• Zu Basel möchte ich gerne etwas beitragen. Von meinem Onkel, der ein "hohes Tier" bei der Polizei des Kantons Basel-Land war (verstorben 2015) habe ich einige Hintergrundinformationen zu den Abrissen von Gebäuden ja, mitunter von ganzen Straßenzügen in Basel. Dies gebe ich aus der Sichtweise meines Onkels wieder, der mit der Situation sehr vertraut war.

    Die Stadt Basel liegt eingepfercht zwischen Deutschland und Frankreich. Bauland gab es " z' Bassel" schon in den 50 er und 60 er Jahren so gut wie gar keines mehr. Die Stadt- bzw. Kantonalgrenze ist nach Deutschland und Frankreich hin auch zugleich die Landesgrenze. Basel hat nicht nur die vielen bedeutenden Banken, sondern auch eine große chemische Industrie. Diese expandierte ebenso wie auch die Banken, die immer mehr Raumbedarf hatten. Da kein Bauland da war, ging es in die Höhe. Die ständig steigende Einwohnerzahl bedeutete zusätzlichen Bedarf an Wohnraum. Deshalb wurden so viele an sich wertvolle Gebäude abgerissen, auch aus Gotik, Renaissance und Barock . Man machte auch vor den Villen des städtischen Patriaziats aus der Mitte bis zum Ende des 19. Jh. nicht halt. Diese Villen wurden abgerissen und in die Parks Hochhäuser geklotzt. 1967, im Alter von 14 Jahren war ich erstmals in Basel. Damals waren die Abrisse in vollem Gange. Mein Onkel zeigte mir, was "denn alles weg kommt". Wobei mein Onkel mehr für die Moderne eingestellt war, während ich die Abbrüche sehr bedauerte. Der Onkel zeigte mir auch ein Beispiel, dass auch die reichen Familien nicht verschon würden. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Patrizierfamilien so viel Platz für sich in Anspruch nähmen, der andersweitig für zusätzlichen Wohnraum dringend gebraucht würde. In dem Park sah ich außer den Hochäusern aber noch ein sehr prachtvolles Haus und dachte, da hätte man eine Villa stehen lassen. Mein Onkel lachte nur und stellte klar, dass dies nur das Gärtnerhaus sei, das stehen bleiben durfte. Im Vergleich zur Villa, die mehr einem großen Schloss geglichen habe, sei das Gärtnerhaus nur eine Hundshütte . Dann musste in Basel auch noch eine Schneiße für die Autobahn durch die Stadt geschlagen werden, ebenso eine städtische Schnellstraße, beides in der Nähe der Wohnung meines Onkels. Für den Flughafen war in Basel auch kein Platz vorhanden. DerFlughafen wurde dann schließlich in Frankreich bei Mülhausen errichtet. Er trägt den Namen Basel-Mülhausen / Bale/Mulhouse wurde aber nach Angaben meines Onkels, wenn ich mich recht erinnere, von Basel-Stadt alleine finanziert und unterhalten.

    Die Grundstückspreise im Kanton Basel-Stadt sind exorbitant teuer, übrigens im Kanton Basel-Land kaum minder, so dass viele gut verdienende Basler nach Deutschland oder nach Frankreich, dort in den nahen Sundgau ausweichen. So hat z. B. eine Neffe meines Onkels ein Haus in Ferette/Pfirt im Sundgau erbaut. Das Grundstück wäre in Basel weder zu haben, noch zu bezahlen gewesen.

    Es ist freilich mehr als bitter, dass eine einst sehr schöne Stadt, die ja keine Kriegsschäden erlitten hat, so sehr viele Verluste hinnehmen musste. Der verbliebene Rest der Altstadt um Marktplatz, Spalenberg und Münster ist immer noch sehr schön und steht , wie man mir versicherte unter strengem "Heimatschutz". Dort wohnt aber fast niemand mehr, weil dort der Wohnraum unbezahlbar ist. Die Häuser dienen Anwälten etc. als Kanzleinen und Büros.

