Breslau - Wrocław (Galerie)

  • Wenn du dir den bisherigen Diskussionsverlauf näher ansiehst, wird dir schon auffallen, dass die Bezeichnung der Stadt als Wrocław keineswegs einer unreflektierten political correctness geschuldet ist (dass die ohnehin dankenswerterweise nicht grad zu ursus' Stärken gehört, sollte inzwischen eigentlich hinlänglich bekannt sein), sondern der Betonung eines über redundante Geschichtsdiskussionen erhabenen Umstands im Bild und der Sozialstruktur der Stadt.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

    Einmal editiert, zuletzt von Mattheiser (11. Juni 2015 um 22:26)

  • Machen wir am Schluss weiter mit dem Dischkurieren, es sind ohnedies nicht mehr viele Bilder.

    Der Blücherplatz, heute (und irgendwann früher) Salzmarkt gilt als zweitschönster Platz der Stadt. Offensichtlich wurde er nur kaum zerstört. Ich finde ihn nicht besonders schön, wobei dies keine Kritik an "Wroclaw" sein kann. Die Substanz ist einfach unbreslauerisch, sieht man von dieser berühmten schönen Häuserzeile ab:

    P6070153_ShiftN by alexanderfranzlechner, auf Flickr

    Ansonsten wird der Platz von frühem und spätem 19. JH (ev auch spätem 18 JH) und leider vor allem vom Zwischenkriegshochhaus geprägt, das hier noch viel störender als am Ring wirkt.

    Zum Neumarkt, dem dritten großen Altstadtmarkt, braucht man nicht viele Worte verlieren - er wurde zerstört und modern wiedererrichtet, eine sicher aus heutiger Sicht falsche und kurzsichtige Entscheidung, zu der es natürlich auch in anderen Städten jede Menge Parallelen gibt.

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    In seiner Nähe diese gotische Kirche St. Adalbert:

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    Sie war vor dem Krieg viel schöner:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Adalbertk…irche_c1840.jpg

    Der Dominikanerplatz vor ihr wirkt heute wie eine Ringstraße, hinter der die "Altstadt" völlig zum Erliegen kommt. Dieser Stadtteil ist hoffnungslos zerrüttet:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Galeria_D…ka%C5%84ska.jpg

    Die Christophorikirche (Betonung auf dem "phori") ist seit den 50ern das Gotteshaus der evangelischen Heimatverbliebenen:

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    http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph…ty_2012_217.jpg

    Ihr Wiederaufbau ist bedingungslos zu loben:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph…troyed_1945.jpg

    nicht so ihre städtebauliche Eingliederung. Der Bau der Ost-West-Straße hat die äußere Altstadt in diesem Bereich ziemlich kaputtgemacht:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ost-West-Stra%C3%9Fe_(Breslau)

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Vinzenzkirche- eine der zahllosen Backsteinkirchen mit nicht mehr stimmigem Inneren:

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    Von hier dann der berühmte Blick zur Dominsel:

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    Hier fällt meine Galerie höchst mager aus, denn ich war nicht dort (schließlich hatte ich in erster Linie geschäftlich zu tun), und der Standtort des berühmten Zweikirchenblicks war aufgrund von Pflasterungsarbeiten unzugänglich.
    Daher gibt es kein Bild der schönen Kreuzkirche.

    Sandkirche:

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    hier ein daneben anschließendes, seltener gezeigtes Oderpanorama:

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    Dieser Teil der Stadt ist wohl der stimmungsträchtigste, und es stellt sich die Frage, inwieweit man das heutige Breslau würdigen kann, ohne ihn jemals betreten zu haben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zum Abschluss sehen wir uns drei Bilder aus dem Geschäftsviertel um die Elisabethkirche an. Es ist gut erhalten, macht mich aber nicht wirklich froh, da es ein echtes Altstadtquartier ersetzt.


