Potsdam - Rekonstruktion der Kellertorwache

  • Im Rohbau sieht es jetzt aus wie vom Reissbrett des Generalbaudirektors am Pariser Platz. Nächste Woche kommen aber die Seitengiebel und folgend das Schrägdach - dann relativiert sich das...

  • @ Konstantindegeer schrieb:

    Zitat

    Nachdem bei Manger steht, dass das Altwassertor am Stadtkanalausgang (heute: Dortustraße) gleich ausgesehen haben soll und sich mehrere
    Darstellungen des Neu-Wassertores mit Satteldach und anderem Dachschmuck gefunden haben könnt es auch sein, dass die vermaszte Skizze mit den Putti auf dem dach das Altwassertor ist und nur falsch beschriftet wurde. So etwas kommt immer wieder vor.

    potsdam-fan: Kannst Du in deinen Karten mal nachsehen, wo das Altwassertor gestanden haben könnte? Ich finde immer wieder einen
    passenden Bau auf der Ostseite der Kanalmündung bei Möllendorf (1830) und auch im Wolffplan von 1778. Die Bezeichung "Altwassertor ist aber
    nicht exakt zuzuorden...


    In Potsdam gab es insgesamt drei verschiedene Wassertor. Das ursprüngliche befand sich am Ausgang des Stadtkanals in der Dortustr. Aus nachfolgendenen Gründen änderte sich dessen Name in Altes Wassertor und schließlich in Kieztor. Das zweite Wassertor hieß Neues Wassertor. Das stand an der heutigen Kreuzung Gutenberg- / Hebbelstr. Es versperrte die Durchfahrt des Behlertgrabens (auch Weidendamm oder Alter Kanal genannt). Dieses Tor existierte nur etwa 150 Jahre. Ein Torgebäude ist auf den Karten nicht erkennbar. Das letzte Wassertor ist fast völlig unbekannt. Es befand sich in der Burgstr., südlich der Heilig-Geist-Kirche. Es dürfte unscheinbar gewesen sein und hauptsächlich von den Fischern oder anderen Gewerken genutzt worden sein.

    Das Gebäude, worauf sich @Konstantindegeerbzgl. des Alten Wassertores bezieht ("Ich finde immer wieder einen passenden Bau auf der Ostseite der Kanalmündung") ist adressiert als An der Gewehrfabrik 6. Es war das Wohnhaus von Clara und Hermann Hoffbauer. Ob das Wohnhaus ein ehemaliges Wach-/Zollgebäude ersetzte, kann ich nicht ermitteln. Auf den mir bekannten Karten ist das Gebäude jedoch in der Grundfläche gleichbleibend und m. E. zu groß für ein Wach-/Zollgebäude.

  • Also ich zähle vier Wassertore: Wache am Kellertor (Stadtkanaleingang), Altwassertor (Kanalausgang), Neues Wassertor (Juncker/Moltkestraße oder heute Gutenberg/Hebbelstraße) und die sog. Wasserpforte an der Burgstraße (hier verlief wohl eine Sperrkette von einem Prahm auf der Seite der heutigen Freundschaftsinsel zur Burgstraße). Die Neue Fahrt war ja noch nicht gegraben.

    Wenn der Bau an der Kanalmündung das Wohnhaus der Hoffbauers war ist das interesaant. Gibt es da eine Abbildung oder einen Kartenausschnitt? Hoffbauer zog doch erst 1870 nach Potsdam, das Altwassertor soll 1786 errichtet worden sein?

    Und wo war dann das Altwassertor? Irrt Manger (wie viele vermuten), wenn er schreibt Neu- und Altwassertor seien 1786 in nahezu identischer Form errichtet worden?

    Der sog. Berghaus-Plan von 1840 gibt Auskunft über die vier Situationen:

    Kellertor:

    Altwassertor (das kleine "e" ist beschriftet mit "Badehaus von Augustin":

    Neuwassertor "N":

    Wasserpforte:

  • Das erste Wassertor (Dortustr.) wurde mit dem Bau des Stadtkanals errichtet. Dieses Tor wurde umbenannt in Altes Wassertor (Altwassertor), als der Behlertgrqaben zwischen 1737 und 1739 angelegt wurde. Dieses Neue Wassertor befand sich in der Nähe des Bassinplatzes, direkt an der heutigen Kreuzung Hebbel- /Gutenbergstr. Das dritte Wassertor befand sich am östlichen Ende der Burgstr. in Verlängerung der Heilg-Geist-Str. in Richtung Süden. Es dürfte nicht all zu lang existiert haben (100 Jahre) und wurde hauptsächlich von den dortigen Fischern und Handwerkern genutzt.

    http://www.davidrumsey.com/luna/servlet/d…680038:Potsdam-
    Grosser Hand-Atlas uber alle Theile der Erde in 170 Karten. Herausgegeben von J; Meyer. Verlag des Bibliographischen Instituts, Hildburghausen 1860

    Das Kellertor war zwar von der Bauart her auch ein Wassertor, hieß aber nie so. Alle anderen drei Tore wurden entsprechend als Wassertore bezeichnet - nicht das Kellertor. Daher die Differenzierung: vier Tore sperrten Wasserwege, aber nur drei hießen Wassertor.