  • Die festen Grenzen des Stadtkantons sind ein Grund. Ein anderer ist eine maßlose Selbstüberschätzung. Man riss vieles ab, als die Stadt im Wachstum begriffen war und glaubte, man würde Metropole. Mittlerweile kann man aber seit Jahren eine massive Abwanderung beobachten, vor allem aufgrund des Steuerwettbewerbs mit Basel-Land, als auch aufgrund einer rechtsbürgerlichen Politik im Nachbarkanton, die den Mittelstand anzieht. Dennoch lassen sich Abrisse wie die des Theaters oder der alten Post nicht darauf zurückführen. Die Fläche des alten Theaters ist seither unbebaut mit einem Brunnen von Tinguely (der trotz des lukrativen Auftrags gegen einen Abriss war). Man glaubte, dass man mit einem Betonbunker eine Theaterstadt von Weltrang würde. Die alte Post hätte sich wunderbar in einen Neubau integrieren lassen. Die rostende neue Post wird nun wiederum abgerissen und neu bebaut. Vieles hätte sich durch angepasste Aufbauten regeln lassen, zumindest in einer Stadt, die auch nur einen Funken Selbstliebe empfindet.

    Die Vergrößerung der Mustermesse durch die Stümper von Herzog/DeMeuron (die hier unverständlicherweise Narrenfreiheit genießen) erwies sich ebenfalls als kommerzieller Flop. Der Fischmarkt wurde ebenfalls zu großen Teilen zerstört. Die Aeschenvorstadt ist eine Wüste, deren teuren Abriss man durch den Denkmalschutz (tolle 50er und 70er Jahre Architektur) verhindert. Die Straße wurde dort verbreitert- ohne dass es den geringsten städtebaulichen Sinn machte, da der Bürgersteig nun breiter ist als die Straße selbst. Städtebaulich hat man einfach an allen Ecken und Enden gepfuscht.

    Die gründerzeitliche Adler-Apotheke, die ich postete, hätte alle weiteren Unternehmungen, die folgten, problemlos übernehmen können. Und es gibt hunderte ähnlicher Fälle. Das Geburtshaus Arnold Böcklins wurde abgerissen um einer „Migros“ Platz zu machen. Immerhin konnte das Zaha Hadid-Ungetüm per Volksabstimmung verhindert werden (Begründung der Basler, die sich für ihre „Rückständigkeit“ schämten: der Bau sei „unheimlich gut“, aber „zu groß“ für den Platz. Selten tritt drückender Konformismus selbstbewusster und „weltoffener“ auf, als in dieser Stadt...)

    Bern zeigt, wie es geht: die gesamte Innenstadt ist erhalten. Man staunt, wie die Berner es schafften in diese kleinen Häuschen ganze Malls hineinzupferchen. In Basel herrschen seit mindestens den 50er Jahren Ideologen. Erst waren es hornbebrillte Fortschrittsgläubige, heute sind es rot-grüne Internationalisten, die im „internationalen Stil“ (vornehmlich von ihren Hausarchitekten Herzog/DeMeuron) ihre architektonische Entsprechung finden. Mit der Stadt Burckhardts und Nietzsches oder der bürgerlichen Vernunft, die diese Stadt einst auszeichnete, hat dieser Ort nichts mehr zu tun- auch wenn es mit „Kulturstadt Basel“ wirbt. Ein ernüchternder Moment war, als einer der renommiertesten Kunsthistoriker der Stadt mir einst sagte, das Kunstmuseum „müsse abgerissen werden“, weil es ein „Nazi-Bau“ sei. Und der unterrichtet die kommende kulturelle „Elite“ dieser Stadt.


    Nein, diese Stadt hatte zahlreiche Chancen. Und hat so viele verpasst, dass sie die neuen gar nicht mehr wahrnehmen kann...

  • Ach schade, ich hatte früher immer den Traum, eine Nietzsche-Bildungsreise zu unternehmen. (Mittlerweile hat es sich überholt, aber in Teilen habe ich es geschafft) Das alte Basel erschloss ich mir durch seine Briefwechsel. Die Stadt hatte bei seiner Ankunft nur 30 000 Einwohner. Die wunderschönen Fotos, Stahlstiche und Lithografien sah ich mir gerne dazu an. Aber wenn selbst Heimdall (der weitaus toleranter beurteilt als ich) schreibt, dass er erschrocken war, dann muss wirklich etwas schief gelaufen sein.