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    P6070204_ShiftN by alexanderfranzlechner, auf Flickr

    P6070152_ShiftN by alexanderfranzlechner, auf Flickr

    Damit sind wir am Ende unseres Rundganges angelangt.
    Ohne Zweifel habe wir vieles nicht gesehen, vieles, von dem wir wissen, wie die Dominsel, und auch vieles, von dem wir nichts wissen, wie die von Karou verlinkten Straßenansichten zeigen. Die Innenstadt ist riesengroß und durch brutale Straßenschneisen, zT wohl schon im 19 Jh begonnen, hoffnungslos zerklüftet. Sicher finden sich noch viele Details.
    Mein Gesamteindruck war ein höchst negativer, was mich heute beim Einordnen und Betrachten dieser Bilder selbst ein wenig verwundert.
    Ich werde darauf im nächsten Beitrag eingehen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Natürlich stellt sich die Frage, ob wir ungerecht gewesen sind.
    So verbirgst sich in dieser nicht besonders gewinnenden Ansicht:

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    etwa dieses feine Haus:

    P6070191_ShiftN by alexanderfranzlechner, auf Flickr

    Lieblosen Umgang mit historischen Ensembles kennen wir aus der BRD und DDR zur Genüge, warum soll man es gerade dem Nachkriegspolen so sehr zum Vorwurf machen?
    Vielleicht hilft eine HInterfragung dieser Fragestellung. Bei näherer Betrachtung besteht kein Grund zu einem Vorwurf. Dass die Polen mit dieser Stadt ihre Mühe hatten und nicht recht damit umgehen konnten (was zu einigen höchst widersprüchlichen Phänomenen führte), erscheint doch wirklich nicht erstaunlich. Eigentlich sind (mir!) polnische Vorbehalte weit weniger unsympathisch als bundesrepublikanische Ressentiments gegen "Altnürnberg". Der zweite Weltkrieg war nicht zuletzt sondern von Anfang an ein deutsch-polnischer Krieg. Warum sollten die Polen unmittelbar danach ausgerechnet deutsches kulturelles Erbe hochhalten?
    Hat Karou also recht, wenn sie auf weit unzureichender wiederaufgebaute deutsche (deutsch verbliebene) Städte hinweist?
    Ja und nein.
    Zunächst habe ich mich mit Zustimmungsäußerungen zum dt. Nachkriegsaufbau sehr zurückgehalten. Zweitens kann man meine obige Wertung natürlich auch in Frage stellen. Nationalismus, der sich in der Zerstörung von Kulturgut äußert (und auch das ist oft genug passiert bzw war - neben ganz gegenteiligen Strömungen - eine Konstante in polnischem Verhalten, nicht zuletzt in der Zerstörung der Friedhöfe) ist eben nicht sympathisch. Breslaus Altstadt wurde lange nicht so umfassend zerstört wie die von den Briten bombardierten Städte. Dass gerade das Gründerzeitviertel um die Elisabethkirche gut erhalten ist, erscheint wohl kaum als Zufall. Die Gründerzeitbauten waren eben solider und brauchbarer als Barockbauten, ein in ganz Schlesien häufig zu betrachtendes Phänomen.
    Wroclaw leidet enorm unter der Zerfurchung durch rücksichtslose Hochleistungsstraßen. Zweifellos ist es kein Zufall, dass man derlei in Krakau nicht findet.

    Die Lage ist nicht leicht und nicht auf einen Nenner zu bringen.
    Der Ring ist das bestwiederaufgebaute Großensemble einer zerstörten deutschen Stadt, das ich gesehen habe (in Danzig war ich nicht).
    Die Stadt als Ganzes ist die meistzerstörte (größtflächig zerstörte) Stadt, die ich gesehen habe (worin sie Dresden übertrifft. In Berlin bin ich nicht gewesen).

