Bremen - Kornhaus

  • Die folgenden Abbildungen sollen die Bedeutung der Kornhaus-Südfassade für das Fluß-Panorama Bremens herausarbeiten und zudem verdeutlichen, wo genau die rekonstruierte Fassade heute aufragen würde.

    Weser-Ansicht der Altstadt von Westen. Am linken Rand kommen die westliche Längsfront sowie der Südgiebel des Kornhauses ins Bild. Das ‚Pendant’ am rechten Bildrand wird übrigens von der Baumwollbörse gebildet.

    Eine - leider fürchterlich schlecht kolorierte – Ansicht aus etwas anderer Perspektive. Offenbar wurde das Kornhaus und sein direkter östlicher Nachbar (also die Häuser Langenstraße Nr. 75 und 76) zur Zeit, als diese Postkarte verschrieben wurde, von der Tabakfabrik ‚Vogelsang’ genutzt – zumindest wenn man der handschriftlichen Aufschrift Glauben schenken darf.

    Blick von Ost nach West auf das westliche Ende der Schlachte (letztere endet vier Häuser östlich vom Kornhaus) und die Weserfront der Steffensstadt. Der Betrachter steht auf der damaligen Kaiserbrücke (deren heutiger Nachfolgebau die Bürgermeister-Smidt-Brücke ist).

    Vergleich der Vorkriegssituation mit der Gegenwart, der offenbart, wie tiefgreifend sich seit den 30er Jahren die Ufersituation der Weser an dieser Stelle verändert hat. Die ehemals vier Häuser vor dem Kornhaus endende ‚Schlachte’ ist ein westlich bis zur ‚Diepenau’ durchgezogener Straßenzug geworden. Südlich desselben befindet sich ein breiter baumbestandener Fußweg, der an die neue Kaimauer grenzt. Südlich derselben liegt eine - raumgreifende Uferpromenade, an welche sich die eigentliche Uferböschung mit den Schiffsanlegern anschließt. Das Material für diese gewaltige ‚Landverbreiterung’ besteht überwiegend aus dem Trümmerschutt der zerstörten Altstadt. Allerdings wurde bei einer nochmaligen Verbreiterung der Uferpromenade vor einigen Jahren natürlich anderes Aufschüttmaterial verwandt.

    Diese Gegenüberstellung macht sehr deutlich, daß dort, wo das Kornhaus ehemals direkt an die Weser grenzte, heute die Straße ‚Schlachte’ verläuft.

    Blick die ‚Schlachte’ entlang von West nach Ost auf den heutigen Platz ‚Fangturm’. Dort wo sich heute die beiden großen Ahorne – die in der Flucht der Gebäude stehen – befinden, ragte die Südfassade des Kornhauses auf. Eine Rekonstruktion dieses Baus würde also in keiner Weise in den Straßenverlauf der ‚Schlachte’ störend hineinragen !

    Blick von Westen auf die neue Beton-Kaimauer südlich des Kornhauses.

    Blick von Süden auf denselben Bereich. Die Südfassade des Kornhauses würde nicht auf der Kaimauer, sondern deutlich hinter derselben stehen. Selbst die den Fußweg flankierenden Ahorne könnten daher im Zweifel bleiben. Lediglich die den als Parkfläche genutzten ‚Fangturmplatz’ bestehenden Bäume müssten weichen.

    Blick von der Neustadt über die Weser auf das Areal.

    Der Kartenabgleich faßt die Veränderungen nochmals zusammen: Die farbige Stadtkarte von 1938 wird hierbei durch eine lediglich in ihren schwarzen Umrißlinien eingefügte Karte aus den 1980er Jahren überlagert. Hier sieht man nochmals sehr deutlich wie weit sich das Wasser vom Standort des Kornhauses entfernt hat und wie bündig dessen Südseite mit dem Südende des heutigen Fangturmplatzes und damit der Nordseite der ‚Schlachte’ abschließt.

    Und nun noch einige Ansichten zur Rekonstruktion der ‚Flußseite’ des Gebäudes:

    Frontalansicht vor dem Kriege (von der Neustadt aus).

    Vergleich des jetzigen Zustandes mit dem vor der Zerstörung.

