Wiederaufbau nach 45 und wünschenswerte Rekonstruktionen

  • Noch einmal ich:
    Ich war bislang zweimal in Nürnberg, das letzte Mal vor etwa 10 Jahren, ich hatte beide Male einen positiven Eindruck von Nürnberg, sicherlich auch deshalb weil ich den rabiaten Wiederaufbau anderer westdeutscher Städte gewohnt war. Besonders positiv war für mich, dass diverse Gebäude mit Notdächern gesichert waren und auf die vollständige Wiederherstellung warteten, und dass es im Altsstadtgebiet keine Hochhäuser gibt.

    Nürnberg ist schon ein eher positives Wiederaufbaubeispiel. Wenn ich jedoch mir aktuelle Bilder betrachte und nachdem ich weitere Informationen erhalten habe bin ich der Ansicht, dass in Nürnberg eine Rekowelle wie am Neumarkt in DD oder anderen Städten einsetzen MUSS, um das kulturelle Erbe neu zu erwerben. Die Altstsadtfreunde sollten auch endlich umdenken und in diese Richtung aktiv werden. Im Prinzip tun sie das ja auch schon.
    Wissmut: Ich habe das irgendwo einmal gelesen, ich melde mich, wenn ich die Stelle wiedergefunden habe.

  • @ Wissmut. Zynismus hilft dich nicht!!! Es heisst dann von heute ab die Medien zu beeinflüssen das die ehemalige Pracht und Wärme zeigt gegenüber heutige billige kalte investionsarchitektur. Wenn die Bürger Deutschlands mehr Wärme, mehr Romantik sehen und haben möchten dann sind die Rezepte sonnenklar: mehr Reko's in der Stadtmitte von Nürnberg, Würzburg, Potsdam, Berlin und Dresden (und vielleicht auch andere Städte wie Braunschweig, Halberstadt, Chemnitz, Kassel und Magdeburg). Filme der 30-er jahren wie über Berlin, Potsdam, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Dresden sind da bereits und können auch mehr gezeigt werden auf ZDF, WRD, NRD usw.
    Für mich die 10 Städten die diese Reko's am besten brauchen um die Totalwert ziemlich u steigern und die auch eine Balance brauchen zur schlichten Wiederaufbau oder zu viel Anwesendheit der "modernen".

    Reko's sind EINS aber historisierende schöne Neubauten ein anderes Rezept. Und dann meine ich dass Glas und Beton-Kuben dann keine Lösung mehr sein können. Leider wird noch viel zu viel mit diesen kalten Strukturen gearbeitet und sind alle 10 obengenannte Städte noch immer charmiert von neuen Kuben statt Reko's. Das Wendepunkt ist noch immer nicht da fürchte ich.

  • Quote from "uaoj36"

    Das Wendepunkt ist noch immer nicht da fürchte ich.

    Der Wendepunkt ist leider noch lange nicht da. Ein Umdenken hat begonnen, aber unsere
    sogenannte "Architektur-Elite" wettert immer noch eifrigst gegen die "Reko-Welle", was man ja
    gut in den krankhaften Ergüssen gegen den Siegerentwurf des Berliner Stadtschlosses
    erkennen kann.

    Der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen. Was stehenbleiben soll, muß recht stehen und wo nicht für die Ewigkeit doch für geraume Zeit genügen. Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • @ Uoaj

    Wenn du Bauherr bist und das Kleingeld übrig hast, zimmere ich dir sehr gerne ein paar Entwürfe nach Art z.B. unseres Zeichentalentes im Thread "utopische Entwürfe", d.h. nordische Renaissance/Manierismus (das läuft bereits in meine Richtung). Wenn es darum geht, sich gegen die Hohepriester zu verteidigen, kann ein gesunder Zynismus übrigens sehr hilfreich sein.

    Nein, die werden gedünstet

  • Ich habe mir mal längere Zeit Bilder vom heutigen Dresden angeschaut. Die Stadt wird super.
    Einzig einige moderne Bauten stören, was daran liegt, das die Barockarchitektur besonders empfindlich gegen alles, was zu streng daher kommt zu sein scheint. Gibt es eigentlich ein Vorhaben die Kreuzkirche zu verändern? Die ist ja leider pechschwarz mittlerweile.