    Ich habe mich in dieser Stadt nicht besonders wohlgefühlt. Sie hatte für mich überhaupt keine Atmosphäre. Dieses Phänomen habe ich in nahezu allen schlesischen Städten beobachten können. Am Anfang stand ein Schock. Bei wiederholten Besuchen ist es besser geworden.
    Es besteht ein riesiger Unterschied zwischen Leitmeritz, Eger und Reichenberg einerseits und Hirschberg oder Breslau andererseits. Die böhmischen Städte scheinen vom Bevölkerungsaustausch nicht allzu sehr mitgenommen zu sein. Schlesische Städte wirken heute wie von einem anderen Stern. Das hat manchmal sogar etwas Faszinierendes, muss ich zugeben, zumindest bei mehreren Besuchen. Ein Schlesienbildband beginnt mit folgenden Worten: Keine Frage, Slask ist nicht mehr Schlesien, Wroclaw nicht Breslau, Boleslawiec nicht Bunzlau...
    Jemand, der nicht dort war, kann das mE nicht verstehen. Slavonice ist nicht mehr Zlabings, Krumlov nicht mehr Krumau, Znojmo nicht Znaim etc hat mW noch keiner gesagt.
    Wenn man sich im heutigen Wroclaw wohlfühlen will, muss man es als Wroclaw akzeptieren und nicht einem alten Phantom nachlaufen. Das ist mir zB in Jelenia Góra oder Bystrzyca Klodzka schon halbwegs gelungen. In Wroclaw noch nicht, da war ich ja bloß zum ersten Mal, und auch hier war die Vorstellung, mit der ich hierher gekommen bin, einfach zu stark.
    Ich hege keine Abneigungen gegen Polnisches. Zwar komme ich - anders als im Tschechischen - ,mit der Sprache nicht zurecht, aber das macht nichts, denn die Leute sind sehr nett und sehen über meine Unzulänglichkeiten hinweg. Dass ich einen Polen für den größten Komponisten des 20. Jh erachte, spielt in meiner Gedankenwelt eine nicht zu unterschätzedne Rolle. Mir sind einzelne, bekannte Polen wahrscheinlich sogar überdurchschnittlich sympathisch, komme mit ihnen wahrscheinlich besser in Kontakt als mit vielen Deutschen, und dennoch wirkt das polnische Schlesien auf mich so verstörend. Da ich nicht ganz normal im Kopp bin, vermag ich diesem Gefühl etwas Positives abzugewinnen, sodass ich heute ausgesprochen gerne nach Schlesien fahre, vorzugsweise in mir bereits bekannte Gefilde. Es ist eben alles furchtbar kompliziert und nur schwer auszudrücken, was auf diese ganze Scheißsituation zutrifft. Ambivalenz der Gefühle...
    Dass Schlesien und Ostdeutschland heute polnisch sind, verurteile ich natürlich entschieden, mache dafür aber nicht die Polen verantwortlich. Das war in allererster Linie eine der zahllosen angloamerikanischen Sauereien. Man muss realistisch genug sein, um sich zu fragen, was Polen mit diesem zugefallenen Land denn um Himmels Willen hätte anfangen sollen, überhaupt nach diesem schrecklichen Krieg und den erlittenen Verlusten. Etwa ausgerechnet mit einer deutschen Bevölkerungsmehrheit zusammenleben?
    Heute muss man darüber hinwegkommen. Auf unsere Völker warten andere Herausforderungen und Aufgaben. Bezeichnenderweise ist Wroclaw europäischer als Hamburg oder München. Werden einzelne von uns dort einmal Zuflucht nehmen müssen?
    Ich neige nicht zu einem besonderen Optimismus. Aber auch die Bewohner Breslaus hätten sich ihre Zukunft oder Nichtzukunft niemals träumen lassen.
    So gesehen finde ich es nicht schlecht, sich mit dieser Stadt und ihrer Geschichte zu beschäftigen, auch wenn Fragen dieser Art diese Diskussion sprengen.

    Meine Gründe, diesen Strang "Wroclaw" zu nennen, hat Mattheiser in sehr knappen Worten, besser wohl, als ich es vermocht hätte, dargelegt. Wroclaw ist nicht Breslau. Das soll keine Beschimpfung oder Herabwürdigung von Wroclaw sein. Aber es bringt nichts, zu sagen, ich bin am letzten Sonntag in Breslau gewesen. Man kann es sagen, umgangssprachlich, und ich sage es auch so meinen Freunden oder meiner Familie. Aber es stimmt nicht, ist ganz unpräzise. Kein Mensch kann mehr nach Breslau fahren. Vielleicht nach Olmütz, nach Krakau, nach Lemberg... aber ganz sicher nicht nach Breslau. Warum das so ist, weiß ich selber nicht. Aber vielleicht ist es ganz normal.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Mailand.
    Kopenhagen.
    Brüssel.
    Moskau.
    Kapstadt.
    Lissabon.
    Damaskus.
    Florenz.
    Peking.
    Kalkutta.
    Jerusalem.
    Warschau.
    Prag.
    Athen.
    Neapel.