    Beauty matters!

  • Es gibt nicht einmal ein Nietzsche-Museum.. Vor einigen Jahren wurde ein bestehender Brunnen ‚feierlich‘ in „Nietzsche-Brunnen“ umgetauft, that’s it. Ein Nietzsche-Platz ist seit langer Zeit in Planung, aber die Regierung gab vor einigen Jahren an, dass alle weiteren Plätze Frauennamen erhalten werden, weswegen der Plan auf Eis liegt.

    Ja, ist wirklich einiges schief gelaufen... Es gibt an zwei, drei Plätzen noch eine weitestgehend geschlossene Altstadt, aber (fast) überall mit „Brüchen“ versehen. Das Kunstmuseum lohnt sich natürlich auch, sowohl architektonisch als auch von der sehr guten Sammlung her, vor allem was das 19. Jahrhundert und die klassische Moderne betrifft.

  • Ein Vergleich, der Freunde alter Stadtbilder schmerzt:

    Nicht nur der Verlust des St. Alban-Schwibbogens in der Basler Rittergasse (hier links um 1862), sondern und vor allem auch der Blick (im Jahr 2016) auf die Erweiterung des Kunstmuseums (rechts).

    https://scontent-frx5-1.xx.fbcdn.net/v/t31.0-8/p720…9ba&oe=5F429C09

  • An sich ist das Gebäude ganz ok. Aber leider ohne Rücksicht auf den Bestand, die Umgebung, mit aller Gewalt zwischen zwei ältere Gebäude gequetscht. Mich würde es angesichts der letzten Sündenexzesse in Basel nicht wundern, wenn dieses Konzept so durchginge...

  • Die Assoziation mit einer Moschee verstehe ich nicht. Weder haben diese Bauten den Rundbogen für sich gepachtet, noch wäre typisch, dass muslimische Baukunst sich in Hochhäusern besonders ausprägen würde. Zumal in Basel es mehr Hürden gibt ein Minarett zu errichten, als diesen furchtbaren Hochhäusern jüngerer Zeit zu wünschen wäre.

  • Dieses Gebäude ist doch hoffentlich nicht ernsthaft in Planung? Es passt weder in Baumasse, Höhe oder Stil an das dortige Rheinufer. Auf solche Landmarken kann man getrost verzichten.

  • Es ist zum Glück bisher (!) lediglich ein Konzept an dieser Stelle neben dem Café Spitz auf Kleinbasler Seite als Ersatz für das schlichte Hotel Merian. Dessen wohl in die Jahre gekommener Neubau - der nach dem Brand anstelle eines schönen Altbauserrichtet wurde - welcher sich aber im Gegensatz zu diesem modischen Fremdkörper noch wie selbstverständlich in die städtebauliche Körnung einfügt, soll danach abgebrochen werden.

    Das Konzept zitiert in seiner Gestaltung, frei und nicht so streng natürlich, beispielsweise auch den Palazzo della Civilta Italiana!

  • Die Assoziation mit einer Moschee verstehe ich nicht. Weder haben diese Bauten den Rundbogen für sich gepachtet, noch wäre typisch, dass muslimische Baukunst sich in Hochhäusern besonders ausprägen würde.

    Du nimmst meine Assoziation sehr wörtlich. Mein erster Eindruck mit dem gelblichen Stein, den Flachdächern sowie den vielen Bogen und schlanken Säulen hat für mich eine muslimische Prägung. Es ist mir schon klar, dass die Rundbogen vordergründig nicht dazu gehören (hintergründig aber schon), aber es geht um die auffällige Verwendung der Bogenform an sich, auch wenn der typisch maurische Bogen unter den Hufeisen-, Kiel- und tudorähnlichen Bogen zu suchen ist.