  • Quote from "William"

    Ich habe mir mal längere Zeit Bilder vom heutigen Dresden angeschaut. Die Stadt wird super.
    Einzig einige moderne Bauten stören, was daran liegt, das die Barockarchitektur besonders empfindlich gegen alles, was zu streng daher kommt zu sein scheint. Gibt es eigentlich ein Vorhaben die Kreuzkirche zu verändern? Die ist ja leider pechschwarz mittlerweile.

    Ich bin der gleichen Meinung: wenn man die Bilder Dresdens anschaut von vor 20 Jahren, sieht es 10 X besser Aus!!! die Kreuzkirche wurde verschiedene Male restauriert und Sanstein wird nun eben schnell schwarz!! aber Alles in Allem sieht die Stadt schoener aus weil eben viel wiederaufgebaut wird und mache Plaezte ( Wiener Platz z.b.) oder Noerdliche Prager Strasse wieder ""voll""gebaut werden, sieht immerhin besser aus als die lehren Flaeche!!

    es wird sich ,denke ich, in den kommenden Jahren noch vieles aendern in Dresdem, und ich erwarte das eigentlich nur im positieven Bereich

    Und UAOJ36 :man bekommt die Vorkriegs Stadt Nie und Niemals zurueck, es ist schon davon zu traeumen aber man soll auch realitisch bleiben , bitte.(auch ich haette z.B. die Sophienkirche oder KaiserPalest gerne wieder zurueck, aber dass koennen wir, glaube ich, ""vergessen"" leider...) 8)

  • Ich schätze, es ist mal dringend geboten, eine oder mehrere Zeichnungen vom fiktiven DDR-Nürnberg anzufertigen....Hui, wird das ein Spaß.. :D

    (Ich weiß jetzt nur noch nicht, wie man auf die Stalinriegel am besten Nürnberger Spätgotik-Cholorit draufgepappt hätte - die Arkaden werden aber spitzbogig, versprochen......abgefahren, mal richtig krank wird das).

    Geändert. Du bist hier in anständiger Gesellschaft, also bitte kein Proletendeutsch.

    Nein, die werden gedünstet

  • Na, da bin ich echt mal gespannt. Nur her mit dem sozialistischen Nürnberg. Nicht, dass ich auf ästhetisch ansprechende Ergebnisse hoffe, ich sage, mich wiederholend, nur: Schlimmer als der status quo ist, kann es nicht kommen!

  • Weder vorher noch nachher.
    Aber wie gesagt: Besser Brache als einen solchen "Wiederaufbau". Ich seh echt nicht, was schlimmer hätte kommen können als eine dermaßen häßliche, stillose Stadt wie das heutige Nürnberg.

  • Ich musste, und der Vergleich sei mir erlaubt, Nürnberg schon hin und wieder mit meiner Heimatstadt Villingen vergleichen: Beeindruckend an beiden Städten fand und finde ich stets die fast vollständig erhaltene Stadtmauer mit ihren Türmen und Toren, wenngleich Villingens Ausmaße im Vergleich zu Nürnberg verschwindend klein sind! :D
    Allerdings, und da sehe ich Gemeinsamkeiten, werde ich in beiden Städten nach Betreten der Stadt oder Passieren der Ummauerung zu weiten Teilen vom Innern enttäuscht. Was in Nürnberg der Krieg und eine fortwährend miese Baupolitik veranstaltet, geschah in Villingen ganz ohne Krieg, wenngleich auch hier der Anteil an historischer Bausubstanz relativ größer ist. Nich desto scheint mir das Gesamterscheinungsbild der kleinen Stadt im Schwarzwald ähnlich lieblos wie im kriegsbedingt zerstörten Nürnberg.

  • @ ursus carpaticus
    Das gilt ja wohl nicht nur für Nürnberg. Ich weiß nicht wo die Archikektur der 50er, 60er, 70er Jahre stilvoll ist. Die Zeit hatte einfach keinen Stil ! Es war eine Zeit, in der man scheinbar mit Vergnügen die Wände mit rauem Putz braun oder grau anstrich, oder so komische Farben für Balkone verwendete, eine geschmacklose Epoche eben. Am schlimmsten wurde es jedoch wenn man stilvoll sein wollte, und es gab diese Kunst am Bau oder ähnliches. Eine Architektur verkörpert immer den Geist der Zeit. Wie kann in einer so kalten, egoistischen, schnellebigen Zeit wie der unseren überhaupt wirklich schöne Architektur entstehen? Ich denke, dass ist der Grund warum sich einige mit traditionellem Bauen und runden Formen z.b. so schwer tun.
    Somit könnte traditionelle Architektur vielleicht doch einen Zeitgeist verkörpern, nämlich den der Sehnsucht.