  • Genauso findet man an der A20 und der A11 auch immer wieder den Namen Stettin (und das polnische Szczin dahinter in Klammern). Natürlich sprechen wir ebenso von Stettin, wie von Breslau, Danzig oder Königsberg. Wo ist denn da bitteschön das Problem? :gehtsnoch: Im übrigen sind die Polen in dieser Hinsicht im Gegensatz zu uns längst völlig unverkrampft, wie ich aus eigenen Kontakten mit Polen weiß. Kein Pole fühlt sich heutzutage noch bedroht oder wittert Revanchismus, wenn ein Deutscher in seiner Gegenwart diese Städte mit dem deutschen Namen ausspricht. Vielmehr sind wir, also die Mehrheit der Deutschen nach wie vor viel zu verkrampft und wagen es nicht aufgrund eines übertriebenen Schuld-Komplexes (verbundenen mit einer irrationalen Politischen Korrektheit) zu unserer großartigen Geschichte und Kultur in den ehemaligen Ost-Provinzen zu stehen. Das ist wirklich traurig. Schade, dass 'Ursus' dies auch so tut. :kopfschuetteln:

  • Zitat

    Dass Schlesien und Ostdeutschland heute polnisch sind, verurteile ich natürlich entschieden, mache dafür aber nicht die Polen verantwortlich. Das war in allererster Linie eine der zahllosen angloamerikanischen Sauereien.

    Kannst Du das irgendwie näher mit Quellen belegen? Die Westexpansion war doch eigentlich schon lange vor dem Krieg ein Ziel polnischer Politik (?)

  • Ich weiß, es ist müßig hier über das Thema zu diskutieren, zumal hier schon so viel darüber geschrieben wurde...aber ich bin jedesmal irritiert, wieso heisst diese Rubrik "Wrocław" ?
    Das ist ein deutschsprachiges Forum. Das hat auch nichts mit Nationalismus zu tun. Der webmaster hat sich entschieden diese Sprache zu wählen. Und "Wrocław"heißt im Deutschen nun mal "Breslau". Niemand käme auf die Idee, hier Roma, Praha, Санкт-Петербург (St. Petersburg), Kraków, Warszawaoder Napoli zu schreiben. Beim ehem. Königsberg i. P. sehe ich ein "Kaliningrad" zu schreiben. Die Stadt wurde umbenannt. Aber "Breslau" war auf Deutsch immer "Breslau" und im Polnischen immer "Wrocław".

