Irrer Steampunk-Art-Deco-Wolkenkratzer für New York? Eagle Tower / 41 West 57 Street (Mark Foster Gage)

  • Es hat wirklich was von Filmarchitektur. Das marvelsche Asgard wurde ja schon als Beispiel genannt. Aber das hat im innersten ein gestalterisches Paradigma, aufstrebende Prunkskyline mit (pseudo)nordisch-ornamentalen Versatzstücken. Es bildet eine Einheit mit dem cineastisch zu vermittelnden Eindruck.
    Davon kann beim hiergennanten Hochhaus in meinen Augen leider keine Rede sein. Ein nach maximum-profit-Manier hochgezogener, zu lang gestreckter Glasquader. Der "Mut zur Lücke" eines Seagram ging diesem Bauherren wohl ab (aber hierfür sind die Zeiten wohl anscheinend auch schon länger vorbei). Das Ornament ist, schlimm genug, vollkommen ohne Rücksicht auf die Logik des Gebäudes angebracht, überschneidet sich willkürlich mit Fensterachsen, bildet Vorsprünge scheinbar ohne proportionale Grundlage und lässt alles irgendwie etwas kopflastig ausschauen. Doch dazu kommt zu allem Überfluss noch das Ornament an sich: Da wechseln sich funktionsbefreite Zahnräder mit geköpften Adlerschwingen ab, erscheinen die mannigfaltigsten Geometrien im friedlosen Nebeneinander aus Kupfer, Zink, rund, eckig, ortho-, hexa- oder oktogonal, und schließlich endet der metallumfasste Balkon mit einem Glasgeländer, weil der Gestalter das alles zu keinem einheitlichen Ende bringen konnte.
    Was will er uns zeigen? (und ist "ER" Architekt oder Bauherr?) Die Kraft eines Greifvogels? Den Charme von Steampunkmechanik? Das Spiel mit Geometrie? Die zeitlose Gültigkeit der klassischen Form? Einen alternativen Zukunftsentwurf? Nichts von alledem, er will Aufmerksamkeit und Alleinstellungsmerkmale, und sei es durch schlechten Geschmack, den der geldgesegnete Kunde "Eyecatcher" nennt, denn so wie Jugendstil und Historismus das gleiche sind und August der Starke König von Preußen war, ist alles was glänzt Gold. Oder zumindest das neue iPhone.

    Man nehme als Vergleich das Chrysler Building. Das zoning law wird konsequent zur kreativen Proportion ausgenutzt, das Ornament geht schlüssig aus dem Motiv "Chrysler Automobiles" hervor, wird nach den Regeln des Art Deco durchdekliniert und findet sich dem großen Ganzen entsprechend an der Fassade wieder; alles an seinem Platz. Heraus kommt kein Eyecatcher, sondern eine Ikone.

    Was ich bevorzuge, sollte klar sein.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Sieht echt interessant aus ! Die Ornamente erinnern mich ein bisschen an den Jugendstil ! Aber dieser Schmuck wirkt wie angeklebt an den Wolkenkratzer, da dahinter die gesamte Fläche verglast ist ! Auch durch seine Höhe (über 400m ) werden die Verziehrungen leicht untergehen ! Außerdem ist das Hochhaus viel zu schmal um es als Gebäudemasse richtig wahrzunehmen . Aber im Großen und Ganzen eine sehr positive Entwicklung im Wolkenkratzerbau, da man endlich von dem langweiligen Schuhkartonmodus abkommt ! Diese Formen verleihen dem Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes Flügel :lachentuerkis: und das ergibt einen sehr eleganten Eindruck ! Außerdem finde ich hat Mark Forster Gage, der Architekt, der den "Eagle Tower " entworfen hat, auf seiner Internetseite echt hochtinteressante Gebäudeintwürfe, die sich vom Jugendstil, aber auch vom Expressionismus beeinflussen lassen ! Das wäre ein revolutionärer Schritt für die Architektur weltweit, wenn diese Gebäude fertiggestellt wird!