    Ist-Zustand

    Wirkung einer Rekonstruktion des Kornhauses und des Nachbarhauses Nr.76. Diese Lösung würde mir nicht nur deshalb gut gefallen, weil sie die Bebauungslücke in urbaner Weise schließt, sondern weil sie auch mit dem ‚kleinen Fangtürmchen’ an Nr. 76 an den historischen Stadtmauerturm erinnert (auch wenn der Standort dieses historistischen Appendix zu Nr. 76 natürlich leicht vom Standort des richtigen Fangturmes abweicht).

    Alleinige Rekonstruktion des Kornhauses.


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (17. April 2015 um 10:44)

  • Ganz herzlichen Dank, Heimdall. Ihr Lob freut mich sehr.

    Sie haben auch vollkommen recht damit, daß Bremen jede nur erdenkliche Unterstützung brauche kann, um auch nur einen Teil seiner früheren Anmut zurückzuerlangen.

  • Aus Anlaß des 50. Jahrestages der Zerstörung des Kornhauses erschien am 16. Julli 1994 in den 'Bremer Nachrichten' ein Artikel von Nils Aschenbeck, der viele Hintergrundinformationen zum Kornhaus und dessen Sinngehalt auflistet. Da ich diesen für sehr lesenswert halte, möchte ich ihn dem Forum nicht vorenthalten:

    (Falls er trotz 'Anklickens' nicht größer - und damit lesbarer -werden sollte, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis.)


  • An dem aus rekonstruierten Teilen des Essighaues, dem translozierten und verballhornten Giebel der Sonnenapotheke und diversen sonstigen Spolien gebildeten Gebäudekomplex direkt westlich der Stadtwaage ist - in Augenhöhe für Passanten - eine Metalltafel angebracht, welche in Reliefdarstellung sechs historischen Fassaden mit dem Untertitel „Häuser in der Langenstraße im Siebzehnten Jahrhundert“ präsentiert. Die Installation der Tafel gerade an diesem von ‚schöpferischer Denkmalpflege’ geprägten ‚Spolien-Konglomerat’ legt die Vermutung nahe, daß es ihr Zweck sein soll, die Erinnerung an die einst gerade in der Langenstraße hohe Giebelhausdichte wachzuhalten. Die dafür gewählten Fassadenbeispiele sind jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch:
    Zunächst hätte man sich angesichts des knappen zur Verfügung stehenden Raumes der Abbildung von existenten Bauten enthalten sollen (die Darstellung des Essighauses ist allerdings in Ordnung, denn obwohl seine Erdgeschoßzone rekonstruiert wurde, fehlen heute die übrigen drei Viertel der Fassade). In die Rubrik der überflüssigerweise Abgebildeten zählen das Haus von Suding & Soeken, sowie die Stadtwaage denn beide sind im Straßenbild noch erlebbar und nehmen somit zwei nicht mehr existenten Fassaden die Möglichkeit, der Vergessenheit entrissen zu werden. Einer der auf diese Weise ‚verprellten’ Kandidaten ist natürlich das Kornhaus.
    Sodann erweckt die Tafel – insbesondere an diesem erst als Folge des Zweiten Weltkriegs entstandenen Gebäudekomplex - beim unbedarften Betrachter die Vorstellung, daß diejenigen auf der Tafel zu sehenden Gebäude, welche heute nicht mehr existieren, alle in den Jahren 1939 – 1945 zerstört wurden. Dem ist aber nicht so, denn das ‚Haus Schütte’ (mit der Hausnummer 126) mußte bereits zur Jahrhundertwende einem Neubau weichen.
    Desweiteren ist der Untertitel etwas seltsam formuliert. Denn einerseits ist seine wörtliche Deutung ziemlich banal (‚diese Häuser standen im 17. Jahrhundert in der Langenstraße’) und andererseits kann seine Interpretation zu vollkommen irrigen Schlussfolgerungen führen, wie der Annahme, die dargestellten Gebäude wären bei Ablauf des Jahrhunderts schon wieder verschwunden gewesen oder der Vermutung, alle seien erst im besagtem Saeculum entstanden, was für die Stadtwaage ja eindeutig nicht zutrifft. Vielleicht waren sich die Auftraggeber der Tafel der letzteren Tatsache nicht bewußt und konnten somit – in ihren Augen vollkommen korrekt – durch die Beschränkung auf das 17. Jahrhundert, auf die Abbildung des bekanntermaßen im 16. Jahrhundert errichteten Kornhauses verzichten.
    Beim Betrachten der ‚Dislozierung’ der abgebildeten Fassaden im Verlauf der Langenstraße fällt schließlich auf, daß man zwar sehr genau darauf achtete beide Straßenseiten in gleicher Zahlenstärke zu repräsentieren (es sind jeweils drei Gebäude der Nord- und der Südseite abgebildet), daß sich aber alle Gebäude in der östlichen Hälfte des Straßenzuges befinden. Ich finde, es hätte der Gedenktafel gut angestanden, mit dem Kornhaus zumindest einen Vertreter der westlichen Straßenhälfte abzubilden.