  • Es gibt viele Verrückte und Verrücktheiten auf der Welt, auch entsprechende tschechische Pläne der Rundumexpansion (wonach auch Vratislav,. ja sogar St. Pölten heute tschechisch wären. Von deutschen Plänen oder Konzepten wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht reden). Man braucht doch nicht alles Gesagte ernst zu nehmen. Sicher gibt und gab es in allen Ländern gewissenlose Politiker, denen fremde Völker und ihre Schicksale sozusagen piepegal sind. Auch die polnische Ostexpansion nach dem I. WK war so ein Kapitel.
    Aber schuld sind noch immer die, die das erst ermöglichen. Und das waren die Angloamerikaner (von der Stalinistischen Sowjetuninon abgesehen, der wir aber ohnedies nicht viel Ethik unterstellen. Also gut, Hauptschuldiger war Stalin, zugegeben. Aber für diesen Fehler hat die UdSSR teuer bezahlt, ihre Existenz geopfert).
    Polnische Expansions"pläne" wird es gegeben haben, aber sie waren zweifellos nationalistisches Geschwätz und das geheime Papier, auf dem sie geschrieben wurden, nicht wert. Ganz sicher war darauf der "Verlust" der (nicht sehr) polnischen Ostgebiete nicht vorgesehen. Also kann man nicht sagen, dass diese Entwicklung polnischerseits irgendwie geplant gewesen sei. Auch ein Friedensschluss 1944 (Teilfriedensschluss mit der SU oder eine bedingungslose Kapitulation Ds) hätte diese Entwicklung sicherlich verhindert.
    Im Falle Breslaus, das bekanntlich weitgehend südlich, dh links der Oder und vor allem der Glatzer Neiße liegt, kommt noch das besondere geographische Versagen der Angloamerikaner dazu, die sich von den Russen über den Tisch ziehen ließen und die (gemeinte) Glatzer Neiße mit der Lausitzer Neiße gleichsetzten. Es war eine schicksalhafte Verkettung von Umständen, und am Ende hat Polen einfach nur genommen, was es gekriegt hat. Es war ein totalitäres, von einem schrecklichen Krieg gezeichnetes Land, von welchem unter den gegebenen Umständen nichts anderes zu erwarten war.
    Die Hauptschuld liegt bei den Gehirnen in New York und London, die das ausgedacht und umgesetzt haben, bei unfähigen und gewissenlosen Verhandlern, bei Staatsmännern, die diese Bezeichnung nicht verdienen und völlig der Heuchelei verfallen sind. Diese Leute haben übrigens auch die Polen konsequent belogen und getäuscht.
    Zur Namensfrage:
    Die genannten Beispiele (Florenz, Peking, Warschau...) sind alles Exonyme.
    Wer so argumentiert, behandelt "Breslau" als Exonym für das polnische Wroclaw. Wer will wirklich so argumentieren und damit die Existenz und Identität Breslaus leugnen? Breslau ist 1945 untergegangen, an seiner Stelle steht heute die Stadt Wroclaw. Ich halte es für wirklich diskussionswürdig, ob man zu dieser Stadt auf deutsch Breslau sagen sollte, zumal damit eine ganz andere Stadt gemeint ist. Ich kenne einen (durchaus heimatbewussten) Schlesier, der diese Auffassung teilt.
    Ich habe den Eindruck dass alle, die sich hier über den Strangtitel ärgern, noch nie in Breslau, pardon Wroclaw gewesen sind.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich finde man muss in diese Namensdiskussion gar keine Besitzansprüche reininterpretieren. Prag war auch mal eine Stdt mit einer nahezu deutschen Mehrheit, sogar mehrfach Residenz des röm.-dt. Kaisers. Keiner wittert Rückwärtsgewandtheit oder Besitzansprüche dahinter wenn man "Prag" sagt. Die Entscheidungen von Potsdam 1945 hatten ihre Ursache und sind Geschichte. In Schlesien und Breslau leben seit 70 Jahren Polen, die oft ähnlich vertieben wurden wie die dt. Schlesier. Das ist ein Fakt der Geschichte. Ein Fakt ist aber auch das diese Stadt im Deutschen Breslau heisst. Mit solchen politischen Überkorrektheiten (Verwendung der polnischen Varianten der Städtenamen im Deutschen) und Inkonsequenzen (vgl. Prag) verschwendet man nur Kraft und Aufmerksamkeit, die man besser in Volkerverständigung und den Kampf gegen wirkliche Probleme stecken sollte. Man macht sich auch unglaubwürdig, weil keiner mehr hinhört wenn man diesbezüglich; wirklich mal was Mahnendes zu sagen hat, weil viele nur genervt sind von dieser Überkorrektheit. Es geht nicht um Politik oder Geschichtsbilder. Es geht um eine entspannte, korrekte Verwendung eines Stästenamens.

  • Das Sprachthema ist ein Thema, das schon sehr ausführlich hier diskutiert wurde: Debatte zu deutschen Ortsnamen ausgehend von Karlsbad - bitte ggf. dort weiterdiskutieren.

    Auf das Thema der Westexpansion bin ich vor Jahren mal eher zufällig durch die Lektüre eines uralten, antiquarisch bezogenen Buchs von Janusz Piekałkiewicz gestoßen, der basierend auf Originalquellen die Meinung vertrat, Polen hätte die Spannungen von 1939 bewußt eskalieren lassen, um in Verkennung der eigenen militärischen Leistungsfähigkeit* die Westexpansion umzusetzen. Ob das stimmt, kann ich mangels polnischer Sprachkenntnisse nicht beurteilen, auf jeden Fall ist der Autor als Angehöriger des polnischen Widerstands sicherlich "rechter" Tendenzen unverdächtig.