  • Zur Nürnberger Stadtmauer:
    die Nürnberger Stadtmauer hat außer einer beachtlichen Größe und einer verkörperten Stärke nichts. Man vergleiche sie mal mit der Dinkelsbühler. Es ist eine fiese, braunschwarze Ruine auf die man ständig trifft und die einen nach unten zieht. Sie hat nicht die Spur von Ästhetik. Die Türme anderer Stadtmauern sind viel heller angestrichen in unterschiedlichen Naturfarben und meist renoviert. Die Nürnberger Türme sind Klumpen dagegen. Überall dort wo heute dunkle Ziegelsteine sind muss mal ein schöner glatter Putz gewesen sein. Hier wird überhaupt nichts gemacht.
    Ein Zustand der Gebäude, welcher sich eigentlich an vielen städtischen Gebäuden hier feststellen läßt. Ich will nicht zu weit gehen, aber ich sage jetzt einfach mal, dass Nürnberg nicht von Nürnbergern regiert wird !

  • William
    mach Nürnberg nicht schlechter als es ist (in puncto Stadtmauern).
    Ansonsten: Natürlich hast du recht, dass es nirgends besser ist, aber in anderen Städten gibt es nicht derartige Reminiszenzen an eine großartige Vergangenheit, die alles umso schmerzhafter machen. ehrlich gesagt, Ist es mir relativ egal, wie Magdeburg oder Düsseldorf oder karlsruhe aussieht. naja, ganz egal vielleicht nicht, aber man findet sich mit diesen Verlusten eher schneller ab. Hier waren eben die Briten am Werk, sagt man sich, wie man in Ungarn angesichts von Ödenburg sagt: ja, diese Stadt haben die Türken nicht zerstört (eine sehr schwere Hypothek für dieses absonderliche Inselvolk, die erst in einer kultivierteren Zukunft zum Tragen kommen wird). Bei Nürnberg will dies mir eben nicht gelingen. Man hat gerade noch vor Augen, wie es sein könnte, und gleichzeitig wird die Realität dieser Vorstellung in einem derartigen Ausmaßen nicht gerecht, dass es unerträglich ist. Nürnberg mag ja durchaus nicht hässlicher sein als Recklinghausen, aber ist dies wirklich ein Trost?

  • Bauhaus war ja bereits vor dem Krieg ein ausgelutschtes Ding und daher schon nicht mehr "modern" als die
    Nazis es verboten. Nach dem Krieg galten im Westen dann Flachdächer und große Fenster als "demokratisch" und Steildächer
    als beinahe "faschistisch". Eben wegen dieses Verbots. Und es war billig, daher ideal zum schnellen Wohnraumbau.

    Ich denke schon,dass heutzutage schöne Architektur enstehen kann. Man schaue sich nur die Villenbauten von Paul Kahlfeldt
    in Berlin an. Der kalten modernen Arbeitswelt steht die Freizeitwelt gegenüber und in der wird schöne Architekur auf jeden Fall nachgefragt.

    Es muß sich ändern dass z.B. Baukunst an nur einem Drittel der Deutschen Unis überhaupt angeboten wird und es muß sich
    ändern dass z.B. Barock zwar als Thema behandelt, besser abgehandelt wird ohne jedoch intensivst durchleuchtet zu werden.

    Ich denke die Unis und Architekten haben inzwischen verstanden das die Architektur in Deutschland in einer Krise ist und beginnen
    umzudenken. Es gibt auch zahlreiche Architekten die das so sehen; den eigentlich "Selbstreinigungsprozeß" können die Architekten
    nur von selbst, nur von innen heraus leisten.

  • Ja,es gibt heute schöne Architektur, auch die dynamischen Formen haben finde ich eine Ästhetik, wenn sie auch nicht gerade gemütlich wirken.
    Nein, ursus carpaticus, so schlecht ist die Nürnberger Stadtmauer natürlich nicht, nur ich verspüre auch hierbei ein Potenzial, dass sich ungeheuer von dem jetzigen Zustand unterscheiden würde. Ich denke sogar, wenn man die Mauer in den früheren Zustand vollständig zurückführt, kann man sich nicht satt sehen an ihr.