    Nach allem kann man sich hier des Eindrucks nicht erwehren, daß bei der Konzipierung der Erinnerungstafel die Prämisse im Hintergrund stand, eine Darstellung des Kornhauses tunlichst zu vermeiden ! Die Römer nannten so etwas ‚Damnatio Memoriae’….

    Hier die 'Erinnerungstafel' - 'blanko'

    Hier die 'Erinnerungstafel' - mit Erläuterungen
    (Gelbe Umrandung: Heute existent; grüne Beschriftung: bei Beginn des 2. Weltkriegs vorhanden; blaue Beschriftung: bis zur Jahrhundertwende vorhanden)


    In der Folge noch einige Abbildungen der dargestellten Häuser (in der Reihenfolge wie sie auf der Tafel erscheinen; links jeweils die Abbildung auf der Tafel:)


    Essighaus

    Meier’sches Haus

    Suding & Soeken

    Haus Nr.124

    Haus Schütte

    Stadtwaage

    Zum Abschluß dann doch noch eine Darstellung der Langenstraßen-Fassade des Kornhauses. Diese ist dem Werk ‚Bremen und seine Bauten 1900’ entnommen.

  • Hier noch eine kleine Zusammenschau mehrerer Ansichten, die belegt, aus welch kümmerlichen Resten sich Stadtwaage und Erdgeschoß des Essighauses wieder emporschwangen und wie der - im Verhältnis zu den Rudimenten der besagten beiden Gebäude (selbst nach dem Sturm noch) - stattlichen Ruine des Kornhauses die Auferstehung verweigert wurde....

    Da kann man sich nur in Unverständnis und Empörung an den Kopf fassen !

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (18. April 2015 um 10:49)

  • Zumindest der Giebel des Essighauses und das Kornhaus sollte man rekonstruieren, da diesen Rekonstruktionen nichts im Wege steht. Die Speicherhäuser um das Kornhaus und an der Weserfront der Steffenstadt wären heutzutage ein großartiges Flächendenkmal gewesen und als solches auch eine der größten Sehenswürdigkeiten Bremens. Weitere Rekonstruktionen sind hier aber sowohl funktional wie städtebaulich nicht realistisch, u.a. wegen der heute zur Weser hin vorgelagerten Straße. Zum Glück erinnern heute noch einige Häuser an der Schlachte auch nach dem Wiederaufbau an die früheren Speicher.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ersteinmal vielen Dank für die vielen Informationen.

    Ich finde es ja mit mit Sicherheit wünschenswert, Gebäude zu rekonstruieren, gerade in Bremen. Natürlich liegt das Problem in der Umsetzung. Konkret in der Frage: wer macht's? Ich glaube, ich habe das hier am Beispiel des Essighauses schon mal durchgespielt. Man müsste zunächst auf den Eigentümer zugehen, in diesem Fall eine Bank. Dann müsste man einen Architekten finden, dann auf den Denkmalschutz zugehen, dann Sponsoren finden, die Öffentlichkeit informieren/begeistern etc., etc., für das Kornhaus bräuchte man noch ein Nutzungskonzept und müsste das extrem teure Grundstück kaufen. in jedem Fall wäre es eine Heidenarbeit, die für einen Berufstätigen nebenbei nicht zu bewerkstelligen ist. Machen könnte das alles eigentlich nur jemand mit Zeit und Geld, Kontakten in Bremen und der Fähigkeit, andere Menschen zu begeistern. Der wäre zu finden.