  • Mattheiser: Für den Entwurf zeichnet Mark Foster Gage verantwortlich, der hauptsächlich Designer und weniger Architekt ist. Er arbeitete aber in den Studios von Robert Stern (RAMSA, neu-klassisch) und Frank Gehry (oft dekonstruktivistisch) mit, dadurch vielleicht die unterschiedlichen und etwas wirren Einflüsse. Letztlich ist der ganze Entwurf NICHTS KONKRETES, sondern eine Vision, der Versuch, zu zeigen, was mit moderner Technologie möglich ist. Eine solche Fassade wäre letztlich fast genauso günstig zu haben wie eine vollkommen flache.

    Die Kernaussage der ganzen Übung ist: Das Ornament ist zurück! Es ist wieder günstig, es ist individuell! Es gibt keine Ausreden mehr!

    Wie ich es euch bereits hier vor knapp einem Jahr prophezeite, dass Architekten bald konkret damit arbeiten werden - nun ist es soweit! :)

  • Fachwerkliebhaber, mit dir stimme ich überein, dass die Ornamentik auf einem Turm mit Steinfassade deutlich besser zur Geltung käme. Auch mit Setbacks.

    Ich denke, die Glasfassade wurde hier gewählt, um die Ornamentik stärker herauskommen zu lassen und den Kontrast zu bisherigen glatten Glasfassaden aufzuzeigen. Das ganze Ding ist eine einzige Kritik am glatten Glasturm ohne Mut zum Gestaltungswillen.

  • Sehr interessant ist diese gut 10-minütige Präsentation des Designers. Statt architektonischem Dogmatismus fordert er Offenheit und ein Nebeneinander vielfältiger Stile ein, was dem Leitgedanken von Kontextualität und Kreativität hier im Stadtbild-Forum sicher Rechnung trägt:

    Mark Foster Gage: Cutting-edge architecture

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    https://www.youtube.com/watch?v=HlTTxLjtrlk

  • erbse: Gut, vor dem Hintergrund ist das natürlich was anderes. Das Ornament ist zurück, Foster forscht und experimentiert hier eher als dass er baut - Soweit so gut. Wobei sich im Bezug auf das Ornament bei mir in Anbetracht des Entwurfes schon die Frage stellt, ob aus dem "könnte" auch das "sollte" zu folgen hat ;)

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Das ist wie mit der Haute Couture in der Mode.
    Niemand rennt damit auf der Straße rum, aber es beeindruckt und inspiriert viele Menschen. Und das ein oder andere kreative Detail findet sich dann im Alltag wieder. :)

    Solche mutigen Architekturvisionen gab es einfach lange nicht. In der aufstrebenden Zeit der Industrialisierung und vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich Architekten und Planer weltweit mit irren Plänen gegenseitig überboten. Da stecke ein Aufbruchs- und Fortschrittsgeist sondergleichen dahinter, gepaart mit architektonischer Ausdrucksfreude. Dieses Gefühl bring der Entwurf von Foster-Gage für mich ein Stück weit zurück, was ich ihm sehr hoch anrechne. Wir brauchen Mutbürger!

  • Für einen Wolkenkratzer in einer US City Skyline finde ich das ganze wirklich interessant. Wie es auch andere Forumsmitglieder kommentiert haben, ist der Fokus auf Ornamentik und Still hier wirklich erfrischend. Der Bau ist zwar ein bisschen zu dünn und hoch um das dekorative Ensemble zur Geltung zu bringen aber es ist tausend mal besser als der ausdruckslose funktionale Still des Glashochhaus, den wir seit den fünfziger kennen (wie der langweilige One Trade Center).

    Dies ist tatsächlich ein Aufruf für kommende Architekten, dass "moderne" bzw. "postmoderne" nicht mit langweiligen Funktionalismus gleichzustellen ist. Die schöne Verbindung von Stein, Stahl und Glas im Art Déco sind meines Erachtens wegweisend (wie so viele Entwicklungen die durch den Ersten Weltkrieg gestört wurden).

  • Snork 9. Oktober 2021 um 19:17

    Hat das Thema aus dem Forum USA nach USA verschoben.