  • Ja, aber wie sah das Altwassertor nun aus? Ist es identisch mit dem "Badehaus" (von Augustin?) gewesen?

    Was das Altwassertor eines dieser beiden? Die Beschriftungen können falsch sein...

    Heinrich Ludewig Manger schreibt 1786 in seiner "Baugeschichte" unter dem Rubrum "1786":

    "Von neuen pübliken Bauten kam in diesem Jahre nichts vor als Wachhäuser beynahe von gleicher Größe und Strucktur.
    Das eine am Alten Wasserthore auf der Seite der Gewehrfabrik erhielt 50 Fuß in die Länge, drey Bögen zum Eintritt in ein offenes Vorhaus, ein Fenster auf jeder Seite derselben, und auf der Attik vier Trophäen.
    Das andere am neuen Wasserthore oder der gemeiniglich so genannten Paddenbrücke, die über den Kanal geht, der aus dem heiligen See in das Bassin fliesst. Die Länge desselben ward auch funfzig Fuß und es bekam eben dieselbig Aussenseite wie Voriges
    ".

    Eine Verwechslung des ersten Baus mit der Wache am Kellertor, wie in der Literatur häufig angenommen, scheint mir kaum wahrscheinlich. Erstens hat die Wache am Kellertor mehr als 50 Fuß Breite, zweitens weist sie keine "drei Bögen zum Eintritt in ein offenes Vorhaus" auf. Drittens schreibt Giersberg die Baurechnungen für die Kellertorwache seien 1788 aktenkundig.

    Entweder also ist die Skizze aus der Hand Ungers (mit den Putti auf der Attika) nur ein Entwurf und anders, d. h. mit Trophäen zur Ausführung gekommen oder die Darstellung des Neuen Wassertores, die einer Schrift von Friedrich Netto entnommen wurde, zeigt das Altwassertor. Hierfür sprächen die Trophäen, die zum Stile der Wache am Kellertor passen - dann wären am Kanalein- und Ausgang ähnliche Trophäen auf den Wachhäusern gewesen.

  • Wenngleich ja eigentlich die Bilddokumentation über die Kellerwache dem Bauherrn vorbehalten ist, dennoch ein paar Bilder vom Zustand heute früh:











    Bauherr war leider nicht vor Ort. Sehe der Fertigstellung mit Freuden entgegen.

  • Ach, da darf jeder ran, der Lust hat.

    Hier einmal das wiedererstandene Kellertor selbst (mal die Wache nur im Anschnitt). Es ist ja nun das einzige Wassertor Potsdams, im 18. Jahrhunder war ein Holztor zum nächtlichen Schliessen da. Der frisch aufgemauerte Pfeiler und das Rundbogentor des Tores werden noch hell geschlämmt und bekommen eine Abdeckung aus Sandstein (Pfeiler) bzw. Biberschwanz:

  • Vielen Dank für die aktuellen Bilder! :thumbup:

    Bei der Betrachtung sind bei mir die folgenden Fragen aufgetaucht:
    Wird die Stadtmauer auf der dem Kanal abgewandten Seite auch noch ans Haus angeschlossen? Und was hat es mit den
    Mauer-Überständen an den Giebeln zur "Feldseite" hin auf sich? Die rückwärtige Gaube scheint ja nicht daran anzuschließen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Die Stadtmauer an der Südseite wird durch ein Tor an die Wache angeschlossen. Erstens ist ein Durchgang nötig und zweitens liegt in der Lücke die ein Meter Starke Mischwasserüberlaufleitung der Stadtwerke - da wäre es statisch schwer eine 60-Zentimeter starke Vollsteinmauer drüber zu bauen.