  • kümmerlichen Resten sich Stadtwaage


    Die Stadtwaage sah aber nach der Zerstörung wohl noch so aus:


    Die Ruine wurde dann wohl später (im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau ?) weiter abgetragen.


    Das ändert natürlich nichts daran, dass auch die Ruine des Kornhauses hätte wiederaufgebaut werden können.

  • http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1119291.html

    Das beigefügte Bild war heute im Weserkurier. Dort ist es etwas größer, vielleicht bekommen es Interessierte hin, den Link zu vergrößern. Wir sehen über den Teerhof und die Weserbebauung zum Faulenquartier zum Kriegsende. Irgendwo stehen hier auch die Reste des Kornhauses, die kann ich aber nicht erkennen. Der Punkt ist für mich aber (ich habe eine so gute Aufnahme dieses Areals zum Kriegsende noch nicht gesehen), dass die Weserbebauung eigentlich noch phantastisch ausgesehen hat, ich würde mal sagen, locker 2/3 der Gebäude sind gut erhalten oder wären zumindest wieder aufzubauen gewesen. Und hiervon steht heute mit Ausnahme des Gebäudes rechts außen mit den beiden Giebeln so gut wie nichts mehr. Da musste dann nach dem Krieg noch einiges weg, ein Gebäude in die Stadt gehend links am Ende der heutigen Brücke wurde noch um 2004 abgerissen.

    In der Bildmitte oben steht noch eine gut erhaltene Kirche an der Bahnlinie nach Norden, von der ich noch nichts wusste, die wurde dann parallel zur Remberti-Kirche an der anderen Stadtweite auch noch irgendwann entsorgt. Links hinten kann man das grotesk zerstörte Bremen-Walle in Hafen/Werft-Nähe erahnen. Zu 100 % kompletter Totalverlust. Wir denken an Heribert Faßbender. Das Spiel steht immer noch unentschieden, torlos, null zu null.

  • Ein wunderbares Thema. Vielen Dank für die tollen Beiträge, denen ich alle einen Daumen hoch geben würde.

    Es müssten sich in Schwerpunktstädten Ortsgruppen bilden, die vor Ort die relevanten Kontaktpersonen und Ansprechpartner kennen.

    Im Idealfall sieht es so aus:

    1. Wir / dieses Forum erbringt die Strategie, die Leitidee, dass viele Städte durch Rekonstruktionen für alle ein Gewinn ist.
    2. Wir schlagen Ideen und Städte vor, wo es Rekonstruktionspotential gibt.
    3. Ortskundige Personen bringen internes Material ein, können konkreter sagen, was eine Stadt bewegt, wo es sich lohnen würde, die erste Rekonstruktion hochzuziehen.
    4. Haben wir ein konkretes Projekt, einen Startschuss für eine Stadt, ein "Leuchtturmprojekt" im Blick, informieren wir uns en detail, welche Kontaktpersonen wir benötigen. Wir bilden eine Ortsgruppe, holen Leute ins Boot, die die Idee mittragen und als Multiplikatoren weitere Leute begeistern können. Wir versorgen die Ortsgruppe mit relevanten Daten wie: Grundstückseigentümer, Denkmalpflege, Finanzierung.
    5. Wir und die Ortsgruppe stellen eine mögliche Realisierung der Öffentlichkeit vor und zeigen, was geht: Wie sah die Stelle vor dem Krieg / der Zerstörung aus, wie sieht sie heute aus, wie sieht sie zukünftig aus. Wir werben massiv für unser Anliegen und holen weitere Unterstützer ins Boot. Bspw. Investoren, die die dort u.U. geschaffenen Wohnungen erwerben oder vermieten, ein Ladenlokal im Erdgeschoss eröffnen etc. Für die Stadt / das Land ist es eine hervorragende Werbemaßnahme, ebenso für die Politik. Es wird etwas getan, Taten zählen mehr als Worte. Bestimmte Leute können sich mit dem Projekt profilieren.
    6. Wir, und da spreche ich einfach mal für uns, wollen einfach nur, dass die Stadt so aussieht, wie sie Jahrhunderte lang ausgesehen hat. Wer letzten Endes den "Ruhm" bekommt, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir uns als Initiatoren beweisen und dies auf weitere Städte abstrahlt.
    7. Haben wir einmal so ein Projekt durchgebracht, sind die wesentlichen Prozesse bekannt und wir sind bei der Ausarbeitung jeder Schritte effizienter. Umso öfter wir ein solches Projekt ins Leben rufen, desto schneller und bekannter sind wir beim nächsten Projekt.

