Ägypten: Rekonstruktion des Leuchtturms von Alexandria

  • Auf dieses Thema bin ich gerade gestoßen: In Ägypten ist allen Ernstes geplant, den in der Zeit des Hellenismus gebauten ca. 150 Meter hohen Leuchtturm von Alexandria zu rekonstruieren. Das soll Teil einer Kulturoffensive sein, die als Reaktion gegen Islamismus gilt, aber wohl v.a. als eine ideologische Maßnahme der neuen Machthaber zu werten ist. Laut Artikel befindet sich das Ganze sogar schon in der Genehmigungsphase.

    Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuill…rue#pageIndex_2

    Oh, ich sehe gerade, das war auch vor 6 Jahren schonmal durch die Presse gegangen:

    Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wissen/archaeo…en/1573104.html

    Einmal editiert, zuletzt von Vitruv (1. Juni 2015 um 22:12)

  • Wie will man den Leuchtturm denn rekonstruieren, wenn man keine genaue Ahnung hat wie er ausgesehen hat. Ein Leuchturm für den Tourismus, der nichts mit seriöser Rekonstruktion zu tun hat. Jetzt darf ich auch mal gegen Disneyland sein... :computer:

  • Weil der Leuchtturm bis ins hohe Mittelalter noch in Überresten gestanden hat, gibt es zahlreiche Abbildungen. Außerdem gibt es zahlreiche erhaltene Steinquader. Unterm Strich ist es dennoch ein sehr schwach dokumentiertes Bauwerk. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Tendenziell bin ich auch eher dagegen.

  • Ich bin tendenziell dafür. Allein schon die Signalwirkung, dass eine unislamische Ikone in einem islamischen Land wiedererrichtet werden soll begeistert mich. Mit diesem Projekt könnte Ägypten wieder ihr Image als Touristisches Ziel aufpolieren und so ihren wichtigsten Wirtschaftszweig wieder richtig reanimieren.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Wenn die Forschungen schon soweit ist, dass man den Aufbau des Turms und das Material aus dem er bestand, ungefähr bestimmen kann bzw. laut Bericht beim Material sogar sehr exakt, dann ist das definitiv ein positives Signal. Alte Architektur ist das, was die Welt in Zeiten von Betonhausblöcken braucht. In dem Fall würde ich sogar vom "Neuen Leuchturm von Alexandria" sprechen, da man davon ausgehen kann, das ein exakter Wiederaufbau nicht möglch sein wird, was das innere des Leuchtturms betrifft. Bei den Meisten die eher dagegen sind, würde ich denken, dass das an dieser historischen, mytischen, heroischen Anmutung des Baus herrührt, die nicht greifbar scheint und auch nicht greifbar sein kann. Fast so wie bei einer bildlichen Darstellung von Gott im Islam oder Judentum.

    Jetzt darf ich auch mal gegen Disneyland sein... :computer:

    Njaaaa... da würde ich den Begriff "Disneyland" mit Bezug auf Rekos mal näher erläutern. Ich verstehe darunter die Aussage, das ein Gebäude errichtet wird, was nur zur Kulisse irgendwo in irgendeinen Themenpark o.ä., wo es keine gesellschaftliche, alltägliche Einbindung besitzt, dient. Ich denke das wird eher weniger der Fall sein.

    Das Projekt hat/hätte schon eine gewisse, wie soll man sagen... Unglaublichkeit. Eine abstrakte und schöne Vorstellung zugleich, der ich positiv gegenüberstehe. Man sollte nicht etwas ablehnen, nur weil es nicht steinalt ist, wir sind hier doch schließlich bei architectura pro homine und nicht beim Deutsche Archäologen e.V. :smile:

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    Einmal editiert, zuletzt von Fusajiro (3. Juni 2015 um 10:53)

  • In Ägypten ist allen Ernstes geplant, den in der Zeit des Hellenismus gebauten ca. 150 Meter hohen Leuchtturm von Alexandria zu rekonstruieren.


    Laut dem zweiten Artikel waren´s nur 120 Meter, jetzt hat mich das Ganze zum Interessieren angefangen, wie hoch er denn wirklich war, und ich habe die Seite gesucht, die der faule Nachforscher für gewöhnlich als erstes aufschlägt, wo als Höhenangabe steht: 115-160 Meter. Eine Zahlenmenge, deren obere Hälfte mir nicht ganz glaubwürdig erscheint und die wiederum beweist, wie wenig man über den Turm doch weiß. Für mich klingt das also nach wie vor nach Disneyland bzw. jetzt kann man ja auch schon sagen Dubai oder Baku.

    Grundsätzlich wäre es ja ein recht tolles Projekt, vor allem sehr aussagekräftig. So etwas würde sicher gewaltig durch die Medien gehen und den Stellenwert historischer Architektur in der arabischen Welt fördern. Aber es wäre nur nach ausgiebigen Nachforschungen und mit originalen Materialien sinnvoll, wenn es in Disneyland ausartet, was ich befürchte, nein danke!

  • Muss denn dieser pauschalisierende, niveaulose Kampfbegriff der Linksalternativen echt auch in diesem Forum sein? Ich kann den Disneyland-Vorwurf einfach nicht mehr sehen. So abgedroschen...
    Es gäbe genug zu kritisieren, aber nicht so billig bitte.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Es nützt niemandem irgendetwas, polemische Begriffe wie "Disneyland" auch noch politisch zu beladen ("linksalternativ"). Unser aller Liebe zu historischer Architektur hat doch absolut nichts mit unseren politischen Vorstellungen zu tun.

  • Worte, Worte...
    Aber der Haupteinwand Steinbloßens war ja dieser: wenn man nicht einmal weiß, ob der Turm 116 oder 160 m hoch war, was weiß man dann eigentlich, und was um alles in der Welt will man - "rekonstruieren"?
    Ich finde, er hat recht. Das ist schon eine Schnapsidee, die man mit einer Disneyschen Phantasiewelt in Verbindung bringen kann.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Na ja, Disneyland hin oder her, es ist doch so ähnlich wie die Kaiserpfalz von Goslar, die unter Kaiser Wilhelm "rekonstruiert" wurde. Im beiden fällen ist der Hauptgrund ein politisch-ideologischer. Schöner wäre es doch, wenn man eine bessere Begründung hätte. Z.B. dass sich eine Bürgerinitiative dafür einsetzt, die auf den Kontakt verschiedenster Völker und Kulturen während des Hellenismus hinweisen möchte.

  • Vielleicht sollte man gleich auch noch den Koloss von Rhodos rekonstruieren, der ist doch bestimmt sehr genau dokumentiert. Und falls Ägypten in ein paar Jahren nicht mehr nur ein islamischer Staat ist, sondern auch von selbigem erobert worden ist und beherrscht wird, wird es eines Tages weitere Weltwunder der Antike zum Rekonstruieren geben: Die Pyramiden von Gizeh - ein paar Jahrzehnte, nachdem der IS sie gesprengt und geschreddert und die Brocken nach Dubai verkauft hat, wo damit weitere künstliche Inseln für reiche Nichtstuer aufgeschüttet werden.