    Die wasserseitige Gaube (Ostseite) liegt auf der ehemaligen Ostkante der Wache - da war ein 1,5 Meter breite Lücke. Erst nach der Übernahme durch die Stadt und die Verpachtung der Wache an einen Spediteur Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wache durch das Auflegen von Dachlatten auf die Stadtmauer und Verlängerung des Daches in den Zustand gebracht, der jetzt rekonstruiert wurde. Nur die große Doppelgaube ist eine Hinzufügung zum Wasser hin, die Zollbeamten und Wachsoldaten hatten sich mit einem Dachflächenfenster begnügt.

    Die Stadtmauer an der Südseite ist leider - etwa ein Jahr nach "Sanierung" durch die Stadt wieder ein einem schlechten Zustand. Gebrachtziegel können immer zahlreiche Stoffe enthalten, die wieder sichtbar werden. Deshalb haben wir für die Nordseite einen dänischen Vollziegel verwendet, der frostfest ist und - mit "links" gemauert, einen schönen, zum anderen Torpfeiler und der Mauer passende Optik hat.

  • Auch die Kellertorwache ist ein Beispiel dafür das Potsdam zu alter Schönheit zurückkehrt. Sicher haben wir uns inzwischen daran gewöhnt das eine Rekonstruktion immer mit einem Kompromiss verbunden ist. Die Kellertorwache allerdings ist ein Beispiel das man auch originalgetreu rekonstruieren kann.

    Konstantindegeer herzlichen Dank :biggrin: !

  • Ich habe gelesen das die zentrale Trophäe nicht wieder hergestellt wird, kommt sie vlt später nach oder wird sie dauerhaft eingespart?
    Als zentrales Gestaltungselement wird sie schon sehr fehlen, schön ist allerdings das zumindest die seitlichen Helme zurückkehren sollen. Ist diese Info noch aktuell oder weiss jemand schon mehr?

  • Wunderschön so ein historisches Gebäude langsam wieder auferstehen zu sehen!!! :applaus::applaus::applaus::blumen:cclap:)

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Die Information ist richtig. Das wuchtige Zentralornament mit dem Aktenbündel in der Mitte, flankiert von Beuteflaggen auf der einen und römischem Kriegsgerät auf der anderen Seite ist zerstört und wird nicht wiederkehren.

    Dies hat natürlich nicht nur Kostengründe sondern auch praktische: im Dachgeschoss wird Licht gebraucht und weder Bauherr noch Denkmalpflege konnten sich auf der "Paradeseite" mit Veluxfenstern oder deren Derivaten anfreunden. Die Fledermausgaube, die nun in der Mitte aufragt, ist im unmittelbaren Umfeld heimisch, fügt sich harmonisch in den Bestand ein und betont die Mitte des Hauses in vergleichbarer Form wir die alte Trophäe. Das Dach wird zudem mit einem handgestrichenen, sinterroten Biberschwanz gedeckt, wie es im Original war. Der legt sich - wenn der Dachdecker gut arbeitet - mit elegantem Schwung um die Gaube.

    Um jedoch an die Funktion der Wache zu erinnern werden beide Helme auf dem Altan wiederkehren und die Fassade wird in all' ihrer Pracht wiederkommen - mit Festons und Tuchgehängen.

  • handgestrichenen, sinterroten Biberschwanz

    :kuss::engel::engel:

    ... noch Denkmalpflege...

    Wie ist das eigentlich mit dem Denkmalschutz? Technisch gesehen ist das ja ein Neubau. Wo sind da die Anknüpfungspunkte? Ensembleschutz? Die Stadtmauer? Oder ist das eine "freiwillige Beratungsleistung", die der Bauherr anfragt aber nicht vorgeschrieben ist?

  • Mit einer "freiwilligen Beratung" triffst Du die Sache wohl ganz gut. Der Denkmalschutz berät uns bei der Umsetzung unseres Kaufvertrages mit Bauverpflichtung, in dem einige Rahmenbedingungen festgezurrt sind. In Potsdam ist diese Abstimmung bis dato ausserordentlich konstruktiv.

    Bautechnisch ist das Haus kein Denkmal. Wir müssen die EnEv 2014 genauso einhalten (49 Zentimeter Mauerwerk statt 36,5 im Original), auch manch' krude Bestimmung der Brandenburgischen Bauordnung. Auch der Brandschutz fordert seinen Tribut (Größe der Seitenfenster im 1. OG). Das heisst eigentlich, dass man bei jedem Gewerk neue Lösungen finden muss.

    Der Umgebungsschutz der Häuser in der Fischerstraße, der Stadtmauer und des technischen Denkmals "Stadtkanal" trifft uns natürlich in voller Härte - wir trotzen dem durch Profil- und Massstabstreue zum Original. Lustig wird's nochmal zum Schluß mit der Farbe...