    Als Alternative:
    Wir machen einen Investitionsfonds auf. Durch Gründung eines Vereins etc., durch Spenden, um so einen Großteil einer benötigten Rekonstruktionssumme zu erlangen. Hätten wir z.B. 1 Million € als Investitionsvolumen zur Hand, können wir ein ausgesuchtes Grundstück erwerben und sind am Verhandlungstisch mit der Stadt etc. deutlich länger am Hebel, können viel mehr Wünsche und Ideen verwirklichen, als wenn wir finanziell zu 100% von Investoren abhängig sind. Da wir über diese Summe noch ;) nicht verfügen, sollten wir wie oben angegeben vorgehen.

    Was jeder machen kann: Im Freundes- und Bekanntenkreis werben, werben, und nochmals für Rekonstruktionen und intakte Altstädte werben.
    Beispiele aufzeigen: Fachwerkhaus in der Altstadt neben 70er Jahre Matratzenladen und fragen, wieso man diese Bausünde gebaut hat und wieso das Bild so verschandelt wird. "Ist es nicht möglich, das Fachwerkhaus, was vorher dort stand, wieder aufzubauen? Es existiert doch gerade solch eine Wohnungsnot in Innenstädten - wäre eine konzentrierte dichte Bebauung wie vor dem Krieg nicht ein Gewinn für uns alle, besonders für die, die gerne in der Innenstadt wohnen wollen, aber keinen Mietraum finden?"

    Den meisten Leuten fehlt die Vision, dass so etwas wundervolles wie in Prag überall in Deutschland möglich ist und zumeist vor dem Krieg auch war - nämlich eine intakte Altstadt. Die Leute brauchen aber Bilder, keine Worte. Und die Leute brauchen Taten, keine Bilder. Von daher ist es unglaublich wertvoll, ein "Leuchtturmprojekt" in irgendeiner Stadt (natürlich möglichst bedeutende Stadt) von A bis Z durchzuspielen und am Ende eine wunderschöne Rekonstruktion zu zeigen.

  • Spellenberg-Studie

    Architekt Axel Spellenberg hat eine Entwurfs-Studie für einen - leicht modifizierten - Wiederaufbau des Kornhauses entwickelt, deren entwaffnend schöne Bilder eigentlich jeden Skeptiker überzeugen sollten !
    Die folgenden Erläuterungen sind wortwörtlich seinem Konzept entnommen.

    Bild 1 Vogelschau

    Bild 2 Lageplan


    Wenn es eine realistische Option für eine Reko geben soll, dann muß der Abstand zwischen den bestehenden Gebäudefronten (Wohn- und Geschäftsbauten) und dem Kornhaus ausreichend dimensioniert sein, denn das Kornhaus ist 14,80 Meter breit. Auch kann der Bau nicht als Riegel zur Weser vorgeschoben werden, die Schlachte muß durchgängig erhalten bleiben. Um dies zu gewährleisten, wird die ursprüngliche Gebäudelänge von 52,50 Meter im Mittel auf ca. 49,50 Meter gekürzt. Das fällt visuell nicht weiter ins Gewicht, denn der Bau ist mit knapp 50 Meter Länge noch sehr ausgedehnt. Entscheidend ist die originalgetreue Reko der beiden Renaissancefassaden, nicht die originale Länge der weniger bedeutenden Längsfronten, auch nicht die historisch getreue, exakte Lage des Kornhauses, die aufgrund der Nachkriegssituation nicht mehr herstellbar ist. Nach Norden ist die Distanz zwischen den Wohnbauten und Kornhaus etwas größer, hier kann auf einer Fußgängerfläche der Bauernmarkt stattfinden (s. auch Bild 5). Ersatzweise für zu fällende Bäume werden hier 5 neue Bäume gepflanzt, die neue Gasse Fangturm bleibt als Einbahngasse dem Auto offen.
    Eine Option wäre auch die Bebauung Ecke Langenstraße/Fangturm, das ist ein echtes innerstädtisches Baugrundstück. Hier könnte eine Tiefgarage wegfallende Stellplätze kompensieren.

