch gebaut, weniger Reformstil/Jugendstil.

    Warum sollte man ein Haus schon nach 10-15 Jahren so sehr umgestalten?