    Auch Wikipedia gibt hier einiges her, beispielsweise http://de.wikipedia.org/wiki/Polnischer_Westgedanke oder http://de.wikipedia.org/wiki/Roman_Dmowski

    *wobei entgegen der allgemeinen Ansicht ja auch die Wehrmacht einen extrem niedrigen Motorisierungsgrad aufwies und 1939/40 fast keine brauchbaren Panzer besaß

  • NOCHMALS...es sollte gar nicht um Geschichtsbilder, Geschichtsdeutungen usw gehen. Ich weiß auch, dass das Thema hier endlos diskutiert wird, aber mich persönlich nervt dieses über das Zielhinausschießen etwas und auch sprachlich empfinde ich es als falsch.

    einfach nicht so viel in einen stinknormalen Städtnamen reinprojizieren:

    in der polnischen Sprache heisst diese heute unbetritten polnische Stadt Wroclaw in der deutschen eben Breslau...wie Roma und Rom...wie Praha und Prag....wie Krakow und Krakau...wie Lisboa und Lissabon

  • Ich stimme mit deinen ersten Sätzen völlig überein, Kurprinz, aber nicht mit dem letzten. "Breslau" ist eine offizielle Bezeichnung für etwas, das es nicht mehr gibt, aber nie und nimmer ein Exonym wie Lisboa.

    Das Thema der ponischen Ostexpansion ist natürlich interessant und diskussionswürdig. An und für sich muss man aber sagen, dass die Idee schiefgegangen ist, denn der Verlust von Lemberg, dh die sog. Ostverschiebung war keinesfalls vorausberechnet.
    Woran ich glaube und was auch ziemlich gesichert erscheint ist folgendes:
    Chamberlain wollte den Krieg nicht. Am Kriegsausbruch trägt der deutsche Widerstand schwere Mitschuld, da er sein Versprechen, im Falle des Kriegsbeginns sofort einen Putsch gegen Hitler zu inszenieren, nicht einlöste. Dafür gibt es mW belegte Aussagen des poln. Botschafters in Berlin, der fröhlich prognostizierte, dass Polen mit Hilfe dieser Aufständischen in den nächsten Tagen locker in Berlin einmarschieren würde.
    Das passt da irgendwie hinein. Ich glaube aber nicht, dass man polnischerseits bei den Expansionsplänen an völlige Vertreibung gedacht hat, sondern eher an ein Szenario, das sich in Ostgalizien und auch WEstpreußen und Oberschlesien durchgesetzt hat, dh Polonosierung unter grundsätzlicher Koexistenz.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ich will das hier nicht ins Endlose führen.... klar ist das Thema interessant und diskussionswürdig....das hat aber Meinung nach gar nichts mit der Verwendung von deutschen Namen für die ehemals deutsch besiedelten Städt im Osten zu tun....es ist eine rein sprachliche Frage:

    Wrocław war schon sehr lange der polnische Name für eine Stadt, die im deutschen Breslau genannt wird...

    die Namen sind synonym zu setzen...

    anderes bei Königsberg oder Konstantinopel
    Kaliningrad/Istanbul ist vom Wort her nicht gleich Königsberg/Konstaninopel...das sind richtige Umbenennungen.

    Kurzum, mir geht es um eine Entideologisierung und Versachlichung des Themas..erstmal ist es nur ein sprachliche Frage und insofern durchaus mit Lissabon/Lisboa vergleichbar

    aber lassen wir das und produzieren hier nicht weiteren Datenmüll...ich hoffe es ist klar geworden um was es mir geht...

  • Wie sieht es eigentlich mit allfälligen Rekonstruktionen in Breslau aus? Weiss da jemand von irgendwelchen möglichen Projekten? Die Polen sind ja für eine überraschende Reko immer gut (siehe Rathaus in Leobschütz oder den Schweidnitzer Rathausturm).

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.