    Bild 3 Grundrisse, Querschnitt , Raumansicht Markthalle


    Die Grundrisse zeigen die trotz Kürzung noch immer große Gebäudeausdehnung. Die rot gefüllten Flächen markieren die historische Ziegelverklinkerung, dahinter sind neue, großformatigere Mauerwerkssteine mit innenliegender Dämmschicht. Die ursprüngliche Holz-Ständerkonstruktion wird aufgegeben, die inneren Stützen sind in Beton, im Erdgeschoß mit Sandsteinplatten ummantelt (s. Raumansicht links oben). Zwei Treppen- und Aufzugskerne erschliessen alle Stockwerke. Die Geschossdecken werden betoniert (Brandschutz), in den Dachgeschossen in Holz ausgeführt. Im Erdgeschoß / Markthalle wird eine abgehängte Holzdecke eingezogen. Der ursprüngliche Keller entfällt, wird aber in einem Rest von etwa 1,20 Meter Höhe dem Erdgeschoss zugeschlagen, dadurch wird die Eingangserschließung zur Markthalle ebenerdig und barrierefrei. Die Markthalle hat dann eine Geschoßhöhe von ca. 4,20 Meter, die Geschoßhöhen darüber sind wesentlich niedriger (2,10 - 2,30 Meter). Daher kann das Gebäude nicht für Wohnungen oder Büros genutzt werden. Es bietet sich am ehesten eine Hotelnutzung mit niedrigen Hotelzimmern als ein besonders altstadttypisches Übernachten in einem ehemaligen Kornhaus an. Die Zimmer könnten reizvoll mit rustikalen Holzvertäfelungen und Sprossenfenstern ausgestattet werden. Besonders reizvoll sind die Suiten an den Kopfenden des Kornhauses, mit den ehemaligen Ladeluken (jetzt Fenster) und den bleiverglasten Fenstern in den Sandsteingewänden. Die großflächigen, ursprünglichen Holzfensterläden der Ladeluken können elektrisch geöffnet oder geschlossen werden (s. Bild 5). Räume für Gäste-Empfang, Restaurant, Frühstück und Küche sind im 1. Obergeschoß.
    Vorstellbar mit diesem Bau, dieser Nutzung, ist das Angebot eines der reizvollsten Hotels in Bremen mit bis zu 150 Betten in bester Altstadt- und Weserlage, interessant jedenfalls für einen innovativen Investor. Vorbild für meine Idee ist das Nyhavn-Hotel in Kopenhagen, ein zum Hotel umgebautes, altes Speichergebäude in bester Altstadthafen-Lage. Dort sind die Räume gebäudebedingt auch ziemlich niedrig und gerade dadurch sehr reizvoll (s. Google).

    Bilder 4 und 5 Ansichten vom Geeren / Schlachte


    Hier erkennt man die neuen, ebenerdigen Eingangssituationen an den Stirnseiten des Kornhauses. Die ursprüngliche, gesamte Gebäudehöhe bleibt dabei gewahrt, nur fehlt zur Weser die Bruchkante, die nicht mehr wiederherstellbar ist. Vom Geeren bietet sich ein geradezu romantisch malerisches Ansichtsbild, hinter dem Kornhaus ist der Eck-Neubau als Backsteinbau zu erkennen. Auf Bild 5 sieht man die Stände des Bauernmarkt und die neu gepflanzten Bäume. Kornhaus, bestehende Wohnbauten und die platzartige Fläche zeichnen auch bei aller unterschiedlichen Architektur und Gestaltung ein einladendes und reizvolles Ansichtsbild.

    3 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (28. Juli 2019 um 13:09) aus folgendem Grund: Löschung der Bilder um nicht mit Urheberrechten zu kollidieren.

