Wichtiges Urteil zum Thema Denkmalschutz

  • Hallo zusammen,

    ich sitze an einem gerichtlichen Urteil, dem ich eine große Bedeutung für unsere Arbeit im Bereich Denkmalschutz zumesse. Leider bin ich wohl verwaltungstechnisch nicht so erfahren, als dass ich die einzelnen Konsequenzen voll erfassen könnte. Daher bitte ich um Eure Mithilfe.

    Folgendes Urteil des VG Augsburg ist gemeint: https://openjur.de/u/625160.html

    Ich fasse den Inhalt -soweit er sich mir erschließt- zusammen:
    Käufer eines denkmalgeschützten Gebäudes darf dieses nicht abreißen, obwohl er dies aus der Betrachtung der Substanz des Gebäudes dürfte. Ursache: Ein Käufer wäre bereit markttypische Preise zu zahlen und das Gebäude zu erhalten. Er selbst will aber nicht verkaufen, sondern abreißen. Die Tatsache, dass es aber einen Käufer gäbe, der erhalten will, führt zwingend zum Erlischen einer evtl. bestehenden Abrissgenehmigung.


    Habe ich das richtig verstanden? Das wäre ja eine mächtige Waffe gegen jene, die denkmalgeschützte Gebäude abreissen lassen wollen. Klappt sicher nicht immer, aber immerhin ein großer Lichtblick.

    Ich hoffe, ich habe einen bestehenden Strang zu diesem Urteil nicht übersehen.

    Was meint Ihr dazu ?

    Viele Grüße,
    Euer Lars :smile:

  • Klingt nach einer Art Vorkaufsrecht für Erhaltungswillige.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Soweit, dass einer Person die ein Denkmal erhalten will ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird, geht die Entscheidung nicht.

    Der Umstand, das ein Dritter das Denkmal um es zu sanieren, erwerben möchte, ist nach dem Urteil bei der Beantwortung der Frage, ob der Erhalt des Denkmals für den Eigentümer wirtschaftlich noch tragbar ist zu berücksichtigen. Der Eigentümer kann sich hiernach nicht darauf berufen die Sanierung sei unwirtschaftlich, wenn ein Dritter bereit ist, dass Denkmal (Zu einem angemessenen Preis) zu kaufen und zu sanieren.

    Dies zwingt den Eigentümer aber nicht zu dem Verkauf, er erhält aber weder ein Abrissgenehmigung (noch erfolgt eine Streichung aus der Denkmalliste).

    Die Rechtsprechung entsprechend dem zitierten Urteil kann daher nur dazu führen, dass ein Abriss (einstweilen) nicht erfolgt, nicht jedoch zu einer endgültigen Rettung des Baudenkmals. Wenn also der Eigentümer eine höhere Rendite darin sieht, das Denkmal noch weiter verfallen zu lassen und später vielleicht doch noch neu bauen zu können, als in dem sofortigen Verkauf (zu einem wahrscheinlich niedrigeren Kaufpreis), kann die Sanierung mit diesem Urteil nicht erzwungen werden.

    Um dies zu erreichen, müsste die Behörde entweder im Wege der Ersatzvornahme tätig werden (was ja selten geschieht und auch rechtlich enge Grenzen hat) oder der Staat enteignen um dann das Denkmal an einen sanierungswilligen Dritten zu verkaufen (was wohl noch seltener geschieht).

  • Vor ca. 10 Jahren gab es hier ja einen regelrechten Krimi im Forum in Bezug auf das Leipziger Märchenhaus zu verfolgen, was ja leider doch abgerissen wurde - obwohl es Kaufinteressenten gab. Vielleicht können solche Fälle in Zukunft verhindert werden, gerade in Städten, in denen der Investitionsdruck eh recht hoch ist.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Da kann ich Andreas nur zustimmen. Wenn ein ernsthafter Interessent das Denkmal zu einem vernünftigen Preis erwerben würde, kann der Eigentümer sich nicht auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen. Mit dem ernsthaften Interesse ist ja quasi bewiesen, dass das Denkmal einen Wert hat, der nicht nur ideell ist.

    Im Umkehrschluss gilt auch, dass ein Käufer, der sehenden Auges ein ruinöses Denkmal erwirbt, sich anschließend nicht auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen kann.

  • Da der Vorgang im Faden zu Dresden-Blasewitz zu wenig Beachtung fand, will ich hierüber nochmal eure Aufmerksamkeit lenken:

    Ich hatte mich mit der Villa Romana schon vor einiger Zeit beschäftigt: https://www.zeilenabstand.net/dresdens-kampf…e-villa-romana/


    Ich war so frei und habe das Urteil aus Dresden jetzt kommentiert: https://www.zeilenabstand.net/erstes-urteil-…sden-blasewitz/

    Das sind wirklich ungeheuerliche Vorgänge in der Causa Villa Romana... Ist hier leider bislang etwas untergegangen. Hoffentlich macht das nicht Schule und wird revidiert! Gibt es da was Aktuelles dazu?

    Leute, das dürfen wir nicht ignorieren! Es kann den gesamten Denkmalschutz gefährden. Wir haben "Europäisches Kulturerbejahr", zumindest behaupten EU und Bundesregierung das.

    Wie du schon richtig schreibst tegula, "Es kann als Blaupause für Grundstücksspekulanten dienen, wie man sich trotz behördlichen Verbotes unliebsamer Kulturgüter entledigt." Sowas können wir nicht durchgehen lassen!


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tolk…_57_01-2013.jpg

  • Gibt es da was Aktuelles dazu?

    In der Sache selbst nicht. Ob die Stadt Dresden in die nächste Instanz gehen wird, ist fraglich. Dahin gehende Nachrichten konnte ich bisher nicht entdecken.