  • Ich finde, daß hierbei auch der Gesetzgeber gefordert ist, den Druck auf die tätigen Architekten etwas abzumildern. Natürlich ist das Problem hausgemacht, d.h. durch die nachkriegsbedingte Überfülle an Architekten und mangelnde Selektierung VOR Hochschulantritt. Evt. könnte man eine Art (Vor)bildungsjahr einführen, in dem neben der Praxis auch an Allgemeinbildung in Geschichte, Kunst u. Politik gefeilt wird - am besten natürlich an den Gymnasien. Letzteres dürfte jedoch noch utopischer sein.

    Letztendlich liegt es an der individuellen Bildungsarbeit der Architekten VOR Berufsantritt. Daß ein jeder mal in eine Ismirinzwischendochegal-Stimmung verfällt, wenn der zermürbende u. schlechtbezahlte Berufsalltag die letzten Illusionen vertreibt, kann nicht abgewendet werden. Ich halte es aber für möglich, daß aufgrund der Vorbildung und Übung in qualitätvollem Bauen selbst eine solche Phase per Automatismus zu halbwegs gescheiten Ergebnissen führen kann.


    Zum Thema Nachkriegszeit: Das zentrale Problem war doch die Vereinbarkeit zwischen den kulturell und identitätsstiftend wertvollen Stadtkernen und den Erfordernissen des schnellen, straffen Wiederaufbaus. Eine zentrale Ordungsinstanz (die damals trotz aller Unkenrufe möglich gewesen wäre) hätte sehr viel an Verheerungen und negativen psychologischen Langzeitfolgen durch eine intelligente, beiden Erfordernissen gerechtwerdende Satzungspolitik verhindert. Gleichzeitig wird der Denkmalschutz auf diese Notwendigkeiten zugeschnitten, in dem anstelle der Willkür ein für Laien und Planer nachvollziehbares Schutz-Ordnungssystem geschaffen würde.

    Die Gründerzeitviertel wären in jedem Fall durch die Mangel genommen worden, ebenso die sonstigen Flächen - man kann die Tatsache nicht wegreden, daß damals ein schneller und umfassender Neuaufbau (eben mit pragmatischer, schneller Architektur - umsonste sind Fensterbänder ja kein ultimatives Zeitsymbol) notwendig gewesen ist - auch im Sinne der Konstitutionierung dieses jungen Staates durch sein Volk - mit Konsum und Eigentum, was von Verrohung und Verantwortungslosigkeit abhält.

    Dies alles gilt jedoch nicht für die innersten Zentren, deren Auslöschung OHNE eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit und augenscheinlich aus purem Veränderungswillen heraus erfolgte. Die Funktionsfähigkeit von Stadtzentren z.B. nach der Gründerzeit wurde durch großflächige Anlagen entlang einer Ringstraße im Bereich der ehemaligen Stadtbefestigung gewährleistet - die Funktionen lagerten sich schrittweise aus der historischen Kernzone heraus - überall in Europa, bes. aber in Deutschland dassselbe Verfahren. D.h. die Stadtkerne waren bereits lange vor NS-Zeit und Krieg wirtschaftspolitisch funktionslos geworden. Ihre Berechtigung erhielten sie allein durch kulturpolitische Erwägungen - die man nach dem Krieg problemlos hätte weiterführen können, ohne daß das Wirtschaftswunder aufgehalten worden wäre.

    Darüber hinaus würden die heutigen Architekturdebatten sehr viel ruhiger und vernünftiger --> ergebnisorierentierter geführt werden, wenn wir alle um das Vorhandensein unserer wichtigsten Stadtkerne wüßten. Selbst eine "Nürnbergisierung" der historischen Zentren hätte viel dazu beigetragen; denn sie ermöglicht eine tiefergehende Re-Historisierung, wenn der politische Wille da ist.
    Dazu müssen sich manche aber auch vom Geist der Absolutheit verabschieden; d.h. Totalrekonstruktionen ganzer Kerne hätte es unter keinem System gegeben.

    Nein, die werden gedünstet