  • Das sind sehr schöne Darstellungen. Axel Spellenbergs Überlegungen könnten ein Segen für die geschundene Bremer Altstadt sein. Wegen der in der Tat sehr problematischen Geschosshöhen von nur wenig über zwei Meter müsste man vielleicht alternativ jeweils zwei Geschosse zu einem zusammenlegen, wenn das irgendwie wirtschaftlich darstellbar wäre. Hotelzimmer könnten dann ja auch z. T. als Maisonette angelegt werden.

    Noch eine alte Ansicht, die auch im Eingangsbeitrag dieses Strangs enthalten ist, allerdings in leicht besserer Qualität.

    Bildquelle: Deutsche Fotothek

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (29. September 2017 um 19:52)

  • Vielen, vielen Dank, Pagentorn! Das Kornhaus ist aus meiner bereits mehrfach geäußerten Sicht neben einigen kleineren Projekten (Transposition von Fassaden etc.) sicherlich DAS Leuchtturmprojekt für Rekos in Bremen. Der freie Bauplatz und die (auch finanziellen) Dimensionen machen es geradezu ideal geeignet als Beginn eines hoffentlich erfolgreichen Sinneswandels für unsere Altstadt.

  • Man glaubt heute kaum noch das Bremen eigentlich die Hauptstadt der Weserrenaisscance war, es wäre schön, wenn das mittels diverser Rekos, wie etwa dem Essighaus oder dem Kornhaus wieder deutlich wird.

  • Innenansicht eines Hotelraumes


    Zur Studie von Axel Spellenberg gehört auch eine Innenansicht eines Hotelzimmers, welches direkt hinter der Südfassade gelegen ist. Die große Fensterfront gibt rechts den Blick frei auf eine geöffnete, rekonstruierte Fensterlade, die am originalen Gebäude nächtens die Packluke der entsprechenden Etage zur Weserseite hin verschloß. Ein Hotelraum mit jedenfalls viel maritimen, hansestädtischem Flair !

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (28. Juli 2019 um 13:09) aus folgendem Grund: Löschung der Bilder um nicht mit Urheberrechten zu kollidieren.

  • Kornhaus findet neuerdings wieder Erwähnung


    Anfang des Jahres 2017 wurde die den Grundriß des - vom Kornhaus ja seinerzeit zum Teil überbauten - Fangturms darstellende Bodenpflasterung durch eine beschriftete, metallene Bodenplatte und eine Erinnerungsstele ergänzt, deren Text - man höre und staune - auch das Kornhauses erwähnt. Immerhin ein erster Schritt um dieses verschwundene Gebäude an seinem historischen Standort dem Vergessen zu entreißen !

    Die Lokalpresse berichtet seinerzeit ebenfalls über die Einweihung der beiden Tafeln:

    https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1540338.html


    Bild 01

    Übersicht zu Bodenpflasterung (rot), Gedenkplatte (grün) und Stele (blau).

    Bild 02

    Lage der Gedenkplatte in Bezug zur Pflasterung.

    Bild 03

    Gedenkplatte in der Form des Grundrisses des Fangturms mit der folgenden Beschriftung:

    "FANGTURM - weserseitiger Eckturm der Stadtbefestigung Bremens um 1220".

    Bild 04

    Totale der Stele

    Bild 05

    Die Texttafel der Stele mit der Erwähnung des Kornhauses.

    Bild 06

    Auf der Rückseite der Stele werden die Förderer dieser 'platzgestalterischen Maßnahme' genannt.

    Alle Fotos von mir

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (1. Oktober 2017 um 15:56)

  • Die Studien von Axel Spellenberg erinnern mich an das Hotel Scheelehof in Stralsund, das ebenfalls in mehreren historischen Kontorhäusern untergebracht ist und wahnsinniges Flair hat. Ich kenne jetzt den Bremer Hotelmarkt nicht, könnte mir aber vorstellen, dass die Idee durchaus funktionieren würde - vermutlich aber nur, wenn das Projekt erst (durch einen Verein oder eine Stadt) weitgehend durchgeplant wird und erst dann vergeben wird. Ansonsten wird ein Investor vermutlich schnell Sparmassnahmen ergreifen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)