    Aber schön, dass du es aufgreifst. Ich habe meine zweiten Blogartikel gestern nämlich erheblich erweitert. Darin heißt es unter anderem:

    Herr Kolbe scheint ein Freund der sehr direkten Methoden zu sein. Anstatt den Dialog mit mir zu suchen, hat er aufgrund meines Blogbeitrages Strafanzeige wegen Beleidigung [sic!] nach § 185 StGB gegen mich gestellt. Das Verfahren ist wenig überraschend sehr schnell eingestellt worden. Polizei und Staatsanwaltschaft haben besonnen und mit Übersicht reagiert. Ich bin doch überrascht darüber, was für eine Aufmerksamkeit mein kleiner Kulturblog doch erregt und wie erschreckend einfach es ist, sich mit dem Einsatz für Denkmalschutz Feinde zu machen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Das ist ja eine Ungeheuerlichkeit. Da bleibt wirklich zu hoffen, daß dieses Urteil noch verändert wird. Sonst bleibt der Grundstückseigentümer tatsächlich straffrei.

    Wenn schon das Haus nicht wieder aufgebaut werden muss, soll der Mann wenigstens eine saftige Geldstrafe zahlen, die ihm richtig wehtut.

    (...) Einen Sinn seines Lebens sehe er darin, seinen Erben das zu vermachen, was er sich mit seiner Frau aufgebaut hat. (...)

    Aufgebaut, oder doch eher vernichtet? Dieser Typ ist mir ja richtig sympathisch. :boese:

  • Härtere Strafen für Denkmalzerstörer gefordert

    In Brandenburg bröckeln viele Denkmale vor sich hin oder werden gar abgerissen. Dagegen wehren sich in der Uckermark die Häuserretter mit teilweise spektakulären Aktionen. Mit dem Erhalt von Denkmälern wollen die Architektin Kiri Westphal und der Zimmermann Mats Ciupka aus Gellmersdorf Geschichte, Heimat und Identität bewahren. Doch der Denkmalschutz genießt nicht den nötigen Stellenwert. Anhand von Beispielen in Barnim und Uckermark wollten die Häuserretter das auf einer Pressefahrt deutlich machen, zu der die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag eingeladen hatte. Mit dabei waren unter anderem der Fraktionsvorsitzende Axel Vogel und die kulturpolitische Sprecherin der Grünen Marie Luise von Halem sowie Andreas Rieger, Vizepräsident der Brandenburger Architektenkammer.

    (..)Es sei selbstverletzend, was oft mit denkmalgeschützten Gebäuden passiere, fast wie bei der Borderline-Krankheit. "Wir laufen Symptomen hinterher, statt die Ursache zu bekämpfen", sagte Andreas Rieger. Der Umgang mit Denkmälern in Brandenburg habe ein gewisses Muster. Man müsse überlegen, wie man grundsätzlich damit umgeht und welchen Stellenwert das kulturelle Erbe habe. Denkmalzerstörer müssten an den Pranger gestellt und zur Kasse gebeten werden, forderte Kiri Westphal. Das Geld könnte man für den Erhalt anderer Denkmäler nutzen. Es ginge nicht nur mit Restriktionen, man müsse auch helfen und beraten, so Andreas Rieger. "Dazu brauchen wir Unterstützung auf kommunaler Ebene."

    Marie Luise von Halem zog ein Resümee des Besuchs: "Es wird deutlich, wie wichtig Baukultur für die Menschen und Ortsbilder ist. Auch wenn es derzeit keinen konkreten Nutzungszweck gibt, sind Denkmäler es wert, sie für künftige Generationen zu erhalten." Landkreise müssten bei Pflichtverletzungen öfter Bußgelder verhängen und Eigentümer über Finanzierungen besser beraten werden, zum Beispiel durch Beiräte. Auf Landesebene sollte der Denkmalschutzfonds besser ausgestattet werden. Auf lokaler Ebene gebe es Initiativen, aber man brauche eine Lobby auf Landesebene. "Möglicherweise versuchen wir, einen Landesdenkmalverein etablieren. Das werden wir im Auge behalten", versicherte Marie Luise von Halem.

    Komplett (leider auch mit rekofeindlichem Kommentar von "Mats Ciupka"): https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1640606/

  • Inwiefern wäre eine Verpflichtung für Bauherren durchsetzbar, beim Abriss sehr maroder, denkmalgeschützter Bauten, zumindest die öffentlich einsehbaren Fassaden nach Abriss zu rekonstruieren (bei Neubebauung)?

    Im juristischen Sinne meine ich das jetzt. Sicher kommt es dabei (auch) auf die Landesdenkmalgesetze an.

  • Mir war nun daran gelegen, dass nicht beliebig jeder denkmalgeschützte Bau abgerissen und neugebaut werden kann, sondern dass Substanz durchaus etwas wert ist. Wie es ja die Denkmalschutzgesetze auch vorsehen. Die Denkmalschutzbehörden heben den Denkmalschutz ja erst auf und die Behörden erteilen die Abrissgenehmigung in aller Regel ja erst, wenn der Zustand dementsprechend schlecht ist (oder der Bau völlig entstellt wurde). So sollte es laut Gesetz jedenfalls sein.

    Es sollte nur so einfach nicht mehr sein: Bauherr lässt das Denkmal so lange verfallen, bis es nicht mehr zu retten ist - dann wird abgerissen und modernistisch neugebaut. Der Ist-Zustand heute.
    Stattdessen muss der Bau bei gutem oder mäßigem bis schlechtem Zustand komplett saniert (ggf. teilrekonstruiert) werden und nur bei katastrophalem / ruinösem Zustand rekonstruiert werden. Der Soll-Zustand morgen.