    Löwenhof in der Alhambra

    Sanaa

  • Ist zum Glück wirklich nur ein Gedankenspiel. Während dieser hässliche Entwurf an der Heuwaage (am Eingang der Steinenvorstadt) beschlossene Sache ist:

    https://architekturbasel.ch/gut-zum-bau-re…miller-maranta/

    Dazu natürlich das übliche Gewäsch:

    «Der Vorschlag von Miller & Maranta überzeugt sowohl städtebaulich als auch architektonisch. Durch das Abrücken von den angrenzenden Häuserzeilen entlang der Steinentorstrasse und der Steinenvorstadt entsteht ein frei stehender, eigenständiger Bau», lobt der Regierungsrat.

  • Wir waren neulich ein paar Stunden in Basel. Ich fand den Besuch sehr interessant. Neben dem exzellenten Zoo (Reisen mit Kindern) fand ich den Charakter der Stadt auch faszinierend. Für einen Norddeutschen hat die Stadt schon ein definitiv "südliches" Flair inklusive diesem viel großstädtischeren Eindruck als vergleichbar große Städte in Deutschland ihn haben. Dies liegt an der deutlich niedrigeren Schwelle für Blockrandbebauung, wie sie auch z.B. für Italien oder Spanien typisch ist, auch dort wirken viele Städte viel größer als deutsche Städte mit ihrer auch innerstädtisch oft noch loseren Bebauung und riesigen, locker bebauten Vorstädten und Einfamilienhaussiedlungen.

    In der Schweiz wirkt jede Kantonhauptstadt schon beeindruckend, Luzern, keine 100.000 Einwohner hat eine Seepromenade, wie sie in Deutschland nur deutlich größere Städte "hinbekommen". Auch in Basel fühlt man sich nicht in einer Stadt um 200.000 Einwohner, sondern optisch eher in einer 500.000-Einwohnerstadt, allein die zahlreichen Straßenbahnlinien und diese fahren in einem geradezu unerhörten Takt, selbst samstagabends noch alle 5 Minuten pro Linie und wirklich viele Linien.

    Umgekehrt muss ich sagen, dass ich in manchen Ecken echt schockiert war von der Dominanz von Nachkriegsbebauung, in manchen Gegenden war die Stadt nicht von einer kriegszerstörten deutschen Stadt zu unterscheiden, ein paar Schnappschüsse, weil ich selbst nicht glauben konnte, zunächst aus der Fußgängerzone, die auch wirklich gemischt war und ganz und gar "unschweizerisch" mit Leerstand, Sanierungssünden und tlw. atemberaubend taktlosen Nachkriegsbauten:

    Das ist selbst aus einer NRW-Perspektive ein unfassbar hässlicher Bau, hier ein ganz schönes altes Haus mit Leerstand und übel zugerichtetem EG:

    Solche Straßenabwicklungen sind nicht selektiert, ich musste nicht lange suchen, sondern sehr repräsentativ:

    Und auch eine Hochstraße darf in diesem Potpourri nicht fehlen...

    Sieht so das Zentrum einer Stadt aus, die keinen einzigen Bombentreffer abbekommen hat? Das hat selbst Westdeutschland besser hinbekommen. Auf dem letzten Foto muss jedes einzelne alte Haus abgerissen worden sein.

    Wir waren dann später noch näher im Kern und da gibt es natürlich einmalige Straßen und Blicke, am Rhein entlang - aber selbst der Marktplatz ist nicht "sauber", sondern von mindestens zwei auch noch echt hässlichen Neubauten gesäumt, erneut ja völlig ohne Grund, da nichts kaputt war.

    Ist jetzt sicherlich eine etwas unfaire und ungewohnt negative Darstellung, die der Stadt nicht gerecht wird, aber ich hatte zwei Kernaussagen:

    1. Schweizer Städte wirken sehr früh sehr groß, wenn man Basel mit einer deutschen 200.000-Einwohnerstadt vergleicht, dann wirkt es geradezu metropolitan

    2. man wundert sich, wie kaputt der Modernismus selbst vollkommen unzerstörte Städte bekommen hat